besuch des bundeskanzlers in den vereinigten staaten von amerika vom 8. bis 10. februar 1995

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bundeskanzler dr. helmut kohl stattete den vereinigten
staaten von amerika vom 8. bis 10. februar 1995
einen besuch ab.

ansprache des bundeskanzlers
vor dem weissen haus

bundeskanzler dr. helmut kohl hielt am 9. februar
1995 anlaesslich der offiziellen begruessung durch praesident
bill clinton vor dem weissen haus in washington folgende
ansprache:

herr praesident, liebe frau clinton,
exzellenzen,
meine damen und herren,
liebe amerikanische freunde,

ich danke ihnen, herr praesident, sehr herzlich fuer
dieses so freundschaftliche willkommen. die kalten
temperaturen hier draussen entsprechen nicht unserem
gegenseitigen verhaeltnis. zudem, lieber freund,
bricht die sonne die kraft der kaelte. das dies ein
gleichnis fuer die zukunft unserer voelker ist, daran
wollen wir arbeiten.
dies ist auch das ziel unserer gespraeche heute.
deutsche und amerikaner sind seit jahrzehnten freundschaftlich
verbunden. die entwicklung in deutschland in diesen
jahrzehnten war nur moeglich durch die hilfe und
unterstuetzung unserer amerikanischen freunde. wir
deutsche werden nie vergessen, was es bedeutet hat,
dass viele millionen amerikanischer soldaten mit
ihren familien gemeinsam in diesen jahrzehnten den frieden
und die freiheit des groesseren und freien teiles
unseres vaterlandes mit uns verteidigt haben. ich
will dankbar alle praesidenten der vereinigten staaten
erwaehnen, die uns in diesen jahren in schwierigen
situationen geholfen haben - und unserem freund
bill clinton gilt heute mein persoenlicher dank.
herr praesident, sie sprachen von der deutschen einheit.
wir haben sie als ein geschenk der geschichte empfangen,
aber dieses geschenk waere nicht moeglich gewesen
ohne die hilfe unserer freunde. hier ist in erster
linie das amerikanische volk zu nennen. das ist
die lektion der geschichte der letzten 50 jahre:
dass wir den weg in das 21. jahrhundert nur dann
in frieden und freiheit gehen koennen, wenn wir in
gleicher weise wie in den 50 jahren zuvor eng und
freundschaftlich verbunden bleiben und diesen weg
gemeinsam gehen.
herr praesident, sie haben eben in ihrer begruessung
jenen unvergesslichen tag erwaehnt, als wir gemeinsam
durch das brandenburger tor in berlin gingen - ein
tor, das weit geoeffnet war und weit geoeffnet ist.
sie haben uns damals, im juli des vergangenen jahres,
eine wichtige botschaft zugerufen, als sie an die
deutschen gewandt sagten: "amerika steht an ihrer
seite - jetzt und fuer immer".
ich moechte ihnen heute bei dieser gelegenheit, herr
praesident, vor dem weissen haus, inmitten washingtons,
der kapitale ihres grossartigen landes, zurufen:
sie und alle unsere amerikanischen freunde sollen
wissen, dass wir, die deutschen, auch in zukunft
alles tun werden, um mit ihnen gemeinsam als enge
freunde und bewaehrte partner in deutschland und
europa die zukunft zu gestalten.
vielen dank fuer den freundlichen empfang! ich freue
mich auf unsere gespraeche unter freunden ueber alle
fragen, die wir in dieser dramatisch veraenderten
welt gemeinsam zu besprechen haben.

erklaerung des bundeskanzlers
vor der presse

bundeskanzler dr. helmut kohl gab auf der pressekonferenz
mit praesident bill clinton am 9. februar 1995 in
washington folgende einleitende erklaerung ab:

herr praesident,
meine damen und herren,

erlauben sie mir eine kurze bemerkung, bevor ich
zu dem thema unseres tages komme. ich darf ihnen,
herr praesident, und dem volk der vereinigten staaten
von amerika meinen besonderen respekt und mein herzliches
beileid aus anlass des todes von senator fulbright
uebermitteln.
ich sage dies als jemand, der einer generation angehoert,
fuer die es schon als student ein traum war, ein
fulbright-stipendium zu bekommen. es ist wenigen
maennern und frauen in der politik vergoennt, dass
mit ihrem namen ein solches projekt und programm
in die geschichte eingeht. fuer viele bei uns in
europa und in deutschland war der name senator fulbrights,
den wir zwar persoenlich nicht kannten, ein symbol
dafuer, dass nach dem zweiten weltkrieg und nach dem
ende der nazi-barbarei eine zukunft der offenheit,
der freundschaft und des miteinander eroeffnet wurde.
ich finde, es geziemt sich, dass ein deutscher bundeskanzler,
wenn er hier heute steht, dies auch zum ausdruck
bringt.
herr praesident, ich darf mich sehr, sehr herzlich
bedanken bei ihnen und ihren mitarbeitern, vor allem
auch beim vizepraesidenten dafuer, dass wir wie so
oft eine herzliche und gastliche aufnahme gefunden
haben.
diese gespraeche haben in einer ungewoehnlich herzlichen
und freundschaftlichen atmosphaere bei ihnen stattgefunden.
wir werden sie heute noch fortsetzen. diese gespraeche
haben einen besonderen sinn, obwohl wir regelmaessig
und haeufig miteinander telefonieren. aber es ist
eben ein unterschied, ob man am telefon miteinander
kontakt hat oder ob man sich in die augen sehen
kann. und deswegen freue ich mich, dass ich heute
wieder mit meiner delegation hier sein kann.
ich brauche nicht viel zu dem zu sagen, was der
praesident vorgetragen hat. er hat die themen und
den charakter unseres gespraeches voellig zutreffend
zusammengefasst. fuer mich persoenlich ist wichtig,
vor dem forum der oeffentlichkeit der buergerinnen
und buerger der vereinigten staaten, hier noch einmal
deutlich zu machen, wie sehr die deutsche politik
- und damit meine ich vor allem auch meine eigene
person als deutscher bundeskanzler - daran interessiert
ist, in einer ganz engen abstimmung mit der regierung
und dem praesidenten der vereinigten staaten politik
zu gestalten.
jeder spuert, dass wir in einer phase dramatischer
veraenderungen unserer welt leben. wir in deutschland
merken das mehr als andere, weil das wiedervereinigte
deutschland jetzt auch die unterschiedlichen erfahrungen
von 40 jahren reflektiert, vor allem die erfahrungen
unserer landsleute von 40 jahren unter einem kommunistischen
regime. und wir wissen auch, dass sich nach dem ende
des kommunismus die frage der stabilitaet neu stellt.
und deswegen - und das ist meine erste wichtige
botschaft - ist fuer uns deutsche und fuer uns europaeer
die nato und der transatlantische sicherheitsverbund
mit den vereinigten staaten der entscheidende garant
einer friedlichen und freiheitlichen zukunft. und
diese allianz muss jetzt in einer veraenderten welt
zunehmend verantwortung fuer die stabilitaet in ganz
europa uebernehmen, vor allem - und hierin stimme
ich voll und ganz mit praesident clinton ueberein
- bei den vorarbeiten zur erweiterung der nato entsprechend
jener grundlagen, die wir im januar 1994 in bruessel
gelegt haben.
das ist ein schrittweiser prozess, und das will ich
noch einmal betonen: "schrittweise" heisst schritt
fuer schritt. es mag sein, dass es auf dieser wegstrecke
sowohl kleine als auch grosse schritte geben wird.
es ist ein prozess, in dem wir in europa und in deutschland
auch eine schrittweise entwicklung der erweiterung
der europaeischen union nach mittel-, ost- und suedosteuropa
sehen. beides steht nicht direkt, aber indirekt
in einem sehr engen zusammenhang.
die erweiterung der nato ist teil eines gesamteuropaeischen
sicherheitskonzeptes, damit nicht neue grenzen und
neue graeben in europa entstehen. deswegen ist die
intensive partnerschaft zu russland - und ich nenne
hier auch die ukraine - in diesem zusammenhang besonders
wichtig. nato und europaeische union muessen ihre
kraefte buendeln, nicht zuletzt bei dem gemeinsamen
ziel, in den laendern mittel-, ost- und suedosteuropas,
die wir frueher so ganz vereinfacht den warschauer
pakt nannten, alles zur unterstuetzung fuer die jungen
demokratien zu tun. ich moechte hier auch vor ihnen,
den repraesentanten der usa, dafuer werben, dass wir
begreifen, dass dieser prozess ein hohes mass an geduld
erfordert.
als deutscher erlebe ich, wie schwierig es ist,
ein land mit der gleichen muttersprache, der gleichen
geschichte, der gleichen grundauffassung nach 40
jahren der trennung zusammenzufuehren. ich erlebe,
wie viele missverstaendnisse bis in den alltag hinein
bestehen. und wenn man sich vorstellt, was es heisst,
dass seit 1917 in moskau ein kommunistisches regime
herrschte, dass zuvor die zeit der romanows auch
nicht gerade eine zeit der demokratie war, dann
hat man eine vorstellung davon, wie schwierig der
prozess ist, der jetzt dort in russland stattfindet.
weil dies so ist, sind wir, der praesident, ich und
unsere regierungen, uns einig, russland zu ermutigen,
den eingeschlagenen weg der reformen fortzusetzen.
das heisst: wir haben ein elementares interesse -
und wir als deutsche in besonderer weise - am fortgang
der reformen und damit an einer partnerschaftlichen
zusammenarbeit mit russland.
ich sage bewusst, dass ich deswegen auch heute praesident
jelzin seit seinem amtsantritt bei dem bemuehen unterstuetze,
reformen durchzusetzen, den weg russlands in die
zukunft zu gestalten mit zeichen von demokratie,
rechtsstaat und marktwirtschaftlicher ordnung.
wenn ich dies sage, heisst das auch, dass wir russland
bei dem legitimen bemuehen um die wahrung seiner
territorialen integritaet unterstuetzen. aber das
schliesst genauso ein, dass die russische seite ihre
gegebenen zusagen und vertraege einhaelt, vor allem
im humanitaeren bereich und bei den standards der
menschenrechte, damit dieses land eine entwicklung
hin zu einem offenen, reformfreundlichen land macht.
ich unterstuetze das, was der praesident zur entwicklung
in tschetschenien gesagt hat. es ist unser gemeinsamer
wunsch und unser gemeinsamer wille, dass dort so
schnell wie moeglich friedliche verhaeltnisse einkehren
und dass die verantwortlichen, die dort die geschicke fuehren,
ihrem amt und ihrem auftrag unter den reformgesichtspunkten
nachgehen, die ich eben hier geschildert habe.
ich will in einem kurzen wort noch einmal darauf
hinweisen, wie sehr wir beide uebereinstimmen, dass
wir alles versuchen muessen, die entsetzlichen leiden
der bevoelkerung im ehemaligen jugoslawien zu beenden.
wir werden diese bemuehungen gemeinsam fortfuehren.
es ist eine region
europas, in der die volle wucht einer hunderte jahre
alten geschichte jetzt mit einem schlag wieder spuerbar
wird. aber das darf uns nicht entmutigen, wir muessen
versuchen, alles nur moegliche zu tun. die zeit ist
knapp. der winter wird dort bald vorbei sein. mit
dem ende der winterperiode, die die kampfhandlungen
mehr oder minder laehmt, waechst die gefahr eines
vollen aufflammens kriegerischer auseinandersetzungen.
diese frist muss jetzt genutzt werden. es gibt keine
alternative zu den gemeinsamen bemuehungen der vereinigten
staaten und der europaeer.
ich will es noch einmal sagen, herr praesident, lieber
bill: herzlichen dank fuer die freundliche aufnahme!
und jetzt sind wir beide, wie das unser amt mit
sich bringt, voll freudiger erwartung auf die fragen,
die uns gestellt werden.