bei der Haager Akademie für Völkerrecht am 16. Januar 2023 in Den Haag:
- Bulletin 04-2
- 17. Januar 2023
Herzlichen Dank für Ihre Einladung, hier an der Haager Akademie für Völkerrecht zu sprechen, die in diesem besonderen Jahr ihr hundertjähriges Bestehen feiert. Auch für mich persönlich ist es ganz besonders, an dieser so bemerkenswerten Akademie sprechen zu dürfen.
„Wer hat Artikel 2 Absatz 4 der Charta der Vereinten Nationen (VN) getötet?“ Der Völkerrechtler Thomas Martin Franck, der auch hier an dieser Akademie gelehrt hat, hat diese rhetorische Frage gestellt. Das war im Jahr 1970.
Und heute? Heute erleben wir, wie Russland dieses zentrale Prinzip der VN-Charta, das Gewaltverbot, auf brutale Art und Weise mit seinem Angriffskrieg auf die Ukraine attackiert und bricht. Ist Artikel 2, Absatz 4 also tot? Sind wir alle gescheitert, die wir hinter der VN-Charta stehen, hinter unserem gemeinsamen Vertrag von 1945 und unserem Auftrag, der „nachfolgende Generationen vor der Geißel des Krieges bewahren soll“?
Weil diese Charta den russischen Präsidenten nicht davon abgehalten hat, einen brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu führen. Weil Artikel 2 Absatz 4 nicht verhindert hat, dass Russland furchtbares Leid über unsere ukrainischen Nachbarn bringt und mit den entsetzlichen Folgen dieses Krieges nicht nur über die Ukraine, nicht nur über Europa, sondern weit darüber hinaus.
Ist dieser Krieg also auch eine Bankrotterklärung für das Völkerrecht? Ich sehe das entschieden nicht so. Dieser Krieg führt uns aus meiner Sicht das Gegenteil vor Augen:
Erstens, warum wir das Völkerrecht dringender brauchen denn je. Und zweitens, dass wir es gerade jetzt anwenden, aber dafür auch stärken müssen.
Was zählt, ist Verantwortlichkeit. Das, was man im Englischen als „accountability“ bezeichnet. Und zwar genau für jenes sogenannte „Urverbrechen“, das so viele andere Taten überhaupt erst ermöglicht – das Verbrechen der Aggression, das Verbrechen gegen das kostbarste Gut, das wir haben: unseren Frieden. Niemand darf im 21. Jahrhundert einen Angriffskrieg führen und dabei straflos bleiben. Dafür müssen wir das Völkerrecht so weiterentwickeln, dass es unseren Realitäten im 21. Jahrhundert gerecht wird.
Ich glaube, Sie alle hier im Saal voller völkerrechtlicher Expertise brauchen wenig Überzeugung für meinem ersten Punkt – für die Frage, warum das Völkerrecht so unabdingbar für unseren Frieden und für eine internationale Ordnung ist, die auf Regeln basiert und nicht auf der Macht des Stärkeren. Ich möchte trotzdem dazu ein paar Sätze sagen. Denn klar ist, dass in einer Weltordnung, die nur auf Macht beruht, sich diejenigen durchsetzen werden, die am stärksten sind und die ihre Macht am rücksichtslosesten einsetzen. Das heiß, kein kleineres Land könnte mehr ruhig schlafen. Und natürlich gilt das nicht nur hier bei uns in Europa, sondern überall auf der Welt, wo ein Staat fürchten muss, dass sein größerer oder stärkerer Nachbar es überfallt und die Welt einfach zuschaut. Das Völkerrecht aber regelt, dass alle Staaten souverän und gleich sind. Es schützt die Schwachen vor der Willkür der Starken – und zwar egal ob im Norden, im Süden, im Osten oder Westen unserer gemeinsamen Welt. Und das Völkerrecht gibt Staaten Verfahren an die Hand, um Konflikte in der Welt friedlich zu lösen. Völkerrecht gilt also als ein „gentle civiliser of nations“, wie es der finnische Völkerrechtler Martti Koskenniemi formuliert. Recht schafft Frieden.
Dass Staaten davon wirklich Gebrauch machen, dass das Völkerrecht nicht tot ist, zeigt der enorme Anstieg der Fälle vor internationalen Gerichten in den letzten Jahrzehnten. Vor dem Internationalen Gerichtshof sind derzeit 16 streitige Verfahren anhängig mit Parteien, die aus allen Ecken dieser Welt stammen und zu einem breiten rechtlichen Spektrum – von Fragen der Land- und Meeresgrenzen, internationalen Wasserläufen bis hin zu mutmaßlichen Verstößen gegen Verträge zur Beseitigung der Rassendiskriminierung.
„Unsere Bücher sind voll“, so hat es die Präsidentin des Internationalen Gerichtshofs Joan Donoghue vor der VN-Generalversammlung im letzten Herbst eindrücklich geschildert. Und das ist gut so.
Denn das Völkerrecht legt Leitplanken und Grenzen für außenpolitisches Handeln. Das Verbot der Gewaltanwendung ist dabei unser politischer Eckpfeiler. Aber wenn wir über die Grenzen für staatliches Handeln sprechen, dann sind wir auch wieder bei der Frage von Franck und dem vermeintlichen Verbot von Artikel 2.4. Denn was nützt das beste Prinzip, wenn es nicht wirksam eingehalten wird?
Ich glaube, wir müssen ehrlich sein und klar sagen: Wir werden es als internationale Gemeinschaft nicht verhindern können, dass Staaten völkerrechtliche Prinzipien brechen. Genauso wenig, wie wir es als Staaten, als nationale Regierungen verhindern werden, dass Menschen in unseren Ländern Straftaten begehen. Niemand bei uns in Deutschland käme doch zum Beispiel auf die Idee, die Sinnhaftigkeit von Paragraf 211 im Strafgesetzbuch in Frage zu stellen, der Mord unter Strafe stellt – weil immer wieder trotzdem Morde stattfinden.
Das Strafrecht dient bekanntermaßen laut Definition dazu, bestimmte, besonders wichtige Rechtsgüter zu schützen und durch die Bestrafung der Täter im Falle einer Rechtsverletzung den Rechtsfrieden und damit das Gemeinwohl zu erhalten.
Worauf es also entscheidend ankommt, ob im Strafrecht oder im Völkerrecht, ist nicht, ob ein Rechtsgut gebrochen wurde, sondern wie wir auf einen Bruch von Regeln und Prinzipien reagieren und wie entschlossen und geschlossen wir das gemeinsam tun.
Deswegen war es so wichtig, dass wir genau diese Entschlossenheit in den letzten Monaten seit dem 24. Februar als internationale Gemeinschaft unter Beweis gestellt haben, als die Ukraine und damit Artikel 2 Absatz 4 der VN-Charta angegriffen wurden: Indem wir Russlands völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine lautstark verurteilt haben. Indem wir scharfe Sanktionen verhängt haben, gemeinsam mit unseren Partnern und Verbündeten. Indem wir das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine, wie es in Artikel 51 der VN-Charta angelegt ist, gestärkt haben. Und indem wir unsere ukrainischen Nachbarn und Freunde weiter unterstützen – humanitär und finanziell, aber eben auch mit Waffen – mit Blick auf Artikel 51 der VN-Charta. Weil Aggression nicht ohne Antwort bleiben darf.
Ja, es stimmt, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ist ein Prüfstein für unser Völkerrecht. Aber für mich zeigt unsere geschlossene Reaktion als internationale Gemeinschaft, wie breit und anhaltend die Unterstützung dieses Völkerrechts ist. Die „Uniting For Peace“-Resolutionen der VN-Generalversammlung sind der beste Beleg dafür. Mit mehr als 140 Staaten haben wir Russlands Aggression verurteilt, erneut über Regionen und viele politische Gräben hinweg, wie es sie sonst zwischen Staaten gibt.
Das zeigt, dass für eine große Mehrheit der Weltgemeinschaft Artikel 2 Absatz 4 nicht tot ist. Sondern, dass das Gewaltverbot der entscheidende rechtliche Eckpfeiler für uns ist und bleibt.
Der Internationale Gerichtshof, das wichtigste Rechtssprechungsorgan der VN, hat bereits am 16. März 2022 im Eilverfahren angeordnet, dass Russland seine Militäroperation in der Ukraine unverzüglich beenden muss. Weil der Gerichtshof Russlands absurde Argumentation, dass die Ukraine in ihrem eigenen Land einen Genozid verübe, nicht anerkannt hat. Deutschland gehört zu den 33 Staaten, die die Ukraine in diesem Verfahren unterstützen. Und ich muss sagen – so furchtbar, so grausam, so unvorstellbar dieser russische Angriffskrieg ist, ich finde es ermutigend, dass wir im Moment vielleicht so etwas erleben, wie ein wiedererwachtes internationales Bewusstsein für völkerrechtliche Fragen und damit auch unsere entscheidenden Instrumente, die Gerichtshöfe hier in Den Haag.
Wenn wir etwa sehen, wie die USA mit der überparteilichen Novellierung des „War Crimes Act“ gerade entscheidende Schritte zur Stärkung des humanitären Völkerrechts gehen, dann stimmt mich das positiv. Das ist ein wichtiger Schritt in den USA, die ja bekanntermaßen nicht Vertragspartei des Römischen Statuts sind. So werden - ich möchte für mich persönlich sagen – endlich schmerzhafte Strafbarkeitslücken geschlossen. Auch die USA werden kein „sicherer Hafen“ für Kriegsverbrecher mehr sein.
Wenn wir sehen, dass wir mit allen G7-Partnern in unseren Erklärungen des letzten Jahres zum Krieg besonders die wichtige Rolle des Chefanklägers, des Internationalen Strafgerichtshof bei der Untersuchung und Beweissicherung bei Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit unterstrichen haben. Das ist vorher keine Selbstverständlichkeit gewesen.
Und das ist in meinen Augen zentral – auch wenn es im politischen Alltag als Fußnote vielleicht untergegangen ist. Denn im Falle einer Rechtsgutverletzung ist das Entscheidende, wie wir auf einen Bruch von Regeln und Prinzipien reagieren, um den Rechtsfrieden und damit das Gemeinwohl, in diesem Sinne die Völkergemeinschaft, die VN-Charta zu erhalten.
Daher kommt es jetzt entscheidend darauf an, dass unsere völkerrechtlichen Instrumente und Institutionen in der Lage sind, effektiv und wirksam zu arbeiten. Und dafür ist auch die strukturelle Stärke ein Faktor, etwas ganz Technisches und Nüchternes. Aber ohne starke Institutionen funktioniert Rechtsstaatlichkeit und funktioniert auch das Völkerrecht nicht.
Auch deswegen ist Deutschland der zweitgrößte Geber für den Internationalen Strafgerichtshof. Deswegen stellen wir jetzt 20 Millionen Euro für die Ermittlungen und die Verfolgung schwerster Verbrechen bereit. Und ich appelliere an andere Staaten, auch ihre finanziellen Mittel weiter zu erhöhen. Denn ich habe heute Morgen gehört, was diejenigen, die für das internationale Recht arbeiten, dort tagtäglich tun. Wir wissen im Allgemeinen, wie schlecht leider internationale Institutionen ausgestattet sind. Deswegen ermutigen wir deutsche Richterinnen und Richter, sich am Gerichtshof zu engagieren. Bertram Schmitt ist bis zum nächsten Jahr am Internationalen Strafgerichtshof tätig, und mit Ute Hohoff, die derzeit Richterin am Bundesgerichtshof in Deutschland ist, haben wir eine hervorragende Kandidatin, um diese Tradition fortzusetzen.
Weil der Internationale Strafgerichtshof die entscheidende Rolle in der zentralen zweiten Frage hat, die ich eingangs angerissen habe: die Verantwortlichkeit sicherzustellen für Völkerrechtsverbrechen weltweit.
Accountability matters. Weil die Täter hier in Europa und in allen anderen Teilen der Welt wissen müssen, dass sie nicht ungeschoren davonkommen. Es geht um Abschreckung. Aber hier geht es entscheidend auch um Gerechtigkeit für die Opfer. Die Menschen, die in Butscha, Charkiw in Mariupol so unermessliches Leid erfahren haben und leider weiter erfahren, die um ihre Brüder und ihre Schwestern und ihre Eltern, um ihre Kinder und ihre Freunde trauern. Die die von russischer Seite begangenen Verbrechen am eigenen Leib erfahren haben müssen. Vergewaltigung, Verschleppung, Gewalt, Folter und Mord. Sie alle brauchen Hoffnung auf Gerechtigkeit. Ohne Gerechtigkeit gibt es keinen dauerhaften Frieden.
Deswegen ist es so wichtig, dass der Gerichtshof diese Verbrechen untersucht und vor Gericht bringen kann als Kriegsverbrechen, als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, möglicherweise als Verbrechen des Völkermords. Und dass sich die russische Führung dabei nicht auf Immunität berufen kann.
Deutschland gehört zu den 43 Staaten, die den Internationalen Strafgerichtshof mit diesen Verbrechen in der Ukraine befasst haben. Das haben wir in Solidarität mit den Menschen in der Ukraine getan. Wir haben es aber auch gemacht, weil wir davon überzeugt sind, dass die Verfolgung dieser furchtbaren Verbrechen für die gesamte internationale Gemeinschaft von Bedeutung ist.
Die Grausamkeiten in der Ukraine zeigen uns auch, dass wir genau hinschauen müssen, um was für Verbrechen es eigentlich geht. Denn wenn wir diese furchtbaren Bilder seit elf Monaten sehen, dann sehen wir zum einen, dass der brutale russische Angriffskrieg mit menschenverachtenden Methoden des letzten Jahrhunderts geführt wird, die wir gehofft hatten, dass sie für immer in der Versenkung verschwinden. Und zugleich sind im 21. Jahrhundert, in einem digitalen Zeitalter auch Methoden und physische Ziele anders und abstrakter in ihrer Wirkung.
Ich habe das letzte Woche selber erlebt, als ich in Charkiw war. Da steht man auf dem Gelände eines Umspannwerks, sieht zerstörte Stromleitungen, zerstörte Gebäude. Und hört, dass in diesem Gebäude zwei Menschen gearbeitet haben, die, als es getroffen wurde, getötet worden sind.
Man sieht, was das bedeutet für die Kinder in den Wärmestuben, für die Menschen in den zerstörten Gebäuden an anderen Orten der Stadt, die an dieser Stromversorgung, an dieser Wasserversorgung hängen. In diesen Wärmestuben, in den Ruinen wird das Ausmaß dieser Kriegsverbrechen sichtbar, weil es nicht nur Infrastruktur ist, die getroffen wurde.
Wenn Raketen immer wieder ein Elektrizitätswerk treffen, bei dem gerade versucht worden ist, es wieder instand zu setzen, da muss man wissen, dass daran auch die Wärme und Wasserversorgung hängt und dass, wenn diese Stromversorgung nicht binnen weniger Stunden einigermaßen wiederhergestellt wird, bei minus 15 Grad, die Wasserversorgung eingestellt wird.
Wenn ein Umspannwerk mit einer Rakete zerstört wird, dann sterben vielleicht – in Anführungszeichen – „nur“ zwei Menschen. Bei einem Hack auf dieses Umspannwerk stirbt niemand. Das landet deshalb vielleicht gar nicht in den internationalen Medien. Aber de facto ist diese eine Rakete, ist dieser Hack, ein Angriff auf das Leben von Hunderttausenden.
Verbrechen nehmen im 21. Jahrhundert, in einer digitalisierten Zeit, ein anderes Gesicht an. In einem Zeitalter, in dem hochmoderne Waffen oder auch digitale Kriege furchtbare neue Grausamkeiten ermöglichen. Und wir müssen sie beim Namen nennen. Hunderttausende durch eine Rakete bewusst verdursten, erfrieren zu lassen, das sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Oder wenn wir sehen, dass wir mit einem leider alten Phänomen völkerrechtlich noch immer nicht so wirklich umgehen können. Wenn Kinder verschleppt werden in der Ostukraine, wenn sie ihren Familien entrissen und nach Russland gezwungen werden oder gelockt. Dann müssen wir uns fragen, was hier eigentlich passiert. In Zeitungen liest man von Deportationen, manchmal von Adoptionen. Ich habe selber keine gesicherten Fakten dazu. Deswegen weiß ich nicht, wie ich das eigentlich nennen kann, wenn wir nicht wissen, wie diese Kinder eigentlich entführt worden sind. Was Russland aber damit bezweckt, das wissen wir ganz genau. Das ist der gezielte Versuch, ein Volk zu zerstören.
Wie schwer wir uns damit tun, das einzuordnen – ich glaube, das zeigt unsere Stärke, wenn wir das aussprechen. Weil wir dann darüber sprechen, was wir mit der Weiterentwicklung des Völkerrechts gemeinsam tun müssen – um Politikerinnen wie mir und Journalistinnen und Journalisten dafür eine Sprache geben zu können.
Denn wir wissen, gerade wenn es um die Schwächsten einer Gesellschaft geht – Kinder, Frauen, Alte und Kranke, dann ist manchmal das Völkerrecht die einzige Sprache. Wie oft haben wir in den 90er Jahren bei den Balkankriegen gehört: „Vergewaltigung ist doch was ganz Normales. Das gab es zuhauf im Zweiten Weltkrieg.“ Und dieses Phänomen, das geht nicht einfach weg. Ich war letzte Woche in Äthiopien unterwegs, wo wir über die Verbrechen in Tigray gesprochen haben. Auch da wurde von einigen gesagt „Vergewaltigungen, das ist doch was Normales im Krieg. Was sollen wir uns damit lange aufhalten?“ Aber ich sage: Vergewaltigung ist nichts Normales in einem Krieg. Vergewaltigung ist ein Kriegsverbrechen. Menschen, Soldaten, die vergewaltigen, müssen als Kriegsverbrecher angeklagt werden. Systematische Vergewaltigungen als Mittel von Kriegen sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Massenhafte systematische Vergewaltigungen, Versklavung und Schwängerung, Kindesentzug, mit der Absicht, eine Bevölkerungsgruppe zu vernichten, sind Teil eines Genozids.
Es schmerzt mich, dass wir, obwohl wir seit den 90er Jahren oft darüber sprechen, uns auch in Europa schwer damit tun, genau das klar zu benennen und zur Anklage zu bringen.
Die Mütter von Srebrenica tragen noch heute die Spuren der fehlenden Accountability der 90er Jahre in sich. Sie haben mir gesagt: „Man spürt es in jeder Pore.“ Wie sie vergewaltigt worden sind, wie ihre Töchter ermordet worden sind, als Vergewaltigung nicht als Völkerrechtsverbrechen anerkannt war, als sie deutlich machen mussten, dass sie Opfer sind. Verbrechen, die nicht verfolgt worden sind. Sie tragen diese Spuren als 70-Jährige in sich, aber auch ihre Kinder tragen sie in sich, 20-Jährige.
Weil sich die Lücken des Völkerstrafrechts, des internationalen Rechts auch in der nationalen Gesetzgebung widerspiegeln. Ich traf eine 20-Jährige, die keinen Nachnamen hatte. Weil der Vater der Vergewaltiger ihrer Mutter ist und nach dem nationalen Recht der Nachname durch den Vater gegeben wurde. Jeden Tag, jedes Mal, wenn sie ein Formular ausfüllt, trägt sie die Lücken des Rechts mit sich und jeden Tag wird sie erneut als Opfer gebrandmarkt.
Zum Glück haben wir das erkannt und an dieser Lücke aktiv gearbeitet. Seit 2002 kann der Internationale Strafgerichtshof Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Nötigung zur Prostitution, erzwungene Schwangerschaft, Zwangssterilisation oder jede andere Form sexueller Gewalt von vergleichbarer Schwere als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und als Kriegsverbrechen verfolgen.
Genauso wichtig ist, dass sich die Verfolgbarkeit dieser sexualisierten Verbrechen seitdem stetig weiterentwickelt hat. Weil Völkerrecht nichts Statisches ist. Wenn wir aktiv daran arbeiten. Das haben wir gerade jüngst gesehen mit der Entscheidung der Berufungskammer des Internationalen Strafgerichtshofs im Dezember 2022, als sie das Urteil gegen den ehemaligen Kommandeur der Lord Resistance Army, Dominic Ongwen, bestätigt hat.
Die Kammer hat dabei klargestellt, dass Vergewaltigung, erzwungene Heirat und sexuelle Versklavung kumulativ nebeneinander zur Anklage kommen können und nicht etwa im jeweils anderen Tatbestand bereits enthalten sind. Denn sie schützen unterschiedliche Rechtsgüter.
Der Straftatbestand der Vergewaltigung etwa schützt jede Person vor einem Angriff auf ihre sexuelle Autonomie. Der Straftatbestand der erzwungenen Heirat schützt das Recht jeder Person auf freie Partnerwahl. Und das ist wichtig. Weil es für die Opfer einen Unterschied macht, dass genau das Verbrechen geahndet wird, das sie selbst erlitten haben. Nur so kommen wir voran auf den Weg der Gerechtigkeit. Nur so kommen wir voran auf dem Weg der Versöhnung. Gerechtigkeit für individuelle Opfer sind der Schlüssel für dauerhaften Frieden.
Deswegen arbeiten wir daran auch als deutsche Bundesregierung stetig weiter. Es ist wichtig, dass wir mit dem Weltrechtsprinzip auch die Verbrechen des IS in Syrien bei uns in Deutschland verfolgen können. Was bei diesem Prozess verfolgt werden kann, ist das Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Bei diesen Prozessen ist aber ebenso wichtig, dass wir unser Bewusstsein stärken, wer die Opfer sind von Vergewaltigungen und Verschleppung. In den meisten Fällen sind es Frauen und Kinder, Menschen, die besonderen Schutz brauchen.
Auch bei der Ahndung der Verbrechen, die an ihnen begangen wurden, ist es wichtig, genau hinzuschauen und die Opfer im Blick zu haben. Für die Anklage mag es einfacher sein, IS Kämpfer unter Terrorismus anzuklagen. Genau das tun wir gerade auch in Deutschland. Für die vielen versklavten jesidischen Frauen und Kinder bringt das allein aber keine Gerechtigkeit. Für sie ist es zentral, dass ihre Versklavung, die systematische sexualisierte Gewalt als Teil des Völkermordes an den Jesiden angeklagt und verurteilt wird.
Völkerrecht, Völkerstrafrecht auch im nationalen Kontext, ist nicht statisch. Völkerrecht muss den Realitäten im 21. Jahrhundert entsprechen. Unsere Rechtsnormen müssen auf der Höhe der Zeit ausgelegt werden und es ist an uns, das stetig weiterzuentwickeln. Ich mache hier diese Breite auf, weil hinter der Weiterentwicklung auch eine politische Frage steht. Und natürlich ist mit Blick auf die Gewaltenteilung immer wieder eines der Hauptgegenargumente: Das hat nichts mit Recht zu tun. Das ist doch Politik. Aber das Recht, das Völkerrecht lebt natürlich von der Verantwortung, die die Nationalstaaten, damit die Regierungen, für ihr Völkerrecht als Weltgemeinschaft gemeinsam übernehmen.
An diesem Punkt stehen wir aus meiner Sicht gerade wieder: als Weltgemeinschaft zu fragen, welche Verantwortung wir in diesem Moment des Völkerrechts haben, insbesondere für das Verbrechen, das die furchtbaren anderen Gräueltaten nach sich zieht: Die Aggression. Artikel 2, Absatz 4.
Hier müssen wir mit Blick auf Russlands Angriffskrieg und den Internationalen Strafgerichtshof feststellen, dass das Völkerrecht eine Lücke aufweist. Eine Rechenschaftslücke – in Bezug auf genau jenes Verbrechen, das Artikel 2 Absatz 4 der VN-Charta verbietet. Und diese Lücke ist gravierend.
Benjamin Ferencz, der letzte noch lebende Ankläger des Nürnberger Tribunals, hat gesagt: „Ein Verbrechen gegen den Frieden oder Angriffskrieg ist selbst das schlimmste aller Verbrechen. Es bringt alle anderen Verbrechen hervor.“
Genau das erleben wir gerade in der Ukraine. Es war Russlands ruchloser Überfall auf die Ukraine, der überhaupt erst zu den furchtbaren Verbrechen geführt hat, die uns seit Monaten verfolgen, die uns ins Mark gehen und die – ich glaube, das müssen wir so nüchtern sehen – weiterhin begangen werden, die nicht aufhören, solange diese Aggression andauert.
Deswegen ist es so fatal, dass nun die Grenzen der Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs für das Verbrechen der Aggression sichtbar werden. Genau beim „Urverbrechen“ greift die Accountability zu kurz.
Im Juni 2010 wurde zwar die Zuständigkeit geschaffen, nach Verhandlungen voller schwieriger Kompromisse in Kampala, und seit Juli 2018 übt der Gerichtshof die Gerichtsbarkeit über das Verbrechen der Aggression aus.
Aber die Ausübung der Gerichtsbarkeit steht unter Voraussetzungen, die in der derzeitigen Lage schlichtweg nicht erfüllbar sind. So müsste der VN-Sicherheitsrat den Fall an den Internationalen Strafgerichtshof überweisen, was durch Russlands absehbares Veto logischerweise unmöglich ist. Die Alternative ist, dass der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Verdächtige besitzt, und der Staat, in dessen Hoheitsgebiet die Aggression stattgefunden hat, sich der Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs unterworfen haben. Beides ist bekanntermaßen nicht der Fall. Und so heißt es in Artikel 15 Absatz 5 des Römischen Statuts: „Hinsichtlich eines Staates, der nicht Vertragspartei dieses Statuts ist, übt der Gerichtshof seine Gerichtsbarkeit über das Verbrechen der Aggression nicht aus, wenn das Verbrechen von Staatsangehörigen des betreffenden Staates oder in dessen Hoheitsgebiet begangen wurde.“
Das ist eine Ausnahme von den Anforderungen, die wir für die drei anderen Kernverbrechen kennen. Dort reicht es aus, dass entweder der eine oder der andere Staat Vertragspartei ist oder dass er die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs auf Ad-hoc-Basis akzeptiert hat, wie es die Ukraine 2014 und 2015 getan.
Natürlich sollte der Kompromiss von Kampala von allen ratifiziert werden und wir haben hier noch einen weiten Weg zu gehen. Aber selbst dann hätten wir doch weiterhin eine Schwachstelle in unserem Völkerstrafrecht. Und deswegen ist aus meiner Sicht derzeit ein entscheidender Moment. Deswegen kann ich die großen Sorgen unserer ukrainischen Partner und Freunde mehr als verstehen, wenn Sie beklagen, dass Russland für das Verbrechen der Aggression vor dem Internationalen Strafgerichtshof derzeit nicht belangt werden kann, weil Russland eben kein Vertragsstaat ist und sich nicht unterwerfen will.
Ich habe das letzte Woche mit Außenminister Dmytro Kuleba sehr lange und ausführlich besprochen als wir mit dem Zug gemeinsam nach Charkiw gefahren sind. Wie gehen wir mit dieser Lücke des Völkerstrafrechts um? Weil klar ist: Wir können uns Gerechtigkeit nicht herbeiwünschen. Es liegt an uns, sie zu schaffen. Wir haben lange darüber gesprochen, weil vor einigen Monaten die Debatte darüber begonnen hat. „Dann machen wir einfach ein Sondertribunal. Dann richten wir das einfach irgendwie ein.“ Aber mit „irgendwie“ geht es nicht - zum Glück! - in Rechtsstaaten.
Wir müssen genau wissen, was wir tun und wie wir es tun. Damit wir russische Verantwortliche vor Gericht stellen können. Einigen schwebte dafür die Gründung eines neuen internationalen Tribunals vor, das aber aus meiner Sicht gerade für den Internationalen Strafgerichtshof, den wir in diesem Moment stärken müssen und wollen, gravierende Nachteile hätte. Deswegen ist es so wichtig, dass wir in diesen Momenten, auch wenn wir eigentlich keine Zeit haben, genau darüber sprechen.
Unsere Idee mit einigen Partnern ist daher, dass es eine Möglichkeit gibt, um den Internationalen Strafgerichtshof zu stärken und nicht zu schwächen, dass ein Gericht seine Jurisdiktion aus dem ukrainischen Strafrecht ableitet. Wichtig wäre für mich und ich glaube für viele andere auch, dass das durch eine internationale Komponente ergänzt wird. Natürlich darf es keinen Sonderweg für einen Aggressor geben, sondern das, was wir schaffen, muss von möglichst vielen in der Welt getragen werden. Daher ist es für uns wichtig, dass wir eine internationale Komponente haben, die zum Beispiel mit einem Standort außerhalb der Ukraine mit finanzieller Unterstützung durch Partner und mit internationalen Staatsanwälten und Richtern, die Unparteilichkeit und die Legitimität dieses Gerichtes untermauert.
Ja, das wäre ein neues Format. Denn in bisherigen Sondertribunalen wie im Falle von Kambodscha, Kosovo oder Sierra Leone ging es um die Aufarbeitung von Repressionen durch die eigene Regierung, um nationale Konflikte beziehungsweise Bürgerkriege – und vor allem um Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen.
Nie ging es dabei um die Invasion eines Staates durch einen anderen, also um das Verbrechen der Aggression. All das sind völkerrechtliche Feinheiten. Aber genau darum müssen wir uns kümmern, weil sie in der Sache einen riesengroßen Unterschied machen. Ich möchte hier ganz klar sagen, dass ich die Kritik von jenen höre, die sagen: Wir kümmern uns nur um diesen Krieg, weil er in Europa ist. Wieder eine Sonderlösung für europäische Fragen.
Und ehrlich gesagt habe ich diese Sorge auch. Deswegen ist es mir so wichtig, dass wir gemeinsam mit unseren Partnern darüber sprechen, gemeinsam gerade Partner aus anderen Regionen der Welt in diesem Prozess an Bord zu holen.
Denn es stimmt: Eine Sonderinstitution wäre keine ideale Lösung. Auch nicht für mich. Er ist, was der Name suggeriert: ein Sonderfall. Aber dass wir diese Sonderlösung brauchen, das liegt daran, dass unser Völkerrecht derzeit eine Lücke hat. Wir reden nicht über Probleme von in 20 Jahren, sondern über Gerechtigkeit von heute. Es ist klar, dass wir trotz dieser rechtlichen Lücke, trotz dieser Schwierigkeiten jetzt und heute die ganz klare Botschaft an die russische Führung brauchen und damit auch an alle anderen in der Welt, dass ein Angriffskrieg in dieser Welt nicht ungestraft bleibt. Es geht nicht nur um die Ukraine. Es geht nicht nur um Russland, sondern es geht um die Zukunft unseres Völkerstrafrechts.
Daher ist aus meiner Sicht so wichtig, dass in diesem Zusammenhang die erdachte Einrichtung einer Ermittlungsbehörde in Den Haag für das russische Aggressionsverbrechen unterstützt und fortgeführt wird – ein wichtiges Instrument, um das Verbrechen der Aggression zu untersuchen. Hier möchte ich ausdrücklich unseren niederländischen Partnern und Freunden für ihre Initiative und ihr Engagement danken. Und ebenso wichtig ist für mich, dass die Ukraine das Rom-Statut ratifiziert.
Nichtsdestotrotz – auch das müssen wir uns bewusst machen – würde ein solches Tribunal gerade die Troika nicht anklagen können. Die Einwände des Sonderweges lassen mich nicht kalt als Außenministerin – und auch nicht als Völkerrechtlerin.
Daher möchte ich heute hier mit mindestens genauso großer Verve für einen zweiten, einen parallelen Track zum Sondertribunal werben: Nämlich, dass wir uns mit mindestens der gleichen Verve der Völkerstrafrechtslücke grundsätzlich widmen, das heißt, das Römische Statut reformieren.
Denn natürlich könnten wir als Regierungen sagen: Wir haben für das Aggressionsverbrechen keine Rechtsprechung. Das ist eben so. Wir könnten es uns einfach machen, wie in den 90er Jahren und sagen „Vergewaltigungen passieren eben in einem Krieg.“ Das könnten wir. Aber wir sollten es nicht, denn es wäre verantwortungslos. Nicht nur gegenüber den Opfern, sondern auch gegenüber dem Völkerrecht. Das Völkerrecht ist immer auch Zeugnis seiner Zeit. Und wir sind Zeugen unserer Zeit. Wir tragen Verantwortung und daher liegt dieser Schritt in unserer Hand und wir können uns entscheiden, ihn zu gehen. Wir können uns auch entscheiden, ihn nicht zu geben. Aber dann müssen wir auch dafür die Verantwortung tragen. Daher werbe ich dafür, diesen Schritt zu gehen. Wir wissen, das ist ein dickes Brett. Wir wissen, es gibt viele Argumente, die dagegensprechen.
Als Artikel 2.4 der VN-Charta formuliert wurde, ging man davon aus, dass die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates andere Staaten vom Verbrechen der Aggression abhalten würden, und entscheidend, dass sie dieses furchtbare Verbrechen, den Bruch mit dem Frieden, nicht selbst begehen würden. Russland straft diese Ansicht Lügen.
Daher liegt es in unserer Hand, ob Aggression ungestraft bleibt oder nicht. Deswegen brauchen wir aus meiner Sicht eine Weiterentwicklung unseres Rechts, die dem Internationalen Strafgerichtshof erlaubt, seine Zuständigkeit auch für das Verbrechen der Aggression wirklich uneingeschränkt wahrzunehmen.
Es ist auf eine gewisse Art abstrakt und auch wir haben darüber diskutiert, ob eine Außenministerin darüber so tiefgehend völkerrechtlich spricht. Aber eigentlich spricht die halbe Welt darüber. Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen ist, wenn Sie zu Hause am Abendbrottisch sitzen, mit Ihren Schwiegereltern oder Ihren Kindern. Wenn ich dort sitze oder auf der Straße bin oder bei einer Podiumsdiskussion, dann fragen mich „ganz normale Leute“: Wie kann es sein, dass die VN-Charta, dass die VN das Gewaltverbot einerseits kristallklar festschreiben und andererseits Putin nicht angeklagt wird?
Es ist eben nicht nur eine völkerrechtliche Frage. Es ist auch für die Menschen in unseren Ländern eine politische, eine menschliche Frage. Ich möchte daher dafür werben, die Beschränkung der Jurisdiktion des Internationalen Strafgerichtshof für das Verbrechen der Aggression zu überwinden und sie auf das Maß auszuweiten, das auch für andere Kernverbrechen gilt. Das heißt, dass es für das Verbrechen der Aggression wie im Falle von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen ausreichen muss, dass der Opferstaat Vertragspartei ist.
Mir ist bewusst, dass viele unserer Partner, auch unserer engsten Freunde, das kritisch sehen. Und dass es dabei um viele komplexe Themen geht, etwa um Rückwirkung. Auch das ist außer Frage. Es stellen sich viele Folgefragen.
Aber ich glaube, ein Land wie das unsere, mit unserer Geschichte, dem steht es gut an, diese Debatte jetzt voranzubringen. Zumal sich, das sollten wir nicht vergessen, in den komplizierten End-Verhandlungen von Kampala, damals vor allem die afrikanischen und südamerikanischen Staaten und damit in Summe die Mehrheit der Vertragsstaaten bereits dafür eingesetzt hatten, dem Internationalen Strafgerichtshof beim Verbrechen der Aggression die gleiche Zuständigkeit zu geben wie bei den anderen drei Verbrechen. Es ist also nichts Neues. Wir hatten damals keine Mehrheit. Aber jetzt können wir sie haben, wenn wir dafür werben. Dieser brutale russische Angriffskrieg ist auch eine Möglichkeit, vielleicht eine Verpflichtung, genau das jetzt zu versuchen.
Deswegen werden wir viele Gespräche führen. Mit unseren Partnern, aber auch mit Expertinnen und Experten wie Ihnen hier im Saal, mit Juristinnen und Juristen auf der ganzen Welt. Wir können jetzt in vielen Fragen zehn Gegenargumente und zehn Pro-Argumente aufführen. Hinter solchen rechtlichen Debatten, die dann auch noch politisch werden, kann sich jeder Politiker bestens verstecken. Aber im Lichte des Mutes derjenigen, die in der Ukraine für unsere Freiheit und unseren Frieden kämpfen, sollten wir uns in warmen, in friedlichen, in freien Hörsälen und Plenarsälen nicht verstecken, sondern wir sollten dieses juristische Brett jetzt bohren.
Deswegen wollen wir beide Stränge vorantreiben. Wir wollen mit der Ukraine und unseren Partnern über Lösungen sprechen, die wir jetzt gemeinsam angehen können. Zum einen als eine Sonderlösung, um jetzt aktiv zu werden, weil wir sie brauchen, um jetzt den russischen Angriffskrieg nicht ohne Folgen zu lassen. Und zugleich wollen wir das Völkerrecht weiterentwickeln und den Internationalen Strafgerichtshof in seiner Zuständigkeit für das Aggressionsverbrechen stärken, für die gesamte internationale Gemeinschaft.
Das Völkerrecht ist stark. Damit bin ich eingangs gestartet, davon bin ich zutiefst überzeugt. Aber damit das Völkerstrafrecht jetzt seine Stärke entfalten kann, müssen wir Verantwortung übernehmen. Damit Aggression nicht ungestraft bleibt, damit Gerechtigkeit keine abstrakte Größe bleibt, sondern eine wirkliche Perspektive ist. Damit diejenigen, die unseren Frieden brechen, nicht ungestraft davonkommen. Egal wo auf der Welt.
Russlands brutaler Krieg in der Ukraine ist auch ein brutaler Angriff auf das Völkerrecht. Zeitenwende bedeutet: Wir müssen auch im Völkerrecht neue Antworten finden. Denn niemand hat die Macht, die Charta der Vereinten Nationen, Artikel 2, Absatz 4 zu töten. Das ist unsere Antwort auf diesen brutalen russischen Angriffskrieg.