EU einigt sich mit Großbritannien

Europäischer Rat in Brüssel EU einigt sich mit Großbritannien

Der Europäische Rat beschließt umfangreiche Neuregelungen, um den Verbleib des Königreichs in der EU zu sichern. Die Kanzlerin begrüßte die Einigung. Die Einheit und die Gemeinsamkeit der 28 Mitgliedstaaten standen immer im Vordergrund der Verhandlungen.

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Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Merkel und Regierungssprecher Seibert nach den Verhandlungen in Brüssel

Merkel: Kindergeld-Regelung auch für Deutschland vorstellbar

Foto: Bundesregierung/Denzel

"Wir haben eine Einigung über das zukünftige Verhältnis Großbritanniens zur Europäischen Union erzielt. Der gesamte Diskussionsprozess war davon geprägt, dass wir diese Einigung erreichen wollten", erklärte die Kanzlerin nach dem Europäischen Rat in der Nacht.

Sie wünsche sich, dass "David Cameron damit die Menschen in Großbritannien überzeugen kann, dass die Mitgliedschaft in der EU etwas ist, was einen großen Wert für uns alle darstellt, und zwar gerade in einer Zeit, in der wir in einer sehr unruhigen und unsicheren Welt leben."

Vernünftiger Kompromiss

Diejenigen EU-Mitgliedstaaten, die sich enger zusammenschließen wollen – zum Beispiel die Eurozone – sollen das auch weiterhin können. Die europäischen Grundprinzipien, wie die Freizügigkeit, seien nicht in Frage gestellt, so Merkel.

"Uns wurde durchaus Kompromissbereitschaft abverlangt. Aber das Ziel des Verbleibs von Großbritannien in der EU hat diese Kompromisse aus meiner Sicht gerechtfertigt. Trotzdem darf man sagen, dass sich keiner von uns die Entscheidung leicht gemacht hat."

Wettbewerbsfähigkeit Europas stärken

In seinen Schlussfolgerungen hat der Europäische Rat verschiedene Erklärungen formuliert, die dem Reformanliegen Großbritanniens Rechnung tragen. Dazu gehören Neuregelungen für das Vereinigte Königreich innerhalb der EU sowie besondere Bestimmungen zur Bankenunion und der weiteren Integration des Euro-Raumes.

Erzielt wurden unter anderem weitere Vereinbarungen zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der EU. Daran hatte – wie die Bundeskanzlerin betonte – gerade auch Deutschland Interesse.

Kürzungen von Sozialleistungen zum Schutz der Sozialsysteme

Sozialleistungen sollen neu geregelt werden. So können EU-Mitgliedstaaten, die Kindergeld in andere EU-Länder überweisen, die Zahlungen künftig an die dortigen Lebenshaltungskosten anpassen. Diese Regelung soll den Plänen zufolge bis 2020 nur für Neuanträge gelten. Danach können die Staaten diese Regelungen auf alle Zahlungen anwenden. Auch Deutschland kann davon profitieren, so die Bundeskanzlerin. "Das Thema "Kindergeld für Kinder, die nicht in Deutschland leben", ist ein Thema, das ich auch aus meiner innenpolitischen Diskussion sehr gut kenne."

Bei einem ungewöhnlich starken Zuzug von Einwanderern können Staaten auch eine "Notbremse" für weitere Sozialleistungen einsetzen. Zugewanderte EU-Bürger hätten so erst nach bis zu vier Jahren Anspruch auf Sozialleistungen. Voraussetzung dafür ist aber, dass diese Länder bei der Erweiterung der EU nicht von den Übergangsregelungen von bis zu sieben Jahren Gebrauch gemacht haben. Großbritannien darf diesen Mechanismus sieben Jahre lang nutzen. Merkel: "Gerade die Fragen des Sozialmissbrauchs beschäftigen uns im innenpolitischen Bereich in Deutschland auch."

Nationale Parlamente erhalten mehr Mitbestimmungsrechte

Die Rolle der nationalen Parlamente wird gestärkt. Sie erhalten eine Art "Rote Karte", um EU-Vorhaben stoppen zu können. Um das jedoch tatsächlich zu erreichen, müssten mindestens 16 Parlamente Einspruch anmelden.

Insbesondere soll so der in den letzten Jahren kaum zur Anwendung gelangte Grundsatz der Subsidiarität gestärkt werden. Das heißt, dass europäisch nur das geregelt werden soll, wofür nicht besser die Mitgliedstaaten zuständig sein sollen. Eine immer engere Union zwinge keinen Mitgliedstaat dazu, an einer weiteren politischen Vertiefung teilzunehmen. Möglich seien "verschiedene Wege der Integration", heißt es in den Schlussfolgerungen.

Humanitäre Hilfe für die Menschen in Aleppo

Weitere Gipfelthemen waren die Entwicklung in Syrien und Libyen sowie die Beziehungen der EU zur Türkei. Die Bundeskanzlerin machte noch einmal deutlich, dass die humanitären Verabredungen für Syrien umgesetzt werden müssen. "Wir haben deutlich gemacht, dass für uns sehr wichtig ist, dass wir in Aleppo humanitäre Hilfe ermöglichen. Es ist ja glücklicherweise gelungen, schon in einigen Bereichen den Menschen humanitäre Hilfe zukommen zu lassen."

Der Gipfel habe sich dafür ausgesprochen, auf dem Verhandlungswege Zonen zu definieren, in denen die Zivilbevölkerung sicher sei. "Dies gilt zum Beispiel für die Zone an der türkischen Grenze um die Stadt Assas, die in dieser Woche auch eine große Bedeutung gehabt hat", so die Kanzlerin. In Libyen hofft die Bundeskanzlerin auf die baldige Bildung einer Einheitsregierung und dass damit die Verteidigungsfähigkeit Libyens wieder gestärkt werde.

Gemeinsame Asyl-und Flüchtlingspolitik

Über eine gemeinsame Asyl- und Flüchtlingspolitik hatten die Staats- und Regierungschefs bereits am ersten Gipfeltag beraten und einen Sondergipfel mit der Türkei Anfang März angesichts des weiter hohen Flüchtlingsstroms vereinbart. Dabei bestand Einigkeit, dass gemeinsame Antworten auf diese große Herausforderung Europas notwendig seien.