Interview mit erster EU-Jugendkoordinatorin
Die Bulgarin Biliana Sirakova ist die erste Jugendkoordinatorin der EU. Im Interview spricht sie über ihre neue Aufgabe und über die Chancen von Jugendlichen in der EU, Zeit im Ausland zu verbringen – sei es um zu lernen, zu arbeiten oder einen Freiwilligendienst zu leisten. Ihr Rat an junge Menschen: „Macht das!“
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Frau Sirakova, seit dem 1. Juni sind Sie die erste Jugendkoordinatorin der EU. Was empfehlen Sie jungen Menschen, die den Wunsch haben, die EU besser kennenzulernen und sich aktiv in ihr zu engagieren?
Biliana Sirakova: Ich empfehle den jungen Menschen, mit dem Europäischen Jugendportal zu beginnen. Dort werden sie Informationen darüber finden, wie sie in der EU und auch in anderen Ländern lernen oder studieren, arbeiten und sich in Freiwilligendiensten engagieren können. Sie werden dort ebenfalls erfahren, wie man sich als Bürgerin oder Bürger engagiert, wie man ein neues EU-Gesetz vorschlägt oder seine Meinung in einer öffentlichen Konsultation vertritt und wie man sich am EU-Jugenddialog beteiligt. Das anstehende Europäische Jugendevent bietet jungen Menschen die Möglichkeit, sich über die verschiedenen EU-Fördermittel für Jugendliche zu informieren.
Wie Sie sehen, gibt es viele Wege, sich in der EU zu engagieren. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass junge Menschen entdecken, wie sie aktive Bürgerinnen und Bürger Europas und der Welt sein und sich einbringen können. Das Motto der Europäischen Jugendwoche im Mai 2021 „Unsere Zukunft in unseren Händen“ bringt es gut zum Ausdruck – indem sie ihre Meinung deutlich äußern und sich engagieren, können junge Menschen zu den Architekten nicht nur ihres eigenen Lebens werden, sondern auch eine bessere Zukunft Europas gestalten.
Das Europäische Jugendportal informiert darüber, welche Möglichkeiten die EU jungen Menschen bietet. Am 8. und 9. Oktober findet zudem das Europäische Jugendevent EYE2021 in Straßburg statt. Dort werden junge Menschen aus ganz Europa über ihre Ideen über die Zukunft Europas auszutauschen. EYE2021 ist zugleich der Höhepunkt des Jugendkonsultationsprozesses des Europäischen Parlaments für die Konfrenz zur Zukunft Europas. Auch die Onlineplattform der Konferenz bietet jungen Menschen die Möglichkeit, die Zukunft Europas mitzugestalten.
Haben Sie selbst je an einem EU-Programm teilgenommen? Falls ja, was können Sie über Ihre Erfahrungen sagen?
Sirakova: Ich machte meinen Universitätsabschluss bevor mein Heimatland Bulgarien 2007 der EU beitrat. Daher war ich zum damaligen Zeitpunkt nicht berechtigt, an einem der EU-Jugendprogramme teilzunehmen. Dennoch kann ich bezeugen, wie wertvoll Programme zur Förderung der Schülermobilität sind. In der zehnten Klasse bekam ich ein Stipendium der Open Society und lernte ein Semester in den USA. Vor dem Abschluss meines Studiums in den USA nahm ich an einem Mobilitätsprogramm teil, das dem heutigen Erasmus+ sehr ähnlich war, und studierte sechs Monate lang an der Universidad de Salamanca in Spanien.
Für mich war das Studium und das Leben im Ausland einer der entscheidenden Faktoren, wenn nicht gar der Schlüsselfaktor, die mich in meiner persönlichen und beruflichen Entwicklung prägten. Ich finde es extrem wertvoll, andere Kulturen, Sprachen, Denk- und Lebensweisen kennenzulernen. Jedem jungen Menschen, der darüber nachdenkt, Zeit im Ausland zu verbringen, sei es, um zu lernen, Freiwilligendienst zu leisten oder zu arbeiten, kann ich nur sagen: „Mach das!“ Es mag eine Erfahrung sein, die Sie vor Herausforderungen stellt, aber in einem positiven Sinne. Es kann Ihre täglichen Routinen und das tägliche Leben aus dem Rhythmus bringen, aber es wird dabei Ihren Horizont erweitern, Wandel herbeiführen und neue Möglichkeiten schaffen.
Wie wollen Sie europäische Programme wie Erasmus+, DiscoverEU oder das Europäische Solidaritätskorps erweitern?
Sirakova: Die neuen Programme Erasmus+ und Europäisches Solidaritätskorps (2021-2027) wurden dieses Jahr auf den Weg gebracht. Die Schwerpunkte dieser Programme sind folgende:
- Inklusion und Vielfalt fördern,
- „grüne“ Vorgehensweisen in Projekten und Aktivitäten umsetzen,
- den digitalen Wandel unterstützen und
- junge Menschen zur Teilhabe an demokratischen Prozessen und zivilem Engagement ermutigen.
Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf die Programme gehabt und was versuchen Sie, gegen auftretende Schwierigkeiten zu tun?
Sirakova: Die Pandemie und die daraus resultierenden Maßnahmen wie Reisebeschränkungen haben sich negativ auf die Programme ausgewirkt, weil eine Reihe von Projekten einfach nicht stattfinden konnten. Die Kommission hat 2020 Maßnahmen zur Eindämmung der negativen Folgen der Pandemie ergriffen und Organisationen und Einzelpersonen, die am Programm Erasmus+ und am Europäischen Solidaritätskorps teilgenommen haben, unterstützt. So wurden unter anderem Fristen und die Dauer laufender Projekte verlängert, einige Aktivitäten durch virtuelle Formate ersetzt und es wurde regelmäßig über FAQs, Factsheets und Onlineplattformen kommuniziert, um nur einige Beispiele anzuführen.
Warum war es notwendig, den Posten einer Jugendkoordinatorin zu schaffen?
Sirakova: Es bestand die Notwendigkeit einer sichtbaren Anlaufstelle, es sollte jemanden geben, der auf vorhandenen Beziehungen mit Akteuren im Jugendbereich aufbauen und neue entwickeln kann. In meiner Rolle werde ich die Teilnahme an den einschlägigen Programmen fördern. Ich werde das, was ich in Bezug auf Jugendengagement lerne, mit den entsprechenden Abteilungen der Kommission gegebenenfalls teilen und prüfen, welche Synergien es mit anderen Programmen und Schwerpunkten unserer Tätigkeit gibt.