Rede der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner,

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Herr Präsident!
Liebe Abgeordnete!

Wer die öffentliche Debatte in den vergangenen Tagen verfolgt hat, der konnte erleben, wie emotional aufgeladen das Thema Pflanzenschutz ist. Ich verstehe die Bürger in unserem Land, aber nicht nur hier bei uns in Deutschland, die sich Sorgen um ihre Gesundheit und auch Sorgen um die Umwelt machen. Gerade weil wir die Sorgen ernst nehmen, gerade deshalb müssen wir das Thema auf der Basis von Wissen und dürfen es nicht auf der Basis von Emotionen behandeln, denn nur das bringt langfristig Sicherheit.

Warum brauchen wir überhaupt Pflanzenschutz? Zum Glück hat niemand von uns mehr die Zeiten erleben müssen, in denen schlechtes Wetter oder Schädlinge in Deutschland eine Hungersnot auslösen konnten, in denen es oft zu wenig Brot oder Kartoffeln gab, um Menschen schlichtweg satt zu machen. Wir haben uns daran gewöhnt, dass es bei uns jederzeit überall zu günstigen Preisen verfügbare Nahrungsmittel gibt. Wir vergessen manchmal, dass es beim modernen Pflanzenschutz genau darum geht, viele Gefahren für die Ernte abwehren zu können – die Ernte, die uns die Mittel zum Leben, nämlich unsere Lebensmittel, verschafft.

Es gab auch Zeiten – das gehört zur Wahrheit dazu –, in denen es beim Pflanzenschutzmitteleinsatz hieß: Viel hilft viel. Die Zeiten sind zum Glück in den meisten Teilen Europas vorbei. Wir werden den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel weiter reduzieren und gleichzeitig unsere Ernte sichern. Wir nehmen die Auswirkungen auf die Natur und die Umwelt noch stärker in den Blick. Neonikotinoide – man kann sie auch abkürzen: Neoniks; das ist eher unfallfrei auszusprechen –, das sind Insektizide; in Abgrenzung dazu gibt es auch noch Herbizide.

Ich möchte einen Blick auf die EFSA, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, werfen. Sie kommt zu dem Schluss, dass die drei Wirkstoffe aus der Gruppe der Neonikotinoide für Bienen und andere Bestäuber ein unvertretbares Risiko darstellen.

Ich habe an dieser Stelle bei meiner Regierungserklärung gesagt: Bienen sind systemrelevant, und was der Biene schadet, muss vom Markt. Deshalb werde ich in Brüssel dem Verbot der Freilandanwendung dieser Wirkstoffe zustimmen.

Genau deshalb, verehrte Vertreter der Grünen, ist Ihr Antrag überholt und auch überflüssig. Sie müssen die Bundesregierung nicht auffordern, eine Haltung zu finden. Sie müssen nicht von der Möglichkeit Gebrauch machen, dass der Bundestag etwas formuliert, damit die Bundesregierung auf europäischer Ebene ein entsprechendes Mandat übernimmt. Wir haben uns schon längst klar darauf geeinigt – darüber bin ich sehr froh; die Kollegin Schulze ist heute bei der Debatte auch anwesend –, dass wir dem Vorschlag der EU-Kommission folgen möchten, weil er auf der wissenschaftlichen Erkenntnis der EFSA beruht. Deshalb ist der Antrag überflüssig.

Das ist im Interesse der Natur, aber auch im Interesse der Landwirtschaft, denn auch sie ist auf die Bestäubungsleistung der Bienen angewiesen. Die wissenschaftliche Bewertung ist für mich dabei das Ausschlaggebende, und das nicht nur dann – wie bei einigen hier im Haus –, wenn es gerade zur eigenen politischen Agenda oder zur eigenen Überzeugung passt. Doch was viele außer Acht lassen: Wir müssen weiter schauen. Es sind zwei Punkte.

Erstens: Wenn wir über den Schutz der Insekten sprechen, müssen wir das Ganze in den Blick nehmen und dürfen nicht nur einen kleinen Teil sehen. Ich habe gestern mit meiner Kollegin Schulze vereinbart – wir haben uns ausgetauscht –, dass wir zum Insektensterben gemeinsam, Hand in Hand, ein Monitoring auf den Weg bringen wollen. Uns ist wichtig, ohne Scheuklappen zu handeln. Natürlich muss die Landwirtschaft ihren Beitrag leisten. Wir sind mit der betroffenen Branche in vielversprechenden Gesprächen.

Aber es reicht nicht, mit dem Finger nur auf die Landwirte zu zeigen. Wir müssen außerdem über weitere Faktoren wie Lichtverschmutzung oder die Gestaltung öffentlicher Flächen sprechen, denn auch das hat einen großen Einfluss auf die Insekten. Nur wenn man das Ganze im Blick hat, ist man glaubwürdig. Deshalb wird die Bundesregierung ein umfassendes Aktionsprogramm zum Schutz der Insekten auflegen.

Zweitens: Wenn die Bauern Wirkstoffe für den Pflanzenschutz verlieren, brauchen sie Alternativen. Ohne Pflanzenschutz, ob er chemisch ist oder nicht, geht es nicht – übrigens auch nicht im ökologischen Anbau; das wissen Sie. Deshalb werden wir die Zulassungsbehörden personell verstärken, um schneller zu modernen, risikoärmeren Mitteln zu kommen. Und wir werden die Erforschung von Alternativen unterstützen und da massiv investieren.

Wir sehen auch eine Chance beim Thema "Digitaler Wandel" – Stichwort "Präzisionslandwirtschaft" –: Wir reduzieren Pflanzenschutzmittel der Menge nach, indem wir sie präzise dort aufbringen, wo wir sie brauchen.

Die umwelt- und naturverträgliche Anwendung von Pflanzenschutzmitteln wird Teil der Ackerbaustrategie sein, die wir gemeinsam auflegen werden. Die Ackerbaustrategie wird sicherstellen, dass wir die Fruchtbarkeit unserer Böden und die Biodiversität schützen, der Pflanzenbau sich für unsere Bäuerinnen und Bauern aber gleichzeitig lohnt. Denn – auch das will ich sagen – wenn wir Getreide, Gemüse und Obst nur noch importieren, dann haben wir keinen Einfluss mehr darauf, wie sie produziert worden sind. Ich will nicht, dass unsere Familienbetriebe die Hoftore schließen müssen.

Ich fasse zusammen: Die Bundesregierung hat eine klare Haltung: Was der Biene schadet, kommt vom Markt. Wir werden dem Kommissionsvorschlag auf europäischer Ebene zustimmen. Als Landwirtschaftsministerin sage ich verantwortungsvoll: Die Bauern sind nicht an allem schuld. Sie werden ihren Beitrag leisten. Wir müssen alles in den Blick nehmen und ermöglichen, dass Landwirtschaft in Deutschland weiterhin möglich bleibt, damit wir wissen, wie produziert wird. Das geht nur, wenn wir einen Blick auf die heimische und regionale Produktion haben.