Rede der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner,

  • Bundesregierung ⏐ Startseite
  • Bulletin

  • Schwerpunkte

  • Themen   

  • Bundeskanzler

  • Bundesregierung

  • Aktuelles

  • Mediathek

  • Service

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Becker,
Sehr geehrte Frau Ministerin Hinz,
sehr geehrter Herr Abgeordneter Stier,
sehr geehrte Herr Präsident Dr. Moder,
sehr geehrter Herr Dr. Simon,
sehr geehrter Herr Dr. Götz,
sehr geehrter Herr Dr. Laguens,
sehr geehrter Herr Dr. Chambon,
sehr geehrter Frau Dr. van den Berg,
sehr geehrter Frau Dr. Fuchs,
sehr geehrte Tierärztinnen und Tierärzte,
liebe Gäste,

herzliche Glückwünsche zu Ihrem besonderen Jubiläum!

Vor einhundert Jahren wurde Ihr Verband gegründet, als "Reichsverband Deutscher Tierärzte". Damit wurde der Grundstein für die heutige Arbeit des Bundesverbandes Praktizierender Tierärzte gelegt. Hundert Jahre, in denen sich der Tierarztberuf gewaltig verändert hat. In denen sich auch die Struktur Ihres Verbandes und Ihrer Mitglieder immer wieder angepasst hat, mit einer aus meiner Sicht besonders hervorzuhebenden Zahl: 70 Prozent ist der Frauenanteil im Tierarztberuf. Damit dürften Sie branchenübergreifend einen Spitzenplatz belegen!

Damit einhergegangen ist eine Veränderung des Berufsbildes. Von der männerdominierten, inhabergeführten Allround-Praxis zur spezialisierten und strukturell größeren Praxis, mit immer mehr Tierärztinnen und Tierärzten im Angestelltenverhältnis.

Aber völlig unabhängig davon, welchen Zeitraum wir betrachten, wird eines sich nie ändern: Damit es den Tieren gut geht – in unseren Haushalten genauso wie in unseren Ställen –, brauchen wir verantwortungsvolle, gut ausgebildete und motivierte Tierärzte. Und wir brauchen Sie, damit wir sichere und gesunde Lebensmittel aus tierischer Produktion genießen können.

Ein Begriff, der zurzeit eigentlich immer verwendet wird, wenn wir über Veränderungen in der Gesellschaft reden, ist "disruptiv". Meistens im Kontext neuer, digitaler Entwicklungen genutzt, passt dieser Begriff aber auch bei einem kurzen Blick in die Geschichte Ihres Verbandes.

Lassen Sie mich das an zwei Beispielen beschreiben. Bis zu Beginn der 1950er Jahre war das Pferd als Nutztier aus keinem landwirtschaftlichen Betrieb wegzudenken. Zu Spitzenzeiten, 1949, wurden in Deutschland 1,6 Millionen Pferde gehalten. Diese mussten tiermedizinisch versorgt und betreut werden. Doch durch die zunehmende Mechanisierung der Landwirtschaft wurde in unglaublicher Geschwindigkeit das Pferd aus dem Stall gegen den Trecker in der Garage getauscht – mit dem Ergebnis, dass zu Beginn der 1960er Jahre nur noch ein Drittel des Pferdebestandes im Vergleich zum vorherigen Jahrzehnt zu betreuen war.

Damit waren natürlich auch für viele Tierärzte sowie angehenden Tierärzte die Herausforderungen verbunden, sich nach neuen Beschäftigungsschwerpunkten umzuschauen. Einer dieser Schwerpunkte wurden die Haustiere. Als Mitte der 1960er Jahre das deutsche Wirtschaftswunder seinen Anfang nahm, wurden Hunde und Katzen nicht mehr nur als Nutztiere auf landwirtschaftlichen Betrieben eingesetzt. Hunde und Katzen wurden mehr und mehr zu Familienmitgliedern, denen dann auch eine intensive tiermedizinische Betreuung zuteilwurde. Dieser Trend hat bis heute angehalten. Die Kleintiermedizin ist zur wichtigsten Säule Ihres Berufsstandes geworden.

Und was wurde aus dem Berufsbild der Pferdetierärzte? Mittlerweile werden in Deutschland wieder fast 1,3 Millionen Pferde gehalten. Nie gab es eine intensivere tiermedizinische Betreuung von Pferden sowohl im Hobby- als auch im Profisport. Und damit auch wieder ein breites Betätigungsfeld für Sie als Tierärzte.

Für mich zeigen diese Beispiele, dass Sie sich als Branche vor Veränderungen nicht fürchten müssen, dass es vielmehr gilt, die Möglichkeiten neuer Entwicklungen zu ergreifen.

"Tiergesundheit ist Tierschutz" – das ist ein Grundsatz, der bei allen Entwicklungen und Veränderungen in Ihrem Berufsbild nie an Aktualität verlieren wird. Wobei ich diesem Grundsatz noch einen zweiten hinzufügen würde: "Ohne Tiergesundheit gibt es kein Tierwohl."

Und damit sind wir bei einem Thema, das mich als Landwirtschaftsministerin genauso wie viele von Ihnen täglich begleitet. Die gesellschaftliche Debatte, wie wir in Deutschland Nutztiere halten, wird immer intensiver und zugleich emotionaler geführt. Die Verbraucher interessieren sich mehr und mehr, unter welchen Bedingungen Schweine, Kühe oder Hühner in unseren Ställen gehalten werden.

Es geht nicht mehr nur darum, ob das Fleisch, was wir konsumieren, gesundheitlich unbedenklich ist. Vielmehr geht es darum, dass Tieren ein erhöhtes Platz- und Beschäftigungsangebot zur Verfügung steht, dass ihr Wohlbefinden erhöht wird, dass haltungsbedingte Erkrankungen minimiert werden. Damit einher geht auch die Reduktion von Medikamenten. Beispielsweise wäre es ohne die Zusammenarbeit der Tierärzte mit den Tierhaltern niemals gelungen, die jährlichen Antibiotikaabgabemengen in der Tiermedizin um 57 Prozent seit 2011 zu reduzieren.

Um diese Entwicklungen zu befördern, brauchen wir Ihre Expertise, Ihre tägliche Arbeit in der Bestandsbetreuung. Damit wir diese auch zukünftig flächendeckend gewährleisten können, brauchen wir natürlich auch in unseren ländlichen Regionen ausreichend ansässige Tierärzte. Auch wenn noch kein flächendeckender Mangel an Tierärzten zu erkennen ist, sehen wir Engpässe in einzelnen Regionen.

Ich weiß, dass besonders das Thema "Notdienste" ganz oben auf Ihrer Agenda steht. Viele Praktiker stehen hier vor dem Zielkonflikt zwischen den rechtlichen Vorgaben zur Arbeitszeit und dem Berufsethos, stets dem Tierschutz zu dienen. Hier sichere ich Ihnen meine Unterstützung zu, lassen Sie uns in den kommenden Monaten dazu die Gespräche vertiefen. Denn wenn wir ein Mehr an Tierschutz und Tierwohl im Stall wollen, brauchen wir dafür die Profis, brauchen wir Sie als Tierschützer vor Ort.

Auf der anderen Seite möchte ich Sie selbst ermutigen, die Imagepflege im Beruf des Landtierarztes voranzubringen. Werben Sie bei jungen Tierärztinnen und Tierärzten für das Leben und Arbeiten auf dem Land. Auch im Bereich der amtlichen Lebensmittelüberwachung sehen wir aufgrund demographischer Entwicklungen zukünftig ein erhebliches Personaldefizit bei Veterinären. Hier sind neue Konzepte und Anstrengungen gefragt, damit sich auch in Zukunft noch ausreichend Tierärztinnen und Tierärzte finden, die gerne in diesem wichtigen Tätigkeitsfeld arbeiten.

An dieser Stelle könnte ich nun noch auf weitere Themen aus der Nutztierhaltung eingehen, die im Schweinestall bei der Ferkelkastration und dem Schwänzekupieren beginnen. Dann könnten wir sicherlich intensiv über das Thema Tiertransporte, Tierschutz und Hygiene am Schlachthof oder die Anbindehaltung im Kuh- und Rinderstall sprechen. Auch die Gefahr für die Tiergesundheit durch die sich um Deutschland herum ausbreitende Afrikanische Schweinepest wäre vertiefenswert. Wir könnten aber auch die Gesundheit der Pferde im Reitsport betrachten.

Alle diese Aspekte verdienen eine intensive Betrachtung, die aber hier und heute, bei dieser Feierstunde, den Rahmen sprengen würde. Aber eines zeigen diese Beispiele eindeutig: Die Palette der tierärztlichen Tätigkeiten und Verantwortungen ist sehr weitreichend, kaum abschließend aufzuzählen.

Festhalten möchte ich aber: Ein hohes Niveau beim Tierschutz, bei der Tiergesundheit und beim Tierwohl wäre ohne Ihre tägliche Arbeit und Ihr Wissen, ohne Ihr ethisches und moralisches Handeln für unsere Mitgeschöpfe in Deutschland nicht möglich. Dafür danke ich Ihnen sehr!

Wie sieht die Zukunft für Sie als tierärztliche Praktiker aus, welche Veränderungen der Arbeitswelt sind absehbar, was bedeuten sie für Ihren Berufsalltag? Die zunehmende Digitalisierung im Stall wird auch für den Tierarzt direkte Auswirkungen haben.

Neue Diagnostikmethoden zur Erfassung von Gesundheitsparametern als frühzeitiger Indikator von Krankheiten werden zur Verfügung stehen. Damit wird ein frühes tiermedizinisches Eingreifen wahrscheinlicher: "Prophylaxe statt Therapie" könnte Wirklichkeit werden. Das erfordert Anpassungen schon bei der Ausbildung, aber auch Weiter- und Fortbildung bei den aktiven Tierärzten.

Wenn wir den Vorhersagen des Autors Richard David Precht Glauben schenken – auch wenn ich persönlich diese als unwahrscheinlich betrachte –, werden wir uns in 20 Jahren alle von Kunstfleisch ernähren. Das würde zwangsläufig bedeuten, dass der Veterinär weniger im Stall, sondern im Labor die Lebensmittelsicherheit garantieren muss.

Sie sehen also, dass auch nach den ersten hundert Jahren die Zeiten der Veränderung für Ihren Verband nicht vorbei sind. Nutzen Sie deshalb die Möglichkeiten, Chancen und Risiken neuer Entwicklungen selber aktiv mitzugestalten. Seien Sie nicht Getriebener von Entwicklungen, sondern seien Sie selbst Entwickler!

Wo auch immer Tierärzte tätig werden, ist und bleibt die Kernaufgabe, die Gesundheit von Tier und Mensch zu befördern und sicherzustellen. Dafür danke ich Ihnen allen sehr herzlich. Einen Dank möchte ich aber auch an den bpt als das "Geburtstagskind" aussprechen. Wobei ich dies gar nicht direkt machen möchte, sondern im Namen meines Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) formulieren möchte.

Ohne zu sehr etwas aus dem Nähkästchen des BMEL verraten zu wollen, kann ich Ihnen aber sagen, dass ich als Ministerin natürlich für meine vielen Termine immer gut durch meine Mitarbeiter vorbereitet werde. Bei der Vorbereitung zum heutigen Termin ist mir allerdings etwas Besonderes aufgefallen. In allen Unterlagen, die ich mir durchgelesen habe, gab es einen sehr einhelligen Tenor: Die Arbeit und der Austausch zwischen dem BMEL und dem bpt sind geprägt von einer vertrauensvollen, sehr fachlichen und belastbaren Zusammenarbeit. Nehmen Sie dies bitte als Ausdruck der Wertschätzung und des Dankes von mir und meinem Hause für Ihre Arbeit.

Vielen Dank!