Rede des Bundesministers der Verteidigung, Dr. Peter Struck,

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Sehr geehrter Herr Präsident!
Meine Damen und Herren!

Die erste inhaltliche Entscheidung, die der 16. Deutsche Bundestag zu treffen hat, ist von großer Bedeutung für die Soldatinnen und Soldaten, die wir in einen gefährlichen Auftrag schicken, für die Sicherheit in der Welt beim Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Gleichermaßen ist der zu fassende Beschluss ein Ausweis für die gewachsene Verantwortung Deutschlands überall auf der Welt. Die Völkergemeinschaft, vertreten durch die Vereinten Nationen, erwartet dies von uns und wir stellen uns dieser Pflicht.

Als Bundesminister der Verteidigung will ich zunächst klarstellen: Militärisches Handeln ist nicht die erste Option. Vor den Soldaten sind die Diplomaten, die Entwicklungshelfer von Regierungsorganisationen und Nichtregierungsorganisationen, die Menschenrechtler, die Weltbank und andere internationale Institutionen gefordert, um gegen die Ursachen von Terrorismus zu kämpfen. Aber danach bleiben Situationen, die nur mithilfe militärischer Mittel gelöst werden können. Genau diesen Ansatz setzt die internationale Gemeinschaft in Afghanistan um. Gesellschaftlicher Wiederaufbau, die Verabschiedung einer afghanischen Verfassung, die Wahlen des Präsidenten und des Parlaments charakterisieren diesen erfolgreichen Weg.

Der Einsatz militärischer Kräfte hat sich über Afghanistan hinaus als unerlässliches Instrument der internationalen Staatengemeinschaft im Kampf gegen diese neue Geißel der Menschheit erwiesen. Der UN-Sicherheitsrat hat am 13. September 2005 mit der Resolution 1623 die Weltgemeinschaft erneut zur Zusammenarbeit aufgefordert, um terroristische Handlungen zu verhüten und zu bekämpfen. Die bisherigen Einsätze von Streitkräften der an der Operation Enduring Freedom beteiligten Staaten haben terroristische Rückzugsgebiete beseitigt, wichtige Transportwege unterbunden und stabilisierend auf die Länder am Horn von Afrika gewirkt. Deshalb hat das Bundeskabinett in der vergangenen Woche entschieden, dass Deutschland, vorbehaltlich der Zustimmung dieses Hauses, weiterhin bis zu 2.800 Soldaten der Bundeswehr und entsprechende Ausrüstung bei der UN-mandatierten Operation Enduring Freedom einsetzen kann.

Im Hinblick auf die Diskussionen in den Fraktionen will ich hinzufügen: Diese Obergrenze wird zurzeit nicht ausgeschöpft. Für die Bundesregierung erkläre ich, dass die Oppositionsfraktionen bei einer Aufstockung des Kontingents auf dem üblichen Weg einbezogen werden. Dies soll auch für die Nachfolgeregierung gelten. Mit anderen Worten: Ich gehe davon aus, dass auch die Nachfolgeregierung bei einer Aufstockung des Kontingents mit den Oppositionsfraktionen darüber redet. Ich denke, ich spreche auch in Ihrem Namen, Herr Kollege Jung.

Auch künftig geht es darum, ein hohes Maß an Flexibilität bei militärischen Maßnahmen im Kampf gegen den internationalen Terrorismus zu erhalten. Nur auf diese Weise kann auf wechselnde Einsatzerfordernisse schnell und angemessen reagiert werden. Je unberechenbarer die Terroristen agieren, umso wichtiger ist es für die internationale Koalition, für glaubwürdige und effiziente Einsätze ein Spektrum militärischer Optionen zur Verfügung zu haben. Das Spektrum der deutschen Aktivitäten im Rahmen von Enduring Freedom bleibt anspruchsvoll: Die Bundeswehr wird sich am Horn von Afrika weiterhin an der Taskforce 150 mit einer Fregatte mit zwei Bordhubschraubern und, wenn nötig, weiteren Marinekräften beteiligen. Diese Region war in der Vergangenheit mehrfach Schauplatz von Attentaten terroristischer Gruppierungen. In den vergangenen zwölf Monaten wurden 749 Schiffe und Boote überprüft. Deutschland hat von Dezember 2004 bis März 2005 erneut den Kommandeur für die internationale Marinestreitkraft am Horn von Afrika gestellt. Eine erneute Übernahme dieser Funktion ist von August bis Dezember 2006 geplant.

Die Bundeswehr wird sich weiterhin auch am bündnisgemeinsamen Beitrag der Marinekräfte der Nato für den Kampf gegen den Terrorismus im Mittelmeer beteiligen. In den vergangenen zwölf Monaten war die Bundeswehr mit einer Fregatte an der Operation Active Endeavour im östlichen Mittelmeer beteiligt, zeitweise zusätzlich mit einem U-Boot. Dabei wurden 653 Schiffe überprüft. Die Bundeswehr hält darüber hinaus einen Airbus A310 und eine Challenger CL601 für luftgestützte medizinische Notfallversorgung durchgehend in 24- beziehungsweise Zwölf-Stunden-Bereitschaft. Zur weiträumigen Seeüberwachung wurden in der Vergangenheit auch Seeluftstreitkräfte eingesetzt.

Deutschland und die Bundeswehr handeln in Solidarität mit unseren Verbündeten und Partnern auf der Grundlage der Beschlüsse des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Dies gilt für die Operation Enduring Freedom, über die wir heute zu entscheiden haben, genauso wie für die deutsche Beteiligung an ISAF, über die wir bereits entschieden haben. Stabilisierungsaufgaben und aktive Terroristenbekämpfung sollten aus politischen, rechtlichen und praktischen Erwägungen weiterhin getrennt bleiben.

Sie alle wissen, dass ich aller Wahrscheinlichkeit nach hier zum letzten Male als Verteidigungsminister rede. Wohlgemerkt: als Verteidigungsminister! Wenn meine Fraktion dies will, werde ich sicher noch öfter das Wort ergreifen.

Deshalb erlauben Sie mir, eine kurze Bilanz meiner Amtszeit als Bundesminister der Verteidigung zu ziehen: Die Bundeswehr ist heute eine Armee im Einsatz; Landesverteidigung findet auch am Hindukusch statt. Selbstverständlich wird die Heimatverteidigung nicht vernachlässigt. Auch dafür werden die Soldatinnen und Soldaten ausgebildet; aber wichtiger sind natürlich die bestmögliche Vorbereitung auf und Ausrüstung für die Auslandseinsätze.

Circa 6.500 Angehörige der Bundeswehr sind heute in Bosnien-Herzegowina, im Kosovo, in Afghanistan und am Horn von Afrika. Deutsche Soldatinnen und Soldaten sind als Militärbeobachter im Sudan, in Äthiopien, Eritrea und Georgien. Sie leisten dort einen wichtigen Dienst und legen Ehre für unser Land ein. Ihr Auftrag ist gefährlich und sie verdienen den Rückhalt des Parlaments und der Bevölkerung.

Die Bundeswehr feiert in diesem Jahr ihren 50. Geburtstag. Sie ist in dieser Zeit entschieden für den Frieden eingetreten und das wird auch so bleiben. Fast 374.000 Frauen und Männer arbeiten in der Bundeswehr und der Wehrverwaltung hier in Deutschland und an vielen Stellen auf der Welt. Ihnen gilt mein besonderer Dank für ihre Leistungen. Ich habe versucht, meinen Teil dazu beizutragen, und danke dem Deutschen Bundestag für die gute Zusammenarbeit.