Rede der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul,

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Sehr geehrter Herr Alpha Oumar Konaré,
sehr geehrter Herr Ali Abdallah Saleh,
sehr geehrter Herr Dr. Runge,
sehr geehrter Herr Dr. Wilhelm,
lieber Johannes Rau,
liebe Gäste aus dem Ausland,
liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des DED,
liebe Entwicklungshelferinnen und Entwicklungshelfer!

I.

Ich freue mich, heute die Gelegenheit zu haben, dem Deutschen Entwicklungsdienst - als einer der aller ersten Entwicklungsorganisationen, wie wir sie heute kennen - zu seinem 40jährigen Jubiläum ganz herzlich zu gratulieren.

Ich möchte dem DED, seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und den vielen Entwicklungshelferinnen und –helfern, die in den vergangenen 40 Jahren für den DED tätig waren, für ihr Engagement danken, das sie für die Entwicklungspolitik, vor allem für die Menschen in unseren Partnerländern geleistet haben.

Im Übrigen habe ich auch schon, bevor ich Entwicklungsministerin wurde, die Arbeit des DED intensiv begleitet: Hinweisen möchte ich hier vor allem auf die zum Teil sehr heftige Auseinandersetzung um die Mitbestimmungs- beziehungsweise Partizipationsordnung des DED, die Ende der 80er Jahre auch den Deutschen Bundestag erreichte. Zusammen mit anderen Abgeordneten meiner Fraktion habe ich damals einen SPD-Antrag eingebracht, der dieses von vielen Entwicklungshelfern und Entwicklungshelferinnen als Herzstück ihrer Mitarbeit im DED verstandene Instrument bewahrt und gestärkt sehen wollte.

Es ist gerade der Partizipationsgedanke, der den DED und seine Arbeit in den vergangenen 40 Jahren geprägt und ausgezeichnet hat.

II. Rolle des Deutschen Entwicklungsdienstes

Im Gefüge der deutschen Entwicklungszusammenarbeit hat der DED, seit er 1963 nach dem Vorbild des US-amerikanischen "Peace Corps" gegründet wurde, eine besondere und unersetzliche Rolle übernommen:

Durch seinen Status als private Gesellschaft, die nicht im direkten Auftragsgeschäft, sondern als Mandatar für den Bund tätig ist, wurde der DED in seiner Arbeit sehr stark immer auch durch zivilgesellschaftliche Gruppen geprägt - zum Beispiel auch durch den Arbeitskreis Helfen und Lernen in Übersee (AKLHÜ), der an der Gründung maßgeblich beteiligt war und als Mitgesellschafter die Ausrichtung des DED immer begleitet hat.

Dies hat den DED nicht immer zu einem bequemen Partner für das BMZ gemacht, aber immer wieder Anstöße gebracht und Lernprozesse in Gang gesetzt, die für die deutsche Entwicklungspolitik wichtig und fruchtbar waren.

Die Schwerpunkte der Arbeit des DED in den Partnerländern haben sich mit der Zeit veränderten Herausforderungen und Rahmenbedingungen angepasst. Was aber den DED sicherlich immer in seiner Arbeit vor allem ausgezeichnet hat, ist die besondere Nähe zu den Menschen vor Ort, die es möglich macht, gerade Reform- und Entwicklungsprozesse auf lokaler Ebene optimal zu begleiten.

Der DED hat durch seinen besonderen Charakter als Freiwilligenorganisation, bei der die Entwicklungshelferinnen und Entwicklungshelfer ohne Erwerbsabsicht in den Partnerländern tätig werden, auch eine gesellschaftliche Vorbildfunktion. Die Arbeit des DED lebt von der Motivation, dem Engagement und Idealismus der Entwicklungshelferinnen und –helfer, in partnerschaftlicher Zusammenarbeit die Entwicklung in unseren Partnerländern zu unterstützen. Damit können sie auch im Inland wesentlich dazu beitragen, das entwicklungspolitische Bewusstsein und die Bereitschaft zur Unterstützung der Entwicklungsländer zu stärken.

Besonders hervorheben möchte ich schließlich noch den Einsatz des DED für Konfliktprävention und Friedenssicherung in den Partnerländern. Für ein Thema, das in den vergangenen Jahren an Bedeutung in vielen Regionen der Welt gewonnen hat und das wir daher zu einem Querschnittsthema unserer Politik gemacht haben, hat sich der DED bereits sehr früh engagiert und spielt heute innerhalb des Zivilen Friedensdienstes (ZFD) eine tragende Rolle - zum einen als größte Entsendeorganisation von Friedensfachkräften, zum anderen durch Sekretariatsfunktion für andere Organisationen innerhalb des ZFD.

III. Herausforderungen für die deutsche Entwicklungspolitik

Die Herausforderungen, vor denen die Entwicklungspolitik steht, und damit auch ihre Schwerpunkte und Zielsetzungen, haben sich in den letzten 40 Jahren verändert und immer wieder Anpassungen und Neuausrichtungen verlangt.

Wo stehen wir heute?

  • Es gibt Erfolge zu verzeichnen, was Entwicklung und Lebensstandard in vielen Regionen der Welt angeht: Kinder- und Müttersterblichkeit konnte in vielen Regionen gesenkt werden, Alphabetisierungsraten gesteigert, die Bekämpfung von Krankheiten verbessert werden. Dennoch stehen wir weiterhin vor erschreckenden Fakten und großen Herausforderungen: 113 Milliarden Kinder im schulpflichtigen Alter können nicht zur Schule gehen, 800 Milliarden Menschen weltweit hungern, 6.000 Kinder unter fünf Jahren sterben täglich an verunreinigtem Wasser.
  • Gleichzeitig leben wir in einer Welt, die geprägt ist von Globalisierungsprozessen und in der wir uns der stärkeren Verflechtung und gegenseitigen Abhängigkeiten bewusst werden (zum Beispiel: globale Umweltveränderungen, Finanzmärkte, internationaler Terrorismus, SARS). Dies erfordert eine neue Herangehensweise der Entwicklungspolitik, die auf verschiedenen Ebenen ansetzt und insbesondere auch globale Strukturen so gestaltet, dass den Entwicklungsländern gleichberechtigte Teilhabe ermöglicht wird.

Angesichts dieser Herausforderungen sind die Leitlinien unserer Entwicklungspolitik heute:

Erstens: Armut bekämpfen,

Zweitens: Globalisierung gestalten,

Drittens: Frieden sichern.

Den programmatischen Rahmen bilden dabei die auf internationaler Ebene vereinbarten Verpflichtungen und Ziele: Millenniumserklärung und Millenniumsziele, Konsens von Monterrey und Aktionsprogramm von Johannesburg.

Erstens: Armut bekämpfen

Verpflichtung zur Umsetzung der Millenniumsziele bis 2015 gibt uns den Rahmen vor für Bemühungen zur weltweiten Armutsbekämpfung: Halbierung des Anteils der in extremer Armut lebenden Menschen bis 2015 und Verbesserung anderer wesentlicher Entwicklungsindikatoren, zum Beispiel Gleichstellung der Geschlechter, Zugang zu Bildung, Senkung von Kinder- und Müttersterblichkeit.

Wichtigste Ansatzpunkte der deutschen Entwicklungspolitik, um zur Erreichung der Ziele beizutragen, sind:

Verbesserung des Zugangs zu Grundbildung:

  • Fördermittel des BMZ für Grundbildung bis 2007 auf 120 Milliarden Euro erhöhen (Verdopplung ausgehend von 2002).
  • aktives Engagement innerhalb der internationalen "Bildung für Alle"-Initiative, die von der Weltbank initiiert wurde und in deren Rahmen Entwicklungsländer einen Antrag auf intensivierte Förderung für den Bildungsbereich stellen können.
  • Verbesserung der Gleichstellung der Geschlechter: Engagement der deutschen Entwicklungspolitik: Seit der VN-Frauenkonferenz 1995 in Peking wurden weit über 40 Milliarden US-Dollar zur Gleichstellung von Frauen zugesagt: Umsetzung durch Projekte zur gezielten Förderung von Frauen auf bilateraler und multilateraler Ebene und durch Engagement auf nationaler und internationaler Ebene, zum Beispiel gegen Frauenhandel und Prostitution. Besondere Herausforderung für die Zukunft: Stärkung der Rechte von Frauen auch in islamischen Ländern (Beispiel Afghanistan).
  • Bekämpfung von HIV/Aids: BMZ-Mittel zur HIV/Aids-Bekämpfung rund 300 Milliarden Euro jährlich, davon enthalten auch Beitrag zum Globalen Gesundheitsfonds (GFATM).

Für den DED bildet Armutsbekämpfung in einer Großzahl seiner Programme einen Schwerpunkt seiner Arbeit. Um gerade auch zur Umsetzung des Aktionsprogramm 2015 seinen Beitrag zu leisten, wurden dem DED für das laufende Jahr zusätzliche Mittel in Höhe von 1,3 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Hiermit sollen unter anderem Entwicklungshelfer in folgenden Projekten eingesetzt werden:

  • Unterstützung von Kleinst- und Kleinunternehmer/innen zur Förderung der lokalen und regionalen Märkte in Mosambik, 
  • Kleinkreditprogramm für Frauen im Jemen, 
  • Beobachtung und Begleitung der PRSP-Prozess  in Bolivien sowie
  • Entwicklungspartnerschaften mit Unternehmen in Vietnam.

Zweitens: Globalisierung gerecht gestalten

Wir müssen Globalisierung politisch gestalten, um sicher zu stellen, dass die Entwicklungsländer an internationalen Verhandlungen und Organisationen gleichberechtigt teilhaben können und von den Vorteilen, die die Globalisierung bietet, auch profitieren können.

Schwerpunkte unseres Engagements:

  • Handel: Die nächste Welthandelsrunde muss zu einer echten Entwicklungsrunde werden, die die besonderen Interessen der Entwicklungsländer berücksichtigt; Industrieländer müssen ihren Beitrag leisten, insbesondere durch Öffnung ihrer Märkte und Abbau von marktverzerrenden Subventionen - vor allem im Agrarbereich.
  • Beteiligung von Entwicklungsländern an internationalen Organisationen: angemessene Beteiligung der Entwicklungsländer an Entscheidungsfindungen, zum Beispiel durch Erhöhung der Basisstimmrechte bei der Weltbank; Schaffung eines internationalen Gremiums, in dem ökonomische und soziale Fragen mit angemessener Beteiligung der Entwicklungsländer behandelt werden - "Global Council".
  • Weitere konsequente Umsetzung der Entschuldung für die ärmsten hochverschuldeten Länder (HIPCs).
  • Der DED leistet einen sehr wichtigen Beitrag zur gerechten Gestaltung der Globalisierung insbesondere durch seine Arbeit auf lokaler Ebene in den Partnerländern, die eine Grundvoraussetzung bildet für die gleichberechtigte Teilhabe der Entwicklungsländer an der Globalisierung: So werden zum Beispiel durch Maßnahmen im Bereich der Demokratisierung und Stärkung von Partizipation sowie durch Beratungsmaßnahmen, die Kapazitäten auf lokaler Ebene ausbilden, Strukturen geschaffen, die den Entwicklungsländern langfristig eine bessere Teilhabe an internationalen Verhandlungen und Ähnlichem ermöglicht.

Drittens: Frieden sichern

Generell kann Entwicklungspolitik durch die Bekämpfung von Hunger, Armut und Ausgrenzung konfliktpräventiv wirken. Entwicklungspolitik als kostengünstige und verantwortungsvolle Form der Sicherheitspolitik.

Maßnahmen zur Konfliktprävention auf globaler Ebene:

  • Maßnahmen zur Eindämmung des Waffenhandels - zum Beispiel durch das VN-Aktionsprogramm zur Beschränkung des Exports und Handels von Kleinwaffen
  • Initiativen zur Förderung von verantwortlicher Unternehmensführung und zur Kontrolle der Ausbeutung von Rohstoffen, um die positive Rolle von Unternehmen in Konflikten zu stärken - zum Beispiel Verhaltenskodizes; Global Compact-Initiative der VN; "Transparency of Payments Initiative for the Extractive Industries", die von Tony Blair initiiert wurde und von uns unterstützt wird)

Auf der Ebene der Partnerländer:

  • Stärkung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit mit dem Ziel der Konfliktprävention: in rund 30 Partnerländern Schwerpunkt
  • Konkrete Maßnahmen zur Konfliktprävention und –vermittlung in bestehenden Konflikten durch Friedensfachkräfte des Zivilen Friedensdienstes (ZFD)
  • Friedensförderung und zivile Konfliktbearbeitung bilden einen neuen Schwerpunkt im Engagement des DED. Im Jahre 2002 hat der DED durchschnittlich 19 Entwicklungshelfer im Rahmen des ZFD eingesetzt. Einsatzländer waren unter anderem Guatemala, Kambodscha, Peru und Sudan. Im Hinblick auf die insgesamt eingesetzten rund 950 Entwicklungshelfer des DED im Jahr 2002 stellt dies bisher zwar einen relativ kleinen Anteil dar, der jedoch seit Beginn des ZFD-Programmes im Jahre 1999 stetig steigt und weiterhin steigen wird. 
IV. Struktur der deutschen Entwicklungspolitik

Um ihre Ziele zu erreichen, setzt die deutsche Entwicklungspolitik auf ein Instrumentarium, das sich in mehr als 40 Jahren Entwicklungszusammenarbeit bewährt hat, das aber den veränderten Herausforderungen immer wieder angepasst wurde.

Insbesondere zeichnet sich die deutsche Entwicklungspolitik aus durch ein vielfältiges Instrumentarium, das es ermöglicht, für unterschiedliche Zielsetzungen, Handlungsebenen und Zielgruppen die optimale Herangehensweise zu finden.

Um Effizienz und Effektivität unserer Entwicklungszusammenarbeit zu steigern, haben wir in den vergangenen Jahren umfassende Reformen eingeleitet; einige wesentliche Aspekte:

  • Die Verzahnung und Kohärenz zwischen den verschiedenen Instrumenten wurde gestärkt durch verbesserte Kooperation vor Ort – die ja gerade auch der DED in vielen Fällen praktiziert; durch stärkere Kohärenz von Aktivitäten - zum Beispiel im Rahmen des Aktionsprogramms 2015 -; durch Zusammenführung von Vorfeldinstitutionen - Zusammenführung von KfW und DEG, Fusion von CDG und DSE zu InWEnt, gemeinsame Vorbereitungsstätte von DSE, DED und GTZ. 
  • Durch Länderkonzentration und Schwerpunktbildung konnten wir Wirksamkeit und Effizienz der Arbeit in unseren Partnerländern erhöhen.
  • Eine verstärkte Geberkoordination, insbesondere bei der Umsetzung von Entwicklungsstrategien der Partnerländer, verbessert die Abstimmung zwischen Gebern und Partnerländern.
  • Die stärkere Ergebnisorientierung unserer Entwicklungszusammenarbeit – unter anderem durch die Ausrichtung an den MDGs - ermöglichen eine bessere Einschätzung der Wirkungen unserer Arbeit und damit auch eine effektivere Ausrichtung.
  • Mit der Verbesserung der Kohärenz verschiedener Politikbereiche - zum Beispiel durch Mitgliedschaft des BMZ im Bundessicherheitsrat – wurde eine wichtige Voraussetzung für größere Wirksamkeit der Entwicklungspolitik geschaffen.
  • Um tatsächlich zu einer "EZ aus einem Guss" zu kommen, liegen noch weitere Reformschritte vor uns, auf die wir uns bei einer Leitungsklausur im BMZ Anfang des Jahres geeinigt haben und die wir konsequent umsetzen werden. Hierzu gehören unter anderem: 
  •  die Einrichtung von Länderteams im In- und Ausland, um die Koordination der verschiedenen EZ-Instrumente weiter zu verbessern;
  • die Harmonisierung von Verfahren, um Geberabstimmung noch effizienter werden zu lassen;
  • die stärkere Programmorientierung, um Mittel in den Partnerländern möglichst effizient einzusetzen und einzelne Maßnahmen noch besser aufeinander abzustimmen.
V. Perspektiven und Abschluss

Der DED hat in 40 Jahren mit seiner Arbeit einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, die deutsche Entwicklungspolitik zu dem zu machen, was sie heute ist. Vor allem hat der DED mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Menschen in unseren Partnerländern durch die Unterstützung in vielen Bereichen einen unschätzbaren Dienst erwiesen.

Dafür möchte ich Ihnen allen herzlich danken! Für die Zukunft bin ich zuversichtlich, dass der DED auch weiterhin engagiert für die Entwicklungspolitik und die Menschen in den Entwicklungsländern arbeiten wird. Die Förderung des DED durch das BMZ, die seit 1977 von rund 50 Milliarden DM - rund 25 Milliarden Euro-  auf rund 83 Milliarden Euro im Jahre 2003 angewachsen ist und sich damit mehr als verdreifachte, wird auch in Zukunft intensiv fortgesetzt werden. Wir hoffen und gehen davon aus, dass sich der DED, wie er es auch in den vergangenen Jahren sehr engagiert getan hat, mit seiner Arbeit und den Förderschwerpunkten an die aktuellen globalen Herausforderungen anpassen wird. Hierbei wird es sicherlich auch für den DED eine Herausforderung sein, die Kooperation mit anderen Vorfeldorganisation sowie auch mit anderen Gebern – die ja in vielen Fällen schon sehr gut funktioniert – noch zu intensivieren und noch stärker zu nutzen.

Ich wünsche dem DED und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei der weiteren Arbeit alles Gute!