Antrag der Bundesregierung zur weiteren deutschen Beteiligung an der Friedenssicherung im früheren Jugoslawien

  • Bundesregierung ⏐ Startseite
  • Bulletin

  • Schwerpunkte

  • Themen   

  • Bundeskanzler

  • Bundesregierung

  • Aktuelles

  • Mediathek

  • Service

Der Sprecher der Bundesregierung, Staatssekretär Peter Hausmann, teilt mit:

Die Bundesregierung hat am 11. Dezember 1996 über die deutsche Beteiligung an
der von der NATO geplanten Operation zur weiteren militärischen Absicherung
des Friedensprozesses im früheren Jugoslawien beraten und dem Deutschen
Bundestag folgenden Antrag als Beschlußvorschlag mit der Bitte um Zustimmung
zugeleitet:

Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stimmt dem Einsatz bewaffneter Streitkräfte
entsprechend dem von der Bundesregierung am 11. Dezember 1996 beschlossenen
deutschen Beitrag zur weiteren Absicherung des Friedensprozesses im früheren
Jugoslawien zu.

Die Kräfte können eingesetzt werden, sobald ein Mandat des Sicherheitsrats der
Vereinten Nationen und ein entsprechender Beschluß des NATO-Rats vorliegen.

Der Deutsche Bundestag nimmt zur Kenntnis, daß die Bundesregierung einen
Einsatz erst anordnen wird, wenn der Auswärtige Ausschuß im Einvernehmen mit
dem Verteidigungsausschuß den Eintritt dieser Bedingung festgestellt hat.

Sollte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bis zum 20. Dezember 1996
keine Resolution zu einem neuen Mandat angenommen haben, ist die
Bundesregierung ermächtigt, die unter IFOR-Mandat entsandten Kräfte im
Einsatzgebiet zu belassen, wenn und soweit der Sicherheitsrat der Vereinten
Nationen das bisherige Mandat verlängert.

Begründung:

Die Friedensvereinbarung von Dayton ist hinsichtlich ihrer militärischen
Absicherung durch IFOR bisher erfolgreich umgesetzt worden. Militärisch ist
die Lage gekennzeichnet durch einen fortgesetzten Waffenstillstand, die
Trennung und Kasernierung der Streitkräfte der früheren Konfliktparteien, die
Zusammenführung der schweren Waffen in Sammellagern, die Vereinbarung von
vertrauensbildenden Maßnahmen sowie die internationalen
Rüstungskontrollabkommen, die bis Ende Oktober 1997 umzusetzen sind.

Der politische Prozeß gemäß dem Dayton-Vertragswerk hat bisher aber noch nicht
vermocht, die notwendigen Voraussetzungen für selbsttragende Stabilität in
Bosnien und Herzegowina herzustellen. Zöge IFOR nun ersatzlos ab, wäre zu
befürchten, daß es zur Eskalation lokaler Spannungen käme. Die bisher
erreichte Bewegungsfreiheit würde wieder eingeschränkt. Im schlimmsten Falle
käme es zum Wiederaufflammen der Kämpfe. Für Vertriebene und Flüchtlinge gäbe
es kaum noch Rückkehrmöglichkeiten; eher wäre mit weiteren Flüchtlingsströmen
zu rechnen. Allen Maßnahmen zur weiteren Konsolidierung wäre damit der Boden
entzogen. Der Erfolg aller bisherigen Bemühungen der Bundesregierung und der
internationalen Staatengemeinschaft würde zunichte gemacht. Die weitere
militärische Absicherung des Friedensprozesses durch eine
IFOR-Nachfolgetruppe, die in der Lage ist, Abschreckung, Stabilisierung und
zumindest selektive Unterstützung der zivilen Maßnahmen zu leisten, ist daher
zwingend erforderlich.

Während die militärische Absicherung der Dayton-Friedensvereinbarung durch
IFOR in definierten Phasen auf etwa ein Jahr angelegt war, läßt sich absehen,
daß die nun anstehende Stabilisierung eher mehr Zeit zum erfolgreichen
Abschluß braucht. Der Einsatz ist deshalb für achtzehn Monate vorgesehen,
wobei die Mission nach sechs und zwölf Monaten durch die Atlantische Allianz
überprüft wird, um damit lageabhängig zu einer signifikanten Verminderung der
Truppenstärke zu kommen.

Die Entwicklung in Ostslawonien ist mit dem Friedensprozeß für Bosnien und
Herzegowina eng verbunden. Auch wenn die Situation in Ostslawonien, der
Baranja und West-Syrmien sich durch das erfolgreiche Wirken der
Übergangsadministration der Vereinten Nationen (UNTAES) weitgehend entspannt
hat, sind in dieser Region noch nicht alle Voraussetzungen für eine dauerhafte
Stabilität gegeben. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat daher das
Mandat der Übergangsadministration um ein halbes Jahr bis zum 15. Juli 1997
verlängert. UNTAES wird für diese Zeit weiter auf die Unterstützung der
NATO-geführten Friedenstruppe für Bosnien und Herzegowina angewiesen bleiben.

Der Rat der Friedensimplementierungskonferenz hat am 4. und 5. Dezember 1996
in London festgestellt, daß die Parteien des Dayton-Vertragswerkes einer
weiteren Absicherung des Friedensprozesses in Bosnien und Herzegowina durch
Entsendung einer IFOR-Nachfolgetruppe von NATO und Nicht-NATO-Staaten
einvernehmlich zugestimmt haben. Die Parteien haben bekräftigt, daß sie die
Regelungen zur Durchführung der militärischen Aufgaben der multinationalen
Friedenstruppe uneingeschränkt anerkennen und voll unterstützen.

Bosnien und Herzegowina hat den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ersucht,
eine Resolution mit dem entsprechenden Mandat zur weiteren Absicherung des
Friedensprozesses in Bosnien und Herzegowina durch die multinationale
Friedenstruppe zu verabschieden. Es ist zu erwarten, daß der Sicherheitsrat
die Resolution in den nächsten Tagen annehmen wird. Durch die im Beschluß
vorgesehene Ausschußbefassung bei nicht rechtzeitiger Mandatserteilung durch
den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen werden die Rechte des Deutschen
Bundestages gewahrt. Die Außenminister des Bündnisses haben in der Sitzung des
NATO-Rats vom 10. Dezember 1996 den Operationsplan für die Durchführung der
Nachfolgeoperation politisch gebilligt. Nach der Annahme der
Sicherheitsrats-Resolution wird der NATO-Rat entsprechende Beschlüsse zur
Durchführung der Operation fassen.

Deshalb hat die Bundesregierung am 11. Dezember 1996 beschlossen, zur weiteren
Absicherung des Friedensprozesses im früheren Jugoslawien mit folgenden
Kräften einen Beitrag zur Abschreckung, Stabilisierung und selektiven
Unterstützung ziviler Konsolidierungsmaßnahmen zu leisten:

(1) Bereitstellung von Teilen des bisherigen deutschen IFOR-Heereskontingents
über den 20. Dezember 1996 hinaus für eine Übergangszeit auch in Bosnien und
Herzegowina zur Unterstützung der Umgliederung der multinationalen
Friedenstruppe und zur Aufnahme des deutschen Heereskontingents für die
Folgeoperation.

(2) Für die Folgeoperation im früheren Jugoslawien werden bereitgestellt:

a) Ein Heereskontingent, eingesetzt im Rahmen der multinationalen Streitkraft
Südost (Multinational Force South East), bestehend aus

– einem Überwachungsverband aus Panzeraufklärungs- und Infanteriekräften als
Teil eines gemeinsamen deutsch-französischen Einsatzverbandes,

– Pionierkräften,

– Heeresfliegerkräften,

– Aufklärungstrupps, Drohnenaufklärungskräften, Kräften für die elektronische
Aufklärung,

– der bisher im Rahmen von IFOR eingesetzten Sanitätskomponente in reduziertem
Umfang sowie

– Stabs-, Sicherungs-, Führungsunterstützungs- und Logistikelementen.

b) Ein Luftwaffenkontingent bestehend aus

– ECR- und Aufklärungsflugzeugen,

– Lufttransportkräften Transall,

– Luftumschlagskräften.

Der Einsatz der ECR- und Aufklärungsflugzeuge erfolgt in der Regel nur in
einer Rolle aus Italien; die andere Rolle verbleibt in Deutschland und kann
lageabhängig auf Anforderung der NATO zeitlich begrenzt zur Verstärkung nach
Italien verlegt werden.

c) Ein Marinekontingent bestehend aus

– Seefernaufklärern und Flugzeugen für die elektronische Aufklärung (Breguet
Atlantique)

– sowie, zeitlich begrenzt, schwimmenden Einheiten im Rahmen des Einsatzes der
Standing Naval Forces der NATO.

d) Personal und Führungsunterstützungskräfte für die internationalen
Hauptquartiere.

Der Umfang des Gesamtkontingents im Einsatzraum wird in einer Größenordnung
von rund 3000 Soldaten liegen.

(3) Abhängig von der Lageentwicklung können zusätzlich Truppen zur Verstärkung
des eigenen Kontingents eingesetzt werden (bis zu 300 Soldaten).

(4) Der Einsatz dauert achtzehn Monate. Die Mission wird in der Allianz nach
sechs und zwölf Monaten überprüft – dies mit dem Ziel, den Streitkräfteumfang
lagegerecht zu reduzieren. Nach Ablauf von achtzehn Monaten schließt sich der
Abzug der verbliebenen Kräfte an.

(5) Die durch den Deutschen Bundestag am 9. Februar 1996 beschlossene deutsche
Beteiligung an der Unterstützung der VN-Übergangsadministration für
Ostslawonien (UNTAES) durch die multinationale Friedenstruppe wird auf der
Grundlage der VN-Sicherheitsratresolution 1079 vom 15. November 1996 bis zum
15. Juli 1997, längstens jedoch für die Dauer von achtzehn Monaten –
entsprechend der in Ziffer 4 genannten Regelung – weitergeführt.

(6) Die Kräfte können eingesetzt werden, sobald ein Mandat des Sicherheitsrats
der Vereinten Nationen und ein entsprechender Beschluß des NATO-Rats sowie die
konstitutive Zustimmung des Deutschen Bundestages vorliegen.

(7) In den Verbänden, Einheiten und Stäben, die im früheren Jugoslawien
stationiert werden, sind

– grundsätzlich nur Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit

– Soldaten, die Grundwehrdienst, freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst oder
eine Wehrübung leisten, nur, wenn sie sich für besondere Auslandsverwendungen
freiwillig verpflichtet haben,

einzusetzen.

(8) Bei dem Einsatz deutscher Kräfte zur Unterstützung der multinationalen
Friedenstruppe im früheren Jugoslawien handelt es sich um eine besondere
Auslandsverwendung im Sinne des § 58 a des Bundesbesoldungsgesetzes.

(9) Die Kosten für den Einsatz sind aus dem Einzelplan 14 zu erwirtschaften.
Sie dürfen im Haushaltsjahr 1997 nach der Festlegung des Haushaltsausschusses
vom 14. November 1996 die Obergrenze von 350 Millionen D-Mark nicht
überschreiten.