Offizieller Besuch des Bundeskanzlers in Indonesien, auf den Philippinen und in Japan vom 26. Oktober bis 2. November 1996 - Besuch in der Republik Indonesien - Abendessen im Jakarta National Convention Center

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Offizieller Besuch des Bundeskanzlers in Indonesien, auf den Philippinen und in Japan vom 26. Oktober bis 2. November 1996 - Besuch in der Republik Indonesien - Abendessen im Jakarta National Convention Center

  • Bulletin 95-96
  • 25. November 1996

Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl stattete der Republik Indonesien vom 26. bis 29.
Oktober 1996, der Republik der Philippinen vom 29. bis 31. Oktober 1996 und
Japan vom 31. Oktober bis 2. November 1996 einen offiziellen Besuch ab.

Besuch in der Republik Indonesien

Abendessen im Jakarta National Convention Center

Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl hielt bei dem Abendessen, gegeben vom
Präsidenten der Republik Indonesien, Soeharto, im Jakarta National Convention
Center am 28. Oktober 1996 folgende Rede:

Herr Präsident,
Exzellenzen,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

für den freundschaftlichen Empfang und die großartige Gastfreundschaft, die
Sie in den vergangenen Tagen mir und meiner Delegation entgegengebracht haben,
möchte ich Ihnen und der indonesischen Regierung herzlich danken. Ich darf es
so direkt sagen, Herr Präsident: Das war für uns keine Überraschung; wir sind
bei Ihnen immer verwöhnt worden.

Unser bilaterales Verhältnis ist durch traditionelle Freundschaft, enges
Vertrauen und gegenseitige Achtung bestimmt. Unsere häufigen persönlichen
Kontakte, Herr Präsident, sind auch ein Ausdruck dieser Freundschaft. Seit
Ihrem Besuch im April 1995, als wir gemeinsam das „Deutsch-Indonesische Forum
für Wirtschaft und Technologie“ gegründet haben, sind wir in diesem Jahr
bereits zweimal zu einem Meinungsaustausch zusammengetroffen.

Ich freue mich, daß wir gestern und heute erneut Gelegenheit zu ausführlichen
Gesprächen hatten, um die Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern
weiter zu vertiefen. Das Interesse der Deutschen an der Entwicklung in
Indonesien ist ungebrochen. Dies sehen Sie auch an der großen Delegation aus
Politik und Wirtschaft, die mich auf meiner Reise begleitet. Der enge
politische Dialog und die wirtschaftliche Kooperation zwischen uns sind auch
ein Zeichen der Wertschätzung für Indonesien und für das indonesische Volk.

Die deutsch-indonesischen Beziehungen können auf eine lange und gute
Geschichte zurückblicken. Bereits vor über dreihundert Jahren machten die
ersten Deutschen Bekanntschaft mit Ihrer alten Hochkultur – Kaufleute,
Wissenschaftler, Ärzte, aber auch Reisende auf der Suche nach fremden Gestaden
und neuen Horizonten. Mit seinem landschaftlichen Zauber, mit seiner
ethnischen und kulturellen Vielfalt hat Indonesien seither auf uns Deutsche
immer eine große Anziehungskraft ausgeübt.

Ich erinnere an den deutschen Maler, Choreographen, Ethnologen und Musiker
Walter Spies. Im vergangenen Jahr haben wir in Deutschland und in Indonesien
seinen 100. Geburtstag gefeiert. Ich nenne auch den berühmten javanischen
Maler Raden Saleh. In der Mitte des letzten Jahrhunderts arbeitete er viele
Jahre in Dresden. Ich weiß, daß Sie selbst, Herr Präsident, die Werke dieser
beiden Maler besonders schätzen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, etwa 17000 junge Bürger Ihres Landes
haben bisher in Deutschland studiert. Viele von ihnen wurden zu bekannten
Persönlichkeiten in Politik und Wirtschaft, in Wissenschaft und Kultur. Nicht
wenige von Ihnen sehe ich heute abend unter uns.

Um so mehr bedauere ich, daß heute nicht mehr so viele junge hochqualifizierte
Indonesier in Deutschland studieren wie früher. Dieser Trend ist nicht gut für
die Fortentwicklung unserer Beziehungen. Ich möchte, daß wieder mehr junge
Indonesier zum Studium nach Deutschland kommen. Wir in der Bundesregierung
sind bereit, von uns aus die erforderlichen Schritte zu unternehmen, um ein
Studium an einer deutschen Hochschule auch für indonesische Studierende wieder
attraktiver zu machen und den wissenschaftlichen Austausch mit Ihrem Land,
Herr Präsident, auf das alte Niveau zurückzuführen.

Ich sehe es als ein gutes Zeichen an, daß Deutsch weiterhin nach Englisch die
am häufigsten gewählte Fremdsprache an indonesischen Schulen ist. Uns in
Deutschland imponiert der enorme Fortschritt im Bildungswesen Ihres Landes.
Dieser hervorragende und hochqualifizierte Nachwuchs ist eine großartige
Chance, die wir für eine Intensivierung unserer Beziehungen nutzen sollten.

In diesem Zusammenhang freue ich mich besonders über eine Vereinbarung, die
wir heute gemeinsam getroffen haben. Wir wollen eine Gemeinsame Kommission
berufen, deren Aufgabe es ist, die gegenseitigen Kenntnisse über Literatur und
Sprache des jeweils anderen Landes zu fördern. Konkret geht es darum, die
indonesische und die deutsche Literatur wechselseitig durch Übersetzungen
bekannter zu machen
und vor allem dafür Sorge zu tragen, daß möglichst bald – und ich denke, dies
ist längst überfällig – moderne und umfassende Wörterbücher für
Deutsch–Indonesisch wie für Indonesisch–Deutsch erarbeitet werden.

Der bilaterale Handel zwischen uns entwickelt sich positiv. Die deutschen
Auslandsinvestitionen in Indonesien haben bereits ein beachtliches Volumen
erreicht. Ich sehe zusätzliche gute Möglichkeiten für eine weitere
Intensivierung unserer Beziehungen auf möglichst vielen Gebieten. Die
Gespräche, nicht zuletzt mit den Vertretern der Wirtschaft Ihres Landes und
unseres Landes in diesen Tagen, haben dies gezeigt. Die Einführung eines
Berufsbildungswesens in Indonesien, das sich an dem bewährten deutschen dualen
Ausbildungssystem orientiert, eröffnet weitere Chancen für unsere
Zusammenarbeit.

Herr Präsident, Ihr Land ist mit 200 Millionen Einwohnern inzwischen das
viertgrößte der Welt. Es nimmt in der südostasiatischen Weltregion eine
besonders wichtige und einflußreiche Stellung ein. Man kann es ganz einfach so
formulieren: Indonesiens Wort hat Gewicht.

Ihre Außenpolitik, Herr Präsident, dies konnte ich gut beobachten, hat in den
vergangenen Jahren durch eine Förderung von Dialog und guter Nachbarschaft
dazu beigetragen, Spannungen in der Region abzubauen. In einer aufgeregten
Weltöffentlichkeit, in der oft die Sensation der Tagespolitik den Ausschlag
gibt, verdient diese behutsame, pragmatische Politik besonderen Respekt und
Anerkennung.

Dies gilt gleichermaßen für die Art und Weise, mit der Sie die regionale
Integration gefördert haben. Ich denke dabei nicht zuletzt an die Erklärung
von Bogor vom November 1994, die die Agenda der asiatisch-pazifischen
Zusammenarbeit für die nächsten Jahre, vielleicht für die nächsten Jahrzehnte,
prägen wird.

Als Vorsitzender in ASEAN und dem ASEAN-Regionalforum (ARF) haben Sie den Weg
bereitet zu den weitreichenden Beschlüssen der ASEAN-Konferenzen vom Juli
dieses Jahres. Mit dem ersten asiatisch-europäischen Treffen in Bangkok (ASEM)
haben wir im März dieses Jahres eine wichtige neue Weichenstellung
eingeleitet. Wir konnten dabei an die traditionellen freundschaftlichen
Beziehungen anknüpfen, die die Europäische Gemeinschaft und die ASEAN-Staaten
seit Ende der sechziger Jahre verbinden.

Sehr geehrter Herr Präsident, in dem ständigen Dialog, der zwischen ASEAN und
Europäischer Union, zwischen Indonesien und Deutschland stattfindet, werden
selbstverständlich alle Fragen angesprochen, die der einen oder anderen Seite
besonders am Herzen liegen. Daher ist es für Indonesien und uns seit Jahren
selbstverständlich, auch offen über Fragen der Menschenrechte zu sprechen.
Dies war auch bei diesem Besuch der Fall.

Sie, Herr Präsident, und ich hatten darüber einen eingehenden
Meinungsaustausch. Auch die mich begleitenden Abgeordneten des Deutschen
Bundestages haben diese Fragen mit ihren indonesischen Kollegen, vor allem
auch mit den Mitgliedern der Nationalen Menschenrechtskommission Ihres Landes
erörtert.

Wir sind uns sehr wohl bewußt, daß es bei aller Übereinstimmung in so vielen
grundlegenden Fragen auch Auffassungsunterschiede gibt. Wir sind uns vor allem
darin einig, daß wir unserer gemeinsamen Verantwortung nur dann wirklich
gerecht werden, wenn wir in einem offenen freundschaftlichen und
vertrauensvollen Dialog an alle Themen herangehen. Dabei müssen wir
selbstverständlich die Geschichte, die Kultur, aber auch die
wirtschaftlich-sozialen Gegebenheiten des anderen respektieren. Nur auf diese
Weise kommen wir im gegenseitigen Interesse voran und können dann auch
praktische Probleme lösen.

Herr Präsident, mit besonderem Respekt haben wir in Deutschland und Europa
verfolgt, mit welchem Geschick und welchem Engagement Sie in den Jahren 1992
bis 1995 den Vorsitz in der Bewegung der nicht-gebundenen Staaten ausgeübt
haben. Sie haben dabei – das möchte ich ganz besonders herausstellen –
wesentlich dazu beigetragen, den Dialog zwischen Nord und Süd von
ideologischen Schlagworten zu befreien und ein sachliches Gespräch zu
ermöglichen.

Ihr Wirken hat Ihrem Land noch mehr internationales Vertrauen und Anerkennung
erworben. Das zeigt auch die Wahl Indonesiens in den Weltsicherheitsrat der
Vereinten Nationen für die Jahre 1995 und 1996. Daß Deutschland dabei zur
gleichen Zeit Ihr Partner war, freut mich besonders.

Wir beide, Indonesien und Deutschland, wollen unsere politische Abstimmung auf
möglichst allen Gebieten weiter intensivieren. Es ist unser Wunsch an der
Schwelle dieses Jahrhunderts und Jahrtausends, daß in dem neuen Jahrtausend
und in dem neuen 21. Jahrhundert eine Welt des Friedens und eine Welt der
Freiheit entstehen möge, eine Welt, die frei ist von Furcht und von Not.

Herr Präsident, meine Damen und Herren: Wir, Ihre alten Freunde, wollen diesen
Weg mit Ihnen gemeinsam gehen. In diesem Sinne bitte ich Sie alle, das Glas zu
erheben. Auf Ihr Wohlergehen, Herr Präsident! Auf eine gute Zukunft Ihres
Volkes! Auf eine gute gemeinsame Zukunft von Indonesiern und Deutschen! Das
ist unser gemeinsames Ziel.

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