Reiner Buchholz, WirtschaftsVereinigung Metalle

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Nachhaltigkeit als Leitbild mit den gleichberechtigten drei Säulen Ökonomie, Ökologie und sozialer Verantwortung unter Beachtung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDGs) ist für die NE-Metallindustrie von großer Bedeutung. Von besonderer Relevanz sind dabei die SDGs 6 (Wasser), 7 (Energie), 8 (Wirtschaftswachstum), 9 (Infrastrukturen), 12 (Produkte) und 13 (Klima). Nachhaltiges Wirtschaften bedeutet in unserer, einem intensiven internationalen Wettbewerb ausgesetzten Industrie, Wachstum und Gewinnerzielung ökologisch und sozial verantwortlich zu gestalten und dabei auftretende Zielkonflikte integrativ zu lösen.
Gerne tragen wir mit den nachfolgenden konkreten Vorschlägen zur Weiterentwicklung der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie und des für nächstes Jahr geplanten Berichts "Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie - Weiterentwicklung 2021" bei.


1.    Indikator Gesamtrohstoffproduktivität

Zitat aus der Dialogfassung (Seite 171):
"Der Indikator Gesamtrohstoffproduktivität setzt den Wert aller an die letzte Verwendung abgegebenen Güter (in Euro, preisbereinigt) in Relation zur Masse der für ihre Produktion im In- und Ausland eingesetzten Rohstoffe (in Tonnen). Die letzte Verwendung umfasst dabei sowohl inländischen Konsum und inländische Investitionen als auch den Export. Im Nenner des Indikators werden sowohl aus der Umwelt entnommene abiotische und biotische Rohstoffe berücksichtigt als auch Pflanzenmaterial, das durch die Land- und Forstwirtschaft produziert wurde"

Die aus Rohstoffen erzeugten Produkte werden in vielen Fällen nicht in ihrer Letztverwendung "verbraucht", sondern oft nur in langlebigen Produkten wie dem Gebäudebestand, der Infrastruktur oder in Investitions- und Gebrauchsgütern langfristig gebundenen. Die in den Produkten gebundenen Rohstoffe stehen in Zukunft als sogenanntes "anthropogenes Lager" wieder zur Verfügung. Das anthropogene Lager als "urbane Mine" wächst ständig. Hierzu gibt es umfangreiche wissenschaftliche Untersuchungen des Umweltbundesamtes , auch zu den im Stock gebundenen Metallen. Künftig für das Recycling aus dem Lager freigesetzte Rohstoffmengen reduzieren den Rohstoffaufwand für die Erzeugung von Gütern. Der Indikator "Gesamtrohstoffproduktivität" bildet dies aber nur zeitverzögert und damit unvollständig ab. Dadurch ist er in seiner Steuerungsfunktion eingeschränkt.


Änderungsvorschlag:
Da die im anthropogenen Lager gebundene Rohstoffmengen in der Zukunft einem Recycling wieder zur Verfügung stehen und den Rohstoffaufwand verringern, sollten sie im Indikator Gesamtrohstoffproduktivität rohstoffverbrauchsmindernd berücksichtigt werden. Alternativ sollte der Indikator durch einen zusätzlichen Indikator "Entwicklung des anthropogenen Lagers" ergänzt werden. Auf die Vorarbeiten des Umweltbundesamts kann hierzu zurückgegriffen werden.


2.    Definition "nicht erneuerbare Ressourcen" vs. Mehrfachrecycling

Zitat aus der Dialogfassung (Seite 171):
"Dazu müssen Wachstum und Wohlstand so weit wie möglich von der Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen entkoppelt werden. Hierbei sind insbesondere nicht erneuerbare Ressourcen in den Blick zu nehmen"

Viele Materialien wie NE-Metalle, Stahl oder auch Glas kommen als Materialien mit einem Potential für mehrfaches Recycling, d.h. als "permanente Materialien" erneuerbaren Rohstoffen bzw. Mehrweg-Werkstoffen sehr nahe. Sie lassen sich mit geringem Aufwand immer wieder zu neuen Werkstoffen umwandeln – und das ohne Qualitätsverlust. Bei Metallen liegt das daran, dass die metallische Bindung nach dem Einschmelzen erhalten bleibt. Dadurch bewahren Metalle selbst nach mehrfachem Recycling ihre ursprünglichen Eigenschaften und können immer wieder für die gleiche Anwendung eingesetzt werden. Das unterscheidet sie von vielen anderen Werkstoffen. Ihre Leistungsfähigkeit wird durch das Recycling nicht beeinträchtigt. Die Wissenschaft hat das Konzept der permanenten Materialien mittlerweile mit Studien unterlegt.  

Für den Erfolg einer Circular Economy werden künftig insbesondere Materialien eine wesentliche Rolle spielen, die ein Potenzial für mehrfaches Recycling haben. Eine entsprechende Berücksichtigung ist schon heute vom EU-Gesetzgeber in der neuen EU-Abfallrahmenrichtlinie verankert. Die EU reagiert damit auf das starke Wachstum von Einweg-Materialien, die sich nur einmal oder nur in einer beschränkten Anzahl auf hohem Qualitätsniveau im Kreislauf führen lassen. Die herkömmliche Definition von "erneuerbaren Ressourcen" hebt allein auf eine "biologische Erneuerbarkeit" ab. Damit werden Materialien, die sich über menschliche Aktivitäten, d.h. Recycling, erneuert werden, nur unvollkommen abgebildet.

Änderungsvorschlag:
Die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie sollte um eine zeitgemäße Definition für "erneuerbare Ressourcen", die durch Recycling immer wieder erneuert werden können (permanente Materialien), ergänzt werden.


3.    Verbrauch von Ressourcen vs. Aufbau eines anthropogenen Lagers

Zitat aus der Dialogfassung (Seite 225/226):
"Die natürlichen Ressourcen sind Grundlage für das Leben und das Wohlergehen auch künftiger Generationen. Das ist vor allem bei Verbrauch von Ressourcen zu beachten, die nur begrenzt zur Verfügung stehen…Ziel der Bundesregierung ist es deshalb, den…Verbrauch der natürlichen Ressourcen weiter zu verringern"

Seit Menschen Metalle nutzen, werden sie recycelt. 80 Prozent des jemals erzeugten Kupfers und 75 Prozent des jemals erzeugten Aluminiums sind nicht verloren, sondern noch heute in der aktiven Nutzung. Aluminium, Kupfer, Zink, Nickel oder Blei lassen sich als natürliche Elemente der Erdkruste nämlich nicht nur einmal, sondern unbegrenzt oft im Kreislauf führen. Aufgrund des hohen Materialwertes von Metallschrotten setzt der Markt genügend Anreize zur Sammlung und Verwertung; über die Jahrhunderte hat sich dadurch ein ständig wachsendes Materialreservoir aufgebaut, das bereits unzählige Male im Kreislauf geführt wurde und auf das die Menschheit in zunehmendem Maße zur Rohstoffversorgung zurückgreifen kann.

Anders als bei vielen anderen Materialien findet beim Metallrecycling kein Qualitätsverlust (Downcycling) statt und der Aufwand an Rohstoffen und Energie sowie der Ausstoß an CO2 sind fast immer deutlich niedriger. Das theoretische Einsparpotenzial für Treibhausgasemissionen bei Kompletterschließung des gesamten deutschen NE-Metalllagers durch Recycling würde 2050 rund 634 Mio. Tonnen betragen, dies entspricht dem gut 3,9-fachen der aktuellen CO2-Emissionen des Verkehrsbereichs in Deutschland . Allein durch das Recycling von mehr als 700.000 Tonnen Kupfer werden in Deutschland jährlich 141 Mio Tonnen Rohstoffe gegenüber der Gewinnung von Kupfer aus Erzen eingespart. Bei allen Vorteilen des Recyclings gilt allerdings: Auch eine Erzeugung von Metallen aus Erzen wird aufgrund weltweit steigender Metallnachfrage für Zukunftstechnologien wie erneuerbaren Energien, Hochleistungsnetze, E-Mobilität, Kommunikation oder Leichtbau bis auf weiteres weiter notwendig sein.

Einmal investierte und gespeicherte Energie-Ressourcen gehen daher nicht verloren. Sie bleiben beim Recycling erhalten. Metalle sind sehr effektive Ressourcen- und Energiespeicher. Ist die Hürde der zugegebenermaßen energieintensiven Erstherstellung einmal erfolgt, braucht es viel weniger Energie, um das Recycling im Gang zu halten. Im Fall Aluminium spart Recycling bis zu 95 Prozent der für die Ersterzeugung aufgewendeten Energie. Bei anderen NE-Metallen ist dies ähnlich. Der Effekt ist umso größer, je öfter Metalle in den Kreislauf zurückkommen. Der vielkritiserte schwere "Energierucksack" von Metallen wird im Zeitablauf also immer leichter.

Recycling ist sowohl ökologisch als auch ökonomisch rentabel. Durch das gesamte Recycling von Nichteisen-Metallen in Deutschland werden jedes Jahr nach unseren eigenen Berechnungen rund 8 Millionen Tonnen CO2 und rund 130 Mio. Tonnen Metallerze eingespart. Das Recycling von NE-Metallen reduziert damit den nationalen CO2-Ausstoß jedes Jahr insgesamt um rund 1 Prozent.

Früher waren geologische Lagerstätten die Speicher, heute sind es die in der Technosphäre investierten Metalle. Im anthropogenen Lager liegen riesige Potenziale.  Die UNEP hat das für Metalle in ihrem "International Panel for Sustainable Ressource Management" einmal genau nachgerechnet. In entwickelten Staaten wie zum Beispiel Deutschland beläuft das Aluminiumlager pro Kopf auf bis zu 500 Kilo, das Kupferlager auf bis zu 300 Kilo und das Lager für Eisen und Stahl sogar auf bis zu 1,4 t. Stände uns dieses Metall heute auf einmal zur Verfügung, entspreche dies 35 Mal der heutigen Aluminiumproduktion, bei Zink und Blei sogar dem 51 fachen. Hier sind also gigantische Mengen an Metallen zwischengelagert. Auch ProgRess III bestätigt die Bedeutung des anthropogenen Lagers ausdrücklich. Allein in einem halben Jahrhundert (von 1960-2010) haben sich in Deutschland schätzungsweise bis zu 42 Milliarden (1) t Material im anthropogenen Lager angesammelt, davon entfallen rund 1,2 Milliarden t auf Metalle. (NE und FE).

Aktuelle Zahlen belegen: Die Hälfte des Materialwerts des gesamten anthropogenen Materiallagers in Deutschland geht allein auf Metalle zurück . Auf Basis heutiger Schrottpreise wächst der Wert des deutschen NE-Metalllagers von derzeit 132 Mrd. Euro bis 2050 auf 245 Mrd. Euro. Umgerechnet auf jeden deutschen Bürger wächst der Wert dieses Lagers Jahr für Jahr um etwa 36 Euro bis 2050 auf etwa 3.065 Euro.
Der Mensch ahmt im Grund genommen die Natur nach, indem er wie sie ein Metalllager aufbaut. Der Mensch entnimmt Metalle aus "passiven" geologischen Lagerstätten, in denen sie keinen Beitrag für energie- und ressourceneffiziente Produkte liefern und transferiert sie in einen global stetig wachsenden Metallpool, der aus "aktiven" Produkten oder der Infrastruktur besteht. Unsere Kinder und Enkel können aus diesem Lager immer wieder Metalle für ihre Bedürfnisse entnehmen – und dies zu weit geringerem Aufwand als die Vorgängergenerationen, die diese Metalle mühsam aus Erzen extrahieren mussten. Metalle stehen daher für einen Inter-Generationenvertrag: Sie sind kein Raub, sondern eine Investition für kommende Generationen. Metalle in Produkten und der Infrastruktur erfüllen heute also eine Doppelfunktion: Sind erhöhen die Energie- und Ressourceneffizienz in der Nutzung und fungieren gleichzeitig als Metallspeicher. Bergbau findet künftig immer mehr in den Städten statt: Mining statt Urban Mining.

Änderungsvorschlag:
Die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie sollte um einen eigenen Abschnitt "Aufbau des anthropogenen Lagers" als Beitrag zur Sicherung mit heimischen Rohstoffen ergänzt werden.


Rainer Buchholz
 
Leiter Kreislaufwirtschaft, Ressourceneffizienz
Head of Circular Economy, Resource Efficiency
 
WirtschaftsVereinigung Metalle