im bewusstsein der europaeischen idee als werte- und kulturgemeinschaft - ansprache des bundeskanzlers

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bundeskanzler dr. helmut kohl hielt anlaesslich der
verleihung des coudenhove-kalergi-preises im palais
schaumburg in bonn am 29. april 1991 folgende
ansprache:

kaiserliche hoheit,
lieber freund raymond barre,
herr praesident bauer,
exzellenzen,
meine sehr verehrten damen und herren!

i.
ich moechte mich zunaechst bei ihnen allen herzlich bedanken,
dass sie zu dieser schoenen feierstunde hierher gekommen sind.
ich bedanke mich sehr herzlich bei denen, die eben in bewegender
art und weise zu mir sprachen - bei ihnen, herr bauer, bei ihnen,
lieber raymond barre, und bei ihnen, kaiserliche hoheit. die
verleihung des coudenhove-kalergi-preises ist eine hohe ehrung,
die mich in die pflicht nimmt. die europaeische einigung war
immer herzstueck meiner politik. fuer mich sind deutsche einheit
und europaeische einigung zwei seiten derselben medaille. dass
ich diese ehrung gerade in dieser zeit erhalte, freut mich ganz
besonders.

von beginn meiner politischen taetigkeit an war es immer mein
traum, dass die deutsche einheit und die europaeische einigung
einmal wirklichkeit werden. was mich also in diesen tagen vor
allem erfuellt - ungeachtet der stuerme der tagespolitik - ist
ein tiefes gefuehl der dankbarkeit dafuer, dass jetzt beides
moeglich ist, dass ich es erleben durfte und erleben darf, und
dass ich ein stueck dazu beitragen kann. ich komme aus einer
grenzregion, meine pfaelzische heimat liegt in der naehe des doms
zu speyer, des trifels und des hambacher schlosses. diese
landschaft hat besonders unter dem bruderzwist und den
bruderkriegen der letzten jahrhunderte gelitten. es ist sehr
freundlich, dass sie meine herkunft in der verleihungsurkunde
erwaehnen, und sie, kaiserliche hoheit, haben es ja auch in ihrer
laudatio angesprochen.

die deutsche einheit waere nicht moeglich gewesen ohne die hilfe
und unterstuetzung durch unsere nachbarn und ohne den grossen mut
unserer landsleute in der ehemaligen ddr, die mit der kraft ihrer
freiheitsliebe friedliche freiheit, selbstbestimmung und einheit
erkaempft haben. ich sage das besonders gerne in anwesenheit
seiner exzellenz des botschafters der vereinigten staaten: ohne
die hilfe unserer freunde in den usa, ohne die hilfe aller
amerikanischen praesidenten nach dem zweiten weltkrieg waere die
deutsche wiedervereinigung nicht moeglich gewesen und auch nicht
ohne die hilfe unserer freunde in frankreich und grossbritannien.
und wenn sie, kaiserliche hoheit, unsere ungarischen freunde
erwaehnen, will auch ich sie stellvertretend nennen: ohne das,
was die ungarische regierung und das ungarische volk im sommer
1989 mit der oeffnung der grenze nach oesterreich vollbracht
haben, haette die deutsche einheit jetzt nicht verwirklicht
werden koennen. aber ich fuege auch hinzu: ohne die einsicht und
die geschichtliche erkenntnis michail gorbatschows, dass das
selbstbestimmungsrecht der voelker auf dauer nicht mit panzern
und soldaten unterdrueckt werden kann, ohne das neue denken in
der sowjetischen aussenpolitik, waere die deutsche einheit auch
nicht moeglich gewesen. meine damen und herren, wir deutschen
wuerden die herausforderung der geschichte verfehlen, wenn wir
nun auf dem weg zur politischen einigung europas nicht weiter
voranschritten - ungeachtet der probleme, die wir jetzt im
eigenen land haben. dieser preis traegt zu recht den namen des
grafen coudenhove-kalergi. denn graf coudenhove-kalergi war einer
der fruehen und bedeutenden foerderer der europaeischen idee, ja
er hatte die grosse vision, ganz europa zusammenzufuehren. thomas
mann hat ihm einmal "vornehme weltmenschlichkeit" bescheinigt.
provinzielle oder gar nationalistische enge war ihm fremd.
coudenhovekalergis wirken fuer gesamteuropa - fuer paneuropa, wie
er es nannte - blieb nie an theoretischen konzepten haften: fuer
ihn galt nur aktives handeln. ich freue mich, dass sein erbe
in der paneuropa-union weiterlebt. schon in der zeit zwischen den
weltkriegen gelang es - und die paneuropa-union war daran
beteiligt -, den gedanken eines in frieden vereinten europas bei
vielen menschen zu verbreiten. leider behielten nationalistische
gedanken noch die oberhand. so stiess romain rollands aufruf zu
bruederlichkeit unter den so lange verfeindeten europaeischen
nationen auf zu wenig resonanz. dieser appell aus seinem
romanzyklus "jean-christophe" fand damals nicht die gebuehrende
beachtung. also galt es nach den schrecklichen erfahrungen des
zweiten weltkrieges, auch fuer die verwirklichung des
europaeischen gedankens einen neuen anfang zu machen. in seiner
beruehmten zuericher rede sprach winston churchill 1946 von der
schaffung der "vereinten staaten von europa". er sagte damals:
"es ist nichts weiter dazu noetig, als dass hunderte von
millionen maennern und frauen recht statt unrecht tun und segen
statt fluch ernten."

ii.
die europaeische idee hat seit 1945 immer weiter an boden
gewonnen. sie wurde von den voelkern angenommen und wird von
ihnen getragen. denken wir nur an die beiden letzten jahre
zurueck. es waren die menschen in polen und ungarn, in der
tschechoslowakei und der ehemaligen ddr, die die ketten der
unrechtsregime sprengten, und den weg "zurueck nach europa"
einschlugen. europa, demokratie und rechtsstaat gehoeren fuer uns
unaufloeslich zusammen. ein einiges europa kann nur ein
demokratisches europa sein. unser ziel ist und bleibt es, den
menschen von moskau bis dublin, von oslo bis rom ein friedliches
zusammenleben in freier selbstbestimmung zu ermoeglichen. alle
voelker europas sollen sich in freiheit, frieden und
gerechtigkeit auf ihrem gemeinsamen kontinent zu hause fuehlen.
wir sind ein gutes stueck auf diesem weg vorangekommen.

wie kaum eine andere institution symbolisiert der europarat diese
kerngedanken europaeischer politik: seit 1949 hat er zur einheit
europas im geist der menschenrechte beigetragen - weit ueber die
grenzen der europaeischen gemeinschaft hinaus. die
paneuropa-union hat schon fruehzeitig darauf hingewiesen, dass
die europaeische gemeinschaft nicht das ganze europa ist. es
waere ein verhaengnisvoller irrtum, wenn wir die grenzen der eg
gleichsetzen wuerden mit europa. die bedeutung des europarats
zeigt sich erneut angesichts des interesses, das zahlreiche
staaten mittel- und suedosteuropas an einem beitritt haben.
ungarn und die csfr sind mittlerweile mitglied, und ich wuensche
mir, dass andere staaten, die die voraussetzungen fuer den
beitritt erfuellen, auch bald beitreten werden. wir wollen und
muessen den europarat noch staerker als instrument
gesamteuropaeischer zusammenarbeit nutzen. er soll - nach unserem
willen - ein fuer jede rechtsstaatliche demokratie stets offenes
forum sein. bei alldem geht es, wie konrad adenauer bereits 1961
so zukunftsweisend formulierte, darum, "dass europa einmal ein
grosses, gemeinsames haus fuer alle europaeer wird, ein haus der
freiheit". auf diesem weg sind wir in den vergangenen jahrzehnten
und vor allem in den letzten jahren schon ein gutes stueck
vorangekommen - zwar nicht ohne schwierigkeiten und
rueckschlaege, wie zum beispiel das scheitern der europaeischen
verteidigungsgemeinschaft zeigt, aber doch unbeirrt und
erfolgreich. schon die montanunion erwuchs aus dem gedanken,
kriege unmoeglich zu machen und eine gemeinsame zukunft zu
begruenden. wirtschaftliche verflechtung sollte uns politische
annaeherung bringen. denselben zielen diente auch die
europaeische wirtschaftsgemeinschaft. wie ueberfaellig eine
gemeinsame aussen-, sicherheits- und schliesslich auch
verteidigungspolitik im rahmen der europaeischen gemeinschaft -
zusammen mit der nato - ist, hat sich angesichts von krise und
krieg am golf einmal mehr gezeigt. die bundesregierung ist
entschlossen, bei den beratungen ueber die politische union die
notwendigen konsequenzen aus diesen erfahrungen zu ziehen. europa
muss kuenftig in der lage sein, mit einer stimme zu sprechen und
geschlossen zu handeln, wenn es um seine gemeinsamen interessen
geht. wir deutschen muessen - und das ist gerade jetzt nach der
wiedervereinigung wichtig bereit sein, in diesem rahmen auch mehr
pflichten als bisher zu uebernehmen und auch die dazu notwendigen
verfassungsrechtlichen klarstellungen zu schaffen. es gehoert
auch zu den erfolgen unserer europa-politik, dass die rechte des
europaeischen parlaments mit der einheitlichen europaeischen akte
gestaerkt wurden. ich werde mich auch weiter dafuer einsetzen,
dass die rechte des europaeischen parlaments immer mehr den
kompetenzen der nationalen parlamente angenaehert werden. denn
nach unserem demokratieverstaendnis kann es auf dauer nicht
angehen, dass wir der gemeinschaft immer mehr
souveraenitaetsrechte abgeben, ohne gleichzeitig die rechte des
europaeischen parlaments zu staerken.

meine damen und herren, der grosse europaeische binnenmarkt mit
340 millionen menschen steht vor seiner vollendung: ueber zwei
drittel des binnenmarkt-programms sind bereits verwirklicht. die
vorbereitung dieses marktes hat schon jetzt einen schub bewirkt,
der nicht nur wichtige wirtschaftliche impulse gibt, sondern den
europaeischen einigungsprozess auch politisch entscheidend
voranbringt. so werden wir am 31. dezember 1992 die ersten
grundlegenden schritte auf dem weg zur europaeischen union getan
haben. aber das ist nur eine etappe auf einem weg, den wir
weitergehen muessen. entscheidend ist, dass wir nicht vergessen,
dass die wirtschaftliche einigung allein zu wenig ist.

iii.
unser kernziel bleibt bei alldem - und hierfuer werde ich mich
persoenlich einsetzen - die politische einigung europas. nur eine
starke und auch politisch einige europaeische gemeinschaft kann
die zukunft dieses kontinents entscheidend mitpraegen und
sichern. nur sie eroeffnet die chance, dass wir in wenigen jahren
die ganze gestaltungskraft unseres kontinents zur loesung der
weltweiten probleme einbringen koennen. wir setzen deshalb unsere
ganze kraft dafuer ein, die beiden regierungskonferenzen ueber
die wirtschafts- und waehrungsunion sowie ueber die politische
union zum erfolg zu fuehren. beide regierungskonferenzen gehoeren
zwingend zusammen. man kann die wirtschafts- und waehrungsunion
nicht ohne die politische union bekommen, und man kann die
politische union nicht ohne die wirtschafts- und waehrungsunion
haben. ich werde dem deutschen bundestag und dem bundesrat nur
dokumente zur ratifizierung vorlegen, in denen die ergebnisse
beider konferenzen enthalten sind. wir wollen und werden die
europaeische wirtschafts- und waehrungsunion verwirklichen. das
heisst: wir stehen zu unserem ziel einer einheitlichen
europaeischen waehrung, die an stabilitaet unserer d-mark nicht
nachsteht. das erfordert von allen beteiligten noch deutlichere
fortschritte bei der konvergenz der wirtschaftspolitiken sowie
haushaltsdisziplin aller regierungen. am ende des weges soll eine
unabhaengige, der waehrungsstabilitaet verpflichtete,
europaeische zentralbank stehen. wir wollen die europaeische
union - unsere buerger wie auch unsere freunde und partner in der
welt erwarten sie. im letzten jahrzehnt des jahrhunderts, das
soviel not, elend und leid sah, koennen wir die vision der
grossen europaeer verwirklichen: von jean monnet bis alcide de
gasperi, von paul-henri spaak bis robert schuman und konrad
adenauer - und auch von persoenlichkeiten wie graf
coudenhove-kalergi.

politik und wirtschaft sind die eine seite. ich lege aber wert
darauf, gerade vor diesem forum zu betonen, dass "europaeische
gemeinschaft" mehr bedeutet. sie ist vor allem auch eine werte-
und kulturgemeinschaft der europaeer. unsere gemeinsame kultur
ist das staerkste band, das europa zusammenhaelt. politische und
wirtschaftliche rahmenbedingungen muessen stimmen - die
europaeische einigung kann jedoch nur erfolg haben, wenn wir uns
deren geistige und kulturelle voraussetzungen immer wieder
vergegenwaertigen. wir muessen daher das bewusstsein fuer die
kulturelle dimension europas schaerfen. dieses europa ist von
einer 2000jaehrigen christlichen tradition gepraegt, von antiker
philosophie, vom humanismus der renaissance - und von den grossen
denkern der aufklaerung wie kant oder voltaire. die bauwerke der
schwaebischen handwerkerfamilie parler schmuecken mailand noch
heute. die kontakte zwischen alten universitaeten wie prag und
bologna, paris oder oxford waren frueher in mancher hinsicht
enger, als sie es heute sind - was wir also tun, ist ein stueck
wiedergutmachung vor der geschichte. die musik mozarts wird -
gerade in seinem jubilaeumsjahr - weit ueber die grenzen europas
hinaus gehoert. und welch wunderbare baudenkmaeler schmuecken
beispielsweise die pilgerroute nach santiago de compostelass
die europaeische idee entstand gerade aus diesem bewusstsein der
gemeinsamen geistigen urspruenge unserer voelker und sie
schliesst zu allererst unsere gemeinsamen werte ein. die einende
kraft dieses kulturellen erbes, gegenseitigen verstaendnisses und
vertrauens kann sich am besten in einem europa offener grenzen
entfalten. fuer die europaeische jugend ist gerade das von
groesster bedeutung. ein vereintes europa braucht vor allem das
engagement junger menschen, wenn frieden und freiheit auf dauer
bewahrt werden sollen. ich kann nicht oft genug betonen, wie
wichtig es ist, der jugend in europa chancen zu eroeffnen. ich
denke dabei durchaus an meine jugendzeit: an meinem 18.
geburtstag im april 1948 brauchte ich noch einen passierschein,
nur um von meiner heimatstadt ludwigshafen nach mannheim zu
kommen. die dimension der oeffnung, die wir heute in europa
erleben, kann gar nicht oft genug gegenueber jungen leuten
deutlich gemacht werden. herausragende verdienste hat sich das
deutsch-franzoesische jugendwerk erworben. die persoenlichen
begegnungen zwischen millionen junger franzosen und deutscher
koennen und muessen zum vorbild werden fuer jugendbegegnungen in
ganz europa. staatspraesident mitterrand und ich haben schon auf
dem deutsch-franzoesischen kulturgipfel im oktober 1986
beschlossen, neben dem jugend- auch den kulturaustausch zu
verstaerken. denn neue kenntnisse und bereichernde eindruecke im
ausland helfen vorurteile abzubauen und begruenden
freundschaften. gerade das braucht europa.

iv.
wir wissen, dass die gemeinschaft der zwoelf nicht ganz europa
ist. und sie ist keine geschlossene gesellschaft, sondern
grundsaetzlich offen fuer andere europaeische staaten. das gilt
zunaechst einmal fuer die laender der efta, von denen sich einige
bereits auf eine mitgliedschaft in der eg vorbereiten.

eine neue - gesamteuropaeische - chance eroeffnen uns die
politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen reformen in
mittel-, ost- und suedosteuropa sowie die aufloesung der
militaerischen organisation des warschauer pakts. es ist die
chance, ein neues kapitel in der europaeischen geschichte zu
schreiben:

- ein kapitel, in dem sich neue moeglichkeiten fuer
wirtschaftliche zusammenarbeit bieten, in dem politische
konfrontation durch kooperation ersetzt wird und feindbilder
abgebaut werden,

- ein kapitel, das dem "europa der buerger" dient, in dem durch
den eisernen vorhang lange zeit getrennt, menschen
zusammengefuehrt werden koennen.

das bedeutet nicht - und ich bin dabei ohne illusion -, dass
wir morgen und uebermorgen alle laender europas in die
europaeische gemeinschaft aufnehmen koennen. aber das bedeutet,
dass wir niemanden ausgrenzen, wenn die voraussetzungen fuer eine
mitgliedschaft gegeben sind. zu unserer politischen verantwortung
gehoert es, den laendern in mittelund suedosteuropa den weg in
die gemeinschaft nicht zu versperren. wir wollen den neuen
demokratien bei ihrer "heimkehr nach europa" helfen. dabei
streben wir vor allem nach einer dauerhaften aussoehnung mit
unseren nachbarn in polen.

das deutsch-franzoesische jugendwerk - das ich bereits erwaehnt
habe - ist fuer mich ein denkbares vorbild fuer die vorgesehene
gruendung des deutsch-polnischen jugendwerks. der ehemalige
polnische ministerpraesident tadeusz mazowiecki und ich wollten
mit diesem vorhaben schon sehr frueh ein zeichen setzen fuer eine
neue partnerschaft und freundschaft, die auch aussoehnung
fordert. aussoehnung, die nichts verschweigt, sondern die den weg
zu einem neuen anfang weist. es ist mein wunsch, dass ein
miteinander ueber die grenzen hinweg zwischen jungen deutschen
und jungen polen bald ebenso selbstverstaendlich sein wird wie
zwischen franzosen und deutschen. ohne deutsch-franzoesische
freundschaft haette das werk der einigung europas nicht begonnen
werden koennen. ohne deutsch-polnische partnerschaft und, wie
ich hoffe, deutsch-polnische freundschaft, wird es sich nicht
vollenden lassen. wir sollten uns aber auch immer
vergegenwaertigen, dass es in unserem eigenen interesse liegt,
unsere nachbarn im osten und suedosten aktiv zu unterstuetzen.
indem wir die reformen und insbesondere den uebergang zur
sozialen marktwirtschaft foerdern, tragen wir zur sicherheit und
stabilitaet ganz europas bei. auch sollten wir nicht vergessen,
wie eng ost und west in europa kulturell miteinander verbunden
sind. wir spueren das in der musik von chopin oder tschaikowski.
und denken sie an michail lomonossow, den gruender der ersten
moskauer universitaet, oder den lyriker ossip mandelstam, die
beide in deutschland studierten. gerade russland war schon in der
vergangenheit auf das engste mit dem uebrigen europa verbunden.
das schaffen von marc chagall - ich denke an die von ihm
gestalteten kirchenfenster in mainz, metz und reims - oder von
joseph brodski - dem literaturnobelpreistraeger - zeigt den
unersetzlichen anteil, den es aber auch bis in die gegenwart
hinein zu unserem europaeischen kulturerbe geleistet hat. unsere
historisch-kulturelle verbundenheit mit reformstaaten wie polen,
ungarn oder der csfr, aber auch mit vielen voelkern der
sowjetunion - wie beispielsweise den balten hat eine lange
tradition. es wird eine der grossen herausforderungen der
naechsten jahre sein, die sowjetunion mehr und mehr in die
gestaltung der europaeischen zukunft einzubeziehen. der weg in
diese gemeinsame europaeische zukunft muss immer - auch in der
sowjetunion - ueber die achtung der menschenrechte und das
selbstbestimmungsrecht der voelker fuehren. wenn wir gemeinsam
auf diesem weg vorangehen, ehren wir damit auch das vermaechtnis
eines mannes, der zum umbruch in osteuropa entscheidend
beigetragen hat: andrej sacharow. meinungsfreiheit, toleranz und
achtung vor dem naechsten sind werte, die der
friedensnobelpreistraeger verkoerperte. in diesem geist wollen
wir an der europaeischen zukunft arbeiten. es darf kein zurueck
mehr geben auf dem weg zu einem groesseren europa. einem europa,
das in frieden und freiheit lebt, das seinen beitrag zur sozialen
gerechtigkeit in europa und in der welt leistet. daran zu
arbeiten, ist eine grossartige sache.