Forschung und Entwicklung - Bausteine für globale Wettbewerbsfähigkeit - Rede von Bundesminister Dr. Rüttgers in Helsinki

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Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, Dr.
Jürgen Rüttgers, hielt vor der Deutsch-Finnischen Handelskammer am 6.
September 1996 in Helsinki folgende Rede:

Anfang des Jahres habe ich in Bonn einen Bericht zur technologischen
Leistungsfähigkeit Deutschlands vorgelegt. Wir haben unsere Position mit der
Entwicklung anderer Technologieländer verglichen. Dabei wurde Finnland von den
deutschen Experten in mehrfacher Hinsicht positiv hervorgehoben: bei den
Gesamtausgaben für Forschung und Entwicklung, bei den Patenten und bei der
Orientierung auf zukunftsträchtige High-Tech-Bereiche.

In Deutschland dachte man schon immer an große Sprünge, wenn es um Finnland
geht. Alle bewundern die finnischen Skispringer. Aber daß Finnland auch hoch
fliegt und weit springt, wenn es um moderne Technik geht, ist bei uns längst
kein Geheimnis unter Experten mehr.

Der Erfolg finnischer High-Tech-Unternehmen in Deutschland spricht für sich.
Und auch der Beitritt zur Europäischen Union hat uns Deutschen Finnland als
Technologiepartner noch ein gutes Stück näher gebracht. Ich habe mich darauf
gefreut, dieses Land zu besuchen. Und ich bedanke mich für die freundliche
Einladung, heute hier bei Ihnen zu sein.

I.

Deutschland und Finnland und alle übrigen hochentwickelten Industrieländer
sowie auch immer mehr sogenannte Schwellenländer unterliegen einer
grundlegenden Neuordnung der Weltwirtschaft. Diesen Prozeß nennen wir
Globalisierung. Die Globalisierung der Wirtschaft ist die Antwort der
Unternehmen auf das schrittweise Zusammenwachsen der „Weltmärkte“ zu einem
„Weltbinnenmarkt“. Diese Entwicklung wurde ermöglicht beziehungsweise
gefördert durch den Abbau von Handelsschranken, die weitgehend erreichte
Konvertibilität der Währungen, die gewachsene Mobilität von Menschen und
Kapital, den technologischen und organisatorischen Fortschritt auf den Gebieten der
Kommunikation und des weltweiten Transports.

„Globalisierung“ steht für das Zusammenwachsen von Produktmärkten über
nationale Grenzen hinweg, für immer stärkere internationale Produktions- und
Handelsverflechtung in Form von Direktinvestitionen, strategischen Allianzen
und „global sourcing“. Aus Sicht des Staates bedeutet dies: Die Bindung
zwischen Ländern und Unternehmen lockert sich. Es ist daher nicht mehr primär
die Frage, was die Wirtschaftspolitik für die eigenen Unternehmen tun kann,
sondern wie sie die Attraktivität des eigenen Landes als Standort für in- und
ausländische Unternehmen erhöhen kann.

Mit dem derzeitigen Stand der Internationalisierung in Forschung, Produktion
und Vertrieb liegt die deutsche Wirtschaft auf einem vergleichbaren Niveau mit
anderen Industrieländern. Das Tempo der Internationalisierung deutscher
Unternehmen ist jedoch rasant. Dabei spielen ohne jeden Zweifel die Faktoren
Kosten, Regulierungsdichte und Genehmigungsverfahren eine wichtige Rolle.
Allerdings sind nur etwa 15 Prozent der deutschen Auslandsinvestitionen in den
letzten Jahren nach Mittel- und Ost-Europa und Süd-Ostasien, also in Regionen
mit dramatischen Kostenunterschieden, geflossen. 65 Prozent gingen nach
Westeuropa und 20 Prozent in die USA. Der Schluß liegt also nahe, daß
Kostenunterschiede weder der einzige noch der entscheidende Grund für die
Internationalisierung der deutschen Wirtschaft sind.

Vielmehr spielen marktstrategische Überlegungen und die Frage der
Kompetenzsicherung und Präsenz in neu entstehenden und stark wachsenden
Märkten eine zentrale Rolle. Deshalb kommt dem Faktor Technologie und
Innovation im globalen Wettbewerb eine ganz besondere Bedeutung zu. In den
vergangenen Jahren bauten die deutschen Unternehmen ihre Forschung im Ausland
kräftig aus. Allein in den USA beispielsweise unterhalten deutsche Unternehmen
95 unabhängige Forschungszentren, die überwiegend in unmittelbarer Nähe zu
führenden Universitäten konzentriert sind. Bei den meisten deutschen
Großunternehmen sind Globalisierungsanstrengungen und Tendenzen zur
Verlagerung von Forschung und Entwicklung ins Ausland expliziter Bestandteil
der Unternehmenspolitik und erklärte Forschungs-und-Entwicklungs-Strategie für
die zweite Hälfte der 90er Jahre.

In vielen multinationalen Unternehmen besteht eine Tendenz zur Konzentration
auf wenige Kompetenzzentren, die durch weltweite Investitionszuflüsse in die
betreffende Region weiter dynamisch wachsen. Ein Brennpunkt der
internationalen Entwicklung sind ganz bestimmt die USA. Hier verstärkt sich
die Forschung derzeit im Wege internationaler Investitionen auf den
Zukunftsfeldern Mikroelektronik, Computer, Software, Pharmazeutika und
Gentechnik zu einer unbestrittenen Spitzenposition.

Aber auch in Deutschland sind in den letzten Jahren hervorragende
Kompetenzfelder entwickelt worden. Ich nenne beispielsweise die Lasertechnik
und die Robotik. Außerdem wurden wichtige klassische Kompetenzen verteidigt,
zum Beispiel in der Fertigungstechnik und im Fahrzeugbau. Und sogar verloren
geglaubte Gebiete, wie die Fertigung von Speicherchips, konnten wieder
zurückgewonnen werden.

Alle international führenden High-Tech-Unternehmen verfolgen die Strategie,
mit Forschung und Produktentwicklung genau dort präsent zu sein, wo in ihrem
Produktsegment beziehungsweise Technologiefeld die weltweit besten Bedingungen
für Innovation und Wissensgenerierung erfüllt sind. Sie begnügen sich nicht
nur mit Standorten, die im weltweiten Technologiewettlauf gerade mithalten,
sondern sie suchen gezielt die einzigartigen Spitzenzentren.

II.

Der Wettbewerb zwischen den Innovationssystemen wird weiter zunehmen. Beste
Aussichten haben solche Standorte, an denen günstige Produktionsstrukturen und
Zuliefernetze, wachsende High-Tech-Märkte und Spitzenforschung
zusammentreffen. Keine Volkswirtschaft kann das Innovationspotential in jeder
Branche voll ausschöpfen. Dies wäre auch nicht sinnvoll. Vielmehr suchen sich
die einzelnen Volkswirtschaften ihre Schwerpunkte. Industrielle und
wissenschaftliche Traditionen und Kompetenzen spielen dabei eine bedeutende
Rolle.

Die deutsche Industrie hat bislang ihre traditionellen Stärken in den
Bereichen höherwertige Investitionsgüter genutzt, im Maschinen- und
Automobilbau sowie in der Elektrotechnik und der Chemie. In diesen Branchen
hat sie auf der Grundlage hoher eigener Forschungsaktivitäten und einer
beachtlichen technologischen Breite immer wieder erfolgreich wichtige
Marktsegmente besetzt. Das Systemprodukt Auto beispielsweise ist ohne den
Einsatz von Spitzenelektronik und Mikrotechniken, ohne neue Komponenten, wie
ABS und Airbag, nicht mehr denkbar. Der intensive Einsatz von
Spitzentechnologien ist eine Erklärung der bislang starken deutschen Position
auf den Märkten für höherwertige Produkte.

Unser Ziel ist es, auch im Bereich der Hochtechnologie bestehende Kompetenzen
auszubauen und neue Kompetenzfelder zu erschließen.

Beispiel Informationstechnik: Hier wird der Welthandel von Japan und den USA
dominiert. Gleichwohl gibt es Marktsegmente der Informationstechnik, in denen
die deutschen Anbieter mit an der Spitze stehen. Bei der Meß-, Steuer- und
Regelungstechnik steht Deutschland beispielsweise hervorragend da. Eine
international gute Position hat die deutsche Industrie ebenso in den wichtigen
Wachstumsmärkten Mobilfunk, Chipkarten, Kommunikationstechnik sowie bei
anspruchsvoller Standard- und Spezialsoftware.

Chancen für die deutsche Wirtschaft liegen auf neuen Märkten, in denen das
vorhandene umfangreiche Systemwissen zur Entfaltung gebracht werden kann.
Hierzu gehören komplette Systemlösungen, Automatisierungstechnik,
Netztechnologien und moderne Multimedia-Techniken. Deutschland ist von seiner
Infrastruktur her so gut wie kaum ein anderes Land auf die Technologien der
Informationsgesellschaft vorbereitet. Wer es noch nicht wußte, konnte dies vor
kurzem in einer international vergleichenden Studie von Arthur D. Little
nachlesen. Dynamische transnationale Unternehmen, wie beispielsweise Nokia,
nutzen diesen Vorsprung allerdings schon jetzt zu ihrem Vorteil.

Mit einem Rahmengesetz der Bundesregierung für Multimedia-Anwendungen werde
ich dafür sorgen, daß für Online-Angebote in Deutschland in Zukunft
Zulassungsfreiheit besteht. Wer mit einem innovativen Angebot auf den
deutschen Markt kommen will, braucht einen Gewerbeschein und sonst nichts.
Denn wir wollen Multimedia möglich machen in Deutschland.

Mein zweites Beispiel ist die moderne Biotechnologie: Wie in der
Mikroelektronik haben sich die USA in der Biotechnologie an die Spitze der
technologischen Entwicklung gesetzt und bauen Vorsprünge weiter aus. Die
schnelle Entwicklung der Biotechnologie wird in den kommenden Jahren
etablierte Produktspektren, unter anderem in der Chemie, der Pharmazie, der
Nahrungsmittelindustrie und im Pflanzenschutz, unter einen hohen
Substitutionsdruck stellen. Bei diesen Produkten hat Deutschland aktuell mit
einem Welthandelsanteil von fast 18 Prozent eine führende Weltmarktposition.
Wie in keinem anderen Technologiefeld wird sich deshalb in der Biotechnik die
Zukunftsfähigkeit Deutschlands erweisen.

Wir nehmen diese Herausforderung an. Wir haben die gesetzlichen
Rahmenbedingungen für Gentechnik in Deutschland verbessert. Wir haben mit dem
neuen Programm Humangenomforschung einen großen Schritt in Richtung
Spitzenforschung unternommen. Und wir werden mit dem Förderwettbewerb
„BioRegio“ die stärksten Regionen für Biotechnik in Deutschland identifizieren und
gezielt fördern. – Mein Ziel ist es, Deutschland bis zur Jahrhundertwende auf Platz
eins für Biotechnik in Europa zu bringen.

Beispiel drei betrifft die Umweltschutztechnik. Hier ist Deutschland
unverändert stark. Umweltschutzgüter werden künftig auf den Weltmärkten einen
noch höheren Stellenwert bekommen. Eine Aufholjagd zahlreicher Industrieländer
um lukrative Marktanteile ist in vollem Gange. Auch in diesem Bereich sehen
wir in Finnland einen leistungsfähigen Mitbewerber. In Deutschland sagt man:
„Konkurrenz belebt das Geschäft.“ Konkurrenz um die weltbeste Umwelttechnik
belebt aber nicht nur das Geschäft, sondern trägt zum Überleben unseres
Planeten Erde bei. Deshalb ist der dynamische Wettbewerb unserer Länder in
diesem Bereich auf alle Fälle ein Gewinn.

In der eng verflochtenen Weltwirtschaft gewinnen die Standorte, die durch
Kompetenz und Offenheit zu Zentren von Information, Kommunikation und der
Anwendung von Wissen werden. Wichtig ist also die Anziehungskraft eines
Standorts insgesamt. Die Innovationspolitik kann diese erhöhen, indem sie
nicht nur auf einzelne technologische Durchbrüche abzielt, sondern
gleichermaßen auf die Förderung innovativer Netzwerke und die Optimierung
eines Bündels weiterer Standortfaktoren setzt.

Als Reaktion auf die Globalisierung muß die Bildung innovativer Netzwerke von
Unternehmen und Forschungseinrichtungen weiter erleichtert werden. Nicht nur
Spitzenforschung auf isolierten Feldern allein, sondern die damit verknüpfte
Erschließung breiter Innovationspotentiale durch die Unternehmen tragen zur
internationalen Attraktivität der nationalen Innovationssysteme bei.

Nicht alle Unternehmen – und dies gilt besonders für Mittelständler – sind in
der Lage, eigene Globalisierungsstrategien zu entwickeln und umzusetzen. Um so
mehr sind diese auf die Einbindung in regionale und europäische Netzwerke
angewiesen. Deshalb ist es mein erklärtes Ziel in Deutschland, durch
gemeinsame Projekte von Wissenschaft und Wirtschaft auf nationaler und
europäischer Ebene kritische Massen und Kompetenznetzwerke aufzubauen. Diese
Projekte nennen wir „Leitprojekte“.

Leitprojekte haben Schrittmachercharakter. Sie sollen anspruchsvolle
Aufgabenstellungen mit einer konkreten Anwendungsperspektive verbinden und die
unterschiedlichen Akteure in Wissenschaft und Wirtschaft zusammenführen.
Leitprojekte konzentrieren sich auf wichtige Aufgaben mit Bezug zu
gesellschaftlich relevanten Fragestellungen. Leitprojekte werden gemeinsam von
Wissenschaft und Industrie erarbeitet. Sie verbinden technologisches Potential
mit den Bedürfnissen des Marktes. In einem Wettbewerb der besten Lösungsideen
wird dabei zu entscheiden sein, welche der vorgeschlagenen Projekte am ehesten
geeignet sind, den beabsichtigten Innovationsschub zu bewirken.

In diese Innovationsorientierung einbezogen werden die bei
Wirtschaftsunternehmen geförderten Projekte sowie thematisch entsprechend
ausgerichtete Fördervorhaben bei Forschungsinstituten und Hochschulen. Hierfür
stellt der BMBF jährlich rund vier Milliarden D-Mark zur Verfügung.
Einschließlich der Eigenmittel der Industrie steht damit ein beachtliches
Finanzvolumen zur Verfügung, mit dem grundlegende Innovationen wirkungsvoll
angegangen werden können.

Deutschland verfügt über eine im internationalen Vergleich hervorragende
Forschungslandschaft. Mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der
Max-Planck-Gesellschaft, der Fraunhofer-Gesellschaft, der
Helmholtz-Gesellschaft und der Wissenschaftsgemeinschaft Blaue Liste existiert
eine differenzierte, plurale und dezentrale Wissenschaftsstruktur, die
weltweit zu den leistungsfähigsten zählt.

Nun kommt es darauf an, diese Stärken noch konsequenter zu nutzen, weiter
auszubauen und miteinander zu verbinden. Angesichts der wachsenden Bedeutung
neuer Technologien für unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit ist es von
entscheidender Wichtigkeit, diese leistungsfähige Forschungsinfrastruktur in
Deutschland durch fachübergreifende Kooperation, Themenkonzentration und
Wettbewerb zu dynamisieren.

Es geht dabei um eine organisatorische und inhaltliche Modernisierung des
Gesamtsystems der Forschung in Deutschland durch eine bessere Arbeitsteilung;
und es geht um Synergien durch die Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen
den Forschungseinrichtungen und ihren Partnern in Wissenschaft und Industrie
im In- und Ausland. Ganz entscheidend kommt es mir darauf an, die staatliche
Festfinanzierung von Forschungseinrichtungen stufenweise zurückzuführen durch
eine breitere leistungsorientierte Mittelvergabe im Wettbewerb der
Einrichtungen und Forscher untereinander.

Alle diese Punkte sind Teil eines Konzepts zur Neuorientierung der deutschen
Forschungslandschaft, das ich im Juli vorgelegt habe.

III.

Interessanterweise wird die Globalisierungsproblematik selten im Zusammenhang
mit dem europäischen Gedanken diskutiert. Dabei ist es eigentlich naheliegend,
daß für die Herausforderungen globaler Märkte wirtschaftliche Strukturen und
politische Instrumente erforderlich sind, die den engen nationalen Rahmen
überschreiten.

Lassen Sie es mich auf den Punkt bringen: Wenn es uns gelingt, das ökonomische
Potential innerhalb der Europäischen Union in einem großen Binnenmarkt mit
einer einheitlichen Währung zusammenzufassen, wenn es uns zudem gelingt, durch
aufeinander abgestimmte Aktivitäten und Strategien diesen Wirtschaftsraum im
internationalen Standortwettbewerb attraktiv zu positionieren, dann wird die
Bündelung von Kräften und die Erweiterung des nationalen Aktionsrahmens
zugleich mehr Zukunftssicherheit für die Menschen in ganz Europa schaffen.
Denn ein großer, leistungsstarker Wirtschaftsraum mit einheitlichen Strukturen
und aufeinander abgestimmten Schwerpunkten kann mehr sichere Arbeitsplätze
anziehen, schaffen und aufrechterhalten, als ein zergliedertes Gebiet mit
unterschiedlichen Rechts- und Wirtschaftsordnungen. Der große Binnenmarkt der
USA, aber auch der Japans, geben uns eine Vorstellung davon.

Unser Ziel muß sein, das Potential und die Vorteile des Wirtschaftsraumes
Europas mit seinen rund 350 Millionen Menschen allein innerhalb der
Europäischen Union, mit seiner kulturellen Vielfalt und hervorragenden
Infrastruktur, wesentlich stärker als bisher im internationalen Wettbewerb zur
Geltung zu bringen.

Der europäische Gedanke hat auch für Wissenschaft und Forschung grundlegende
Bedeutung. Mit der Wissenschaft und Forschung steht und fällt die
Innovationsfähigkeit unserer Gesellschaften. Mit Wissenschaft und Forschung
sichern wir Zukunft. Deshalb ist es wichtig, daß finnische und deutsche
Wissenschaftler eng miteinander kooperieren. Das BMBF stellt hierfür bei einer
Reihe von bilateralen und multilateralen Projekten Mittel zur Verfügung.
Wichtig ist auch, daß junge Menschen aus Finnland in Deutschland studieren und
umgekehrt und daß zwischen finnischen und deutschen Hochschulen und
Einrichtungen vielfältige Kontakte bestehen und gepflegt werden. Nicht zuletzt
ist das offene und konstruktive Verhältnis, das die finnische und die deutsche
Politik miteinander verbindet, ein wichtiges Element unserer Zusammenarbeit.
Ich erlebe dies bei diesem Besuch persönlich mit meinen beiden finnischen
Amtskollegen Heinonen und Kalliomaeki und ich bedanke mich auch an dieser
Stelle für die Gastfreundschaft und die gute Kooperation.

Unser gemeinsames Ziel ist es, Wissenschaft und Forschung in Europa auszubauen
und zu stärken. Die EU-Forschungspolitik muß endlich ihrer eigentlichen Rolle
als Katalysator einer europäischen Forschungs- und Wissenschaftsgemeinschaft
gerecht werden. Auch wenn der Anteil der EU-Forschungsförderung an den
gesamten öffentlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung in Europa
lediglich vier Prozent beträgt, lassen sich damit erhebliche Wirkungen
erzeugen – etwa durch den gezielten Einsatz dieser Mittel in
Schwerpunktbereichen.

Spätestens seit dem Vertragswerk von Maastricht befinden wir uns in Europa in
einem Integrationsprozeß von großer Dynamik. Dieser Prozeß wird Auswirkungen
auf den Aktionsrahmen der Nationalstaaten haben und auf das Selbstverständnis eines
jeden einzelnen von uns. Wir werden langfristig nicht mehr lediglich über Europa reden,
sondern lernen, europäisch zu denken. Dies schafft ganz neue Dimensionen für die
Aktivitäten von Staat, Wissenschaft und Wirtschaft.

Warum sollten wir die Fragen und Schwierigkeiten, die die Globalisierung der
Märkte aufwirft, also nicht mit diesem Integrationsprozeß verbinden und
versuchen, die anstehenden Probleme durch gemeinsame Anstrengungen und durch
Erweiterung unseres nationalen Aktionsrahmens zu lösen? Hierfür sind
abgestimmte Aktivitäten auf europäischer Ebene ebenso notwendig wie intensive
bilaterale Beziehungen. Die guten deutsch-finnischen Beziehungen und die
Vielfalt der bilateralen Aktivitäten sind in diesem Zusammenhang beispielhaft.

Der deutsch-finnische Handel ist hierfür ein guter Indikator. Das Volumen des
Handels zwischen unseren beiden Ländern ist in den letzten Jahren kräftig
expandiert. 1995 war ein Zuwachs um satte neun Prozent gegenüber 1994 auf rund
13,3 Milliarden D-Mark zu verzeichnen. Deutschland ist Finnlands wichtigster
Handelspartner. Dies ist eine Erfolgsbilanz, die sich sehen lassen kann.
Sicherlich hat der finnische Beitritt zur Europäischen Union die guten
Wirtschaftsbeziehungen weiter konsolidiert. Ich sehe durchaus noch erhebliches
Entwicklungspotential beim weiteren Ausbau unserer wirtschaftlichen
Beziehungen.

Eine besondere Rolle dürfte hier in Zukunft die Brückenfunktion Finnlands zu
den Märkten in Osteuropa spielen. Die langjährigen Erfahrungen Finnlands im
Handel mit diesen Staaten sind für alle Mitgliedstaaten in der Europäischen
Union eine wertvolle Ressource. Diese erfolgreiche Zusammenarbeit ist
gekennzeichnet durch gegenseitige Anerkennung und getragen von beiderseitigem
Vertrauen. Dies spiegelt sich in vielfältigen Kooperationen wider.

Die Deutsch-Finnische Handelskammer leistet hier vorbildliches, und ich möchte
die Gelegenheit wahrnehmen, der Kammer und ihren Mitgliedern in Finnland und
in Deutschland für den wertvollen Beitrag, den sie im Rahmen der
deutsch-finnischen Beziehungen leisten, meinen herzlichen Dank auszusprechen.
Ich kann Sie nur ermutigen, auf diesem Weg weiter voranzugehen und die
Chancen, die sich durch die Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern
ergeben, konsequent und entschlossen zu nutzen.

Ich nehme aus meinen Gesprächen hier in Finnland viele Anregungen mit. Die
Errichtung von Technologiezentren an ihren Universitäten sowie die Festlegung
und konsequente Evaluierung von Technologieprogrammen sind zwei Beispiele, die
besondere Beachtung verdienen. Beeindruckt hat mich vor allem die finnische
Entschlossenheit, konsequent auf Wissenschaft und Forschung als wesentliche
Elemente zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit zu setzen, und die sich aus
technologischen Entwicklungen ergebenden Chancen zielstrebig wahrzunehmen.

Ich bin davon überzeugt, daß die nächsten Jahre darüber entscheiden werden, ob
es uns in Finnland, Deutschland und Europa gelingt, zukunftsfähige Strukturen
zu schaffen. Solche Strukturen sind angesichts globaler Herausforderungen von
entscheidender Bedeutung, um unsere Wettbewerbsfähigkeit in den
internationalen Märkten dauerhaft zu sichern. Wir müssen uns national und in
Europa auf unsere technologische Leistungsfähigkeit besinnen, denn daraus
ergeben sich unsere Wege in die Zukunft.