Offizieller Besuch des Bundeskanzlers in Ägypten, Jordanien und Israel vom 2. bis 8. Juni 1995 - Besuch im Königreich Jordanien - Trilaterales Treffen in Baqura

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Offizieller Besuch des Bundeskanzlers in Ägypten, Jordanien und Israel vom 2. bis 8. Juni 1995 - Besuch im Königreich Jordanien - Trilaterales Treffen in Baqura

  • Bulletin 50-95
  • 20. Juni 1995

Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl stattete vom 2. bis 4. Juni 1995
der Arabischen Republik Ägypten, am 4. und 5. Juni 1995 dem
Haschemitischen Königreich Jordanien und vom 5. bis 8. Juni
1995 dem Staat Israel einen offiziellen Besuch ab.

Besuch im Königreich Jordanien

Empfang in Amman

Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl hielt anläßlich eines
Abendessens, gegeben vom König des Haschemitischen
Königreichs Jordanien, Hussein Bin Talal, am 4. Juni 1995 in
Amman folgende Ansprache:

Majestät,
Exzellenzen,
meine Damen und Herren,

als erstes möchte ich Ihnen das Gefühl der tiefen Freundschaft, das wir
Deutsche für Ihr Land empfinden, und das Gefühl des
Respekts, Majestät, für Ihre großartige Leistung, die Klugheit
und den Mut, den Sie in allen diesen Jahren so oft bewiesen
haben, übermitteln. Sie haben rückblickend die Ereignisse im
Mai 1945 und die 50 Jahre, die Sie hier in der Region erlebt
haben, erwähnt. Es waren damals vor 50 Jahren schwierige
Tage für uns Deutsche. Wir haben der Ereignisse vor 50
Jahren, aber auch der Ereignisse vor 60 Jahren gedacht. Wir
haben uns an das Schreckliche erinnert, was im deutschen
Namen geschehen ist. Wir Deutsche haben gelernt, nicht
zuletzt infolge eigener Schuld, was der Verlust von Frieden und
Freiheit bedeutet. Diese Lektion hat damals ein jeder für sich
und ganz persönlich am eigenen Leib erfahren und daraus
gelernt. Fast jeder Deutsche der damaligen Generation hat in
einem der beiden Weltkriege engste Familienangehörige
verloren. Mein Bruder ist Ende des Zweiten Weltkriegs im Alter
von 19 Jahren gefallen. Andere waren Flüchtlinge, wie meine
Frau, weitere haben in den Bombennächten Hab und Gut
verloren. Wieder andere, und auch das war eine schlimme
Erfahrung, haben in den Vernichtungslagern der Nazis
Angehörige ihrer Familien verloren. Sprechen wir vom Frieden,
so wissen wir aus dieser Erfahrung nur allzu gut, was das
heißt, was die Abwesenheit von Frieden ausmacht und was
Krieg bedeutet. Deswegen begreifen wir mit unserem Herzen
und mit unserem Verstand die Sehnsucht der Menschen hier in
Jordanien, in Israel, bei den Palästinensern, in der ganzen
Region, endlich Frieden zu erleben. Die Geschichte hat uns
gelehrt, daß jener große Prophet recht hat, der sagt: Friede ist
ein Werk der Gerechtigkeit. Deswegen müssen wir jetzt
handeln. Wir dürfen und können dieses Werk der Gerechtigkeit
nicht auf eine spätere Generation vertagen. Dazu, Majestät,
wollen wir im Rahmen unserer Möglichkeiten, gemeinsam mit
allen anderen, die guten Willens sind, beitragen. Gottes Segen
möge bei diesem Friedensprozeß sein. Mögen diejenigen, die
ihn begleiten, voller Mut und Entschlossenheit unbeirrt den
Weg des Friedens gehen. Darauf möchte ich mein Glas
erheben, und zugleich auf Ihr Wohl, Majestät, auf das Wohl
Ihrer Majestät der Königin und auf die Freundschaft zwischen
unseren Völkern.

Trilaterales Treffen in Baqura

Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
gab auf der Pressekonferenz nach dem Dreier-Treffen mit dem
jordanischen König Hussein Bin Talal und dem israelischen
Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin am 5. Juni 1995 in Baqura
folgende einleitende Erklärung ab:

Majestät, Herr Ministerpräsident, Exzellenzen, meine Damen
und Herren, dies ist für mich als Deutscher und als Europäer
ein großer und bewegender Augenblick. Dieser Ort ist ja nicht
irgendein Stück Land auf unserer großen Erde. Dies ist ein
besonderer Ort. Hier ist Menschheitsgeschichte förmlich
faßbar. Hier an diesem historischen Platz möchte ich
zuallererst meinen tiefen Respekt und meine Bewunderung für
die Männer zum Ausdruck bringen, die dieses Werk des
Friedens ermöglicht und auf den Weg gebracht haben. Ich
spreche Sie an, Majestät, und Sie, Herr Ministerpräsident, und
mit Ihnen alle Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit
unendlicher Mühe und mit großer Geduld und Zielstrebigkeit
diesen Tag möglich gemacht haben. Mut, gepaart mit Klugheit,
hat zu dieser Friedensvision geführt. Die Vision ist dabei,
Realität zu werden. Ich wünsche Ihnen von Herzen, daß Sie auf
diesem Weg Unterstützung und Zustimmung finden und daß
Gottes Segen bei Ihnen sei. Wir haben im Deutschen ein Wort,
das besagt: Wo Wasser ist, ist Leben. Ich kann mir gut
vorstellen, wie hier in Jahren und Jahrzehnten diese
Landschaft, das Jordantal, aussehen wird, wenn dieses Wort
seine Erfüllung findet. Von hier aus geht darum eine Botschaft
in viele Teile der Welt aus. Diese Botschaft geht vor allem auch
dorthin, wo es immer noch schreckliche Gewalt und blutende
Grenzen gibt. Die Botschaft lautet: Last uns Grenzen
überwinden. Last uns sie öffnen, damit Menschen
zueinanderkommen. Ich bin hierher gekommen, um deutlich zu
machen, daß wir, die Bundesrepublik Deutschland, die
Europäische Union und ich selbst dieses Wasserprojekt im
Jordantal nach Kräften unterstützen wollen. Meine Damen und
Herren, wir sind dabei, in Europa ein gemeinsames
wetterfestes "Haus Europa" zu bauen. Wir als Deutsche
brauchen es mehr als alle anderen, gerade auch nach den
schlimmen Erfahrungen in diesem Jahrhundert. Ein festes
Haus soll dieses Europa sein, aber keine "Festung Europa".
Wir wollen ein offenes Europa. Offen heißt für mich auch, daß
wir gerade mit dieser Region eine möglichst enge Beziehung
aufbauen. Das gilt in geistig-kultureller wie übrigens auch in
geistlicher Hinsicht. Das gilt nicht zuletzt im wirtschaftlichen
Bereich, denn die Menschen in dieser Region, auch in diesem
Tal, werden nur Frieden haben, wenn sie Arbeit finden, wenn
sie sich selbst und ihre Familien ernähren können und wenn sie
für sich und ihre Kindeskinder hier eine Zukunft sehen. So
hoffe ich, daß über dieses Wasserprojekt im Jordantal hinaus
deutlich wird, daß sich die wirtschaftlichen Beziehungen der
Länder Europas, namentlich Deutschlands, mit Israel und
Jordanien noch intensiver gestalten werden. Ich hoffe, daß ein
Austausch von jungen Wissenschaftlern stattfindet und daß
wir gemeinsame Projekte auf den Weg bringen werden. Ich
wünsche mir, mit einem Satz, daß das Wort "Friede" ausgefüllt
wird mit jenem Leben, das die Menschen sich wünschen, um
ihr privates Glück zu finden. Majestät, Herr Ministerpräsident,
ich brauche Ihnen nicht zu sagen, daß ich als Freund hierher
gekommen bin. Das wissen Sie. Aber ich nehme von hier vor
allem die Gewißheit mit, daß wir den Weg in die Zukunft
gemeinsam gehen werden. Ich wünsche allen, die hier an
diesem Werk des Friedens arbeiten, Gottes Segen. Der Geist
des Friedens möge sich von hier auf die ganze Region
ausbreiten. Er breite sich auch auf andere Regionen aus. Auf
Regionen, in denen Schrecken und Not herrschen und für die
wir beten wollen, daß dort endlich Vernunft einkehre.

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