Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Ukraine über die Zusammenarbeit in Angelegenheiten der in der Ukraine lebenden Personen deutscher Abstammung

  • Bundesregierung ⏐ Startseite
  • Bulletin

  • Schwerpunkte

  • Themen   

  • Bundeskanzler

  • Bundesregierung

  • Aktuelles

  • Mediathek

  • Service

Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Ukraine über die Zusammenarbeit in Angelegenheiten der in der Ukraine lebenden Personen deutscher Abstammung

  • Bulletin 71-97
  • 10. September 1997

Die Bundesrepublik Deutschland und die Ukraine -


in dem festen Willen, die Menschenrechte und Grundfreiheiten zu
gewährleisten, wie sie insbesondere in der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte, in dem Internationalen Pakt vom 19. Dezember 1966 über
bürgerliche und politische Rechte, dem Übereinkommen vom 7. März 1966 zur
Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung und in anderen
völkerrechtlichen Normen sowie in den Bestimmungen und Verpflichtungen der
Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa festgelegt sind,


gestützt auf die Gemeinsame Erklärung vom 10. Juni 1993 über die Grundlagen
der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Ukraine, die
Möglichkeiten für eine umfassende Zusammenarbeit beider Seiten eröffnet,


in Übereinstimmung mit dem Abkommen vom 15. Februar 1993 zwischen der
Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Ukraine über
kulturelle Zusammenarbeit,


in der Einsicht, daß die Rehabilitierung der Personen deutscher Herkunft, die
Opfer der politischen Verfolgung waren, und die Rückkehr der von dem
Territorium der Ukraine Deportierten und ihrer Nachkommen ein Akt historischer
Gerechtigkeit ist,


unter Berücksichtigung der Tatsache, daß eine zufriedenstellende Lösung der
Frage der Rückkehr von deportierten Personen deutscher Abstammung in die
Ukraine eine wichtige Grundlage für die fruchtbare und vielseitige
Zusammenarbeit zwischen dem deutschen und dem ukrainischen Volk sind -


sind wie folgt übereingekommen:


Artikel 1


Dieses Abkommen bezieht sich auf folgende Personen:


(1) Ukrainische Staatsangehörige, die ihren ständigen Wohnsitz im
Hoheitsgebiet der Ukraine haben und sich nach ethnischen, kulturellen,
sprachlichen und religiösen Kriterien der deutschen nationalen Minderheit
zuordnen,


(2) Personen deutscher Abstammung, die in den Jahren 1992 bis 1995 in die
Ukraine zur ständigen Wohnsitznahme zugesiedelt sind,


(3) Personen deutscher Abstammung, die aus dem heutigen Hoheitsgebiet der
Ukraine zwangsweise umgesiedelt wurden, und deren Nachkommen, die während der
Geltungsdauer dieses Abkommens dorthin zurückkehren.


Artikel 2


Die Bundesrepublik Deutschland und die Ukraine werden bei der Bewahrung und
Aufrechterhaltung der nationalen Identität der in Artikel 1 dieses Abkommens
genannten Personen eng zusammenarbeiten.


Artikel 3


Die Bundesrepublik Deutschland und die Ukraine bestätigen die Verbindlichkeit
des im Dokument des Kopenhagener Treffens über die menschliche Dimension der
Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa vom 29. Juni 1990 sowie
in weiteren OSZE-Dokumenten niedergelegten Standards zum Schutz nationaler
Minderheiten.


Artikel 4


Die in Artikel 1 dieses Abkommens genannten Personen haben das Recht, einzeln
oder in Gemeinschaft mit anderen Mitgliedern ihrer Gruppe ihre ethnische,
kulturelle, sprachliche und religiöse Identität frei zum Ausdruck zu bringen,
zu bewahren und weiterzuentwickeln.


Artikel 5


Die Ukraine erkennt das Recht der in Artikel 1 dieses Abkommens genannten
Personen an, sich privat und in der Öffentlichkeit ihrer Muttersprache frei zu
bedienen, in ihr Informationen auszutauschen und zu verbreiten und dazu Zugang
zu haben.


Artikel 6


Die in Artikel 1 dieses Abkommens genannten Personen genießen das Recht, ihre
Menschenrechte und Grundfreiheiten entsprechend den allgemein anerkannten
internationalen Standards im Bereich der Menschenrechte und der geltenden
Gesetzgebung der Ukraine voll und wirksam auszuüben.


Artikel 7


(1) Die Ukraine wird den in Artikel 1 Absatz 3 dieses Abkommens genannten
Personen die Rückkehr, die Wiederansiedlung und die Wiedereingliederung in
alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens ermöglichen und fördern.


(2) Die Ukraine wird den in Artikel 1 Absätze 2 und 3 dieses Abkommens
genannten Personen den zügigen Erwerb der ukrainischen Staatsangehörigkeit
nach dem von der geltenden Gesetzgebung der Ukraine vorgesehenen Verfahren
ermöglichen und fördern.


Artikel 8


Die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet sich, im Rahmen ihrer
Möglichkeiten die Ansiedlung und die Integration der in Artikel 1 dieses
Abkommens genannten Personen zu unterstützen. Diese Maßnahmen betreffen
insbesondere folgende Bereiche:


- Teilnahme an der Ausarbeitung von Programmen sowie wirtschaftliche und
finanzielle Hilfeleistung bei ihrer Umsetzung;


- Kulturelle Maßnahmen, insbesondere zur Stärkung beziehungsweise
Wiederbelebung der Kenntnis der deutschen Muttersprache, unter anderem durch
Ausstattung von Kindergärten, Schulen und Sonntagsschulen, Fortbildung von
Kindergärtnern und Lehrern sowie Entsendung von Lehrern und pädagogischem
Personal, personelle und materielle Unterstützung deutschsprachiger Medien,
Jugendaustausch, Unterstützung allgemeiner Kulturprogramme;


- Beteiligung an Infrastrukturmaßnahmen und Ausbildung von Fachkräften.


Artikel 9


(1) Die Bundesrepublik Deutschland und die Ukraine unterstützen
Partnerschaften auf allen Ebenen in geeigneter Weise und beziehen in ihre
Zusammenarbeit Wirtschaftsunternehmen und -verbände, staatliche,
nichtstaatliche, kirchliche und private Organisationen ihrer Länder wie auch
einzelne Bürger ein.


(2) Die Bundesrepublik Deutschland und die Ukraine werden die Anknüpfung
unmittelbarer Beziehungen zwischen den Ländern der Bundesrepublik Deutschland
und den Gebieten der Ukraine im Interesse der Umsetzung dieses Abkommens
fördern.


Artikel 10


Die Ukraine unterstützt im Rahmen ihres innerstaatlichen Rechts die
Durchführung von Förderprogrammen der Bundesrepublik Deutschland für den Kreis
der in Artikel 1 dieses Abkommens genannten Personen sowie die Aktivitäten
derjenigen Organisationen, die von der Bundesrepublik Deutschland mit der
Durchführung dieses Abkommens beauftragt sind.


Artikel 11


Den in der Ukraine zur Durchführung dieses Abkommens akkreditierten
Organisationen werden dieselben Zollvergünstigungen wie den internationalen
und Regierungsorganisationen und den Vertretungen ausländischer Staaten bei
diesen Organisationen eingeräumt.


Artikel 12


Die Ukraine gewährleistet, daß den entsandten Fachkräften und den zu ihrem
Haushalt gehörenden Familienangehörigen Vorrechte und Immunitäten in dem
Umfang eingeräumt werden, wie es für die Erfüllung der Bestimmungen dieses
Abkommens notwendig ist. Diese Vorrechte und Immunitäten umfassen unter
anderem:


a) Weder die entsandten Fachkräfte noch die Bundesrepublik Deutschland werden
für Schäden haftbar gemacht, die bei Erfüllung von Aufgaben im Rahmen der
abgestimmten Projekte durch die entsandten Fachkräfte verursacht werden, außer
in den Fällen, in denen die Bundesrepublik Deutschland und die Ukraine
gemeinsam feststellen, daß diese Schäden grob fahrlässig oder vorsätzlich
durch die entsandten Fachkräfte verursacht wurden;


b) die entsandten Fachkräfte werden von Steuern und sonstigen Abgaben auf
Einkommen befreit; dies betrifft auch
die Gehälter und Zulagen, die von der Bundesrepublik Deutschland gezahlt
werden;


c) die entsandten Fachkräfte und die zu ihrem Haushalt gehörenden
Familienangehörigen werden für die gesamte Dauer ihres Aufenthalts in der
Ukraine von Zoll und Zollgebühren befreit, außer von Gebühren für die
Aufbewahrung, den Transport und sonstige Dienstleistungen und
Sicherheitsleistungen, in bezug auf


- ihr persönliches Gepäck, ihren Hausrat einschließlich Möbel und
elektrische Geräte, Arzneimittel, Lebensmittel und Getränke sowie andere
Verbrauchsgüter, die in die Ukraine für den persönlichen Gebrauch entsprechend
der geltenden Gesetzgebung der Ukraine eingeführt werden,


- einen PKW für jede entsandte Fachkraft für den persönlichen Gebrauch,


- auf dem Postweg in die Ukraine eingeführte oder aus der Ukraine
ausgeführte Geschenke für den persönlichen Bedarf;


d) den entsandten Fachkräften ist gestattet, die in Buchstabe c aufgezählten
Gegenstände in Übereinstimmung mit der geltenden Gesetzgebung der Ukraine auf
dem Hoheitsgebiet der Ukraine zu verkaufen oder auf andere Art und Weise zu
veräußern;


e) die entsandten Fachkräfte benötigen für ihre Tätigkeit in der Ukraine
keine Arbeitserlaubnis;


f) die entsandten Fachkräfte werden auch auf sonst notwendige Weise bei der
Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben unterstützt.


Artikel 13


(1) Die Ukraine gewährleistet den Schutz der Person und des Eigentums der
entsandten Fachkräfte und der zu ihrem Haushalt gehörenden Familienangehörigen.


(2) Für die gesamte Laufzeit der der Entsendung zugrundeliegenden
Projektvereinbarung wird den in Absatz 1 genannten Personen das Recht auf
ungehinderte Einreise in die Ukraine und Ausreise aus der Ukraine
gewährleistet. Anträge auf die Erteilung von Sichtvermerken werden mit
Verbalnote bei den diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Ukraine
eingereicht. Diese Sichtvermerke werden gebührenfrei erteilt.
Sichtvermerksverlängerungen können in der Ukraine gemäß dem dafür vorgesehenen
Verfahren beantragt werden. Diese Sichtvermerksverlängerungen sind ebenfalls
gebührenfrei.


(3) Auf dem Hoheitsgebiet der Ukraine wird den in Absatz 1 genannten Personen
unbegrenzte Reisefreiheit gemäß dem Abkommen vom 15. Februar 1993 zwischen der
Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Ukraine über
die unbegrenzte Reisefreiheit gewährleistet.


Artikel 14


(1) Die Bundesrepublik Deutschland stellt sicher, daß


- die entsandten Fachkräfte sich in vollem Umfang dafür einsetzen, die in dem
Abkommen genannten Ziele zu erreichen,


- die entsandten Fachkräfte mit den zuständigen Stellen der Ukraine
harmonisch zusammenarbeiten,


- die entsandten Fachkräfte und die zu ihrem Haushalt gehörenden
Familienangehörigen die Gesetze der Ukraine einhalten,


- die entsandten Fachkräfte und die zu ihrem Hausgehalt gehörenden
Familienangehörigen in der Ukraine keine anderen beruflichen oder
unternehmerischen Tätigkeiten außer den im Abkommen vorgesehenen ausüben.


(2) Wenn die entsandten Fachkräfte oder die zu ihrem Haushalt gehörenden
Familienangehörigen die oben genannten Verpflichtungen nicht erfüllen, wird
die Bundesrepublik Deutschland auf Verlangen der Ukraine diese Fachkräfte
abberufen.


Artikel 15


Die Ukraine wird die Materialien und Ausrüstungsgegenstände für Projekte zur
Unterstützung der in Artikel 1 dieses Abkommens genannten Personen bei ihrer
Einfuhr weder mit Zöllen noch mit Steuern belegen, ausgenommen Gebühren für
die Aufbewahrung, den Transport und sonstige Dienstleistungen. Eine
detaillierte Liste von Materialien und Ausrüstungsgegenständen wird durch die
für die jeweiligen Projekte zuständigen Stellen der Bundesrepublik Deutschland
und der Ukraine festgelegt.


Artikel 16


(1) Die Durchführung dieses Abkommens sowie die Abstimmung gemeinsamer
Vorhaben und Maßnahmen wird der Deutsch-Ukrainischen Regierungskommission
übertragen, die sich am 28. Februar 1992 in Kiew konstituiert hat. Die Ukraine
trägt dafür Sorge, daß Vertreter der deutschen Minderheit als Teil der
ukrainischen Delegation beteiligt sind, und ernennt diese Vertreter.


(2) Die Kommission tagt nach Bedarf, jedoch mindestens einmal jährlich,
abwechselnd in der Bundesrepublik Deutschland und in der Ukraine. Für einzelne
Bereiche der Zusammenarbeit können Unterkommissionen und andere Organe
gebildet werden. Die aufgrund dieses Abkommens durchzuführenden Vorhaben und
die Beschlüsse der Kommission werden gemeinsam in für die Bundesrepublik
Deutschland und die Ukraine verbindlichen Protokollen festgelegt.


(3) Die Bereitstellung der entsprechenden finanziellen Mittel bedarf seitens
der Bundesrepublik Deutschland der Bewilligung durch den Deutschen Bundestag.


Artikel 17


Dieses Abkommen gilt für die Dauer von zehn Jahren. Danach verlängert es sich
stillschweigend um jeweils weitere fünf Jahre, sofern nicht die Bundesrepublik
Deutschland oder die Ukraine das Abkommen unter Einhaltung einer Frist von
sechs Monaten vor Ablauf der jeweiligen Geltungsdauer schriftlich kündigt.


Dieses Abkommen tritt in Kraft, sobald die Ukraine der Bundesrepublik
Deutschland notifiziert hat, daß die innerstaatlichen Voraussetzungen für das
Inkrafttreten des Abkommens erfüllt sind. Als Tag des Inkrafttretens des
Abkommens gilt der Tag des Zugangs dieser Notifikation. Das Abkommen wird
bereits vom Zeitpunkt seiner Unterzeichnung an nach Maßgabe des jeweiligen
innerstaatlichen Rechts vorläufig angewandt.



Geschehen zu Kiew am 3. September 1996 in zwei Urschriften, jede in deutscher
und ukrainischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist.



Für die Bundesrepublik Deutschland Für die Ukraine

Dr. Hans-Friedrich von Ploetz Dr. Iwan Kuras

Staatssekretär des Stellv. Ministerpräsident

Auswärtigen Amtes der Ukraine

Beitrag teilen