bei der Eröffnung des 9. Berlin Energy Transition Dialogues am 28. März 2023 in Berlin:
- Bulletin 35-2
- 28. März 2023
Sattes Schilf, grünblaues Wasser, mitten in der Wüste – das ist Marschland im Süden Iraks zwischen Euphrat und Tigris. Es gehörte einmal zu den fruchtbarsten Orten der Welt. Die Menschen dort leben vor allem vom Fischfang und von der Zucht von Wasserbüffeln. Als ich Anfang diesen Monat dort war, habe ich verstanden, warum dieses Weltnaturerbe als mögliche Vorlage für die Erzählung über den Garten Eden gilt. Absolute Schönheit.
Aber das Paradies ist anders geworden. Ich habe dort Kamila Hadi getroffen, die ihre drei Töchter im Marschland großzieht. Sie hat mir erzählt, wie sie früher dort gelebt haben, wie sie Fische gefangen haben, wie fruchtbar alles war – und Wasser eine Selbstverständlichkeit. Jetzt, sagt sie, beten wir eigentlich jeden Tag für Wasser. Weil die Temperaturen im Sommer bei über 50 Grad liegen. Weil die Wasserbüffel, wenn es trocken wird, verdursten, weil sie im ehemals so feuchten Marschland einfach im Schlamm stecken bleiben.
Schon jetzt ist die Hälfte der Flächen zerstört, auf denen die Menschen bisher Landwirtschaft betrieben haben. 95 Prozent der Fischbestände sind mittlerweile ausgestorben. Der Wasserstand geht immer weiter zurück. Damit versalzt das Wasser, viele der Wasserbüffel verdursten und damit wird den Menschen die Lebensgrundlage genommen.
Und trotzdem bleibt da diese wunderbare Schönheit. In der Abendsonne, wenn alles ganz ruhig wird, sieht man am Horizont dann ein Leuchten. Über dem Panorama aus Schilf und Wasser leuchten allerdings keine Sterne, sondern Ölfelder, die giftige Flammen in den Himmel spucken. Das überflüssige Gas, das bei der Ölförderung entsteht, wird im Irak zum Großteil immer noch abgefackelt. Allein diese Technik verursacht fast 20 Prozent der CO2-Emissionen des Landes.
Irak gehört zu den Ländern auf der Welt, die extrem unter der Klimakrise leiden – und gleichzeitig ist das Land auch einer der größten Produzenten fossiler Energien. Fast 90 Prozent seiner Staatseinnahmen kommen aus dem Ölgeschäft und tausende Jobs hängen direkt von der Ölindustrie ab. Ohne diese Einnahmen kämen Staat und Wirtschaft zum Stillstand.
Und als ich in dieses wunderschöne Marschland gefahren bin, habe ich gedacht – wenn man bei all dieser Schönheit über die Ölförderung spricht und über das große Risiko für die Menschen dort selber – was werden Sie mir sagen? Werden Sie sagen: Da hängen aber unsere Arbeitsplätze hier in der Ölindustrie dran? Weil wir diese Debatten natürlich auch aus vielen anderen Ländern der Welt kennen. Wir haben hier, gut 100 Kilometer entfernt in der Lausitz, die Beschäftigten aus der Kohle.
Aber dort vor Ort war das Gegenteil der Fall. Immer wieder habe ich gehört: Wir beten nicht für das Öl. Das Öl kann ruhig im Boden bleiben. Was wir brauchen, ist Wasser. Den Menschen dort ist mehr als klar: Das Öl kann man ersetzen, das Wasser nicht.
Wenn nichts passiert, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Euphrat und Tigris bis 2040 komplett austrocknen. Irak wäre dann ein Land ohne Flüsse – und der ehemalige Garten Eden ein ausgetrockneter Ort. So warnt nicht der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC), sondern das irakische Wasserministerium. Das Marschland und ganze Landstriche wären unbewohnbar. Millionen Menschen, nicht nur Kamila Hadi mit ihren drei Töchtern, sondern Millionen Menschen über die Region hinaus wären zur Flucht gezwungen – mit fatalen Folgen für ihre Sicherheit und für die Stabilität in der ganzen Region.
Ich nenne dieses Beispiel Irak, weil viele von Ihnen zig solcher Beispiele aus ihren Regionen erzählen könnten. Sie zeigen, warum unsere globale Sicherheit davon abhängt, wie schnell wir von fossilen Energien wegkommen. Die Energieindustrie ist weltweit für fast 40 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Jede Tonne CO2, die wir mit fossiler Energie in die Luft stoßen, bringt die Welt ein Stück näher an den Hitzekollaps.
Der Weltklimarat hat uns, wie wir alle wissen, letzte Woche mit einer brutalen Wahrheit erneut konfrontiert. Wir steuern auf eine globale Erderwärmung von 3,2 Grad Celsius zu, wenn wir nicht weitere politische Maßnahmen ergreifen. Und wie wir alle wissen, hat unser Planet schon ab 1,5 Grad seine Schmerzgrenze mehr als erreicht. Bei einem Szenario – und derzeit ist es nicht nur ein Szenario, sondern das, worauf wir zusteuern – von 3,2 Grad wäre die Lebensgrundlage von bis zu 3,6 Milliarden Menschen hochgradig gefährdet.
Hinzu kommt: Fossile Energien treiben uns in gefährliche Abhängigkeiten. In Deutschland, in Europa, weltweit haben wir das schmerzhaft erfahren müssen. Wir hier in Deutschland haben immer wieder gedacht, dass wir billiges russisches Gas beziehen. Aber das vermeintlich billige Gas haben wir doppelt und dreifach mit unserer Sicherheit bezahlt. Und vor allem: Die Menschen in der Ukraine haben es doppelt und dreifach bezahlt.
Und weltweit erleben auch andere Länder, andere Regierungen, andere Bevölkerungen diese Abhängigkeiten. Und so gut wie jeder erlebt die Unberechenbarkeit von diesen Abhängigkeiten. Und zwar fast täglich – in den extremen Preisschwankungen von Öl und Gas.
Wenn wir also heute über die Energiewende sprechen, dann sprechen wir über unsere Sicherheit. Die klimaneutrale Transformation ist die Sicherheitsaufgabe unserer Zeit. Wir stehen damit vor dem größten Umbruch unserer Wirtschaft seit der industriellen Revolution. Und diese Transformation wird dann Erfolg haben, wenn wir sie gemeinsam angehen. Wenn sie die Menschen, denen wir als Politik ja dienen, in den Mittelpunkt stellt. Egal ob im Marschland Südiraks oder in den Metropolen Südafrikas.
Und deshalb ist es mir so wichtig, dass wir bei dieser Transformation, dass wir bei der Energiewende die Frage nach menschlicher Sicherheit in all ihren Dimensionen stärker mitdenken. Wir schreiben derzeit eine nationale Sicherheitsstrategie, die natürlich auch eine zentrale Antwort auf den russischen Angriffskrieg ist. Aber diese nationale Sicherheitsstrategie stellt sich zentral auch der größten Sicherheitsaufgabe unseres Jahrhunderts: der Klimakrise. Und sie denkt alle Komponenten von menschlicher Sicherheit dabei mit.
Ich möchte drei Dinge heute hier ansprechen.
Erstens müssen wir das Tempo der Energiewende jetzt rasant beschleunigen, und zwar weltweit, damit die Menschen davon profitieren können.
Die großen Industrieländer haben dabei eine besondere Verantwortung. Wir haben das als Bundesrepublik Deutschland bei der letzten Weltklimakonferenz in Sharm El Sheikh noch einmal deutlich gemacht. Ja, es ist unsere Verantwortung, prioritär die der Industrieländer, mit ambitionierten Emissionszielen und einem schnellen Abschied von Öl, Kohle und Gas bei uns zu Hause diese Transformation endlich massiv anzugehen.
Seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine haben wir in Deutschland deshalb den Umbau auf erneuerbare Energien massiv beschleunigt. Spätestens 2045 wollen wir klimaneutral sein.
Damit einhergehen darf und muss der Glaube, dass das zwar anstrengend ist – aber, dass das natürlich machbar ist. Weil wir die Erfolgsrezepte zur Lösung dieser Krise besitzen. Wir haben in den letzten Jahren gesehen, dass Erfolgsgeschichten niemals linear sind, sie einfach so ansteigen, sondern dass es natürlich immer wieder neue Herausforderungen gibt. Manchmal kommen Dinge dazu, die man nicht mitberücksichtigt hat. Wie zum Beispiel im letzten Jahr – dass wir diesen furchtbaren Angriffskrieg haben, dass wir innerhalb eines Jahres unsere fossile Abhängigkeit von Russland lösen müssen.
Aber genau in diesen Momenten, wenn man von doppelten Herausforderungen betroffen ist, dann ergeben sich auch neue Möglichkeiten: technologische Sprunginnovationen oder endlich der politische Wille. Das war bei uns in Deutschland so: Was wir jahrelang nicht erreichen konnten in vielen parlamentarischen Debatten – zu verstehen, dass saubere Energie eine Frage von nationalem Interesse ist –, dass das im Lichte einer so brutalen Herausforderung doch endlich machbar war.
Und einige von Ihnen haben das vielleicht mitbekommen: Bei uns tagt unser Koalitionsausschuss – so nennen wir das, wir sind ja drei Fraktionen und Parteien bei uns in der Regierung – mit einer leidenschaftlichen Debatte darüber, wie wir diese Sicherheitsfrage Klimaschutz in der Gesellschaft verantworten.
Es geht darum, dass die Heizungen in unseren Kellern – und für Sie, die aus Ländern kommen, wo es derzeit ein bisschen wärmer ist: Die Heizung ist für uns eine Frage von Sicherheit, und zwar nicht nur im Winter – immer funktionieren. Dass jede Heizung in jedem Keller in unserem Land ein Teil unserer zukünftigen Sicherheitsstruktur ist – darum geht es bei uns. Und das löst bei uns kontroverse Debatten aus. Aber für uns als Bundesregierung ist klar: Wenn wir nicht alle Aspekte – auch das Heizen in unseren Häusern – bei unseren Sicherheitsfragen mitdenken, dann werden wir diese Jahrhundertaufgabe nicht angehen können.
Und ich erwähne diese kleine Diskussion – bei manchen Schlagzeilen denkt man auch: eine ein bisschen größere Diskussion – weil sie für uns noch einmal deutlich macht: Es gibt nicht diese One-size-fits-all-Lösung. Deswegen ist unser Verständnis von der Energiewende, nicht sie in die Welt zu tragen, nicht zu sagen: Hier ist unser deutsches Konzept, so haben wir das gemacht, jetzt macht ihr auch mal, sondern die Transformation – und das ist ja das Schöne und Gute daran – lebt von Innovation. Sie lebt davon, auf besondere Herausforderungen besondere Antworten zu geben. Und das können wir nur mit der Gesellschaft zusammen, mit unterschiedlichen Akteuren, hier bei uns und weltweit.
Wir werden die Klimakrise nur eindämmen können – oder positiv formuliert: wir werden diese Jahrhundertaufgabe der Sicherheitstransformation nur schaffen können – wenn wir sie gemeinsam angehen. Das heißt, auch, dass wir damit die Chance haben, dass wir bei all den weltweiten Herausforderungen und Krisen enger zusammenrücken.
Worum es für uns geht – im Kleinen hier in Deutschland genauso wie im Großen in unserer Klimaaußenpolitik – ist, dass wir unseren Partnern zuhören und gemeinsam pragmatische Lösungen finden. Immer in dem Verständnis: Der andere könnte auch recht haben. Und immer in dem Verständnis: Geht nicht, gibts nicht, sondern wir brauchen eine gemeinsame Lösung.
Daher sind für uns hier bei dieser Tagung und insgesamt die Länder und die Beispiele von Transformationen so interessant, wo das besonders herausfordernd ist. Ich habe unseren Kohleausstieg in Ostdeutschland erwähnt. Und ähnlich ist es zum Beispiel in Südafrika, wo die Kohleindustrie zu den größten Arbeitgebern des Landes gehört. Da kann man nicht einfach sagen: Macht mal, sondern man muss mitdenken, wo die Menschen in Zukunft beschäftigt sein können.
Alleine in der Provinz Mpumalanga gibt es mehr als 100 Minen. 90 Prozent der südafrikanischen Kohle werden dort produziert. Über 100.000 Menschen ernähren ihre Familien mit Jobs in Minen, Kraftwerken und bei Kohlezulieferern. Das muss man sich vor Augen halten, wenn man darüber spricht, dass Südafrika bis 2050 klimaneutral sein will.
Deswegen haben wir in Mpumalanga zusammen mit der südafrikanischen Regierung Programme entwickelt, um Arbeiterinnen und Arbeitern Umschulungen anzubieten – auch aus unserer Erfahrung hier bei der Transformation der Kohleregionen heraus, um unsere „Lessons learned“ als Anregung beizusteuern.
Statt Kohle abzubauen, finden wir gemeinsam Wege, wie die Menschen in Zukunft im Bereich der erneuerbaren Industrien, aber auch im Bereich Wasserstoff beschäftigt sein können.
Denn wenn wir wollen, dass andere Länder den Weg Richtung Klimaneutralität einschlagen, dann müssen wir Perspektiven für Menschen bieten, deren Lebensunterhalt seit Jahrzehnten von fossiler Energie abhängig ist. Das ist für die Menschen in der Region eine Frage der Gerechtigkeit. Es ist aber auch eine Frage der Sicherheit ihrer Existenz.
Und daher ist ein Teil unserer Außenpolitik, und zwar der gesamten Bundesregierung, als „Team Germany“, gemeinsam mit unseren europäischen Partnern ähnliche Transformationspartnerschaften – JETPs – mit anderen Schlüsselländern abzuschließen – zum Beispiel mit Indonesien, Vietnam und Kenia. Dort bauen wir gemeinsam dieses Modell aus – aber, wie gesagt, immer passend für das jeweilige Land.
Und ein ganz besonderes Beispiel, wie es gehen kann, wenn man sich vor Ort den Herausforderungen stellt – und nicht sagt „es geht nicht“, sondern: „Wir haben Lösungen für unser spezielles Transformationsprojekt“ – das sehen wir in Kenia.
Kenia zeigt, was wir in Sachen Ambition und Tempo von anderen Staaten lernen können. Schon jetzt bezieht Kenia etwa 90 Prozent seiner Energie aus erneuerbaren Quellen. Im Jahr 2030 soll der Anteil bei 100 Prozent liegen. Das ist beispielhaft.
Und wir begrüßen herzlich den Präsidenten Kenias, Herrn Präsident Ruto. Es freut mich wirklich sehr, dass Sie heute hier sind und wir von Ihrem Beispiel lernen können. Herzlich willkommen!
Wenn wir von anderen lernen wollen und mit anderen diese Energiewende angehen wollen, braucht es nicht nur politische Führung – wie im Falle Kenias –, sondern wir müssen massiv Investitionen dafür mobilisieren – und bekanntermaßen sind die nicht gerecht verteilt auf der Welt.
Das ist mein zweiter Punkt: Eine erfolgreiche Energiewende braucht Kapital. Wir haben heute viele innovative Unternehmen hier bei uns im Saal, die sehr genau wissen, wie es geht und die deutlich machen: Investitionen in Zukunftstechnologien lohnen sich. Aber am Anfang braucht es immer ein hohes Startkapital.
Die Internationale Organisation für Erneuerbare Energien, IRENA, schätzt den Investitionsbedarf für den Ausstieg aus fossilen Energien weltweit auf jährlich 5,7 Billionen US-Dollar. Das werden öffentliche Mittel allein nicht abdecken können. Deswegen müssen wir auch privates Geld mobilisieren. Und wir wissen, auch wenn wir hier in Deutschland Geld mobilisieren, dass das nicht ganz einfach ist. Aber wenn man gute Ratings hat, dann funktioniert das.
Das ist für Entwicklungsländer anders. Für Energieprojekte brauchen sie häufig ein Eigenkapital von 20 Prozent und wenn sie zum Beispiel einen Windpark finanzieren wollen, dann sind die Zinsen dafür auf dem Kapitalmarkt viermal höher, als wenn wir hier in Deutschland dieses Kapital aufnehmen würden. Das ist ungerecht. Und es führt dazu, dass diejenigen, die diese Investitionen am dringendsten brauchen, diese Investitionen nicht einfach stemmen können.
Und es führt in einen Teufelskreis. Weil man sich nicht schnell genug diese Investitionen leisten kann, ist man gezwungen, weiter auf gesundheits- und klimaschädliche Technologien zu setzen und damit – siehe das Beispiel Irak – die Klimakrise sogar selbst noch mit zu befeuern.
Um dafür zu sorgen, dass wir mit der Transformation auch zu mehr Klimagerechtigkeit kommen, haben wir als G7-Staaten mit weiteren Ländern daher eine Reform der Weltbank angestoßen, damit sie als maßgeblicher Finanzierungspartner für Entwicklung ihr Geschäftsmodell stärker auf Klimafinanzierung ausrichten kann. Diese Reform, das ist unsere Idee, soll auch Maßstäbe für andere Entwicklungsbanken setzen.
Zugleich wissen wir: Wenn man verschuldet ist, sind diese Investitionen noch schwieriger. Und einige Länder sind gerade deshalb verschuldet, weil sie vor einigen Jahren von furchtbaren Klimaereignissen wie Stürmen oder Überschwemmungen getroffen worden sind. Damit rutschen sie noch tiefer in die Schuldenkrise und ihnen fehlt noch mehr Geld, um die Transformationen zu stemmen.
Deswegen wollen wir die G20 nutzen, um Vorschläge für den Schuldenerlass und Restrukturierung von Schulden zu erarbeiten. Aber das können wir nur gemeinsam. Auch China hat hier als großer Gläubiger eine besondere Verantwortung.
Und das ist mein dritter Punkt, weil wir diesen Weg nur mit Ehrlichkeit gehen können: Wir müssen darauf schauen, was wir für Abhängigkeiten im fossilen Bereich haben. Unsere Abhängigkeiten – zum Beispiel – aus der Vergangenheit, aber auch die Abhängigkeiten von Finanzflüssen und Rohstoffen.
Eine saubere Energiewende braucht sichere Rohstoffe. Das ist mein dritter Punkt. Schon bald könnten 95 Prozent der Schlüsselrohstoffe, die für die Herstellung von Solarpanels notwendig sind, in China produziert werden. Das wäre theoretisch erst einmal kein Problem, wenn sie frei in alle Welt kommen könnten, wenn sicher wäre, dass wir sie überall nutzen können und keine neuen Abhängigkeiten geschaffen werden.
Wenn wir das aber nicht wissen, dann müssen wir uns diversifizieren – im Sinne unserer eigenen Sicherheit und der weltweiten Transformation. Mit dem „Critical Raw Material Act“ wollen wir in der Europäischen Union deshalb sicherstellen, dass unsere grüne Industrie in Zukunft über ausreichend Rohstoffe verfügt.
Das heißt, dass wir immer mehr kritische Mineralien in europäischen Minen abbauen und sie in Europa nachhaltig verarbeiten werden. Aber natürlich können wir Rohstoffe nicht in unsere europäischen Böden hineinzaubern. Wir brauchen also Diversifizierung, um unsere Lieferketten verlässlicher zu machen.
Und auch da setzen wir auf internationale Partnerschaften mit gegenseitigem Mehrwert. Nur ein Beispiel: In Europa werden wir allein für E-Auto-Batterien im Jahr 2030 rund 18-mal mehr Lithium brauchen als bisher. Momentan kommen 78 Prozent des Lithiums in der EU aus Chile. Aber es wird zur Verarbeitung nach China exportiert, bevor es dann in Europa landet.
Das ist nicht nur schlecht für die CO2-Bilanz, es ist auch das Gegenteil von Diversifizierung. Und es macht unsere Lieferketten unsicherer. Wenn wir jetzt sagen, wir wollen Rohstoffpartnerschaften ausbauen, dann bedeutet das für uns aber nicht, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen - wie zum Beispiel jetzt, da die Rohstoffe aus Chile nach China gehen und der Mehrwert der Rohstoffe in Chile eigentlich gar nicht genutzt werden kann, sondern eine gerechte Klimatransformation bedeutet für uns, dass jeder davon profitieren kann, insbesondere an den Orten, wo die Rohstoffe herkommen.
Deswegen ist unser Vorschlag auch für diese Partnerschaften, dass wir konkret – in diesem Fall mit der chilenischen Regierung – gemeinsam daran arbeiten, dass das Lithium sauber abgebaut, aber dann vor Ort verarbeitet wird, bevor es in die Welt, hoffentlich dann auch direkt nach Europa, exportiert wird.
Denn Klimaaußenpolitik bedeutet auch, die Chance zu nutzen, unsere Handelspolitik fairer, nachhaltiger und umweltschonend zu gestalten. Wir wollen keinen neuen Rohstoffraubbau, der vor Ort nur schnelles Geld für wenige und verseuchte Böden für alle hinterlässt.
Stattdessen wollen wir Partnerschaften, die nicht nur unsere Lieferketten sicherer machen, sondern auch das Leben der Menschen vor Ort sicherer machen.
Die Zeit, sie drängt. Aber das Glas ist eben auch halb voll. Das ist eine riesige Chance für mehr Gerechtigkeit. Und diese Chance sollten wir gemeinsam ergreifen.
Wenn wir uns gegenseitig zuhören, pragmatische Lösungen finden und damit für uns alle Sicherheit schaffen. Darum geht es in unserer Klimaaußenpolitik. Und darum geht es bei der Energiewende.
Der Weltklimarat hat uns letzte Woche mit brutaler Klarheit gezeigt, wie fragil unsere Erde und unsere Sicherheit sind. Aber die gute Nachricht ist: Wir haben es – noch – selbst in der Hand, wenn wir unser Wissen, unsere Technologie und das Geld nutzen.
Wir können das Wasser nicht ersetzen. Das können wir niemandem versprechen, auch nicht den Menschen in Südirak. Aber was wir versprechen können, ist, das zu tun, was wir können. Dass wir das tun, was in unseren Händen liegt.
Wir können nicht das Wasser ersetzen, aber wir können das Öl ersetzen, das wir aus der Erde pumpen. Wir können unsere Gasheizungen durch Wärmepumpen ersetzen. Wir können unsere Kohle ersetzen durch Wasserstoff, wenn wir in Zukunft Stahl produzieren.
Und wir können das gemeinsam tun – für die Gesundheit unseres Planeten und für die Sicherheit von uns allen.