Rede der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Franziska Giffey,

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Sehr geehrter Herr Präsident!
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!

Heute vor einem halben Jahr habe ich mich von meinen 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rathaus Neukölln verabschiedet und auch von den Bürgerinnen und Bürgern dort. Ich habe versprochen, die Erfahrungen vor Ort nicht zu vergessen und das, was gerade die Menschen in den sozial schwierigen Gebieten in unserem Land erleben und brauchen, nicht aus dem Blick zu verlieren.

Gute Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit. Ich hatte mir vorgenommen, in den ersten Monaten alle 16 Bundesländer zu besuchen. Das habe ich gemacht, in über 200 Vor-Ort-Terminen. Ich bin an Orten gewesen, wo wir als Bund fördern und unterstützen, in Pflegeeinrichtungen, in Kitas, in Mehrgenerationenhäusern, bei unseren Demokratieförderprojekten, bei den Bündnissen für Familie, in den Frauenhäusern. In den Begegnungen ist mir immer wieder bewusst geworden, wie wichtig es ist, dass wir ganz früh anfangen, bei den Kindern, bei den Jugendlichen, die Unterstützung brauchen, um dafür zu sorgen, dass wirklich jedes Kind, egal ob in einem armen oder reichen Elternhaus geboren, seinen Weg machen kann.

Deshalb ist auch das erste Gesetzesvorhaben, das wir in meiner Verantwortung voranbringen, nämlich das Gute-Kita-Gesetz, so ein wichtiger Schritt. Wir werden dabei nicht die eine Lösung für alle voranbringen, sondern es muss danach gehen, wie die Bedarfe vor Ort sind. Einheitliche Standards überall sind dabei nicht das Ziel, sondern es geht darum, die Verbindlichkeit in der Zielsetzung und die Freiheit in der Umsetzung zu garantieren.

Wir wollen – das sage ich denen, die das sicher gleich ansprechen werden – noch im September dieses Jahres das Gute-Kita-Gesetz ins Kabinett einbringen. Wir hatten einen langen Dialogprozess und eine lange Vorbereitung mit den Ländern – umfassend und so, dass die Bedarfe, die in Deutschland sehr unterschiedlich sind, auch wirklich erfüllt werden können.

Wir haben 5,5 Milliarden Euro in der Planung, um tatsächlich überall in Deutschland für mehr Qualität und geringere Gebühren zu sorgen. Wir werden außerdem – das war beim letzten Mal ja eine Frage Ihrerseits – den Kitaplatzausbau parallel dazu weiter vorantreiben.

Unser Investitionsprogramm "Kinderbetreuungsfinanzierung" geht weiter. Wir werden im nächsten Jahr 300 Millionen Euro in das Sondervermögen dafür einzahlen. So finanzieren wir vonseiten des Bundes bis 2020  100.000 zusätzliche Kitaplätze, parallel zum Gute-Kita-Gesetz.

Wenn Sie mit Praktikern vor Ort sprechen, dann wird aber eines klar: Geld betreut keine Kinder. Es braucht immer noch Menschen, die das machen. Daher müssen wir mehr Menschen für den Erzieherberuf gewinnen und die Ausbildungsbedingungen verbessern. Ich bin sehr froh, dass wir in den Haushalt 2019 schon 30 Millionen Euro für eine Fachkräfteoffensive des Bundes eingestellt haben, mit der wir die Länder zusätzlich unterstützen wollen. Wir werden auch darüber hinaus etwas machen: Im nächsten Jahr, 2020, sind seitens des Bundes weitere 60 Millionen Euro für eine Fachkräfteoffensive im Hinblick auf Erzieherinnen und Erzieher vorgesehen. Ich glaube, das ist das richtige Signal.

Wir wollen, dass es jedes Kind in Deutschland packt. Deshalb ist frühkindliche Bildung eine langfristig wichtige und auch nötige Investition. Aber genauso wichtig ist es, dass wir gezielt gegen Kinderarmut vorgehen. Es gibt Eltern, die sich sagen: Ich gehe jeden Tag arbeiten, und am Ende reicht es trotzdem nicht. – Eine Antwort auf die Frage, was wir verändern müssen, ist, dass es Leistungen gibt, um gerade diejenigen, die geringe Einkommen haben, zu unterstützen. Deshalb wollen wir den Kinderzuschlag im nächsten Jahr nicht nur erhöhen, sondern ihn auch einfacher und attraktiver machen.

Wir wollen die Leistungen im Bereich von Bildung und Teilhabe verbessern. Es geht darum, dass die Kinder, die in den schwächsten Familien leben und die größten sozialen Schwierigkeiten haben, zusätzliche Unterstützung bekommen. Dabei ist nicht nur das Kindergeld ein Thema, sondern es geht auch um den Kinderzuschlag und die Verbesserung des Bildungs- und Teilhabepaketes. Wir müssen uns gemeinsam mit den Institutionen wie Kita und Grundschule konzentriert auf den Weg machen.

Ich war in diesem Jahr das erste Mal als Ministerin auf Sommerreise, und ich bin auch in Chemnitz gewesen. In Chemnitz habe ich mit Menschen gesprochen, die sich seit vielen, vielen Jahren für Demokratie engagieren und die mir gesagt haben: Chemnitz ist mehr als Gewalt und Ausschreitungen. Es ist mehr als die Bilder, die wir in den letzten Tagen gesehen haben. Es ist die Stadt der Wirtschaft, der Wissenschaft, der internationalen Studenten an der Universität, der Fachkräfte, die zu uns kommen, der Entwicklung und der starken Zivilgesellschaft. Wir wollen das auch zeigen. Wir wollen zeigen, dass die Stadt mehr ist. – Dafür braucht Chemnitz in allererster Linie unsere Solidarität.

Das bedeutet, dass wir denen den Rücken stärken müssen, die sich vor Ort engagieren, die seit Jahren für Demokratie und Toleranz eintreten: in Schulen, auf den Straßen, im Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern – überall. Natürlich geht es auch um konsequente Strafverfolgung; das ist doch gar keine Frage. Aber Sicherheit heißt eben nicht nur gute Polizeiarbeit. Sicherheit heißt auch Prävention und Demokratieförderung an allen Stellen, an denen es uns möglich ist.

Deshalb unterstützen wir ja auch seit vielen Jahren mit unserem Programm "Demokratie leben!" die lokale "Partnerschaft für Demokratie" in Chemnitz und ähnliche Initiativen überall in Deutschland. Denn das, was wir jetzt dort gesehen haben, ist kein sächsisches oder allein Chemnitzer Problem, es ist ein deutschlandweites Problem. Deshalb ist es richtig, dass wir das Programm "Demokratie leben!" entfristet und damit auf Dauer angelegt haben, und dass wir es mit mehr Geld ausgestattet haben.

Weil Demokratie leben und auch Demokratie lernen eine Daueraufgabe ist, braucht es auch dauerhaftes Engagement und einen stabilen Rahmen. Wir haben im Einzelplan 17 für das nächste Jahr 32,5 Millionen Euro für die Gründung einer Engagementstiftung in Deutschland vorgesehen. Diese Stiftung soll all diejenigen ganz praktisch unterstützen, die sich ehrenamtlich engagieren, Hilfestellung für gute Entwicklungen, für Vereine, für Verbände und Stiftungen leisten.

Wir haben noch ein Thema; das ist das Thema Gewalt. Es geht um Gewalt in verschiedenster Form. Das fängt in der Schule an. Deshalb haben wir gesagt, wir starten mit einem Programm „Anti-Mobbing-Profis/Respekt Coaches“ in allen Bundesländern, als Modell. Wir haben damit in diesem Schuljahr begonnen. Denn in der Schule fangen die Auseinandersetzungen an. Das muss zusammen mit den Ländern gehen, gemeinsam, zusätzlich. Es geht darum, Beschimpfungen, Diskriminierungen und Radikalisierungen früh aufzuarbeiten, nicht wegzusehen, vorzugreifen, bevor etwas eskaliert und es wirklich zu Gewalt kommt.

Und es geht auch darum, Gewalt gegen Frauen einzudämmen und dagegen vorzugehen, nach wie vor. Im Jahr 2016 sind in Deutschland 109.000 Frauen Opfer von versuchten oder tatsächlichen Gewaltdelikten durch ihre Partner geworden. Jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau durch ihren Partner oder Ex-Partner getötet. Das sind schockierende Zahlen und Gewalt geht durch alle gesellschaftlichen Schichten und alle ethnischen Hintergründe. Viele Frauen, die Gewalt erleben, finden Schutz in Frauenhäusern und Zufluchtswohnungen. Aber es gibt Lücken im System. Deshalb ist es gut, wenn der Bund sich engagiert. In der nächsten Woche, über vierzig Jahre nach der Gründung des ersten Frauenhauses in Deutschland, kommen Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände zum ersten Mal zu einem runden Tisch im Bundesfamilienministerium zusammen, um eine gemeinsame Initiative gegen Gewalt an Frauen zu starten und ein Aktionsprogramm ins Leben zu rufen, mit Bundesunterstützung. Wir haben im nächsten Haushalt die ersten fünf Millionen Euro dafür vorgesehen. Wir wollen auch da den Startpunkt im nächsten Jahr setzen, 2020 weitermachen mit dem Aktionsprogramm gegen Gewalt an Frauen und deutlich mehr Geld in diesen Bereich hineingeben.

Chemnitz hat uns noch einmal gezeigt, wie nötig es ist, hinzugehen, zuzuhören und dann zu handeln. Das wollen wir tun, auch mit dem Familienetat im Haushalt 2019. Mein Ziel ist, dass jedes Kind es packt, dass jedes Kind seinen Weg machen kann, dass die Frauenrechte gestärkt werden, dass Familien unterstützt werden, gute Unterstützung bekommen, dass wir uns kümmern um die, die sich um andere kümmern, dass ältere Menschen gut gepflegt werden. Begonnen haben wir mit der Konzertierten Aktion Pflege. Wir wollen im Bereich der Pflege eine Ausbildungsoffensive starten; auch das wird das nächste Jahr prägen.

Alle, die sich für Demokratie einsetzen, brauchen den Staat. Sie brauchen die ganze Rückendeckung von allen, die politische Verantwortung in unserem Land tragen. Wir wollen ein starkes und demokratisches Land. Wir wollen, dass Familien in Deutschland spürbar stärker werden und damit Deutschland spürbar stärker wird. Vielen Dank.