Erklärung der Bundesregierung zur Klimakonferenz Berlin - Perspektiven für einen besseren Klimaschutz

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Die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Dr. Angela Merkel, gab in der 27. Sitzung des Deutschen Bundestages am 16. März 1995 zum Thema „Klimakonferenz Berlin - Perspektiven für einen besseren Klimaschutz" folgende Erklärung der Bundesregierung ab:

Frau Präsidentin,
meine Damen und Herren,

Ende des Monats werden wir in Deutschland Gastgeber für Delegationen aus allen Teilen der Erde sein. Es wird die erste Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention vom 28. März bis zum 7. April in Berlin stattfinden. Wir freuen uns, daß uns die Vereinten Nationen die Ausrichtung dieser Konferenz übertragen haben. Ich möchte für die Bundesregierung ganz persönlich sagen, daß wir alles daransetzen werden, damit diese Konferenz ein Erfolg wird und sich die Menschen, die daran teilnehmen, bei uns wohl fühlen. Wir jedenfalls wollen gute Gastgeber sein. Ich fordere Sie alle auf, dabei mitzutun.

Die Einladung zu dieser Konferenz wurde bereits 1992 auf dem Gipfel in Rio von Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl ausgesprochen. Inzwischen haben mehr als 120 Länder und die Europäische Union die Konvention ratifiziert. Die Konvention ist in Kraft getreten. Ich glaube, wir sind seit Rio ein gutes Stück vorangekommen, auch wenn der Prozeß für uns alle oft recht langsam vonstatten ging.

Meine Damen und Herren, was treibt uns eigentlich um, wenn wir über Klimaschutz sprechen? Warum ist dies ein so wesentliches Thema? Ich möchte Ihnen sagen: Ich halte das Thema des globalen Klimaschutzes für eines der wesentlichen Themen der Umweltpolitik. Hier geht es um globale Herausforderungen. Wir haben in den letzten Jahrzehnten einen Anstieg der Temperatur um ungefähr 0,7 °C zu beobachten. Professor Hasselmann hat in Simulationsrechnungen nachgewiesen, daß diese Temperaturerhöhung mit 95prozentiger Wahrscheinlichkeit vom Menschen hervorgerufen wird. In der internationalen Diskussion werden immer wieder Zweifel an diesen Erkenntnissen angemeldet. Ich sage: Wir können nicht warten, bis alle komplizierten wissenschaftlichen Zusammenhänge abschließend geklärt sind. Als Politiker sind wir zur Vorsorge verpflichtet. Deshalb ist es wichtig, daß wir Maßnahmen ergreifen, um die Klimaveränderungen zu stoppen.

Angefangen wurde in Rio mit der Klimarahmenkonvention. Klimaschutz ist - und das wissen Sie genauso wie wir - eine der zentralen Herausforderungen. Wir müssen fragen: Wie gehen wir mit unseren Ressourcen um, wie können wir die Konflikte zwischen Nord und Süd, zwischen Ost und West auf dieser Welt lösen? Deshalb zielt diese Herausforderung ins Zentrum unserer Lebensgewohnheiten, unserer Konsumgewohnheiten. Deshalb ist es nicht ganz so einfach, wie Sie uns manchmal glauben machen wollen.

Ein Land alleine kann im Zusammenhang mit dem globalen Problem Treibhauseffekt nahezu nichts ausrichten. Deshalb muß Klimaschutz in internationaler Zusammenarbeit stattfinden. Dort, wo internationale Zusammenarbeit stattfindet, wo 120 Nationen über weitere Schritte beraten, muß man einfach akzeptieren, daß alle gleichberechtigt am Verhandlungstisch sitzen und daß nicht der Schnellste das Gesamttempo bestimmen kann. Das ist nun einmal so. Meine Damen und Herren, worum geht es in Berlin? In Rio de Janeiro sind die Staaten, die inzwischen die Klimarahmenkonvention ratifiziert haben, Verpflichtungen eingegangen. - Als Industrieländer haben sie sich verpflichtet, bis zum Jahr 2000 die Treibhausgasemissionen auf das Niveau von 1990 zurückzuführen. Jetzt stellt sich die Frage: Sind diese Verpflichtungen ausreichend und angemessen? Die Mehrzahl der Staaten sagt heute: Diese Verpflichtungen sind angesichts des Ziels, nämlich der globalen Erwärmung entgegenzuwirken, nicht angemessen. Deshalb können wir das Ziel der Konvention nur erreichen, wenn wir weitere Verpflichtungen eingehen. Genau darum geht es jetzt: Wie können wir diese weiteren Verpflichtungen verbindlich verankern? Dazu muß ein ergänzendes Protokoll zur Konvention angefertigt werden. Auch wir wären froh, wenn ein solches Protokoll bereits in Berlin hätte unterzeichnet werden können. Ich sage das mit allem Nachdruck. Uns liegt ein Entwurf der AOSIS-Staaten für ein Protokoll vor. Es liegt ein ergänzendes deutsches Elementepapier vor, das bei der UN verteilt wurde. Es hat sich jedoch herausgestellt, daß die internationale Staatengemeinschaft noch nicht bereit ist, in Berlin abschließend über diese Vorschläge zu beraten.

Es ist nun einmal so - ich sage das ganz besonders in Richtung der GRÜNEN -: Wenn in Berlin ein Protokoll gezeichnet werden soll, dann müssen mindestens 90 - wenn nicht alle -

Staaten der Konvention dazu bereit sein. Ansonsten ist dies völkerrechtlich nicht möglich. Ich sage Ihnen: Auch durch Polemik setzen Sie völkerrechtliche Verträge und völkerrechtliche Gewohnheiten nicht außer Kraft. Hören Sie deshalb auf in ihren Anträgen Dinge zu fordern, die schlicht und ergreifend nicht realisierbar sind!

Wie gesagt: Eine Protokollunterzeichnung kann nur stattfinden, wenn sich - je nach Abstimmungsmodus - mindestens 80 oder 90 Staaten auf einen Protokolltext einigen. Das ist leider nicht zu erwarten. Deshalb wird es das Ziel der Berliner Konferenz sein, festzulegen, daß wir ein Mandat für solche Protokollverhandlungen verabschieden. Diese Protokollverhandlungen müssen aus unserer Sicht im Jahre 1997 auf der dritten Vertragsstaatenkonferenz abgeschlossen sein. Das Mandat muß umfassend sein, also die verschiedenen Bereiche abdecken. Es muß Ziele und Zeitvorgaben enthalten. Auch muß festgelegt werden, daß die Protokollverpflichtungen überprüft und fortentwickelt werden.

Aus Sicht der Bundesregierung und aus Sicht der Europäischen Union wäre es wünschenswert, wenn zusätzlich zu einem solchen Mandat von den Industrieländern der Beschluß gefaßt würde, auch nach dem Jahr 2000 die CO2-Emissionen zu stabilisieren, also nicht wieder ansteigen zu lassen. Meine Damen und Herren, es wird oft behauptet, dies sei bereits Inhalt der Konvention. Das ist nicht so. Es gibt keine Verpflichtung der Industrieländer hinsichtlich der CO2-Emissionen für die Zeit nach dem Jahr 2000, und deshalb wäre ein solcher Stabilisierungsbeschluß dringend notwendig.

Ich bin sehr froh, daß es gelungen ist, die Europäische Union als Gesamtheit zu einem solchen Beschluß zu bewegen. Auch freue ich mich, daß wir diesen Beschluß bei der Vorbereitung der Konferenz in Berlin - jetzt unter französischer Präsidentschaft - im letzten Umweltministerrat bekräftigt haben. Meine Damen und Herren, wir sind in der Europäischen Union weit und breit die einzigen, die im Augenblick einen solchen Stabilisierungsbeschluß mittragen würden. Das finde ich zwar prima, aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß andere Industrieländer dazu nicht bereit sind.

Ich war kürzlich in den Vereinigten Staaten, ich habe mit kanadischen, australischen und vielen Vertretern anderer Industrieländer gesprochen. Sie alle sind für Protokollverhandlungen, für inhaltliche Aussagen im Jahr 1997. Jetzt sehen sie sich dazu außerstande. Deshalb bitte ich Sie: Erstens: Setzen Sie Ihre eigenen internationalen Kontakte dafür ein, daß der Diskussionsprozeß in Gang bleibt; lassen Sie uns das nicht allein tun.

(Zuruf des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt]

[BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

- Herr Fischer, wir tun das gern, und wir machen genug. Ich sage Ihnen nur: Statt die Kraft in Polemik zu stecken, sollten Sie lieber etwas Konstruktives tun. Da werden Ihre internationalen Kontakte wirklich dringend benötigt. - Zweitens: Lassen Sie uns redlich bleiben in der allgemeinen Argumentation, lassen Sie sich nicht in Fragen, die wir nicht beeinflussen können, auf Polemik ein!

Meine Damen und Herren, wir halten die sogenannte gemeinsame Umsetzung der Klimarahmenkonvention für ein gutes Instrument der Klimarahmenkonvention. Joint implementation ist sowohl von der Enquete-Kommission als auch vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung für globale Umweltfragen untersucht worden. Joint implementation fördert Technologietransfer und ermöglicht, Projekte in Entwicklungsländern und in anderen Ländern, zum Beispiel auch in Mittel- und Osteuropa, kosteneffizient umzusetzen. Dort ist der Effekt der CO2-Minderung oft größer als bei Einsatz der gleichen Mittel bei uns. Das ist das Prinzip, und ich halte dies für ein gutes Prinzip.

Aber, meine Damen und Herren, dieses Konzept stößt auf mancherlei Bedenken der Entwicklungsländer. Gerade weil die Bereitschaft zu einer Stabilisierungsverpflichtung bei manchen Industrieländern schwach ausgeprägt ist, sagen uns die Entwicklungsländer: Wir mißtrauen diesem Instrument. Ich denke, wir müssen diese Bedenken ernst nehmen und versuchen, sie zu überwinden.

Auch die Entwicklungshilfepolitik der Bundesregierung ist darauf ausgerichtet, eine Vertrauensbasis zu schaffen, Grundlagen für eine Zusammenarbeit auch im Klimaschutz zu legen. Sie setzt dabei unter anderem darauf, Institutionen zu entwickeln, Regierungen und Industrie zu beraten, Know-how zu transferieren, Technologie bereitzustellen. Dies entspricht den Erwartungen dieser Länder. Sie wollen nicht nur finanzielle Förderung, sondern sie wollen auch an unseren Erkenntnissen teilhaben.

Die Bundesregierung beteiligt sich außerdem am Finanzierungsinstrument für globale Umweltaufgaben, an der Sogenannten Globalen Umweltfazilität, mit mehr als 10 Prozent. Von den zwei Milliarden US-Dollar, die bereitstehen, finanzieren wir 240 Millionen Dollar. Ich denke, das ist ein richtiger, wichtiger und guter Beitrag.

Meine Damen und Herren, jeder, der sich an den Gipfel in Rio erinnert, wird wissen, daß die Bundesregierung sich schon bei der Verhandlung der Konvention sehr engagiert hat. Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl hat dort eine einflußreiche Rolle gespielt, Klaus Töpfer war treibende Kraft bei allen Vorbereitungen. Ich denke, dies wissen Sie ebensogut wie wir, aber Sie können es natürlich nicht würdigen.

Wir haben auch bei der Vorbereitung der jetzt bevorstehenden Konferenz international eine führende Rolle gespielt, sei es bei den Vorbereitungsverhandlungen in New York, sei es in der Europäischen Union, sei es bei sonstigen bilateralen und multilateralen Begegnungen. Wir konnten auf Grund dieser aktiven Haltung in den internationalen Verhandlungen eine ganze Reihe von Erfolgen erzielen. Ich denke, gerade die in vergangenen Wochen erzielte Position der Europäischen Union für die Klimakonferenz in Berlin ist ein ganz wesentlicher Schritt. Die Tatsache, daß wir als Europäische Union mit einem ausgezeichneten und vernünftigen Verhandlungsmandat gemeinsam in die Verhandlungen gehen, wird eine wichtige Grundlage für die Beratungen auch mit den übrigen Industriestaaten sein.

Ich möchte mich bei allen Vertretern der Bundesregierung, insbesondere beim Bundeskanzler, für die Unterstützung herzlich bedanken. Nur gemeinsam kann man die internationalen Herausforderungen bestehen.

Die Bundesrepublik bewirbt sich um den Sitz des Ständigen Sekretariats der Klimarahmenkonvention. Ich meine, es wäre ein gutes Zeichen, wenn wir diese UN-Behörde bei uns in Bonn ansiedeln könnten. Wir werden uns in Berlin darum bemühen, obwohl wir mit Genf und anderen Städten starke Konkurrenten haben. Ich hoffe, uns eint das Bestreben, das Ständige Sekretariat der Klimarahmenkonvention hier anzusiedeln.

Globales Denken und internationales Handeln müssen sich natürlich im nationalen Handeln widerspiegeln. Die Bundesrepublik trägt weltweit nur mit 4 Prozent zu den CO2-Emissionen bei. Meiner Meinung nach haben wir als führendes Industrieland die Verpflichtung, mit gutem Beispiel voranzugehen. Ich denke, wir haben uns mit unserem CO2-Minderungsbeschluß ein klares Ziel gesetzt: 25 bis 30 Prozent angestrebte CO2-Minderung bis zum Jahre 2005 auf der Basis von 1987. Jeder, der sich in der Materie auskennt, weiß, daß dies ein ehrgeiziges Ziel ist.

Ich sage ganz deutlich: Wir stehen zu diesem Ziel! Vielleicht sagen Sie es, meine Damen und Herren von der SPD, auch Ihrem Parteivorsitzenden noch einmal, der keine Zeit hat, heute hier teilzunehmen, aber morgen wahrscheinlich wieder ausführlich die Bundesregierung beschimpfen wird. Wir stehen zu diesem Ziel und werden alles tun, um es einzuhalten. Die Enquete-Kommission hat die Grundlagen geschaffen, um wissenschaftlich fundiert und vernünftig die richtigen Maßnahmen zu benennen und einzuleiten. Ich muß sagen: Wenn ich die Beschlüsse der Enquete-Kommission lese, stelle ich fest, daß im Grundsatz zwischen Opposition und Regierungsfraktionen Einigkeit über die Art des Vorgehens besteht. Man ist sich einig, daß es sich um ein Bündel von sehr verschiedenen Aktivitäten handeln muß. Deshalb wundere ich mich, daß man in der Detaildiskussion den Eindruck gewinnt, hier bestünden völlig andere Vorstellungen.

Wir haben in drei Kabinettsbeschlüssen mehr als 100 Maßnahmen verabschiedet; 90 sind bereits realisiert. Ich will folgende nennen: Die Wärmeschutzverordnung vermindert den Energiebedarf von Gebäuden. Die Heizungsanlagen-Verordnung und die Kleinfeuerungsanlagenverordnung bringen moderne Heiztechnik in die Haushalte. Wir gewähren zinsbegünstigte Kredite im Rahmen der ERP-Programme. Diese führen gerade in kleinen und mittelständischen Unternehmen dazu, daß energiesparende und ressourcenschonende Verfahren eingeführt werden. Es gibt Steuervorteile für die Kraft-Wärme-Kopplung und andere Instrumente. Wir werden genau diesen Weg weiter beschreiten. Wir werden aber auch über neue Instrumente nachdenken.

In der vergangenen Woche, am 10. März, hat uns die deutsche Wirtschaft erklärt, daß sie angesichts der Berliner Klimakonferenz besondere Anstrengungen unternehmen wird, um ihre CO2-Emissionen zu reduzieren. Bis zum Jahre 2005 will die Wirtschaft die spezifischen CO2-Emissionen erheblich - zu einem großen Teil um 20 Prozent und mehr - reduzieren. Ich nenne zwei Beispiele, die mir besonders eindrucksvoll erscheinen. Das eine ist die Verpflichtung der deutschen Elektrizitätswirtschaft: Sie will bis zum Jahre 2015 ihre CO2Emissionen um 130 Millionen Tonnen vermindern. Wer sich auskennt und weiß, daß wir heute pro Jahr CO2-Emissionen von rund 900 Millionen Tonnen haben, der weiß auch, daß 130 Millionen Tonnen ein erheblicher Betrag sind. Das andere Beispiel: Allein für den Bereich der privaten Haushalte und des Kleinverbrauchs sagt uns die Gaswirtschaft bis zum Jahre 2005 eine CO2-Minderung von 30 bis 40 Millionen Tonnen zu. Meine Damen und Herren, der Verband der Chemischen Industrie hat uns für die nächsten fünf Jahre eine Reduktion seiner CO2-Emissionen von 48 auf 45 Millionen Tonnen zugesagt. Viele haben gesagt Das ist doch überhaupt kein nennenswerter Beitrag. Ich möchte dies etwas einordnen: Der Zusage liegt ein jährliches Wirtschaftswachstum von 2,6 Prozent zugrunde. Das bedeutet trotz rund 15 Prozent Wachstum in fünf Jahren 6 Prozent absolute CO2-Reduktion in einem sehr energieintensiven Bereich. Ich finde, das ist eine belastbare, meßbare Zusage, mit der wir erst einmal arbeiten können. Was für mich bei dieser Zusage von ganz besonderer Wichtigkeit war, ist die Bereitschaft der Industrie, in regelmäßigen Abständen das Monitoring, das heißt die Beobachtung, die Überprüfung der Zusagen, zuzulassen. Damit haben wir die Möglichkeit, zu verfolgen, wie die CO2-Emissionen wirklich reduziert werden.

Meine Damen und Herren, ein Instrument ist doch nicht nur deshalb schlecht, weil es keine Verordnung und kein Gesetz ist. Ich bin der Meinung, daß wir diesen Weg weitergehen sollten, daß wir ihn aber kritisch beobachten sollten. Wir haben ganz klar gesagt: Wenn die Zusagen so eintreffen, wie sie gegeben wurden, wenn sie beobachtbar sind, wenn die Zahlen offengelegt werden, dann können wir zunächst bei diesen Wirtschaftsbereichen auf zusätzliche Verordnungen verzichten. Das ist richtig. Wir haben aber auch gesagt: Wenn die Zusagen nicht eingehalten werden, werden wir dies durch staatliches Handeln regeln. Auch das ist richtig.

(Zurufe von der SPD)

- International gibt es eine solche umfassende Verpflichtung von Wirtschaftszweigen nicht. Ich glaube, wir gehen einen vernünftigen und guten Weg. Sie sollten sich sehr gut überlegen, ob Sie das ins Lächerliche ziehen oder ernst nehmen. Es könnte nämlich sein, daß auch Sie dazu einmal Rede und Antwort stehen müssen. Ich verbitte mir jedenfalls, daß Sie in diesem Zusammenhang von „Kuhhandel" sprechen. Ich halte es für einen neuen, vernünftigen Weg, den man durchaus gehen kann. Wir wissen, daß ganz wesentliche Reduktionspotentiale im Gebäudebestand vorhanden sind. Deshalb werden wir im Gebäudebestand mehr unternehmen. Die Bundesregierung wird ein entsprechendes Förderprogramm auflegen. Wir werden zinsvergünstigte Kredite vergeben, um Wärmedämmung im Gebäudebestand anzustoßen und Heizungsanlagen zu modernisieren. Ich denke, dies ist ein guter, komplettierender Schritt zu dem, was uns die deutsche Wirtschaft mit Selbstverpflichtung im Vorfeld der Konferenz erklärt hat. Natürlich sind im Zusammenhang mit CO2-Emissionen weitere Bereiche von wesentlicher Bedeutung. Ich möchte hier die Landwirtschaft nennen, die durch ihre Forstpolitik dafür sorgt, daß Wälder als CO2-Senke Kohlenstoff in Biomasse binden. Ich möchte ganz besonders den Verkehrsbereich nennen. Die Reduktionsverpflichtungen sind hier im Einzelfall nicht einzuhalten, weil der Verkehrsbereich massiv wächst. Aber wir werden durch Verhandlungen mit der Autoindustrie dafür sorgen, daß die Anstiege der CO2-Emissionen in den nächsten Jahren begrenzt werden.

Und wenn dann gesagt wird, damit sei unser Reduktionsziel nicht zu erreichen, möchte ich ganz klar entgegnen: Mit Reduktionspotentialen im industriellen Bereich, im Gebäudebestand, und gleichbleibenden Emissionen im Verkehrsbereich kann das Gesamtziel der Bundesregierung erreicht werden. Man sollte nicht so tun, als wenn dies nicht gelingen kann. Ich bin jedenfalls optimistisch, obwohl ich weiß, daß wir noch sehr viel Arbeit vor uns haben und in den nächsten Jahren weitere Maßnahmen in den jeweiligen Politikbereichen erfolgen müssen. Wie steht es mit den Emissionen? - Seit 1987 haben wir eine Reduktion der CO2-Emissionen um rund 15 Prozent. Es wird sehr häufig gesagt, diese sei nur das Ergebnis der Entwicklungen in den neuen Bundesländern. Ich möchte dazu an dieser Stelle sagen: Sicherlich ist ein Großteil der Reduzierung der CO2-Emissionen dadurch zustande gekommen, daß in den neuen Bundesländern ein gewaltiger Umstrukturierungsprozeß stattgefunden hat.

(Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Deindustrialisierung nennt man das auf deutsch!)

- Ja, Frau Fuchs, ich habe einen solchen Zuruf schon erwartet.

(Zuruf der Abg. Dr. Barbara HöII.[PDSJ)

- Nein, es ist auch nichts plattgemacht worden. Es sind Anlagen geschlossen worden, die gerade mit Blick auf die Energieeffizienz in großem Maße unökonomisch und aus umweltpolitischer Sicht unakzeptabel waren. Dafür sind die Menschen uns heute noch dankbar. Das muß man klar sagen. Wenn wir heute neue Kraftwerke bauen und neue Anlagen mit höherem Wirkungsgrad errichten, dann ist dies genau der

Schritt, den wir brauchen. Wir sind in dieser Frage in den neuen Bundesländern inzwischen Spitzenreiter in Deutschland. Dafür sind wir dankbar.

Meine Damen und Herren, schauen Sie sich nur einmal an, was in den neuen Bundesländern im Bereich der Heizungsanlagen in Eigenheimen und Wohnungen vonstatten gegangen ist: In riesigem Umfang haben Wohnraummodernisierungsprogramme gewirkt. Zinsgünstige Kredite in Höhe von 60 Milliarden DM wurden vergeben. Es gibt ein Sanierungsprogramm für die Fernwärmeversorgung. Es gibt fast niemanden mehr, der noch seine alte Heizung hat.

Wer einmal in der früheren DDR gelebt und die alten Braunkohleöfen beheizt hat, weiß natürlich ganz genau, welch einen Fortschritt dies bedeutet, auch im Bereich des Umweltschutzes. Ich sage Ihnen voraus: Wir werden in wenigen Jahren erleben, wie sich die mittlere Lebensdauer im Raum Bitterfeld genau wegen dieser Maßnahmen erhöht und wie die Bronchitiserkrankungen von Kindern zurückgehen. Deshalb ist es - ich sage es einmal ganz freundlich - etwas lieblos, wenn Sie im Zusammenhang mit der deutschen Einheit von Mitnahmeeffekten sprechen.

Meine Damen und Herren, auch in den alten Bundesländern hat sich die CO2-Emission pro Kopf in den letzten Jahren verringert, und dies ist angesichts des von uns angestrebten Zieles ein Erfolg.

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/

DIE GRÜNEN]: Um wieviel denn?)

- Sie hat sich von 11,7 Tonnen pro Einwohner auf 11,1 Tonnen pro Einwohner verringert.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

- Das ist in einem hochindustrialisierten Land durchaus nicht so einfach zu erreichen.

Hinzu kommt allerdings, daß die alten Bundesländer heute vier Millionen Einwohner mehr haben als im Jahre 1987, davon eine Million Einwohner aus den neuen Bundesländern. Genau deshalb erscheint unser Erfolg in den alten Bundesländern noch nicht so, daß wir sagen könnten, wir hätten unsere Verpflichtungen schon erfüllt. Wir müssen weiter arbeiten. Aber es macht überhaupt keinen Sinn, daß wir uns ständig in pessimistischen Voraussagen überbieten. Vielmehr müssen wir zielstrebig und kontinuierlich unser Maßnahmepaket umsetzen. Dann werden wir auch etwas schaffen. Meine Damen und Herren, wir haben im Bereich der FCKW-Emissionen und der Reduktion von Halonen in Zusammenhang mit dem Ozonloch in der Bundesrepublik Deutschland Erhebliches geleistet. Man kann dies als eine Erfolgsstory bezeichnen. Wir waren das erste Land der Welt, das es geschafft hat, FCKW-Produkte vom Markt zu verbannen. Das kann man doch einmal ganz ruhig sagen. Ich behaupte doch garnicht, daß wir damit genug getan hätten. Ich sage nur, daß dies mir Mut gibt.

Daß wir auch hinsichtlich der CO2-Emissionen die Möglichkeit haben, bei konsequentem Handeln Erfolge zu erringen, dies sollten wir der Welt deutlich machen, wenn wir in Berlin tagen. Wir sollten zielstrebig verhandeln und international wie national unseren Weg weitergehen.

Zum Schluß bitte ich Sie noch einmal: Lassen Sie uns gute Gastgeber sein, damit die Konferenz ein Erfolg wird, damit die Menschen auf dieser Erde und bei uns in der Bundesrepublik Deutschland ermutigt werden, etwas für den Umwelt- und Klimaschutz zu tun. Denn wir werden es nur schaffen, wenn jeder mitmacht!