Rede der Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles,

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Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Zum zweiten Mal in dieser Legislaturperiode packen wir wichtige Vorhaben bei der Rente an. Mit dem ersten Rentenpaket 2014 haben wir erst einmal für Menschen, die lange gearbeitet haben, den Weg in einen vorzeitigen Ruhestand ohne Abschläge ermöglicht. Wir haben die Mütterrente verbessert. Und wir haben auch schon damals die Verbesserung der Absicherung bei Erwerbsminderung vorgesehen. Daran knüpfen wir nun heute an. Aber es kommt noch etwas Wesentliches hinzu, denn wir werden heute auch einen historischen Schritt zur inneren Einheit unseres Landes einleiten.

Fast 30 Jahre nach der Wiedervereinigung ist es höchste Zeit, dass wir eine klare Perspektive für die Angleichung der Rentenwerte geben. Bis 2025 werden wir die Renteneinheit vollenden. Ab 2025 sollen für die Rentenberechnung in Ost und West dieselben Werte gelten. Die Rentenversicherung ist wirklich das letzte große soziale Sicherungssystem, bei dem wir diese innere Einheit noch nicht vollzogen haben. Das machen wir heute und stellen das zur parlamentarischen Debatte.

Die Umstellung erfolgt in sieben Schritten bis 2025. Im gleichen Zeitraum wird – im Gegenzug zur Angleichung der Rentenwerte in den neuen Ländern – die bisherige Höherwertung der Löhne schrittweise abgebaut. Der Arbeitsmarkt und die Löhne haben sich seit der Wiedervereinigung bereits deutlich verbessert. Mit dem Mindestlohn haben wir dabei einen ganz deutlichen Sprung nach vorne machen können. Ich gehe davon aus, dass diese positive Entwicklung – die Rentenwerte in diesem Jahr legen das zumindest nahe – auch in den nächsten Jahren fortgesetzt werden kann. Die Voraussetzungen sind jedenfalls sehr gut.

Die große Nachfrage nach Fachkräften, die wir überall immer stärker erleben, setzt ein klares Signal: Niedriglohn ist auch aus wirtschaftspolitischer Sicht die falsche Strategie, aus rentenpolitischer Sicht allemal. Denn gute Löhne bedeuten eben auch gute Renten, in Ost genauso wie in West.

Von Armut im Alter sind in Deutschland, wenn man rein die Statistik zur Grundsicherung betrachtet, derzeit drei Prozent der Menschen betroffen. Bei Kindern beispielsweise ist dieser Prozentsatz deutlich höher. 14 Prozent der Kinder leben in staatlicher Grundsicherung.

Es gibt aber einzelne Gruppen, die überproportional von dem Risiko, von Grundsicherung leben zu müssen, betroffen sind. Dazu gehört mit Sicherheit die Gruppe der Erwerbsgeminderten. Besonders gefährdet sind Beschäftigte in psychisch und körperlich stark belastenden Berufen. Aber ich möchte hier sehr deutlich sagen: Jeden und jede kann es treffen. Niemand kann sicher sein, dass es ihn nicht aus der Bahn wirft. Jeder von uns kann in die schwierige Situation kommen, nicht mehr oder nur noch eingeschränkt arbeiten zu können.

Jedes Jahr kommen – und das ist eine sehr hohe Zahl, wie ich finde – über 170.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die Erwerbsminderungsrente. Mit anderen Worten: Sie können aus gesundheitlichen Gründen nicht bis zum Erreichen des Renteneintrittsalters arbeiten.

Deshalb wollen wir zum zweiten Mal in dieser Wahlperiode die Bedingungen für die Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner verbessern. Bevor wir 2014 diese Renten zum ersten Mal angepackt haben, wurden sie so berechnet, als hätten die Betroffenen bis zum 60. Lebensjahr gearbeitet, auch wenn sie zum Beispiel mit gut 50 Jahren in Erwerbsminderungsrente gegangen sind – das ist leider das Durchschnittseintrittsalter bei Erwerbsgeminderten. 2014 haben wir das dann auf 62 Jahre angehoben.

Nun wollen wir stufenweise weitere drei Jahre obendrauf packen – von 62 Jahren auf 65 Jahre. Damit werden Erwerbsgeminderte ab 2024 so gestellt, als ob sie drei Jahre länger als bisher hätten weiterarbeiten können. Das ist eine spürbare Verbesserung dessen, was die Erwerbsgeminderten an vorzeitiger Rente bekommen, im Schnitt um sieben Prozent.

Eine angemessene Absicherung bei Erwerbsminderung ist für mich ein Gebot des Anstandes und auch ein Zeichen der Solidarität. Sie ist aber vor allem ein Ausdruck von Respekt für diejenigen, die sich im Job aufgerieben haben, und ein Beitrag, um Armut im Alter zu verhindern.

Mir ist dabei besonders wichtig, dass wir heute über eine Gruppe von Menschen reden, die sich wirklich aufgerieben haben und die in der Arbeit krank geworden sind. Das ist nämlich der Grund. Deswegen war es auch gut und richtig, dass wir in dieser Legislaturperiode viele Maßnahmen zur Verbesserung der Reha und der Prävention im Arbeitsleben auf den Weg gebracht haben: mit der Flexirente und mit der Anhebung des Rehadeckels, übrigens auch ganz zu Beginn im ersten Rentenpaket. Wir haben eine ganze Menge von Dingen gemacht, die dazu dienen sollen, den Eintritt in die Erwerbsminderungsrente von vornherein zu vermeiden.

Bevor die Frage kommt: Das kostet natürlich Geld. Bis 2030 sind es rund 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. Aber dieses Geld wirkt gezielt. Es kommt direkt bei denen an, die es sich hart verdient haben und die es am nötigsten brauchen. Wir gehen damit – und das ist, glaube ich, richtig – einen weiteren Schritt hin zu mehr Zusammenhalt und Gerechtigkeit in unserem Land.

Im Koalitionsvertrag hatten wir eine weitere Vereinbarung getroffen, wie wir Altersarmut direkt angehen und verhindern können. Wer sein Leben lang gearbeitet hat, wer jahrzehntelang eingezahlt hat, der soll im Alter mehr haben als die Grundsicherung. So steht es im Koalitionsvertrag. Ich bin enttäuscht und bedauere, dass diese Vereinbarung offenbar nicht mehr gilt und dass wir die gesetzliche Solidarrente in dieser Wahlperiode nicht mehr werden umsetzen können. Aber ich sage Ihnen ganz klar: Ich halte an diesem Grundsatz – wer lange gearbeitet hat, muss mehr bekommen als diejenigen, die das, aus welchen Gründen auch immer, nicht gemacht haben – entschieden fest. Das bleibt auf der politischen Tagesordnung.

Mit den heute zu verabschiedenden Gesetzen kommen wir einen wichtigen Schritt voran. Damit wird die gesetzliche Rente auch in Zukunft solide, aber vor allem auch gerechter sein. In diesem Sinne freue ich mich auf die parlamentarischen Beratungen.