Rede der Bundesministerin der Verteidigung, Dr. Ursula von der Leyen,

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Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren!

37.004.839.000 Euro: Diese Summe steht im Entwurf für den Einzelplan 14, den wir hoffentlich am Ende dieser Woche so in toto beschließen werden. In der Tat – das ist schon häufig erwähnt worden –: 2,7 Milliarden Euro mehr, ein Aufwuchs von acht Prozent, das ist beachtlich. Dafür danke ich. Das ist aber vor allen Dingen ein Beweis für das große Vertrauen in die Bundeswehr. Vor allen Dingen dafür geht mein Dank an dieses Hohe Haus.

Ich möchte mich auch bei den Berichterstattern bedanken, vor allen Dingen – damit darf ich anfangen – bei dem Hauptberichterstatter. Lieber Herr Kalb, in der Tat ist das der letzte Haushalt, den Sie mitbegleiten. Nach 30 langen Jahren hier im Parlament ist das eine gigantische Lebensleistung. Ich möchte sogar sagen, wenn ich mir das erlauben darf: Das ist eine außergewöhnliche haushaltspolitische Lebensleistung, die Sie erbracht haben. Also: Chapeau! Vielen Dank auch an Sie, liebe Frau Evers-Meyer, an Sie, Herr Lindner, an Sie, Herr Leutert, für die sehr konstruktive Zusammenarbeit. Das sage ich vor allen Dingen im Namen meines Hauses und der gesamten Bundeswehr.

Heute Morgen bei der Debatte ist schon relativ viel über die Auswirkungen der Wahl in den Vereinigten Staaten gesprochen worden. Ich möchte vor diesem Hintergrund einen Blick auf unser Ressort werfen. Bei all dem, was wir in diesem Wahlkampf auch an Widersprüchlichem gehört haben, unabhängig vom Ausgang der Wahl, ist uns allen klar, dass die Forderungen an Europa, mehr Lasten und mehr Verantwortung auf seine Schultern zu nehmen, von den USA gekommen wären – unabhängig vom Wahlausgang.

Wir haben in den letzten zwei, drei Jahren die NATO erheblich modernisiert. Deutschland selber hat ein gerüttelt Maß dazu beigetragen und ist damit ein ganz starker Mitgestalter gewesen. Das spiegelt übrigens auch dieser Haushalt wider; denn es ist uns gelungen, die Ausgaben für Verteidigung auf 1,22 Prozent des BIP zu erhöhen. Jeder, der diese Zahlen kennt, weiß, wie mühsam das ist. Wir sind bei 1,18 Prozent gestartet. Diese 1,22 Prozent sind ein Schritt in die richtige Richtung. Wir wissen aber alle, dass sich das noch weiter verstetigen muss.

Weil wir aber investieren und vor allen Dingen die NATO modernisiert haben, bin ich der festen Überzeugung, dass nach dem Jahr, das wir erlebt haben und das auch durch das Referendum in Großbritannien geprägt war, die Europäische Union in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik unbedingt nachziehen muss.

Ich sage das so explizit, weil die Menschen zum Teil einen enormen Europafrust, eine Europaskepsis haben, vor allem dann, wenn sie das Gefühl haben, dass Europa sie im Kleinen gängelt und im Kleinen in ihr Leben reindirigiert, was vor Ort eigentlich besser gelöst werden könnte. Aber in den großen Fragen erwarten die Menschen, dass Europa reagiert. Wenn Europa dann nicht handelt, ist die Kritik berechtigt. Es liegt an uns, Europa tatsächlich in die Lage zu versetzen, dort besser zu werden.

Ich möchte das noch mehr entfalten. Das ist nicht nur eine Frage des Ungleichgewichtes innerhalb der Allianz, sondern wir müssen das aus eigenem Interesse machen. Es ist völlig klar, dass nach Artikel fünf des NATO-Vertrages die NATO für die Verteidigung des Territoriums zuständig ist. Sie macht eine unverzichtbare Arbeit. Aber um uns herum sind die Probleme vielfältiger und größer; das sage ich insbesondere mit dem Blick auf Afrika. Ich sehe dort nicht primär die NATO. Ich sehe aber auf unserem Nachbarkontinent – das ist unser direkter Nachbar – vor allem die Europäische Union, die in der Tat – Sie haben es angesprochen – mit ihrem einzigartigen Instrumentarium, über das sie verfügt, also mit ihrer eigenen Farbe, mit ihrer eigenen Art, zu sein, in der Pflicht ist, zu handeln.

Dieses einzigartige Instrumentarium ist eben die Mischung aus zivilen und militärischen Elementen. Nur mit dem vernetzten Ansatz, den wir in Deutschland so gut kennen, werden wir gemeinsam mit den afrikanischen Staaten den Erfolg haben, den wir uns dort mühsam erarbeiten müssen. Aber dafür müssen wir die Europäische Union erst einmal richtig aufstellen. Das sage ich vor allen Dingen mit Blick auf Effizienz. 28 Staaten in der Europäischen Union: Das heißt 1,5 Millionen Soldatinnen und Soldaten. Das sind mehr, als die Vereinigten Staaten von Amerika haben. – Das Jahresbudget beträgt etwa 200 Milliarden Euro. Wir leisten uns 37 verschiedene Typen von Transportpanzern, zwölf verschiedene Tankflugzeuge – auf diesem kleinen Kontinent, wenn man das einmal so sagen darf – und 19 verschiedene Kampfjets.

Wir sind in Europa – das muss man so sagen – eklatant ineffizient. Alleine das – denn ich bin ja hier unter Haushältern – wäre schon ein Grund, da Effizienz hineinzubringen. Denn ich muss auch sagen: Wir können es uns nicht mehr leisten, so ineffizient zu sein. Das Geld, das wir haben, müssen wir besser einsetzen, damit wir die Aufgaben vor Ort tatsächlich leisten können.

Wir reden nicht von einer europäischen Armee – auch das sage ich noch einmal sehr deutlich –, sondern es geht um Fähigkeiten wie zum Beispiel ein europäisches Sanitätskommando oder eine europäische Logistikdrehscheibe. Wir wissen, was SKB ist. Die SKB ist in Europa einzigartig. Das heißt, wir haben auch ein Vorbild, um zu zeigen, wie wir es gemeinsam machen können. Das geht auch innerhalb des Vertrages von Lissabon, nämlich durch die Bildung einer Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit. Das sind die Aufgaben der nächsten Wochen und Monate.

Aus all dem, was meine Vorrednerinnen und Vorredner und auch ich gesagt haben, wird deutlich: Verteidigung wird mehr Investitionen brauchen. Der Anlass ist bitter, ganz ohne Zweifel, aber es liegt unausweichlich als Aufgabe vor uns. Das spiegelt der Haushalt wider, nicht nur durch die acht Prozent Steigerung, sondern auch bei den rüstungsinvestiven Ausgaben, die mit rund sechs Milliarden Euro veranschlagt werden. Das sind gut zehn Prozent mehr als dieses Jahr.

Wir machen auch in der Umsetzung Strecke. Seit Beginn der Legislaturperiode haben wir 33  25-Millionen-Vorlagen mit einem Gesamtvolumen von rund 15 Milliarden Euro vorgelegt. Wir werden den Bestand an „Leopard-2-Panzern“ auf 320 erhöhen und circa ein Drittel davon auf den modernsten Stand bringen. Wir haben in den vergangenen Wochen ein paarmal im Ausschuss darüber gesprochen.

Ich möchte hier noch einmal sagen: Das Verteidigungsministerium hat jetzt seine Hausaufgaben gemacht. Wir sind bereit, den Vertrag zu schließen. Deshalb hoffe ich sehr, dass jetzt auch die Industrie ihre internen Hausaufgaben gemacht hat, damit wir jetzt gemeinsam vorankommen können. Es ist Zeit, dass wir jetzt diesen Vertrag tatsächlich schließen. Aber die Bringschuld liegt nicht mehr bei uns, sondern inzwischen auf der Seite der Industrie.

Weil wir gerade bei diesen Themen sind, Herr Lindner – denn Sie haben zu Recht gesagt, da müsse man hinterher sein –, will ich auch etwas zum A400M sagen: 30 Millionen Euro sind bereits zu uns geflossen für die Flugzeuge, die wir haben. Das muss man dazusagen; man kann nicht mehr verlangen als das, was dem Lieferumfang entspricht. Genauso – in genau diesem Tempo – wird es auch mit den Forderungen an die Industrie weitergehen.

Wir haben die ersten acht leichten Mehrzweckhubschrauber an unsere Spezialkräfte übergeben. Die Marine hat ihr fünftes und sechstes U-Boot der Baureihe „212 A“ übernommen.

Wir setzen aber auch viele kleine Projekte um, die direkt in der Truppe ankommen, zum Beispiel die 6.000 Sätze der neuen Kampfbekleidung, die bereits im Irak, in Mali und in Afghanistan im Einsatz sind. Die BwFuhrpark erhält bis 2017 insgesamt 1.800 neue Fahrzeuge, vom Pkw bis zum Fünfzehntonner.

Das heißt, es geht voran, in vielen Schritten, die ich eben nur ansatzweise gezeichnet habe, und wir sind schon tief in unser 130-Milliarden-Euro-Programm eingestiegen. – Das ist das Richtige. Denn wir müssen unsere Soldatinnen und Soldaten, wenn wir beziehungsweis das Parlament sie in Auslandseinsätze schicken, auch korrekt ausrüsten und ausstatten, sonst können sie diese Aufgaben nicht wahrnehmen.

Neben der Beschaffung von neuem Material müssen wir auch in Systeme investieren, die wir bereits nutzen. Auch hier lässt der Haushalt 2017 mehr Spielraum. Wir haben den Ansatz für Materialerhalt um rund 360 Millionen Euro erhöht. Auch für das Personal danke ich für die Gesamtsumme.

Ich freue mich vor allen Dingen, dass die Personalverstärkungsmittel von jetzt knapp 400 Millionen Euro geklärt sind, die dem Einzelplan 14 zugewiesen werden. Auch das ist der richtige Weg in der Trendwende beim Personal.

Erlauben Sie mir, dass ich noch ein Thema anspreche, das mir für die Zukunft wichtig ist und zwar die Digitalisierung. Für mich ist es das Megathema der Modernisierung in der nächsten Dekade, das wir mit großer Kraft angehen müssen. Es hat uns querschnittlich schon lange leise begleitet. Wir müssen dieses Thema sehr viel konzentrierter angehen.

Die Ausgaben für IT – für Hardware, Software, Schulungen und so weiter – werden beinahe verdoppelt auf knapp 400 Millionen Euro. Ich danke dafür. Dennoch: Angesichts der Größe dieser Aufgabe sind wir uns, glaube ich, alle darüber klar, dass es das Mindeste an Steigerung ist für diese Riesenaufgabe, die vor uns liegt. Wir müssen vor allen Dingen aufpassen; denn die technologische Entwicklung ist rasant und verläuft exponentiell. Wir sind auf dem guten Weg des Nachholens. Aber das Nachholen muss schnell genug gehen, sonst läuft uns die technologische Entwicklung noch sehr viel schneller davon, und die Lücke würde immer größer.

Wir haben viel über das Thema Cyberschutz gesprochen; dazu möchte ich heute nicht mehr viel sagen. Wir alle wissen, dass es sich gewissermaßen um fliegende, schwimmende und rollende Software handelt. Die Debatte heute Morgen über den Cyberinforaum mit Social Bots, Trollen und über strategische Kommunikation war sehr interessant. Ich möchte noch einmal einen Blick in das Innere der Bundeswehr werfen und klarmachen, was Digitalisierung für uns eigentlich bedeutet – Stichworte: „Digitalisierung der Verwaltung“, „datengetriebene Steuerung“ und „vernetzte Operationsführung“. Wir müssen bei der digitalen Verwaltung vor allen Dingen unsere Hausaufgaben machen. Wir haben nach der Einführung von SAP über Jahre Terabytes logistischer Daten in einer großen SAP-Lösung hinterlegt. Was wir jetzt machen müssen, ist, die vorhandenen Daten – hier sieht es aus wie Kraut und Rüben, um es vereinfacht auszudrücken – allmählich systematisch aufzuarbeiten und so zu einem digital gesteuerten Controlling und einem auf digital erhobenen Daten der Lebenswirklichkeit der Bundeswehr basierenden Nachvorneplan zu kommen.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Wenn wir wissen, welche der Millionen Ersatzteile am häufigsten für die Wartung benötigt werden, dann können diese Teile mehr bevorratet werden, als das nach der üblichen Methode der Bevorratung möglich ist. Mit den richtigen Daten weiß ich, welche Elemente wann abgenutzt sind und kann die Wartung zum richtigen Zeitpunkt durchführen. Wir müssen dann nicht mehr nach dem starren Schema vorgehen, das sich an der Anzahl der Flugstunden oder an bestimmten Monaten orientiert, wie das bei Schiffen der Fall ist, die nach einer bestimmten Zeit – unabhängig davon, wie es tatsächlich um den Abnutzungsstand bestellt ist – in die Werft müssen. Digitalisiert können wir uns hier sehr viel besser aufstellen. Das spart Zeit und Geld und erhöht die Einsatzbereitschaft.

Ein anderes Beispiel ist die Sanität. Wir haben alles: die gesunde Klientel, die Kranken, die ambulante Versorgung, die Krankenhäuser und die Rehabilitation. Wir sind zudem der Versicherer und stellen die Ärztinnen und Ärzte. Im Gegensatz zum sonstigen Gesundheitswesen sind hier DRG kein Thema. Wir verfügen aber nicht über die Daten, die sich in dieser Kette auftun, weil noch vieles auf Papier aufgeschrieben wird. Wenn wir alles digitalisiert hätten, könnten wir sehr gut erkennen: Machen wir beim Auftreten einer Krankheit das Richtige, sodass zum Beispiel bei der Rehabilitation tatsächlich das gewünschte Ergebnis erzielt wird? Das nennt man Versorgungsforschung. Auch das wäre für die Soldatinnen und Soldaten sowie für die gesamte Bundeswehr wichtig.

Das alles steckt hinter der Digitalisierung. Deshalb lohnt es sich, die Bundeswehr auch nach innen besser aufzustellen.

Um den Nachwuchs kümmern wir uns ebenfalls. Wir werden an der UniBw München einen neuen internationalen Studiengang Cybersicherheit einrichten. Hier werden 13 neue Professorenstellen geschaffen. Dafür danke ich dem Hohen Haus. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Auch an der UniBw Hamburg wird es neue Stellen für das Kompetenzcluster „Sicherheitsforschung und Logistik“ sowie einen neuen Studiengang Bauingenieurwesen geben. Insgesamt sind für die Universitäten 140 neue Stellen geplant. Genau das ist der richtige Weg; denn die Investition in die jungen Menschen ist das Nachhaltigste und das Beste, was wir überhaupt für die Zukunft der Bundeswehr tun können. Dafür danke ich ausdrücklich.

Modernisierung gelingt nicht per Erlass. Modernisierung braucht Kraft, sie braucht Ausdauer, auch über das kommende Haushaltsjahr hinaus. Ich möchte heute aber vor allen Dingen für die große Summe danken, die uns anvertraut ist und die wir gemeinsam auf den Weg bringen werden.