Rede der Bundesministerin des Auswärtigen, Annalena Baerbock,

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Frau Präsidentin!
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Herzlichen Dank für die Gelegenheit. Das letzte Mal war ich kurz nach dem Beginn des brutalen russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine bei der Regierungsbefragung. Niemand wusste damals, wie lange dieser Krieg andauern würde. Wir alle haben gehofft, dass es schnell wieder zu Frieden kommt. Leider war das anders – trotz der intensiven Friedensbemühungen von unserer Seite, vonseiten unserer europäischen Freunde, von eigentlich so gut wie der ganzen Welt.

Ebenso war, glaube ich, niemandem deutlich, wie geschlossen wir seit diesem Moment handeln würden. Wir hatten ja in der Europäischen Union vorher hin und wieder unterschiedliche Meinungen, und es wurde immer gefragt: Wie stark kann man sich auf Europa verlassen? Wir haben deutlich gemacht – dafür bin ich all unseren europäischen Partnern dankbar und auch Ihnen hier, der überwiegenden Mehrheit im Deutschen Bundestag –, dass wir in dem Moment, in dem es darauf ankam, das Wichtigste in unserem Land, in unserem Europa zu verteidigen, ganz geschlossen beieinander gestanden haben und für Demokratie, für Freiheit und für Frieden eingetreten sind.

Wir haben aber auch – auch dafür bin ich dankbar – gemeinsam als Regierung und Opposition – das betrifft die größte Oppositionsfraktion hier im Deutschen Bundestag – unsere Schlüsse daraus gezogen. Wir haben als Abgeordnete und als Regierung deutlich gemacht: Wir haben die Verantwortung, dass das, was passiert ist – und wo wir, jedenfalls aus meiner Sicht, in der Vergangenheit politisch Fehler gemacht haben, weil wir uns in Abhängigkeiten begeben haben, die uns erpressbar gemacht haben –, uns nicht noch einmal passieren darf. Daher haben wir gemeinsam eine Nationale Sicherheitsstrategie auf den Weg gebracht. Darauf und auch auf die China-Strategie würde ich gerne eingehen; dazu wird es gleich sicherlich ein paar Fragen geben. Worum es dabei geht, das sind nicht einfach zwei unterschiedliche Stücke Papier, sondern es geht darum, dass wir auf lange Sicht unsere Freiheit und unsere Ordnung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sichern.

Sie hatten ja letztens schon eine Debatte darüber, dass das ein bisschen dauert. Ja, das dauert ein bisschen. Wenn ich im Ausland unterwegs bin, unterstreiche ich immer: Wenn man drei Koalitionspartner hat, dann diskutiert man manchmal etwas länger, als wenn man nur eine Partei hat. Das hat aber auch viele Vorteile. Dafür werbe ich in der Welt, weil Kompromisse nichts Schlechtes sind, weil Diskussionen nichts Schlechtes sind, sondern auch ein Ausdruck erstens von Freiheit und zweitens davon, dass man selbstkritisch sein kann, dass man reflektieren und auch mal sagen kann, dass der andere recht hat. Ich glaube, das ist ein Ausdruck von Stärke und nicht von Schwäche. Genau das haben wir als Europäische Union auch gerade deutlich gemacht bei den unterschiedlichen Besuchen von europäischen Partnern in China. Der spanische Regierungschef war gerade dort, dann Frau von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin, dann der französische Präsident, und ich bin gerade von dort zurückgekommen.

China ist für uns Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale. Ich möchte deutlich machen – ich übergebe gleich an meine Kollegin; ich möchte ihr ihre Redezeit nicht wegnehmen –, dass unser Eindruck – es waren ja vier Abgeordnete dabei; auch dafür herzlichen Dank – leider war – und ich betone: leider –, dass der Aspekt „systemischer Rivale“ immer stärker zunimmt, und zwar nicht nur, weil China stärker nach außen offensiver – man kann auch sagen: aggressiver – auftritt, sondern vor allem nach innen repressiver. Falls Sie dazu Fragen haben: Wir können viel dazu berichten. Es war wirklich zum Teil mehr als schockierend.

Klar ist: Wir kommen an China nicht vorbei. Es ist eine der größten Wirtschaftsmächte der Welt. Es ist Deutschlands größter, nicht unbedingt wichtigster, aber größter Handelspartner, und das ist auch gut und wichtig. Eigentlich wäre die Welt viel einfacher, wenn wir über Handel auch gemeinsam unsere Gesellschaften stärken könnten. Das wollen wir; das habe ich auch in China deutlich gemacht. Überall dort, wo es geht, wollen wir zusammenarbeiten. Aber wir wollen Fehler nicht wiederholen. Wir wollen nicht so naiv sein, zu glauben, durch Handel erfolge automatisch Wandel. Oder Handel an sich sei schon eine geostrategische Maßnahme. Deswegen kommt es jetzt darauf an, uns von China nicht zu entkoppeln. Sondern, dass wir dafür sorgen, dass, so wie China sich um seine Sicherheit kümmert, wir das auch tun, unsere Risiken minimieren. Ich glaube, die Kommissionspräsidentin hat das mit dem Begriff „De-Risking“ hervorragend auf den Punkt gebracht.

Wir müssen für wirtschaftliche Sicherheit sorgen, am besten gemeinsam mit China. China ist bekanntermaßen Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, trägt dort eine Verantwortung für den Frieden in der Welt. Daher habe ich in Peking, in Südkorea und auch beim G7-Treffen dafür geworben, dass wir offen, aber mit klarer Haltung gemeinsam für die internationale Ordnung eintreten; denn es geht hier um unser aller Freiheit, Wohlstand und Sicherheit.

Herzlichen Dank.