Europas Schicksal selbst in die Hand nehmen

Europäischer Rat Europas Schicksal selbst in die Hand nehmen

Europa zukunftsfähig machen - die "Agenda der Zukunft" stand im Mittelpunkt des zweiten Gipfeltages der Staats-und Regierungschefs in Brüssel. Auch bei den Brexit-Verhandlungen gebe es Fortschritte, so die Kanzlerin. Dennoch sieht Merkel die britische Regierung weiter in der Pflicht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht auf der Abschluss-Pressekonferenz zum EU-Rat.

Bei den Brexit-Verhandlungen sieht Bundeskanzlerin Merkel die britische Regierung in der Pflicht.

Foto: Bundesregierung/Kugler

Darum ging es beim Europäischen Rat

Fahrplan für die Zukunft Europas

Europa will sein Schicksal selbst in die Hand nehmen, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Ende des Europäischen Rates. Die neue "Agenda der Zukunft" war den Staats- und Regierungschefs der EU ein wichtiges Anliegen in Brüssel. Für den Reformfahrplan von EU-Ratspräsident Donald Tusk gab es Merkel zufolge unter den Staats-und Regierungschefs viel Zustimmung.

In dem Vorschlag ging es darum, wie die Mitgliedstaaten künftig besser zusammen arbeiten und noch schneller Ergebnisse vorlegen können. Darüber hinaus berichtete die Kanzlerin: "Die Agenda von Bratislava und Rom-Migration, Sicherheit und Verteidigung, wirtschaftliche und soziale Entwicklung ist bestätigt worden."

Merkel sagte, man wolle mutig, engagiert und gemeinsam zu Werke gehen. Im Vorfeld hatten EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zur Zukunft Europas wegweisende Reden gehalten. Merkel und Macron haben bereits vereinbart, gemeinsam an der Vertiefung der Europäischen Union und der Eurozone zu arbeiten.

Deutschland und Frankreich wollen die EU gemeinsam so aufstellen, dass sie für die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet ist. Die Stärkung der Währungsunion bleibt auch weiter auf der europäischen Agenda. Auch die Bundesregierung wird sich dabei weiter einbringen. Allerdings bat Merkel die EU-Partner um Geduld. In Deutschland liefen die Koalitionsverhandlungen, man müsse die Regierungsbildung in Berlin respektieren.

Fortschritte bei Brexit-Verhandlungen

Zu den Brexit-Verhandlungen sagte die Kanzlerin, dass Großbritannien "deutliche Signale gesetzt" gesetzt habe. "Aus unserer Sicht noch nicht genug, um Etappe 2 zu beginnen, aber eindeutig mehr, als wir das beim letzten Zusammentreffen hatten", so Merkel. Sie wünsche sich, dass die Verhandlungen über die künftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU im Dezember beginnen könnten. "Aber das hängt von Fortschritten von Großbritannien bei verschiedenen Themen ab."

Drei Punkte seien Merkel zufolge dabei besonders wichtig: die Rechte von EU-Bürgern in Großbritannien beziehungsweise Briten in der EU, finanzielle Verpflichtungen Großbritanniens und die künftige EU-Außengrenze zu Nordirland. Die bisherige Verhandlungsstrategie der EU bewirke, dass sich die übrigen EU-Staaten einig sind und gemeinsam agieren.

Dialog mit der Türkei weiterführen

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich dafür ausgesprochen, die Vorbeitrittshilfen für die Türkei "in verantwortbarer Weise" zu kürzen, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Abschluss des ersten Gipfel-Tages. Die sei eine Konsequenz aus der "absolut unzufriedenstellenden" Menschenrechtssituation in der Türkei sowie der "Entfernung der Türkei Schritt für Schritt von dem, was wir als rechtsstaatliche Voraussetzungen begreifen."

Eine Kürzung der Vorbeitrittshilfen müsse allerdings diejenigen Bürgerinnen und Bürgern in der Türkei im Blick behalten, die für eine rechtsstaatliche Entwicklung ihres Landes stünden. Man sei allen Bürgerinnen und Bürgern der Türkei verpflichtet.

Für eine Beendigung der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gebe es in der EU keine Mehrheit. Auch Gespräche über die von der Türkei geforderte Erweiterung der Zollunion mit der EU werde es nicht geben.

Trotzdem wolle man mit der Türkei im Gespräch bleiben. Kanzlerin Merkel betonte außerdem, dass "wir es sehr achten, anerkennen und unterstützen, dass die Türkei so viel für die aus Syrien geflüchteten Menschen tut."

Europa steht zum Iran-Abkommen

Weiteres außenpolitisches Thema war das Iran-Abkommen. Die Gipfel-Teilnehmer sprachen sich dafür aus, alles zu versuchen, um das Abkommen weiter zu erhalten, so Merkel. Man wolle mit dem US-amerikanischen Kongress im Gespräch bleiben.

Dazu gehöre auch, "deutlich auszusprechen, dass der Iran in der Region eine Vielzahl von Initiativen entfaltet, die aus unserer Sicht kontraproduktiv sind." So könnte der Iran angesichts der dramatischen Lage im Jemen sehr viel dazu beitragen, dort die humanitäre Situation zu verbessern, betonte die Bundeskanzlerin.

Das waren die weiteren Themen des Gipfels

Wie kann Europa fit für die Digitalisierung werden?

Grafik zu den Themen des Europäischen Rats

Die Themen des Gipfeltreffens

Foto: Bundesregierung

Europe goes digital – mit dem Aufbau des digitalen Binnenmarktes will Europa Innovationen, Wachstum und neue Arbeitsplätze fördern. Schon beim Sondergipfel in Tallinn im September stand das Thema auf der Agenda.

Nun ging es darum, die dringendsten Arbeitsgebiete festzulegen. Zum Beispiel: Wie macht man den öffentlichen Sektor fit für die Digitalisierung? Wie gelingen E-Government, neue Technologien und Verwaltung "aus einer Hand"?

Zentrales Thema des Treffens war deshalb ein einheitlicher Rechtsrahmen für die digitale Welt. Ob autonomes Fahren oder Telemedizin - Digitalisierung, die Europas Bürgerinnen und Bürger ganz unmittelbar betrifft, braucht schnelle Netze. Beim Netzausbau wollen sich die europäischen Staaten besser abstimmen. Denn die neue Generation des Breitbandinternets – 5G – braucht kompatible Leitungen über Ländergrenzen hinweg.

Beim Rat ging es überdies auch um Sicherheit im Netz: Das Ziel lautet, der Bedrohung durch Cyber-Attacken gemeinsam zu begegnen. Die Kommission arbeitet an ganzheitlichen Vorschlägen zu Datenwirtschaft, Cybersicherheit und Online-Plattformen. Als Grundlage hierfür will der Rat einen Aktionsplan auf den Weg bringen.

Wie können die EU-Staaten sicherheitspolitisch enger zusammenarbeiten?

Die Staats- und Regierungschefs sprachen auch über Sicherheit und Verteidigung: Die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (Englisch: Permanent Structured Cooperation - PESCO) bietet einer Gruppe von Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, auch bei Einsätzen im Rahmen der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu kooperieren. Nach Gründung der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit werden Teilnehmer gemeinsam Projekte entwickeln und umsetzen. Auch die Bundesregierung hat die wichtigsten Eckpunkte beschlossen, damit Deutschland an einer Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit teilnehmen kann.

Mit PESCO soll die Gemeinsame Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik verbindlicher werden. Eines der wesentlichen Merkmale: Interessierte EU-Staaten verpflichten sich, ausgewählte Verteidigungsprojekte gemeinsam umzusetzen. Beispiel: Wenn 27 Länder denselben Kampfjet bestellen, sinken die Kosten und die Streitkräfte verfügen schneller über das Flugzeug. Es geht um fünf Bereiche, die schon im Protokoll zum EU-Vertrag festgelegt sind: Verteidigungsausgaben, Kooperation bei der Entwicklung der Fähigkeiten, Verbesserung der Verlegefähigkeiten multilateraler Verbände, Ansätze zum Schließen von Fähigkeitslücken und die Nutzung der Europäischen Verteidigungsagentur für große Beschaffungsvorhaben. Details werden im Moment zwischen den Mitgliedstaaten diskutiert.