forschungspolitik im vereinten europa - rede des bundesforschungsministers in bonn

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der bundesminister fuer forschung und technologie,
matthias wissmann, hielt vor dem ausschuss fuer industrie
und forschung des deutschen industrie- und handelstages
am 1. april 1993 in bonn folgende rede:

i.
seit ich vor vierzehn tagen meine grundsatzpositionen
fuer forschung und technologie zum standort deutschland
vorgestellt habe, bin ich mit einer unzahl verschiedener
reaktionen konfrontiert worden. ich bin natuerlich
froh darueber, dass die grosse mehrheit zustimmend
und freundlich war.
aber es wird sie nicht wundern, dass ich mich insbesondere
mit einem vorwurf immer wieder auseinandersetzen
muss: dem, ich wuerde mich zu sehr um die sorgen der
wirtschaft kuemmern, wuerde forschungspolitik als
wirtschaftspolitik begreifen.
meine damen und herren, ich denke wir sind uns einig:
forschung und technologie einerseits und wirtschaft
andererseits lassen sich nicht voneinander trennen.
beide haben ein gemeinsames ziel: die sicherung
der zukunft deutschlands und europas und seiner
buergerinnen und buerger. ohne eine erfolgreiche wirtschaft
laesst sich wohlstand nicht erreichen, und ohne forschung
und entwicklung kann kein staat die zukunft gewinnen.

ii.
wenn sich forschung allerdings ausschliesslich auf
industrieforschung beschraenken wuerde, dann wuerde
sie gewaltige mengen wertvollen wissenschaftlichen
reservoirs aufgeben. im bereich erkenntnisorientierter
grundlagenforschung hat der staat deshalb eine wichtige
aufgabe. sie bildet auch die basis fuer neue technologien.
deutschland hat hier auf vielen gebieten eine spitzenposition
im internationalen vergleich.
daneben gewinnt fuer mich jedoch die anwendungsorientierte
grundlagenforschung immer groessere bedeutung, denn
sie bringt uns neue erkenntnisse in wichtigen zukunftsfeldern:
bei der bekaempfung von krankheiten wie krebs, aids,
bei der sanierung von belasteten boeden, bei neuen
materialien und verfahren fuer die produktion, oder
aber zu einem besseren verstaendnis komplexer systeme,
wie zum beispiel des verkehrs, des klimas oder der
oekosysteme.
ich werde daher als bundesminister fuer forschung
und technologie diese zielgerichtete und anwendungsorientierte
grundlagenforschung vorrangig foerdern. und genau
mit diesem punkt kann ich jenen am anfang erwaehnten
kritikern antworten: wirtschaft und forschung haengen
untrennbar miteinander zusammen. wer versucht, aus
ideologischen gruenden einen keil zwischen sie zu
treiben, der gefaehrdet die zukunft deutschlands.
der amerikanische wirtschaftsprofessor paul romer
hat recht mit seiner feststellung: "wettbewerbsvorteile
hat heute nicht die nation mit den meisten bodenschaetzen
oder dem meisten kapital, sondern die mit dem fundiertesten
wissen."

iii.
die qualitaet des standorts deutschland steht und
faellt mit der geistigen beweglichkeit und der schoepferkraft
seiner menschen. die qualitaet der deutschen wirtschaft
wird an der frage gemessen, inwieweit es unseren
unternehmen gelingt, mit
wirklich innovativen produkten auf den weltmaerkten
zu bestehen. und dies ist der zweite aspekt der
engen bindung von wirtschaft und forschung: sie
bedeutet zugleich eine verpflichtung fuer die wirtschaft,
ihren beitrag fuer forschung und entwicklung zu leisten,
zum nutzen der wettbewerbsfaehigkeit des standorts
deutschland.
der erfolg der deutschen industrie in den vergangenen
zehn jahren beruht in erster linie auf technologisch
hochwertigen guetern:

- 1991 war deutschland zweitgroesster exporteur der
welt knapp hinter den usa und deutlich vor japan.
der handelsbilanzueberschuss betrug insgesamt fast
23 milliarden dm. im handel mit technologieintensiven
guetern ueberstieg der export die importe um sage
und schreibe 87 milliarden dm. die handelsbilanz
waere ohne diesen erfolg negativ gewesen. technologieintensive
gueter sind also traeger des deutschen exporterfolgs
in den vergangenen jahren.

- auch muessen wir uns immer wieder vor augen fuehren,
dass die enorme zunahme der beschaeftigung in der
westdeutschen industrie zwischen 1984 und 1991 zu
rund zwei dritteln in technologieintensiven industriezweigen
stattgefunden hat. forschung und technologie haben also
einen ueberproportionalen anteil an der beschaeftigungszunahme
in deutschland seit mitte der 80er jahre.

der blickwinkel der forschungspolitik geht daher
weit ueber die fragen des wirtschaftsstandortes deutschland
hinaus. wissenschaft und technik praegen die gesellschaft
als ganzes. vor diesem hintergrund halte ich es
fuer aeusserst besorgniserregend, dass die ausgaben
der wirtschaft fuer forschung und entwicklung schon
seit einigen jahren deutlich schwaecher wachsen als
das bruttoinlandsprodukt.
waehrend dieses von 1989 bis 1991 in den alten und
neuen bundeslaendern zusammen um ueber 25 prozent
anstieg, wuchsen die ausgaben der wirtschaft fuer
forschung und technik im gleichen zeitraum nur um
gut 8 prozent. auch der anteil der wirtschaft an
der finanzierung des deutschen forschungsbudgets
ist zurueckgegangen. von ueber 62 prozent 1989 auf
gerade einmal gut 58 prozent 1992.
in japan ist die entwicklung genau entgegengesetzt.
japanische unternehmen setzen in der augenblicklich
konjunkturell schwierigen lage und bei einem sich
verschaerfenden internationalen wettbewerb auf neue
ideen und neue produkte. die japanische wirtschaft
steigerte ihren anteil an der finanzierung des
forschungsbudgets von 69 prozent 1987 auf
73 prozent 1990 - mit anhaltendem trend.
auch wir in deutschland brauchen eine trendwende,
denn die wirtschaftlichen lebensnerven des standorts
deutschland sind seine hochgradige industrialisierung
und starke aussenhandelsverflechtung. deutschland
darf deshalb gerade in technologieintensiven bereichen
keine schwaechen zeigen. die industrie ist deshalb
gefordert, gerade jetzt verstaerkt in forschung und
technologie zu investieren. es geht um unsere gemeinsame
zukunft.

iv.
als forschungsminister werde ich meine verantwortung
aktiv wahrnehmen. ich werde nicht die rolle eines forschungs-
und technologiepolitischen "nachtwaechters" uebernehmen.
ich moechte jedoch andererseits auch klarstellen,
dass das forschungsministerium nicht dem versuch
erliegen darf, mit interventionistischen strategien
den unternehmen weg und richtung einer notwendigen
strukturanpassung vorzugeben, oder durch subventionen
und schutzmassnahmen direkt in
investitions- und innovationsprozesse einzugreifen.
ich bin mir sicher, dass ingenieure und unternehmer
immer die bessere spuernase fuer neue ideen und marktfaehige
produkte haben. marktwirtschaft ist keine buerokratenwirtschaft.
die zentrale aufgabe des bundesforschungsministers
liegt dagegen in der staerkung der technologischen
wettbewerbsfaehigkeit deutschlands, in der schaffung
bester bedingungen fuer forschung und innovation.
gerade in zeiten knapper haushaltsmittel und schwieriger
konjunkturlage darf die blutzufuhr zu den koepfen
der industrienation deutschland nicht unterbrochen
werden. ich werde mich deshalb dafuer einsetzen,
die notwendigen rahmenbedingungen zu schaffen, um
jene dynamik der entwicklung neuer und marktfaehiger
hochtechnologieprodukte, die das wachstum der 80er
jahre praegte, wieder anzukurbeln. dazu ist es fuer
mich von grosser bedeutung, dass wir innovationshindernisse
zum beispiel in gestalt von gesetzlichen regelungen
und buerokratischen verfahren abbauen. eine verbesserung
gerade dieses rahmens wirkt haeufig mehr als der
einsatz oeffentlicher foerdermittel.
ein negativbeispiel der juengsten vergangenheit ist das
gentechnikgesetz. man muss sich ueber unsere internationale
rueckstaendigkeit in diesem bereich nicht wundern,
wenn man das beispiel einer gemeinde in niedersachsen
nimmt, wo im februar wegen eines antrages auf freisetzung
transgener kartoffeln rund 3000 schriftliche einwaende
eingereicht wurden. dies sind die folgen uebertriebener
gesetzlicher regelungen und einer ueberbuerokratisierung.
im ergebnis gab es in deutschland bis 1992 nur
zwei freisetzungen gentechnisch veraenderter pflanzen,
in den oecd-staaten aber 858.
natuerlich gibt es moralische grenzen von forschung
und technik. ich bin der festen meinung, dass wir
auf ihre einhaltung groesste sorgfalt verwenden muessen.
den freiraum fuer ethisch vertretbare forschung und
technologie duerfen wir aber nicht erdruecken.

v.
meine damen und herren, die ueberbuerokratisierung
in vielen bereichen des oeffentlichen und des wirtschaftslebens
in deutschland ist nur eine der vielen verkrustungen,
die wir aufbrechen muessen, um die wettbewerbsfaehigkeit
des standorts deutschland zu staerken. darueber hinaus
haben wir zum beispiel:

- die kuerzeste wochenarbeitszeit aller industrielaender,
- die meisten feier- und urlaubstage,
- und auch extrem lange ausbildungszeiten.

all dies koennen wir uns nicht laenger leisten. innerhalb
und ausserhalb der eg entstehen ueberall attraktive
standorte, die miteinander in wettbewerb um investitionen
und arbeitsplaetze treten. beispielsweise beeindrucken
die laender asiens seit vielen jahren durch hochdynamische
wachstumsraten und enormen technologischen fortschritt.
die deutsche wirtschaft muss sich auf diese konkurrenten
noch viel besser als bisher einstellen, und manches
versaeumnis der vergangenen jahre aufholen. forschung
und technologie spielen dabei eine zentrale rolle.
spitzenleistungen in forschung und technologie sind
der motor von wohlstand, sozialer sicherheit, beschaeftigung
und wachstum. nur wer staendig neues wissen erwirbt,
ist in der lage, zukunftsmaerkte zu erschliessen, und
sich einen spitzenplatz im internationalen wettbewerb
zu sichern.
dieser herausforderung muss sich die deutsche wirtschaft
stellen.

aber auch die bundesregierung wird im bereich von
forschung und technologie neue schwerpunkte setzen,
mit blick auf die wirtschaftlichen und politischen
schluesselfelder im jahr 2000. ich moechte vorrangig
an zwei feldern ansetzen:

- zum einen sind rein nationale loesungsmodelle nicht
mehr sinnvoll. wir muessen uebergehen zu einer zunehmenden
kooperation in der forschungs- und technologiepolitik
europas.

- zum anderen aber wuerde eine zentralistische struktur
gerade in der forschung innovationen unterdruecken,
anstatt sie zu foerdern.

wir muessen deshalb die kleinsten einheiten im bereich
von forschung und technologie schuetzen und staerken.
deshalb wird die foerderung kleiner und mittlerer
betriebe ein besonders wichtiges element meiner
politik sein.
vi.
deutschland hat gerade bei kleinen und mittleren
unternehmen eine nahezu einzigartige struktur. sie
bilden das rueckgrat unserer volkswirtschaft.

- in den alten bundeslaendern erbringen sie etwa
die haelfte der gesamten wirtschaftsleistung, sie
beschaeftigen rund zwei drittel aller arbeitnehmer
und 80 prozent aller auszubildenden. eine hochentwickelte
landschaft innovativer mittelstaendischer unternehmen

- nicht zuletzt auch im bereich des handwerks -
stellt somit einen der wichtigsten standortvorteile
deutschlands dar.

- darueber hinaus ist die zulieferung hochwertiger
technologie dieser unternehmen entscheidend fuer
die innovationskraft vieler grossunternehmen im bereich
der spitzentechnologie.

- kleine und mittlere unternehmen haben damit eine
schluesselstellung fuer die technologische leistungsfaehigkeit
unserer volkswirtschaft.

in juengster zeit zeigt sich jedoch in besorgniserregendem
ausmass, dass auch die aufwendungen vieler mittelstaendischer
unternehmen fuer forschung und entwicklung nachlassen.
ich weiss so gut wie sie: forschung und entwicklung
sind fuer mittelstaendische unternehmen mit weit groesseren
muehen verbunden, als dies bei grossunternehmen der
fall ist, beispielsweise bei der finanzierung solcher
vorhaben. ich weiss auch:mittelstaendische unternehmen
haben deutlich groessere risiken als grossunternehmen.
ich betrachte es daher als meine aufgabe, einen
beitrag zum ausgleich der innovationschancen zugunsten
von kleinen und mittleren unternehmen zu leisten.
gerade als baden-wuerttemberger weiss ich genau, welche
chancen wir im bereich von schluessel- und zukunftstechnologien
bisher verspielt haben, weil wir das kreative potential
von vielen tausend betrieben nur unzureichend genutzt
haben.
fuer besonders wichtig halte ich auf laengere frist
den innovationsfoerdernden umbau unseres steuersystems.
deutschland hat heute als einzige bedeutende industrienation
keine steuerliche foerderung von forschung und entwicklung.
mit blick auf die internationale wettbewerbsfaehigkeit
unserer wirtschaft ist die steuerliche foerderung
von forschung und entwicklung jedoch ein eminent
wichtiger standortfaktor. im lichte der aktuellen
haushaltslage sowie im rahmen der kuenftigen gesamtkonzeption
der unternehmenssteuerreform der bundesregierung
muss deshalb ueber einkommensneutrale foerdermodelle
nachgedacht werden. wir muessen uns fragen, ob wir
langfristig gesehen nicht besser "koepfe" anstelle
von "beton" foerdern wollen.

vii.
der umfang der forschungsfoerderung bei kleinen und
mittleren unternehmen durch das bundesministerium
fuer forschung und technologie ist zwischen 1982
und 1992 von 340 millionen dm auf ueber 515 millionen
dm angewachsen. im bereich unserer foerderung der
gewerblichen wirtschaft ist damit in diesem zeitraum
der anteil des mittelstands von rund 10 prozent
auf ueber 30 prozent angestiegen. der bund weiss
also um seine verantwortung und stellt sich dieser
auch weiterhin: neben den allgemeinen massnahmen
werden bis zur mitte der 90er jahre noch die speziellen
foerderprogramme fuer den mittelstand in den neuen
bundeslaendern weitergefuehrt, durch die der aufbau
einer innovativen mittelstaendischen wirtschaft unterstuetzt
wird.
mittelfristig brauchen wir fuer die gesamte bundesrepublik
deutschland einen korridor von 550 bis 600 millionen
dm fuer die forschungsfoerderung bei kleinen und mittleren
unternehmen. ich bereite deshalb gegenwaertig eine
neue gesamtkonzeption fuer die mittelstandsfoerderung
vor. mein ziel ist es, den aufbau eines innovativen
mittelstandes in den neuen bundeslaendern voranzubringen,
ohne dabei die notwendige foerderung in den alten
bundeslaendern zu vernachlaessigen.
ich moechte vor allem eine vereinfachung und eine
hoehere uebersichtlichkeit des foerdersystems fuer den
mittelstaendischen antragsteller erreichen. ich werde
daher im bundesministerium fuer forschung und technologie
die foerderung kleiner und mittlerer unternehmen
auf drei saeulen stellen:

erstens: die foerderung im rahmen von technologischen
fachprogrammen. hier soll eine nachdrueckliche verstaerkung
breitenwirksamer massnahmen zur einfuehrung von
schluesseltechnologien erfolgen.

zweitens: darlehen fuer sprunginnovationen sind eine
massnahme zur technologieuebergreifenden unterstuetzung
der finanzierung von forschung und entwicklung.

drittens: eine neue foerdermassnahme "forschungskooperation
fuer kleine und mittlere unternehmen" wird eingefuehrt.
ziel ist die foerderung risikoreicher und anspruchsvoller
nationaler und transnationaler forschungskooperationen.
durch diese neue massnahme sollen zukunftstraechtige
innovationsstrategien auch fuer mittelstaendische
unternehmen in breitem umfang erschlossen werden.

die enormen chancen der forschungszusammenarbeit
werden gerade von kleinen und mittleren unternehmen
noch immer zu wenig genutzt. dabei ist klar: sie
ist insbesondere fuer mittelstaendische unternehmen eine
wichtige voraussetzung fuer die weitere wettbewerbsfaehigkeit
bei neuen produkten. um anreize zu schaffen, werden
wir uns deshalb im rahmen dieser neuen massnahme
zur kooperationsfoerderung am risiko fuer die unternehmen
beteiligen. gleichzeitig wird mit dieser massnahme
-zum beispiel ueber die unterstuetzung von personalaustausch
- ein beitrag zur besseren zusammenarbeit zwischen
der wissenschaft und der mittelstaendischen wirtschaft
geleistet.

viii.
die europaeische integration macht es notwendig,
die mittelstaendische wirtschaft auch bei transnationalen
kooperationsvorhaben zu unterstuetzen. in einem neuen
programm hat das forschungsministerium hierfuer allein
fuer die zeit von 1993 bis 1997 rund 200 millionen
dm eingeplant. ich meine, dass man in zukunft kleine
und mittlere unternehmen noch weit mehr als bisher
als basis fuer innovationen in europa nutzen kann.
manches ist hierfuer bereits getan, wie zum beispiel die
euroinformationszentren oder die juengst eingerichteten
euro-relay centres. dies reicht jedoch nicht.
vor allem eine vereinfachung und beschleunigung
der antragsverfahren muss erreicht werden. zeit-
und kostenaufwand fuer die antragstellung muessen
spuerbar reduziert werden. denkbar waere auch eine
dezentralisierung der verfahren und der abwicklung.
in diesem sinne hat der diht im november 1992 ein
positionspapier zur europaeischen forschungs- und
technologiepolitik vorgelegt, das in den grundsatzpositionen
weitgehend meinen vorhaben und zielen entspricht.

ix.
meine damen und herren, die internationale wettbewerbsfaehigkeit
deutschlands ist unmittelbar verbunden mit der wettbewerbsfaehigkeit
europas im verhaeltnis zu den usa und japan. klar
ist: der wettbewerb mit japan, den usa und den aufstrebenden
schwellenlaendern ostasiens kann nicht mehr von einzelnen
europaeischen staaten alleine bestanden werden. wir
brauchen deshalb eine erweiterung und vertiefung
der gemeinsamen forschung innerhalb der europaeischen
gemeinschaft. wo es um aufgaben von europaeischer
dimension geht, muessen mehr und mehr nationale programme
durch europaeische ersetzt werden. unser ziel in
den kommenden jahren muss daher eine optimale nutzung
der vorhandenen infrastruktur in europa sein. das
gilt beispielsweise fuer internationale organisationen
wie die versuchsanlage cern in genf.
ein wichtiges feld, auf dem eine solche arbeitsteilung
und europaeisierung immer unverzichtbarer wird, ist
die grossforschung - beispielsweise die fusionsforschung,
die von den einzelnen staaten nicht mehr bewaeltigt
werden kann.
ziel der eg-forschungspolitik ist immer die steigerung
der wettbewerbsfaehigkeit der europaeischen wirtschaft
auf den weltmaerkten. dieses ziel kann angesichts
des begrenzten anteils der forschung an den eg-mitteln
mit 3,9 prozent des eg-haushalts 1993 nur gelingen,
wenn kuenftig die mittel intelligenter eingesetzt
werden. entscheidendes element fuer eine europaeisierung
der forschungsfoerderung ist daher auch das zusammenwirken
der bruesseler zentrale mit den einzelnen mitgliedstaaten.
auch in diesem prozess sind noch enorme synergieeffekte
moeglich.
meine damen und herren, wir wollen ein europa der
buerger schaffen. das heisst fuer uns auch, die kultur,
die freiheit der wissenschaften und die lebensweise
eines jeden volkes und landes zu schuetzen. im vertrag
von maastricht ist das subsidiaritaetsprinzip als
zentraler grundsatz fuer die kuenftige europaeische
union verankert: innerhalb der union sollen entscheidungen
auf der moeglichst niedrigsten ebene angesiedelt
sein. fuer die forschungspolitik in deutschland bedeutet
das, dass sie - wenn auch europaeisiert - so dennoch
nicht von bruessel diktiert werden darf. das prinzip
der subsidiaritaet als praemisse der europaeischen
forschungspolitik entspricht unserem deutschen verstaendnis
von einer wahrhaft foederalen ordnung, und es ist
ein deutliches signal gegen jeglichen zentralismus
der europaeischen behoerden - fuer ein europa der
regionen und der kommunalen selbstverwaltung.
das vereinte europa darf kein schmelztiegel sein.
es soll vielmehr die nationale identitaet jeden volkes
und landes schuetzen. es kann und wird keine kulturelle
gleichmacherei geben. "einheit in vielfalt" lautet
unser ziel. dennoch ist klar: laender und maerkte
ruecken weltweit immer enger zusammen. dies gilt
natuerlich nicht fuer entfernungen, aber sehr wohl
im hinblick auf chancen und herausforderungen. freihandel,
internationaler kapitalverkehr und auslandsreisen
sind errungenschaften, die unseren wohlstand entscheidend
praegen. voraussetzungen dafuer sind leistungen der
technik. globale umweltprobleme,
klimaveraenderungen und wanderungsbewegungen
als folge von armut und not in grossen teilen der
welt sind herausforderungen, denen wir nur durch
enges und partnerschaftliches zusammenwirken ueber
die grenzen von laendern und kontinenten hinweg wirksam
begegnen koennen. in diesem globalen rahmen ist die
leistungskraft und staerke europas mehr denn je gefragt
und gefordert. es geht dabei nicht zuletzt um das
wohl der voelker unseres eigenen kontinents.
durch den vertrag ueber die europaeische union wird
die forschungspolitik in europa eine neue dimension
erhalten. im vertrag ist festgeschrieben, "...alle
forschungsmassnahmen zu unterstuetzen, die auf grund
anderer kapitel dieses vertrages fuer erforderlich
gehalten werden". mit diesem paragraphen steht nahezu
jeder bereich von forschung und technologie einer
gemeinschaftlichen politik offen. die europaeische
gemeinschaft zeigt damit in aller deutlichkeit,
dass ihre mitgliedsstaaten sehr wohl verstanden haben,
welche bedeutung forschungs- und technologiepolitik
fuer unsere gemeinsame europaeische zukunft hat.

x.
deutschland und europa koennen die eigenanstrengungen
der industrie fuer forschung und entwicklung nur
durch verbesserte rahmenbedingungen unterstuetzen.
ich versichere ihnen, dass ich mich hierfuer mit nachdruck
einsetzen werde. staatliche foerderanstrengungen
koennen dennoch nur hilfe zur selbsthilfe sein. sie
koennen und wollen nicht den spuersinn von unternehmern
und ingenieuren ersetzen. zur staerkung der industrienation
deutschland muss sich die wirtschaft selbst nachhaltig
in forschung und entwicklung engagieren. ich kann
deshalb den wirtschaftsweisen nur zustimmen, wenn
diese in ihrem juengsten gutachten schreiben: "die
standortqualitaet deutschlands beruht darauf, dass
die deutsche industrie auf vielen gebieten technologische
spitzenpositionen einnimmt. gehen diese verloren,
so verfaellt auch die staerke deutscher anbieter auf
den internationalen maerkten und damit die basis
des wohlstands."