offizieller besuch des bundeskanzlers in der volksrepublik china vom 15. bis 20. november 1993

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bundeskanzler dr. helmut kohl stattete der volksrepublik
china vom 15. bis 20. november 1993 einen offiziellen
besuch ab.

erklaerung vor der presse in peking
bundeskanzler dr. helmut kohl gab auf einer pressekonferenz
in peking am 17. november 1993 folgende einleitende
erklaerung ab:

meine damen und herren,

nach abschluss meiner offiziellen gespraeche mit der
chinesischen staatsfuehrung moechte ich die bilanz
der bisherigen ergebnisse meines besuches ziehen.
zunaechst will ich die gelegenheit nutzen, mich sehr
herzlich bei den chinesischen gastgebern fuer die freundliche
aufnahme und den empfang der delegation und auch fuer
mich bei meinem dritten besuch in der volksrepublik
china zu bedanken.
die bedeutung, die ich dieser zweiten asien-reise
in diesem jahr beimesse, zeigt sich auch in der
zusammensetzung der delegation. mit mir nach peking
gekommen sind: die bundesminister fuer wirtschaft,
fuer post und telekommunikation, fuer forschung und
technologie, fuer wirtschaftliche entwicklung und
zusammenarbeit sowie der staatssekretaer des auswaertigen
amts, der vizepraesident und fuenf weitere kollegen
des deutschen bundestages, die dort wichtige funktionen
bekleiden, und nicht zuletzt rund 40 fuehrende repraesentanten
der deutschen wirtschaft.
sie haben alle - zum teil gemeinsam mit mir, oder
auch in eigenen gespraechsforen - fragen der bilateralen
zusammenarbeit eroertert und somit ganz wichtig zum
erfolg dieser reise beigetragen.
mit meinem gastgeber, ministerpraesident li peng,
habe ich zwei ausfuehrliche gespraeche gefuehrt. unser
meinungsaustausch wurde bei einem abendessen weiter
vertieft.
darueber hinaus hatte ich gespraeche mit dem staatspraesidenten
der volksrepublik china, jiang zemin, und dem vorsitzenden
des nationalen volkskongresses, qiao shi. zusaetzlich
bin ich mit dem ersten stellvertretenden ministerpraesidenten
zhu rongji zu einem ausfuehrlichen gespraech ueber
wirtschaftsfragen zusammengetroffen.
die gespraechsatmosphaere war ungewoehnlich offen und
konstruktiv. sie war vor allem von dem wunsch beider
seiten gepraegt, der zusammenarbeit zwischen der
volksrepublik china und der bundesrepublik deutschland auf
den gebieten der politik im allgemeinen, der kulturellen
beziehungen und der wirtschaft eine neue qualitaet
zu verleihen.
auf der grundlage der kuerzlich von der bundesregierung
verabschiedeten asien-konzeption ist es unser -
und ganz besonders auch mein persoenliches - ziel,
dass wir im mittel- und langfristigen bereich unsere
chancen in diesem raum der welt nutzen. die volksrepublik
china ist hierbei von zentraler bedeutung.
insgesamt bewerte ich die ergebnisse meines besuches
als sehr positiv. die deutschen exporte in die volksrepublik
china werden in diesem jahr auf rund 10 milliarden
dm ansteigen. allein die vertraege und vorvereinbarungen,
die waehrend dieses aufenthalts unterzeichnet worden
sind, bzw. noch unterzeichnet werden, belaufen sich
auf rund 7 milliarden dm.
hinzu kommen konkrete vereinbarungen zur zusammenarbeit
in den bereichen wissenschaft und technologie, umwelt,
post und telekommunikation sowie verkehr.
die weitere vertiefung der wirtschaftlichen beziehungen
mit der volksrepublik china hat in den gespraechen
eine ganz herausragende rolle gespielt. deutschland
ist fuer die volksrepublik china der wichtigste handelspartner
innerhalb der eg.
ziel der gespraeche war es darueber hinaus, deutsche
direktinvestitionen in der volksrepublik china zu foerdern,
die unternehmens-kooperation zu intensivieren und dabei
insbesondere die mittelstaendische industrie und die unternehmen
in den neuen bundeslaendern zu unterstuetzen.
von der vielzahl der gestern getaetigten projekt-abschluesse
moechte ich nur einige wenige nennen:
- vereinbarung ueber den bau der u-bahn in kanton
durch die firma siemens,
- vertrag zwischen der kreditanstalt fuer wiederaufbau
und dem aussenwirtschaftsministerium ueber die finanzierung
von zwei heizkraftwerken,
-die lieferung von reisezugwagen durch die deutsche
waggonbau ag.
darueber hinaus moechte ich erwaehnen:
- die einrichtung einer deutsch-chinesischen eisenbahn-arbeitsgruppe,
- eine rahmen-vereinbarung der post- und telekommunikationsministerien
beider staaten,
- eine gemeinsame erklaerung beider regierungen fuer
eine projektbezogene zusammenarbeit im umweltbereich,
- die eroeffnung eines delegierten-bueros der deutschen
wirtschaft in schanghai,
- die einsetzung einer arbeitsgruppe fuer die sonderwirtschaftszone
tianjin.
meine chinesischen gespraechspartner - insbesondere
der ministerpraesident und der fuer wirtschaft zustaendige
stellvertretende ministerpraesident - haben uns die fuer die
kommenden jahre geplanten schwerpunkte der reformen in
china erlaeutert.
ich habe in diesem zusammenhang darauf hingewiesen,
dass deutschland gerade in den hier besonders wichtigen
bereichen infrastruktur und telekommunikation besondere
staerken aufzuweisen hat. es bestehen alle voraussetzungen
dafuer, dass deutschland auch in zukunft ein verlaesslicher
partner bei der modernisierung der wirtschaft chinas
sein wird.
in bezug auf die multilaterale zusammenarbeit habe
ich seitens der bundesregierung der chinesischen
regierung zugesichert, dass wir den beitritt chinas
zum allgemeinen zoll- und handelsabkommen gatt weiterhin
aktiv unterstuetzen werden.
im politischen bereich haben wir in einer allgemeinen
intensiven diskussion alle anstehenden fragen diskutiert.
wir haben im bilateralen bereich folgende verabredungen
getroffen: wir werden die jaehrlichen konsultationen
der aussenministerien bis auf ministerebene, die
auf einer vereinbarung des jahres 1988 basieren,
weiter ausbauen.
wir werden uns im multilateralen bereich, hier ist
vor allem an die vereinten nationen zu denken, in
zukunft noch enger und vor allem umfassender abstimmen.
wir wollen weiter auch auf der ebene der staats-
und regierungschefs regelmaessig konsultationen durchfuehren.
ich habe den ministerpraesidenten zu einem gegenbesuch
nach deutschland eingeladen. der chinesische staatspraesident
hat den bundespraesidenten zu einem offiziellen besuch
in die volksrepublik eingeladen. er selbst hat meine
einladung zu einem besuch nach deutschland angenommen.
wir haben schliesslich die gegenseitige einrichtung
eines weiteren generalkonsulats vereinbart. die
volksrepublik china wird in muenchen, wir werden
in kanton ein generalkonsulat eroeffnen.
meine damen und herren, im herbst des letzten jahres
konnten wir auf 20 jahre diplomatischer beziehungen
mit der volksrepublik china zurueckblicken. in zwei
jahrzehnten wurde eine solide basis des vertrauens
geschaffen, dies nicht zuletzt auch dank unserer
konsequenten ein-china-politik, an der die bundesrepublik
deutschland auch in zukunft festhalten wird.
bei dem von mir erwaehnten offenen konstruktiven
dialog, der alle bereiche der politik umfasst, habe
ich selbstverstaendlich mit ministerpraesident li
peng auch intensiv ueber die frage der menschenrechte
gesprochen.
ich habe ihn auf die grosse bedeutung dieser frage,
gerade auch bei uns in deutschland, und auf das engagement
besonders der jungen generation in dieser frage hingewiesen.
wir haben der chinesischen regierung in abstimmung
mit amnesty international und dem kommissariat der
deutschen bischoefe eine liste von ueber 20 namen
uebergeben. diese liste wird zur zeit von den chinesischen
behoerden noch ueberprueft.
erste positive ergebnisse sind uns mitgeteilt worden.
aufgrund meiner gespraeche, aber auch aufgrund der
gespraeche, die herr staatssekretaer kastrup in meinem
namen sowohl in vorbereitung des besuches als auch
waehrend unseres aufenthaltes hier fuehrte, bin ich
sicher, dass die ueberpruefung und
die angabe der namen fuer die betroffenen von vorteil
sein wird.
bei unserem aussenpolitischen meinungsaustausch haben
wir viele andere wesentliche sicherheitspolitische
fragen, vor allem hier in der region, angesprochen.
die chinesische seite war natuerlich verstaendlicherweise
besonders daran interessiert, unsere einschaetzung
ueber die lage in der europaeischen union nach inkrafttreten
des maastricht-vertrages zu erfahren.
wir haben auch eingehend ueber das verhaeltnis der
volksrepublik china zu den vereinigten staaten im
vorfeld des apec-gipfels in seattle gesprochen.
die bundesregierung begruesst es ganz besonders, dass
die chinesische fuehrung den vertrauensvollen dialog
mit den usa wiederaufnehmen will.
meine damen und herren, ganz besonders im bereich
der kultur, der bildung und der wissenschaft wollen
wir die bereits bestehenden verbindungen zur volksrepublik
china wesentlich vertiefen. ich sprach von einer
neuen qualitaet unserer beziehungen und nannte dabei
drei bereiche: die politik im allgemeinen, die wirtschaft
und die kulturellen beziehungen.
ich bin absolut sicher, dass auf die dauer beziehungen,
die ausschliesslich auf der oekonomischen basis beruhen,
keine tragenden beziehungen sein werden. wir haben
alte kulturelle beziehungen zu china. der beitrag
der deutschen sinologen zur geschichte und kultur
dieses landes ist bekannt.
unsere kulturellen beziehungen sind traditionell
gut. zu ihrer weiteren foerderung wurde waehrend meines
besuches ein neues 2-jahres-programm fuer den kulturaustausch
unterzeichnet. insbesondere freut es mich, dass das
goethe-institut in peking, zu dessen errichtung
mein letzter besuch in china vor sechs jahren wichtige
impulse gab, inzwischen auf 5 jahre erfolgreicher
taetigkeit zurueckblicken kann. es soll in zukunft
seine taetigkeit verstaerken, und zwar in den bereichen
- das wird hier sehr gewuenscht - der klassischen
deutschen literatur und musik.
im rahmen unserer gespraeche hat die chinesische
fuehrung ihr ganz besonderes interesse daran bekundet,
dass die zusammenarbeit in ausbildungsfragen - hier
geht es vor allem um die berufsausbildung - wesentlich
verstaerkt wird.
die bundesregierung wird diesen wunsch aufnehmen.
der ministerpraesident hat in einer der debatten
darauf hingewiesen, dass auch nach chinesischer meinung die
deutsche berufsausbildung zu den besten berufsausbildungssystemen
der welt gehoert. wir haben die einsetzung einer
arbeitsgruppe zu diesem thema vereinbart, die bereits
im sommer des kommenden jahres, also in weniger
als 12 monaten, vorschlaege vorlegen soll. es ist
mein dringender wunsch, dass diese vorschlaege baldmoeglichst
in die praxis umgesetzt werden.
die volksrepublik china und die bundesrepublik deutschland
streben eine langfristige, stabile und umfassende
zusammenarbeit auf moeglichst vielen gebieten entsprechend
unseren gemeinsamen interessen an. ich bin sicher,
dass wir mit diesem besuch und seinen ergebnissen
auf dem gewuenschten weg ein ganz wichtiges stueck
vorangekommen sind.