Rede der Bundesministerin der Verteidigung, Annegret Kramp-Karrenbauer,

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Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Es ist immer etwas Besonderes, wenn wir im Bundestag über Afghanistan reden; denn bei keinem Einsatz wird mir, wird Ihnen sicherlich so bewusst, wie groß die Gefahren sind, in die wir unsere Soldatinnen und Soldaten schicken, und dass in Afghanistan Soldaten ihr Leben gelassen haben – auch für das, was wir uns nach 9/11 vorgenommen haben: dass nämlich von Afghanistan kein staatlich unterstützter internationaler islamistischer Terror mehr ausgehen darf. Seit zwanzig Jahren geht das in Erfüllung. Das ist das Verdienst, das wir alle dort erzielt haben.

Das ist auch das Verdienst der afghanischen Armee, der afghanischen Sicherheitskräfte, und sie konnten dieses Verdienst nur deshalb erreichen, weil sie von uns auch unterstützt worden sind, bis zum heutigen Tag. All diejenigen, die jetzt sagen, es war ein Fehler, damals gemeinsam – auf der Grundlage einer UN-Resolution und mit der Nato – nach Afghanistan zu gehen, hätten damit in Kauf genommen, dass die Taliban bis heute ununterbrochen regiert hätten, dass wir nicht den Ansatz von Frauen in Bildung, in Ämtern gehabt hätten, dass wir nicht den Ansatz einer weiterentwickelten Armee gehabt hätten; auch das gehört zur Bilanz von Afghanistan dazu.

Wir werden und wir müssen über die Bilanz von Afghanistan reden; das sind wir insbesondere den gefallenen Soldaten schuldig.

Aber heute reden wir vor allen Dingen über die nächsten Monate, wir reden darüber, dass wir gemeinsam mit dem Bündnis Zeit brauchen, damit die Friedensverhandlungen, die ja auch einmal mit einem Petersberger Dialog begonnen haben, zu Ende geführt werden können, damit wir weiter dafür sorgen – auch in der Ausbildung, in der Unterstützung –, dass wir die afghanischen Sicherheitskräfte nicht unkontrolliert von heute auf morgen alleinlassen. Dazu dienen die nächsten Monate.

Wie schnell wir zu einem Ergebnis kommen, das ist etwas, was wir gemeinsam im Bündnis besprechen müssen, natürlich unter einer besonderen Verantwortung der Amerikaner, aber nicht nur, auch von uns. Wir sind im Norden Afghanistans die Anlehnnation für 16 andere Nationen; das sind über 500 Soldatinnen und Soldaten, die in Masar-i-Scharif gemeinsam mit uns Seite an Seite kämpfen. Auch für die tragen wir Verantwortung, und ich frage Sie: Wenn wir dieses Mandat nicht verlängern, welches Signal setzen wir dann an diejenigen, die auch für uns ihren Kopf in Afghanistan hinhalten?

Ich will es ganz deutlich machen: Die vor uns liegende Zeit ist gefährlich; sie ist insbesondere gefährlich für unsere Soldatinnen und Soldaten, für die internationalen Truppen. Die Taliban haben bisher gesagt, sie fühlen sich an das Abkommen mit den USA gebunden. Dieses Abkommen hat beinhaltet, dass wir zum 30. April abziehen. Ja, ich hätte mich gefreut, wir hätten in der Verteidigungsministersitzung der Nato schon eine Entscheidung treffen können, und ich hoffe sehr, dass möglicherweise in der Außenministersitzung im März eine Entscheidung getroffen wird. Aber wenn die Taliban sagen, wenn dieses Abkommen nicht umgesetzt wird, dann greifen sie uns auch wieder an, dann nehme ich diese Drohung ernst, und zwar sehr ernst. Das sind mehr als nur leere Worte.

Deswegen war ich letzten Freitag in Afghanistan; deswegen habe ich mir vor Ort mit dem Kommandeur, mit General Meyer zusammen angeschaut, wie wir insbesondere in Masar-i-Scharif aufgestellt sind; deswegen verkürzen wir die Verlegebereitschaft unserer Verstärkungskräfte auf sieben Tage; deswegen sehen wir vor, dass die vorgesehene Infanteriekompanie um einen Mörserzug verstärkt wird, wenn es geht in Kooperation mit den Niederlanden; deswegen werden Material und Fahrzeuge dafür vorab in Afghanistan stationiert; deswegen bereiten wir auch über diese Maßnahmen hinaus weitergehende Bedrohungsszenarien vor – Geisellagen oder anderes –, für die wir auch Spezialkräfte brauchen. Und wir verfügen über diese Spezialkräfte, und sie sind einsatzbereit, und deswegen halten wir sie auch in der Vorhand.

Lassen Sie mich das ganz deutlich sagen: Ich bin sehr dankbar, dass doch die Mehrheit in diesem Haus bereit ist, dieses Mandat für die Übergangszeit zu gewährleisten. Denn unsere Soldatinnen und Soldaten, mit denen ich gesprochen habe, haben nach wie vor gesagt, sie finden ihren Einsatz sinnvoll; sie finden ihn wichtig; sie sehen, welche Fortschritte die afghanische Armee macht; sie erleben, wie unter einem hohen Blutzoll die afghanischen Soldaten dafür kämpfen, dass die Taliban nicht das ganze Land übernehmen; sie sehen, dass wir die Zeit brauchen, um eine politische Lösung der Konfliktparteien in Afghanistan zu finden, und deswegen wünschen sie sich den Rückhalt des Deutschen Bundestages.

Wenn Sie uns mit dem Übergangsmandat diesen Rückhalt geben, dann darf ich mich auch im Namen der Soldatinnen und Soldaten dafür bedanken.

Herzlichen Dank.