Grundakte über gegenseitige Beziehungen, Zusammenarbeit und Sicherheit zwischen der Nordatlantikvertrags- Organisation und der Russischen Föderation (1)

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Die Nordatlantikvertrags-Organisation und ihre Mitgliedstaaten einerseits und
die Russische Föderation andererseits, im folgenden als NATO und Rußland
bezeichnet, gestützt auf eine auf höchster politischer Ebene eingegangene
dauerhafte politische Verpflichtung, werden gemeinsam im euro-atlantischen
Raum einen dauerhaften und umfassenden Frieden auf der Grundlage der
Prinzipien der Demokratie und der kooperativen Sicherheit schaffen.


Die NATO und Rußland betrachten einander nicht als Gegner. Sie verfolgen
gemeinsam das Ziel, die Spuren der früheren Konfrontation und Konkurrenz zu
beseitigen und das gegenseitige Vertrauen und die Zusammenarbeit zu stärken.
Diese Akte bekräftigt die Entschlossenheit der NATO und Rußlands, ihrer
gemeinsamen Verpflichtung zum Bau eines stabilen, friedlichen und ungeteilten,
geeinten und freien Europas zum Nutzen aller seiner Völker konkreten Ausdruck
zu verleihen. Die Übernahme dieser Verpflichtung auf höchster politischer
Ebene stellt den Beginn grundlegend neuer Beziehungen zwischen der NATO und
Rußland dar. Beide Seiten beabsichtigen, auf der Grundlage gemeinsamen
Interesses, der Gegenseitigkeit und der Transparenz eine starke, stabile und
dauerhafte Partnerschaft zu entwickeln.


Diese Akte legt die Ziele und den Mechanismus für Konsultation,
Zusammenarbeit, gemeinsame Entscheidungsfindung und gemeinsames Handeln fest,
die den Kern der Beziehungen zwischen der NATO und Rußland bilden werden.


Die NATO hat eine historische Umwandlung in Gang gesetzt - ein Prozeß, der
fortgesetzt wird. 1991 änderte das Bündnis seine strategische Doktrin, um dem
neuen Sicherheitsumfeld in Europa Rechnung zu tragen. Im Einklang damit hat
die NATO ihre konventionellen und nuklearen Streitkräfte drastisch reduziert
und setzt deren Anpassung fort. Während die NATO sich die Fähigkeit erhalten
hat, ihren Verpflichtungen aus dem Washingtoner Vertrag nachzukommen, hat sie
ihre politischen Funktionen erweitert und wird dies auch künftig tun, und sie
hat neue Aufgaben der Friedenserhaltung und Krisenbewältigung zur
Unterstützung der Vereinten Nationen (VN) und der Organisation für Sicherheit
und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), beispielsweise in Bosnien und
Herzegowina, übernommen, um neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen in
enger Abstimmung mit anderen Ländern und internationalen Organisationen zu
begegnen. Die NATO ist gegenwärtig dabei, die Europäische Sicherheits- und
Verteidigungsidentität (ESVI) innerhalb des Bündnisses zu entwickeln. Sie wird
die breit angelegte und dynamische Struktur der Zusammenarbeit mit
OSZE-Teilnehmerstaaten insbesondere durch die Partnerschaft für den Frieden
weiter ausbauen und arbeitet mit Partnerländern an der Initiative zur
Schaffung eines Euro-Atlantischen Partnerschaftsrates zusammen. Die
NATO-Mitgliedstaaten haben beschlossen, das Strategische Konzept des
Bündnisses zu überprüfen, um sicherzustellen, daß es mit der neuen Sicherheitslage
und den neuen Herausforderungen in Europa voll im Einklang steht.


Rußland setzt den Aufbau einer demokratischen Gesellschaft und die politische
und wirtschaftliche Transformation fort. Es entwickelt das Konzept seiner
nationalen Sicherheit und überprüft seine Militärdoktrin in einer Weise, die
gewährleisten soll, daß diese mit den neuen sicherheitspolitischen Realitäten
voll im Einklang stehen. Rußland hat tiefe Einschnitte in seine Streitkräfte
vorgenommen, in beispielloser Weise Truppen aus den Ländern Mittel- und
Osteuropas sowie den baltischen Staaten abgezogen und alle seine Nuklearwaffen
in sein eigenes Hoheitsgebiet zurückgeführt. Rußland ist entschlossen, seine
konventionellen und nuklearen Streitkräfte weiter zu reduzieren. Es nimmt
aktiv an friedenserhaltenden Operationen zur Unterstützung der VN und der OSZE
sowie an Krisenbewältigungseinsätzen in verschiedenen Regionen der Welt teil.
Rußland leistet einen Beitrag zu den multinationalen Streitkräften in Bosnien
und Herzegowina.


I. GRUNDSÄTZE


Ausgehend von dem Grundsatz, daß die Sicherheit aller Staaten in der
euro-atlantischen Gemeinschaft unteilbar ist, werden die NATO und Rußland
zusammenarbeiten, um einen Beitrag dazu zu leisten, daß in Europa gemeinsame
und umfassende Sicherheit auf der Grundlage des Bekenntnisses zu gemeinsamen
Werten, Verpflichtungen und Verhaltensnormen im Interesse aller Staaten
geschaffen wird.


Die NATO und Rußland werden zur Stärkung der Organisation für Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa (OSZE) beitragen, darunter auch zur Weiterentwicklung
ihrer Rolle als eines der Hauptinstrumente für präventive Diplomatie,
Konfliktverhütung, Krisenbewältigung, Normalisierungsmaßnahmen nach einem
Konflikt und regionale Sicherheitszusammenarbeit, und die Verbesserung ihrer
operationellen Fähigkeiten zur Durchführung dieser Aufgaben unterstützen. Der
OSZE als einziger gesamteuropäischer Sicherheitsorganisation kommt eine
Schlüsselrolle für Frieden und Stabilität in Europa
zu. Im Zuge der Stärkung der OSZE werden die NATO und Rußland
zusammenarbeiten, um jede Möglichkeit einer Rückkehr zu einem Europa der
Spaltung und Konfrontation oder der Isolierung irgendeines Staates
auszuschließen.


Im Einklang mit der Arbeit der OSZE an einem gemeinsamen und umfassenden
Sicherheitsmodell für Europa im 21. Jahrhundert und unter Berücksichtigung der
Beschlüsse des Lissabonner Gipfels betreffend eine Europäische
Sicherheitscharta werden die NATO und Rußland eine möglichst umfassende
Zusammenarbeit unter den Teilnehmerstaaten der OSZE mit dem Ziel
anstreben, in Europa einen gemeinsamen Sicherheits- und Stabilitätsraum ohne
Trennlinien oder Einflußsphären zu schaffen, die die Souveränität irgendeines
Staates einschränken.


Die NATO und Rußland gehen von der Voraussetzung aus, daß das gemeinsame Ziel
der Stärkung von Sicherheit und Stabilität im euro-atlantischen Raum zum
Nutzen aller Staaten eine Antwort auf neue Risiken und Herausforderungen
erfordert, wie zum Beispiel aggressiven Nationalismus, die Verbreitung
nuklearer, biologischer und chemischer Waffen, Terrorismus, die systematische
Verletzung der Menschenrechte und der Rechte von Personen, die nationalen
Minderheiten angehören, sowie ungelöste Gebietsstreitigkeiten, die eine
Bedrohung für unser aller Frieden, Wohlstand und Stabilität darstellen.


Diese Akte ist nicht so auszulegen, als berühre sie die Hauptverantwortung
des VN-Sicherheitsrates für die Wahrung des Weltfriedens und der
internationalen Sicherheit oder die Rolle der OSZE als der alle
einschließenden und umfassenden Organisation für Konsultationen,
Entscheidungsprozesse und Zusammenarbeit in ihrem Raum und als regionale
Abmachung nach Kapitel VIII der Charta der Vereinten Nationen.


Bei der Umsetzung dieser Akte werden die NATO und Rußland ihre
Verpflichtungen nach dem Völkerrecht und aus internationalen Übereinkünften,
einschließlich der Verpflichtungen aus der Charta der Vereinten Nationen und
der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie der Schlußakte von Helsinki
und der späteren OSZE-Dokumente, darunter der Charta von Paris und der auf dem
Lissabonner OSZE-Gipfel angenommenen Dokumente, gewissenhaft einhalten.


Zur Verwirklichung der Ziele dieser Akte verpflichten sich die NATO und
Rußland gemeinsam dazu, ihre Beziehungen an folgenden Grundsätzen
auszurichten:


- Aufbau einer starken, stabilen, dauerhaften und gleichberechtigten
Partnerschaft und der Zusammenarbeit auf der Grundlage der Transparenz mit dem
Ziel, die Sicherheit und Stabilität im euro-atlantischen Raum zu stärken;


- Anerkennung der Schlüsselrolle, die Demokratie, politischer Pluralismus,
Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenrechte und bürgerlichen
Freiheiten sowie die Entfaltung freier Marktwirtschaften für die Schaffung allgemeinen
Wohlstands und umfassender Sicherheit spielen;


- Verzicht auf die Androhung oder Anwendung von Gewalt gegeneinander oder
gegen irgendeinen anderen Staat,
seine Souveränität, territoriale Unversehrtheit oder politische
Unabhängigkeit in einer Weise, die mit der Charta der Vereinten Nationen oder
der in der Schlußakte von Helsinki enthaltenen Erklärung über die Prinzipien,
die die Beziehungen der Teilnehmerstaaten leiten, unvereinbar ist;


- Achtung der Souveränität, Unabhängigkeit und territorialen Unversehrtheit
aller Staaten sowie ihres naturgegebenen Rechtes, die Mittel zur
Gewährleistung ihrer eigenen Sicherheit sowie der Unverletzlichkeit von
Grenzen und des Selbstbestimmungsrechts der Völker, wie es in der Schlußakte
von Helsinki und anderen OSZE-Dokumenten verankert ist, selbst zu wählen;


- gegenseitige Transparenz bei der Ausarbeitung und Umsetzung
verteidigungspolitischer und militärischer Doktrinen;


- Verhütung von Konflikten und Beilegung von Streitigkeiten durch friedliche
Mittel im Einklang mit den Prinzipien der VN und der OSZE;


- Unterstützung friedenserhaltender Operationen von Fall zu Fall, die unter
der Autorität des VN-Sicherheitsrates oder der Verantwortung der OSZE
durchgeführt werden.


II. MECHANISMUS FÜR KONSULTATION


UND ZUSAMMENARBEIT - DER STÄNDIGE


GEMEINSAME NATO-RUSSLAND-RAT


Zur Umsetzung der Aktivitäten und Ziele dieser Akte und
zur Entwicklung gemeinsamer Ansätze bei europäischen Sicherheitsproblemen und
politischen Fragen werden die NATO und Rußland den Ständigen Gemeinsamen
NATO-Rußland-Rat einrichten. Hauptaufgabe dieses Ständigen Gemeinsamen Rates
wird es sein, immer mehr Vertrauen zu bilden, einheitliche Ziele zu
formulieren und die Praxis ständiger Konsultation und Zusammenarbeit zwischen
der NATO und Rußland zu entwickeln, um die Sicherheit der jeweils anderen
Seite und die aller Staaten im euro-atlantischen Raum zu verbessern, ohne die
Sicherheit eines Staates zu beeinträchtigen. Im Falle von
Meinungsverschiedenheiten werden die NATO und Rußland sich bemühen, diese auf
der Grundlage des Prinzips des guten Willens und des gegenseitigen Respekts im
Rahmen politischer Konsultationen beizulegen.


Mit dem Ständigen Gemeinsamen Rat wird ein Mechanismus für Konsultation,
Koordination und, im größtmöglichen Umfang, wo dies angebracht ist, für
gemeinsame Entscheidungen und gemeinsames Handeln in bezug auf
Sicherheitsfragen von beiderseitigem Interesse geschaffen. Die Konsultationen
erstrecken sich nicht auf innere Angelegenheiten der NATO, der
NATO-Mitgliedstaaten oder Rußlands.


Das gemeinsame Ziel der NATO und Rußlands ist es, so viele Gelegenheiten wie
möglich für gemeinsames Handeln aufzuzeigen und zu verfolgen. Sie gehen davon
aus, daß sich im Zuge des weiteren Ausbaus der Beziehungen weitere
Möglichkeiten für gemeinsames Handeln ergeben werden.


Der Ständige Gemeinsame Rat wird das wichtigste Forum für Konsultationen
zwischen der NATO und Rußland in Krisenzeiten oder in bezug auf jede andere
Situation bilden, die den Frieden und die Stabilität berührt. Zusätzlich zu
den ordentlichen Sitzungen finden außerordentliche Sitzungen des Rates statt,
um in Notsituationen umgehende Konsultationen zu ermöglichen. In diesem
Zusammenhang werden die NATO und Rußland umgehend Konsultationen innerhalb des
Ständigen Gemeinsamen Rates durchführen, falls eines der Mitglieder des Rates
eine Bedrohung seiner territorialen Unversehrtheit, politischen Unabhängigkeit
oder Sicherheit zu erkennen glaubt.


Die Aktivitäten des Ständigen Gemeinsamen Rates werden sich an den
Grundsätzen der Gegenseitigkeit und der Transparenz ausrichten. Im Zuge ihrer
Konsultationen und ihrer Zusammenarbeit werden die NATO und Rußland einander
über die jeweiligen sicherheitsbezogenen Herausforderungen, denen sie sich
gegenübersehen, sowie über die Maßnahmen unterrichten, die jede Seite zu
treffen gedenkt, um ihnen zu begegnen.


Die Bestimmungen dieser Akte räumen der NATO oder Rußland in keinerlei
Hinsicht ein Vetorecht über die Handlungen der jeweils anderen Seite ein, noch
beeinträchtigen oder beschränken sie die Rechte der NATO oder Rußlands auf
unabhängige Entscheidungsfindung und unabhängiges Handeln. Sie dürfen nicht
als Mittel zur Beeinträchtigung der Interessen anderer Staaten dienen.


Der Ständige Gemeinsame Rat tagt auf verschiedenen Ebenen und in
unterschiedlicher Zusammensetzung, je nach Thema und den Wünschen der NATO und
Rußlands. Der Ständige Gemeinsame Rat tagt zweimal jährlich auf der Ebene der
Außenminister und auf der Ebene der Verteidigungsminister sowie monatlich auf
der Ebene der Botschafter/Ständigen Vertreter beim Nordatlantikrat.


Der Ständige Gemeinsame Rat kann, wenn angebracht, auch auf der Ebene der
Staats- und Regierungschefs tagen.


Der Ständige Gemeinsame Rat kann zu einzelnen Themen oder Gebieten der
Zusammenarbeit ständige oder Ad-hoc-Ausschüsse oder -Arbeitsgruppen bilden,
wenn dies angebracht erscheint.


Auch militärische Vertreter und Stabschefs tagen im Rahmen des Ständigen
Gemeinsamen Rates; Sitzungen der Stabschefs finden mindestens zweimal jährlich
statt, und die militärischen Vertreter tagen ebenfalls monatlich. Sitzungen
von Militärexperten können gegebenenfalls einberufen werden.


Den Vorsitz im Ständigen Gemeinsamen Rat führen gemeinsam der Generalsekretär
der NATO, ein nach dem Rotationsprinzip bestimmter Vertreter eines der
NATO-Mitgliedstaaten und ein Vertreter Rußlands.


Zur Unterstützung der Arbeit des Ständigen Gemeinsamen Rates werden die NATO
und Rußland die erforderlichen Verwaltungsstrukturen schaffen.


Rußland wird eine Vertretung bei der NATO einrichten, die von einem Vertreter
im Botschafterrang geleitet wird. Der Vertretung wird für die Zwecke der
militärischen Zusammenarbeit ein hochrangiger militärischer Vertreter nebst
Stab angegliedert. Die NATO behält sich die Möglichkeit vor, eine angemessene
Präsenz in Moskau zu schaffen, deren Modalitäten noch festzulegen sind.


Die Tagesordnung für ordentliche Sitzungen wird gemeinsam aufgestellt. Für
den Ständigen Gemeinsamen Rat werden organisatorische Vorkehrungen und eine
Geschäftsordnung erarbeitet. Diese Vorkehrungen werden bis zur
konstituierenden Sitzung des Ständigen Gemeinsamen Rates getroffen, die
spätestens vier Monate nach Unterzeichnung dieser Akte stattfindet.


Der Ständige Gemeinsame Rat wird sich mit drei verschiedenen Tätigkeiten
befassen:


- Konsultationen über die in Abschnitt III genannten Themen sowie jede andere
im beiderseitigen Einvernehmen festgelegte politische oder
sicherheitspolitische Frage;


- auf der Grundlage dieser Konsultationen Entwicklung gemeinsamer
Initiativen, bei denen die NATO und Rußland sich auf abgestimmte
Sprachregelungen oder ein abgestimmtes Vorgehen einigen;


- nach Herstellung eines Konsenses im Zuge der Konsultation, von Fall zu Fall
gemeinsame Entscheidungen und gemeinsames Handeln, darunter die angemessene
Teilnahme an der Planung und Vorbereitung gemeinsamer Operationen
einschließlich friedenserhaltender Operationen unter der Autorität des
VN-Sicherheitsrates oder der Verantwortung der OSZE.


Alle von der NATO oder Rußland gemeinsam oder einzeln getroffenen Maßnahmen
müssen mit der Charta der Vereinten Nationen und den Leitprinzipien der OSZE
im Einklang stehen.


In der Erkenntnis, daß es wichtig ist, die Kontakte zwischen den
gesetzgebenden Körperschaften der Teilnehmerstaaten dieser Akte zu vertiefen,
werden die NATO und Rußland auch eine Erweiterung des Dialogs und der
Zusammenarbeit zwischen der Bundesversammlung der Russischen Föderation und
der Nordatlantischen Versammlung anregen.


III. BEREICHE FÜR KONSULTATION
UND ZUSAMMENARBEIT


Beim Ausbau ihrer Beziehungen werden sich die NATO und Rußland auf konkrete
Bereiche von beiderseitigem Interesse konzentrieren. In folgenden Bereichen
werden sie einander möglichst umfassend konsultieren und sich um
Zusammenarbeit bemühen:


- Fragen von gemeinsamem Interesse, die die Sicherheit und Stabilität im
euro-atlantischen Raum oder konkrete Krisen betreffen, einschließlich des
Beitrags der NATO und Rußlands zu Sicherheit und Stabilität in diesem Raum;


- Konfliktverhütung einschließlich vorbeugender Diplomatie, Krisenbewältigung
und Konfliktbeilegung unter Berücksichtigung der Rolle und Verantwortung der
VN und der OSZE sowie der Arbeit dieser Organisationen in diesen Bereichen;


- von Fall zu Fall gemeinsame Operationen einschließlich friedenserhaltender
Operationen unter der Autorität des VN-Sicherheitsrates oder der Verantwortung
der OSZE sowie, falls dabei Alliierte Streitkräftekommandos (CJTF) zum Einsatz
kommen sollten, frühzeitige Teilnahme daran;


- Beteiligung Rußlands an dem Euro-Atlantischen Partnerschaftsrat und der
Partnerschaft für den Frieden;


- Informationsaustausch und Konsultationen über Strategie,
Verteidigungspolitik, die Militärdoktrinen der NATO und Rußlands sowie über
Haushalte und Infrastrukturentwicklungsprogramme;


- Rüstungskontrollthemen;


- das gesamte Spektrum von Fragen der nuklearen Sicherheit;


- Verhinderung der Verbreitung nuklearer, biologischer und chemischer Waffen
und ihrer Einsatzmittel, Bekämpfung des Nuklearschmuggels sowie Stärkung der
Zusammenarbeit in konkreten Rüstungskontrollbereichen einschließlich der
politischen und verteidigungspolitischen Aspekte der Verbreitung;


- mögliche Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Abwehr taktischer Flugkörper;


- Verbesserung der regionalen Luftverkehrssicherheit, Erhöhung der
Luftverkehrskapazitäten und Verstärkung des wechselseitigen Austauschs, soweit
angebracht, zur Förderung von Vertrauen durch verstärkte Maßnahmen der
Transparenz und des Informationsaustauschs betreffend Luftverteidigung und
damit zusammenhängende Aspekte der Luftraumregelung/-kontrolle. Hierzu gehört
auch die Prüfung der Möglichkeit einer Zusammenarbeit in geeigneten
Luftverteidigungsfragen;


- Verbesserung der Transparenz, der Berechenbarkeit und des gegenseitigen
Vertrauens betreffend den Umfang und die Aufgaben der konventionellen
Streitkräfte der NATO-Mitgliedstaaten und Rußlands;


- wechselseitiger Austausch, soweit angebracht, über Fragen betreffend
Nuklearwaffen einschließlich Doktrinen und Strategien der NATO und Rußlands;


- Koordinierung eines Programms der erweiterten Zusammenarbeit zwischen den
jeweiligen Militärbehörden, wie weiter unten ausgeführt;


- Verfolgung einer möglichen Rüstungszusammenarbeit durch die Assoziierung
Rußlands mit der Konferenz der Nationalen Rüstungsdirektoren der NATO;


- Konversion von Verteidigungsindustrien;


- Entwicklung von beiderseits vereinbarten Kooperationsvorhaben mit
verteidigungspolitischen Bezügen in den Bereichen Wirtschaft, Umwelt und
Wissenschaft;


- Durchführung gemeinsamer Initiativen und Übungen im Zivil- und
Katastrophenschutz;


- Bekämpfung des Terrorismus und des Drogenhandels;


- Verbesserung des Verständnisses in der Öffentlichkeit
für die sich entwickelnden Beziehungen zwischen der NATO und Rußland, wozu
auch die Einrichtung eines NATO-Dokumentationszentrums oder -Informationsbüros
in Moskau gehört.


Weitere Bereiche können im gegenseitigen Einvernehmen hinzugefügt werden.


IV. POLITISCH-MILITÄRISCHE ANGELEGENHEITEN


Die NATO und Rußland bekräftigen ihren gemeinsamen Wunsch, mehr Stabilität
und Sicherheit im euro-atlantischen Raum zu erreichen.


Die Mitgliedstaaten der NATO wiederholen, daß sie nicht die Absicht, keine
Pläne und auch keinen Anlaß haben, nukleare Waffen im Hoheitsgebiet neuer
Mitglieder zu stationieren, noch die Notwendigkeit sehen, das
Nukleardispositiv oder die Nuklearpolitik der NATO in irgendeinem Punkt zu
verändern - und dazu auch in Zukunft keinerlei Notwendigkeit sehen. Dies
schließt die Tatsache ein, daß die NATO entschieden hat, sie habe nicht die
Absicht, keine Pläne und auch keinen Anlaß, nukleare Waffenlager im
Hoheitsgebiet dieser Mitgliedstaaten einzurichten, sei es durch den Bau neuer
oder die Anpassung bestehender Nuklearlagerstätten. Als nukleare Waffenlager
gelten Einrichtungen, die eigens für die Stationierung von Nuklearwaffen
vorgesehen sind; sie umfassen alle Typen gehärteter ober- oder unterirdischer
Einrichtungen (Lagerbunker oder -gewölbe), die für die Lagerung von
Nuklearwaffen bestimmt sind.


Im Bewußtsein der Bedeutung der Anpassung des Vertrags über die
konventionellen Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag) für den größeren
Zusammenhang der Sicherheit im OSZE-Raum und für die Arbeit an einem
gemeinsamen und umfassenden Sicherheitsmodell für das Europa im 21.
Jahrhundert werden die Mitgliedstaaten der NATO und Rußland in Wien mit den
anderen Vertragsstaaten zusammenarbeiten, um den KSE-Vertrag zur Verbesserung
seiner Funktionsfähigkeit und Wirksamkeit anzupassen, wobei das sich
verändernde europäische Sicherheitsumfeld und die legitimen
Sicherheitsinteressen aller OSZE-Teilnehmerstaaten zu berücksichtigen sind.
Sie sind sich einig in dem Ziel, so rasch wie möglich ein
Anpassungsübereinkommen zu schließen, und werden als einen ersten Schritt auf
diesem Weg gemeinsam mit den anderen KSE-Vertragsstaaten auf den möglichst
baldigen Abschluß einer Rahmenvereinbarung hinwirken, in der die Grundelemente
eines angepaßten KSE-Vertrags im Einklang mit den Zielen und Prinzipien des
Dokuments über Umfang und Parameter, das im Dezember 1996 in Lissabon
verabschiedet wurde, enthalten sind.


Die NATO und Rußland sind der Auffassung, daß ein wichtiges Ziel der
KSE-Vertragsanpassung in einer deutlichen, mit den legitimen
Verteidigungserfordernissen jedes Vertragsstaats vereinbaren Verringerung des
Gesamtumfangs der durch den Vertrag begrenzten Ausrüstungen, die im
Anwendungsgebiet des Vertrags erlaubt sind, besteht. Die NATO und Rußland
ermutigen alle KSE-Vertragsstaaten, eine Verringerung ihrer Obergrenzen für
durch den Vertrag begrenzte Ausrüstungen als Teil der umfassenderen Bemühungen
um niedrigere Obergrenzen für Ausrüstungen, die mit der Veränderung des
europäischen Sicherheitsumfelds im Einklang stehen, zu erwägen.


Die Mitgliedstaaten der NATO und Rußland verpflichten sich, während der
Verhandlungen, wie in dem Dokument über Umfang und Parameter vorgesehen,
Zurückhaltung zu üben hinsichtlich der gegenwärtigen Dispositive und
Fähigkeiten ihrer konventionellen Streitkräfte, insbesondere in bezug auf ihre
Streitkräfteniveaus und Dislozierungen im Anwendungsgebiet des Vertrags, um
Entwicklungen der Sicherheitslage in Europa zu vermeiden, die die Sicherheit
irgendeines Vertragsstaats beeinträchtigen können. Mögliche freiwillige
Entscheidungen einzelner Vertragsstaaten, ihre Streitkräfteniveaus oder
Dislozierungen zu verringern, sowie ihre legitimen Sicherheitsinteressen
bleiben durch diese Verpflichtung unberührt.


Die Mitgliedstaaten der NATO und Rußland gehen davon aus, daß die Anpassung
des KSE-Vertrags dazu beitragen sollte, gleiche Sicherheit für alle
Vertragsstaaten unabhängig von ihrer Mitgliedschaft in einem
politisch-militärischen Bündnis zu gewährleisten, um sowohl die Stabilität zu
wahren und zu stärken als auch weiterhin jede destabilisierende Erhöhung der
Zahl der Streitkräfte in verschiedenen Regionen Europas und in Europa
insgesamt zu verhindern. Ein angepaßter
KSE-Vertrag sollte ferner durch erweiterte Informationsaustausch- und
Verifikationsmaßnahmen die militärische Transparenz verbessern und den
Beitritt neuer Vertragsstaaten ermöglichen.


Die Mitgliedstaaten der NATO und Rußland schlagen anderen KSE-Vertragsstaaten
vor, eine Anpassung des KSE-Vertrags in der Weise vorzunehmen, daß die
Vertragsstaaten durch einen transparenten und kooperativen Prozeß zu
Schlußfolgerungen über Reduzierungen gelangen, die sie durchzuführen bereit
wären, sowie über die sich ergebenden nationalen Obergrenzen für durch den
Vertrag begrenzte Ausrüstungen. Diese werden dann in dem von allen
Vertragsstaaten im Konsens zu vereinbarenden angepaßten Vertrag verbindlich
festgeschrieben und im Jahr 2001 und danach in Abständen von jeweils fünf
Jahren überprüft. Dabei werden die Vertragsstaaten alle für den Raum vom
Atlantik bis zum Ural durch den ursprünglichen KSE-Vertrag bestimmten
Obergrenzen für durch den Vertrag begrenzte Ausrüstungen, die seither
durchgeführten substantiellen Reduzierungen, die Veränderungen der Lage in
Europa und das Erfordernis berücksichtigen, daß die Sicherheit keines Staates
verringert wird.


Die Mitgliedstaaten der NATO und Rußland bekräftigen, daß die Vertragsstaaten
einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen nur diejenigen militärischen
Kapazitäten aufrechterhalten sollten, die mit individuellen oder kollektiven
legitimen Sicherheitsbedürfnissen unter Berücksichtigung ihrer internationalen
Verpflichtungen einschließlich des KSE-Vertrags vereinbar sind.


Jeder Vertragsstaat wird seiner Zustimmung zu den Bestimmungen des angepaßten
KSE-Vertrags über alle nationalen Obergrenzen der Vertragsstaaten seine
Einschätzung der gegenwärtigen und künftigen Sicherheitslage in Europa
zugrunde legen.


Darüber hinaus werden die Mitgliedstaaten der NATO und Rußland in den
Verhandlungen über eine Anpassung des KSE-Vertrags gemeinsam mit anderen
Vertragsstaaten darauf hinwirken, die Stabilität durch die Weiterentwicklung
von Maßnahmen zu stärken, die darauf abzielen, jeden potentiell gefährlichen
Aufwuchs konventioneller Streitkräfte in vereinbarten Regionen Europas
einschließlich Mittel- und Osteuropas zu verhindern.


Die NATO und Rußland haben ihre Absichten in bezug auf ihre konventionellen
Streitkräftedispositive in dem neuen europäischen Sicherheitsumfeld
klargestellt und sind bereit, einander im Rahmen des Ständigen Gemeinsamen
Rates über die Entwicklung dieser Dispositive zu konsultieren.


Die NATO wiederholt, daß das Bündnis in dem gegenwärtigen und vorhersehbaren
Sicherheitsumfeld seine kollektive Verteidigung und andere Aufgaben eher
dadurch wahrnimmt, daß es die erforderliche Interoperabilität, Integration und
Fähigkeit zur Verstärkung gewährleistet, als daß es zusätzlich substantielle
Kampftruppen dauerhaft stationiert. Das Bündnis wird sich dementsprechend auf
eine angemessene, den genannten Aufgaben gerecht werdende Infrastruktur
stützen müssen. In diesem Zusammenhang können, falls erforderlich,
Verstärkungen erfolgen für den Fall der Verteidigung gegen eine
Aggressionsdrohung und für Missionen zur Stützung des Friedens im Einklang mit
der Charta der Vereinten Nationen und den Leitprinzipien der OSZE sowie für
Übungen im Einklang mit dem angepaßten KSE-Vertrag, den Bestimmungen des
Wiener Dokuments von 1994 sowie gegenseitig vereinbarten Transparenzmaßnahmen.
Rußland wird sich bei der Dislozierung konventioneller Streitkräfte in Europa
entsprechende Zurückhaltung auferlegen.


Die Mitgliedstaaten der NATO und Rußland werden sich um mehr Transparenz,
Berechenbarkeit und gegenseitiges Vertrauen in bezug auf ihre Streitkräfte
bemühen. Sie werden ihre Verpflichtungen aus dem Wiener Dokument von 1994 in
vollem Umfang erfüllen und die Zusammenarbeit mit den anderen
OSZE-Teilnehmerstaaten ausbauen, einschließlich Verhandlungen in geeignetem
Rahmen, unter anderem innerhalb der OSZE, um Vertrauen und Sicherheit zu
fördern.


Die Mitgliedstaaten der NATO und Rußland werden bestehende
Rüstungskontrollvereinbarungen und vertrauensbildende Maßnahmen nutzen und
verbessern, um auf friedliche Zusammenarbeit gegründete Sicherheitsbeziehungen
herzustellen.


Die NATO und Rußland werden die politisch-militärischen Konsultationen und
Kooperationsmaßnahmen durch den Ständigen Gemeinsamen Rat mit Hilfe eines
verbesserten Dialogs zwischen den obersten Militärbehörden der NATO und ihrer
Mitgliedstaaten sowie Rußlands erweitern. Sie werden ein Programm zur
wesentlichen Erweiterung der militärischen Aktivitäten und der praktischen
Zusammenarbeit zwischen der NATO und Rußland auf allen Ebenen durchführen. Im
Einklang mit den Grundsätzen des Ständigen Gemeinsamen Rates wird sich dieser
verstärkte Dialog im militärischen Bereich auf das Prinzip stützen, daß keine
Partei die andere als Bedrohung betrachtet oder deren Sicherheit zu
beeinträchtigen sucht. Der verstärkte Dialog im militärischen Bereich wird
regelmäßig anzusetzende wechselseitige Unterrichtungen über die Militärdoktrin
der NATO und Rußlands, über Strategien und die sich daraus ergebenden
Streitkräftedispositive sowie breit angelegte Möglichkeiten für gemeinsame
Übungen und Ausbildungsmaßnahmen umfassen.


Zur Unterstützung dieses verbesserten Dialogs und der militärischen
Komponenten des Ständigen Gemeinsamen Rates werden die NATO und Rußland auf
der Grundlage der Gegenseitigkeit und weiterer beiderseitiger Absprachen
militärische Verbindungsstäbe auf verschiedenen Ebenen einrichten.


Zum Ausbau ihrer Partnerschaft und um sicherzustellen, daß diese
Partnerschaft sich in möglichst hohem Maße auf praktische Aktivitäten und
direkte Zusammenarbeit stützt, werden die jeweiligen Militärbehörden der NATO
und Rußlands die Möglichkeit einer Weiterentwicklung eines Konzepts für
gemeinsame friedenserhaltende Operationen der NATO und Rußlands prüfen. Diese
Initiative sollte von der positiven Erfahrung der Zusammenarbeit in Bosnien
und Herzegowina ausgehen; die Lehren, die aus diesem Einsatz gezogen wurden,
werden in die Schaffung der Alliierten Streitkräftekommandos (CJTF)
eingebracht.


* * *


Diese Akte tritt am Tag ihrer Unterzeichnung in Kraft.