In einer Regierungserklärung hat die Kanzlerin den Beschluss erläutert, die irakischen Kurden mit Waffen im Kampf gegen ISIS zu unterstützen. Details der Waffenlieferungen werden jetzt mit den irakischen Stellen abgestimmt. Erste Ausrüstungsgegenstände wie Schutzwesten und Helme wurden bereits ins Krisengebiet geflogen.
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Es gelte, die Not der Menschen nicht nur zu lindern, sondern auch zu verhindern, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Für den Kampf gegen die Terror-Organisation ISIS wurden bereits erste Ausrüstungsgegenstände in den Irak transportiert. Bei diesem ersten Transport handelte es sich noch um keine Waffenlieferungen. Zudem sei eine Festlegung zu ausbildungsbedürftigen Gegenständen getroffen worden.
Dazu gehörten Tanklastwagen, Feldküchen, Milan-Flugkörper sowie Dingo-Panzerfahrzeuge. Zur Nutzung der genannten Gegenstände bedürfe es einer Ausbildung, teilte das Bundesverteidigungsministerium mit.
Die Terrormiliz destabilisiere die gesamte Region - mit Auswirkungen auf Deutschland, hatte Merkel zuvor in ihrer Regierungserklärung ausgeführt. Die Expansion des ISIS-Terrors müsse aufgehalten werden. Sie erläuterte den Beschluss, Waffen an die Kurden im Irak zu liefern. Denn dem Irak drohe eine humanitäre Katastrophe.
Eine Ministerrunde unter dem Vorsitz Merkels hatte am Sonntagabend beschlossen, Waffen an die Kurden im Nordirak zu liefern. Damit sollen die Kurden im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" unterstützt werden.
In ihrer Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag erinnerte Merkel auch an die besondere Verantwortung Deutschlands, das mit dem Überfall auf Polen vor 75 Jahren den Zweiten Weltkrieg ausgelöst hatte.
Mit dem Konflikt in der Ostukraine stehe Europa heute erneut vor einer Situation, in der ein Staat bestehende Grenzen mit Waffengewalt ändern wolle: "Russland unternimmt den Versuch, bestehende Grenzen unter Androhung oder sogar unter Einsatz von Gewalt zu verschieben."
"Wir sind Zeugen unglaublicher Greueltaten geworden", sagte Merkel. ISIS bedrohe nicht nur Minderheiten. Vielmehr müsse jeder, der sich gegen ISIS wehre, das Schlimmste fürchten. "Die Kämpfer gehen unvorstellbar grausam vor."
Die Bundeskanzlerin erinnerte daran, dass die Existenz der Glaubensgemeinschaft der Jesiden zeitweise durch das brutale Vorgehen von ISIS gefährdet war und, dass es am Ende die kurdischen Kräfte waren, die eingegriffen.
Die katastrophale humanitäre Lage steht im Mittelpunkt der deutschen Hilfen für den Irak. Die Kanzlerin betonte, es müsse sich der Not der mehr als eine Millionen Flüchtlinge angenommen werden. "Wir haben mehr als 150 Tonnen Hilfsgüter nach Erbil gebracht. Deutschland hat mehr als 50 Millionen Euro humanitärer Hilfe bereitgestellt oder zugesagt. Wir dürfen den Irak bei der Bewältigung der Probleme nicht allein lassen", appellierte Merkel vor dem Deutschen Bundestag.
Die Bundesregierung hatte bereits im August ihre Bereitschaft erklärt, neben humanitären Hilfsgütern und Ausrüstungsmaterial wie Helmen und Schutzwesten auch Waffen auf den Weg zu bringen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier erläuterte diesen Schritt mit den Worten: "Alle diese Güter dienen dem Ziel, die kurdischen Sicherheitskräfte in die Lage zu versetzen, sich den Angriffen der ISIS zur Wehr zu setzen."
Zugleich betonte Merkel die Notwendigkeit neben humanitären Maßnahmen auch weitergehende, umfassende Hilfe zu leisten. Für die Bundesregierung sei klar, dass sich kein Konflikt der Welt militärisch lösen lasse. Trotzdem sei auch deutlich geworden, dass in manchen Fällen erst eine militärischen Intervention dazu führe, dass eine politische Lösung möglich würde. "Jeder Konflikt hat seinen eigenen Charakter", betonte die Kanzlerin.
Die Peschmerga setzten sich hohen Risiken aus, um etwas zu erreichen, das auch im Interesse Deutschlands stünde, so Merkel. In begrenztem Umfang und in enger Abstimmung mit den internationalen Partnern sei die Bundesregierung daher bereit, Waffen und Munition für den Kampf gegen die ISIR-Terrormiliz bereitzustellen.
"Eine so weitreichende Destabilisierung einer ganzen Region wirkt sich auch auf Deutschland, auf Europa aus", erklärte Merkel. Wenn wie im Irak ein Fundament für religiöse Fanatiker geschaffen würde, "wächst auch für uns die Gefahr, dass unsere Sicherheitsinteressen betroffen sind."
Die Bundeskanzlerin betonte auch, dass die Lieferung von Waffen im Einverständnis mit der irakischen Zentralregierung geschehe. Dies verdeutliche, dass es der Bundesregierung nicht darum ginge, zentrifugale Kräfte im Irak zu unterstützen. Vielmehr soll die irakische Regierung bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen unterstützt und ein Prozess der Aussöhnung eingeleitet werden.
Trotzdem sei die Entscheidung für Waffenlieferung weitreichend, erklärte die Bundeskanzlerin. "Wir haben sehr sorgsam abgewogen und dabei sämtliche außen- und sicherheitspolitischen Aspekte beleuchtet."
Man habe vor der Wahl gestanden und sich dafür entschieden, diejenigen zu unterstützen, die Hilfe benötigten. Der damit einhergehenden Risiken sei man sich bewusst. Aber: "Können wir wirklich warten und hoffen, dass sich andere dieser Verantwortung stellen?"
"Wir haben jetzt die Chance mitzuhelfen, das Leben von Menschen zu retten und weitere Massenmorde im Irak zu verhindern. Und diese Chance müssen wir nutzen", schloss Merkel.