Rede des Bundesministers der Justiz und für Verbraucherschutz, Heiko Maas,

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Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Die schrecklichen Ereignisse der letzten Wochen haben erneut gezeigt: Terrorismus tötet, und er trifft seine Opfer überall und ohne Unterschied – in Paris, in Kopenhagen, in Syrien, in Libyen. Er tötet Christen, Juden und – das sollten wir nicht vergessen – nicht zuletzt auch Muslime.

Diese Vorgänge zeigen: Wir müssen dort, wo wir besseren Schutz gewährleisten können, ihn bieten. Wir müssen den Menschen helfen, die ganz besonders unter dem Terror leiden. Ganz konkret bedeutet dies – das ist der erste Punkt, um den es heute geht –: Europa darf nicht zum Exporteur junger Terroristen werden, und Europa – das ist der zweite Punkt – darf auch nicht zum Finanzier des Terrors werden.

Die Zahl junger Menschen, die in Krisengebiete reisen, um sich dort terroristischen Vereinigungen wie etwa dem „Islamischen Staat“ anzuschließen, steigt. Das ist nicht nur eine Bedrohung für die Zielländer. Wir müssen damit rechnen – die Erfahrungen zeigen uns das –, dass die jungen Männer – ganz überwiegend sind es Männer – dort weiter verrohen und zu erfahrenen Gewalttätern werden und bei einer Rückkehr nach Deutschland – darum geht es; davon sind uns nicht wenige Fälle bereits bekannt – zu einer Gefahr für unsere freie Gesellschaft werden. Auch die Familien vieler Betroffener erwarten in dieser Situation das Eingreifen des Staates; denn sie wollen ihre Söhne nicht an den Terror verlieren. Wenn selbst muslimische Gemeinden uns auffordern, an dieser Stelle auch gesetzgeberisch tätig zu werden, dann sollte uns das schon zu denken geben.

Unser Gesetzentwurf sieht deshalb vor, die Ausreise unter Strafe zu stellen, wenn jemand das Land verlassen will, um an Terrorcamps teilzunehmen oder sich an terroristischen Auseinandersetzungen zu beteiligen. Es gibt einen klaren Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit – das ist im Übrigen auch eine Folge höchstrichterlicher Rechtsprechung in Deutschland –: die Ausreise oder deren Versuch und vor allen Dingen deren terroristischer Zweck. Diesen Reisezweck nachzuweisen, ist weniger schwierig, als mancher glaubt und mancher in den Raum stellt. Wir kennen mittlerweile viele Fälle, in denen sich verzweifelte Familien, verzweifelte Angehörige, Freundinnen und Freunde bei Polizei und Ermittlungsbehörden gemeldet haben, weil die Betroffenen, die sich aufgemacht haben, auszureisen und teilzunehmen an Kampfhandlungen, etwa des IS, sich eindeutig verabschiedet haben. Es geht nicht um geheime Taten, sondern diejenigen, die das tun, bekennen sich ganz offen dazu. Deshalb wird es auch möglich sein, in solchen Fällen den Zweck der Reise nachzuweisen, was erforderlich ist, um bestrafen zu können. Diese Vorschrift wird greifen.

Der zweite Punkt dieses Gesetzentwurfes betrifft die Finanzierung des Terrorismus. Dafür werden wir einen eigenen Straftatbestand schaffen. Auch bei kleinsten Beträgen, die in die Unterstützung des Terrorismus fließen, werden wir in Zukunft – das konnten wir in der Vergangenheit nicht – lückenlos mit den Mitteln des Strafrechts vorgehen. Ich finde, das ist eine Selbstverständlichkeit. Bedauerlicherweise finanziert sich der Terrorismus weltweit mittlerweile über Geldquellen auf allen Kontinenten. Wir dürfen das nicht zulassen. Wir dürfen vor allen Dingen nicht zulassen, dass mit Geld aus Deutschland Terror und Gewalt in anderen Teilen der Welt finanziert werden. Auch dafür setzen wir diesen Gesetzentwurf heute auf die Tagesordnung.

Es wird in der Debatte sicherlich darauf hingewiesen werden, dass es immer viel Aktionismus gibt, wenn Anschläge geschehen. Ich will gar nicht sagen, dass diese Klage immer unberechtigt war. Aber der Gesetzentwurf, der Ihnen heute vorliegt, ist wirklich keine hastige Reaktion auf die jüngsten Anschläge. Das ist ganz einfach schon daran zu erkennen, dass dieser Gesetzentwurf innerhalb der Bundesregierung schon viel länger beraten wird, nämlich seit September des letzten Jahres, und zwar aus dem einfachen Grund, dass wir eine internationale Verpflichtung umsetzen.

Im vergangenen Jahr hat der UN-Sicherheitsrat die Staaten aufgefordert, ihr Strafrecht anzupassen, um zu verhindern, dass fremde Kämpfer, Foreign Fighters, an terroristischen Aktivitäten wie in Syrien teilnehmen. Für Deutschland hat sich dabei gezeigt: Wir erfüllen bereits jetzt fast sämtliche Vorgaben, die die Vereinten Nationen normiert haben. Nur an einer einzigen Stelle war eine Ergänzung erforderlich. Diese Ergänzung nehmen wir jetzt mit dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf vor.

Es gibt keine Ergänzung oder Verschärfung des Strafrechts, ohne dass es einen besonderen Vorlauf gegeben hat. Die Foreign Fighters, also im Wesentlichen junge Männer, die sich von Europa nach Syrien oder in den Nordirak aufmachen, um dort an Kampfhandlungen des IS teilzunehmen, sind eine Entwicklung, die es vor zwei oder drei Jahren, zumindest in diesem Zusammenhang und so organisiert, nicht gegeben hat. Mit diesem Gesetzentwurf reagieren wir also auf eine Entwicklung, die noch nicht so alt ist und die wir nicht sich selbst überlassen können. Deshalb ist das kein Aktionismus.

Auch der neue Straftatbestand zur Verhinderung der Terrorismusfinanzierung geht auf eine internationale Empfehlung zurück. Auch dies ist ein Thema, an dem wir schon viel länger arbeiten. Wir folgen hier einem Rat der OECD. Dort gibt es die sogenannte Financial Action Task Force, die uns aufgefordert hat, endlich die Strafverfolgung bei Terrorismusfinanzierung, und zwar unabhängig von den Beträgen, also auch bei Kleinstbeträgen, möglich zu machen. Herr Schäuble und ich haben der OECD schon im letzten Jahr in einem Brief zugesagt, dass wir diese Aufforderung umsetzen werden. Das tun wir jetzt, und zwar in Paragraf 89 c Strafgesetzbuch.

Das Strafrecht ist ein wichtiges Instrument, wenn es darum geht, terroristische Gewalt zu verhindern. Aber es ist nicht das einzige. Wir dürfen es auch nicht dabei belassen. Wir müssen uns fragen: Was treibt junge Menschen, die in Freiheit und Frieden aufgewachsen sind und die Segnungen der freien Gesellschaften in Europa genossen haben, dazu, sich brutalen Terroristen anzuschließen? Ist es die Suche nach dem ultimativen Kick? Ist es religiöser Fanatismus? Ist es Rache für echte oder vermeintliche Demütigungen? Was ist es?

Bei der Suche nach den Antworten dürfen wir nicht nachlassen. Wir müssen alles tun, um die Radikalisierung junger Muslime zu verhindern und dafür zu sorgen, dass wir neue Straftatbestände gar nicht erst anwenden müssen. Dabei sind alle gefordert: wir, die Politik, aber auch die muslimischen Gemeinden und ihre Repräsentanten. Gemeinsam müssen wir nicht nur die Köpfe der Menschen erreichen, um dem etwas entgegenzusetzen, sondern auch ihre Herzen, damit letztlich jeder erkennt: Der Terrorismus ist ein Irrweg. Er führt niemals ins Paradies, sondern immer nur ins Unglück.