100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkriegs haben die Staats- und Regierungschefs der EU im belgischen Ypern der Opfer auf den Schlachtfeldern in Flandern gedacht. Anschließend kamen sie zu ersten Gesprächen des Europäischen Rats zusammen, die sie in Brüssel fortsetzen.
Auf Einladung von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy waren die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union nach Ypern gekommen. In einer gemeinsamen Gedenkfeier gedachten sie dort des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren.
Für Bundeskanzlerin Merkel verdeutlichte die Zusammenkunft noch einmal die europäische Dimension der damaligen Geschehnisse. Vor Beginn der Feierlichkeiten sagte sie in Kortrijk: "Ich glaube, dass uns das noch einmal vor Augen führt, in welch guten Zeiten wir heute leben - dadurch, dass es die Europäische Union gibt und dass wir aus der Geschichte gelernt haben."
Sie hoffe, dass diese Erkenntnis die verantwortlichen EU-Politiker "auch motiviert, die notwendigen Entscheidungen für die nächsten fünf Jahre, die auf uns zukommen, zu treffen."
Ypern steht vor allem für den ersten Einsatz von Giftgas überhaupt - ausgeführt durch deutsche Truppen im April 1915. Diese versuchten, in der Zweiten Flandernschlacht die erstarrte Front im Westen mit Hilfe von Chlorgas aufzubrechen. Für Bundeskanzlerin Merkel symbolisieren die Schlachten in Flandern die Grausamkeit des technisierten Massenkrieges. "Orte wie Ypern oder Verdun stehen für die Selbstzerfleischung eines ganzen Kontinents Europas", mahnte sie in ihrer Rede am 25. Juni im Deutschen Bundestag.
Während des Ersten Weltkrieges war Ypern, das seit Herbst 1914 direkt an der Westfront lag, stark umkämpft. Eine der blutigsten von fünf Schlachten war die Erste Flandernschlacht vom 20. Oktober bis zum 18. November 1914, die zu hohen Verlusten auf Seiten der deutschen wie der alliierten Truppen führte. Neben Chlorgas im Jahr 1915 testeten deutsche Truppen bei Ypern 1917 zum ersten Mal auch Senfgas. Tausende Soldaten kamen hierbei ums Leben oder wurden schwerstens verletzt.
Insgesamt kamen während des Ersten Weltkrieges allein vor Ypern mehr als eine halbe Million Menschen ums Leben. Darunter neben jungen Deutschen, Briten, Franzosen und Belgiern auch zahlreiche Soldaten der heutigen Commonwealth Staaten. Gleichzeitig symbolisierte die Verteidigung Yperns den Widerstand der Alliierten gegen die deutschen Angreifer.
Die Zeremonie der EU-Staats- und Regierungschefs wurde am sogenannten Menentor abgehalten. Das ist die zentrale Gedenkstätte für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges in Ypern. Dort erklingt seit mittlerweile 86 Jahren jeden Tag um 20 Uhr das Trompetensignal "The Last Post" – der letzte Zapfenstreich. Dieses schlichte militärische Signal einer einzelnen Trompete soll die Gefallenen und Vermissten ehren. Angehörige und Besucher nehmen noch immer in großer Zahl an dieser täglichen Zeremonie teil.
Die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten weihten eine Friedensbank im Menen-Park ein. Sie pflanzten im Rahmen der Gedenkfeier symbolisch Mohnblumen aus Porzellan in ein Beet - angelehnt an das Gedicht des kanadischen Oberstleutnants John McCrae "In flanders fields the poppies blow" ("Auf Flanderns Feldern blüht der Mohn...").
Das Menentor – ein monumentales Tor über einem Wassergraben – wurde im klassischen Stil von Reginald Blomfield errichtet. Das Kriegerdenkmal für Soldaten aus Großbritannien und dem Commonwealth verzeichnet 56.896 Namen Gefallener und Vermisster. Heute ist es lebendiger Ausdruck für das historische Bewusstsein der Stadt Ypern, die nach ihrer völligen Zerstörung im Krieg originalgetreu wiederaufgebaut wurde.
Die Feier regte nicht nur dazu an, der zahllosen Opfer auf den Schlachtfeldern in Flandern zu gedenken. Bundeskanzlerin Merkel hatte in ihrer Grundsatzrede während der Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag auch betont, dass man das Versprechen des in Glück und Frieden vereinten Europas für kommende Generationen schützen müsse.
"Das muss die Leitlinie unserer Arbeit für Bürgerinnen und Bürger sein: Nicht das Recht des Stärkeren wird sich dauerhaft durchsetzen, sondern die Stärke des Rechts. Das ist unsere Überzeugung", sagte die Kanzlerin auch mit Blick auf die Krise in der Ukraine.
Auch angesichts der Geschehnisse in Syrien und im Irak werde der Wert des in Europa errungenen Glücks deutlich. Um das Vertrauen in Europa zurückzugewinnen, werde sich der Europäische Rat beim Treffen in Brüssel auf Zukunftsfragen konzentrieren. Das schließe ein Paket aus inhaltlichen Schwerpunkten und personellen Fragen ein, sagte Merkel.