Bürger als Brücke zwischen den Ländern

Deutschland/Türkei Bürger als Brücke zwischen den Ländern

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Türkei besucht. Sie bezeichnete die Beziehungen zwischen den Menschen Deutschlands und der Türkei als einen "ganz wichtigen Teil unserer bilateralen Beziehungen". Die Kanzlerin betonte nochmals, dass die EU mit der Türkei ergebnisoffene Beitrittsverhandlungen führe.

Bundeskanzlerin Merkel und der türkiche Ministerpräsident Erdogan

Kanzlerin Merkel auf der Abschluss-Pressekonferenz mit Ministerpräsident Erdogan

Foto: Bundesregierung/Denzel

Die Reise begann mit einem Truppenbesuch bei den deutschen Soldatinnen und Soldaten, die sich im Rahmen der Verlegung der Patriot-Systeme in Kahramanmaraş befinden. Die Kanzlerin dankte den etwa 320 Bundeswehrangehörigen. Ihr Einsatz sei ein Zeichen der Solidarität mit dem Nato-Partner Türkei. Zugleich betonte Merkel, dass der Konflikt in Syrien politisch gelöst werden müsse.

Besuch des Weltkulturerbes in Göreme

In Begleitung des türkischen Tourismusministers Ömer Celik besichtigte die Bundeskanzlerin dann die frühchristlichen Kulturdenkmäler in der zentralanatolischen Region Kappadokien.

In Begleitung des türkischen Tourismusministers Ömer Celik besichtigt Bundeskanzlerin Merkel die Wandfresken der berühmten Höhlenkirchen

Merkel beim Besuch des Weltkulturerbes in Göreme

Foto: Bundesregierung/Denzel

Die zum Teil weit mehr als 1000 Jahre alten Höhlenkirchen gehören zum UNESCO-Weltkulturerbe. Damit brachte die Kanzlerin ihre Wertschätzung der Türkei als Kulturnation zum Ausdruck.

Die Einwohner dankten der Kanzlerin für diese Geste und begrüßten sie mit einem "Rosenschauer" aus einem Heißluftballon. Die aus dem Ballon geworfenen Rosen landeten bei der Ankunft der Kanzlerin am Freiluftmuseum Göreme auf ihrem Fahrzeug.

Fortschritte bei EU-Beitrittsverhandlungen angestrebt

Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül und Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan empfingen die Bundeskanzlerin anschließend zu persönlichen Gesprächen in Ankara. Ein wichtiges Thema waren dabei die stockenden Beitrittsgespräche der Europäischen Union (EU) mit der Türkei.

Erdogan bat die Kanzlerin um Unterstützung des türkischen Beitrittsprozesses während der derzeitigen irischen Ratspräsidentschaft. Die Kanzlerin machte nochmals deutlich, dass die EU mit der Türkei ergebnisoffene Verhandlungen führe. "Ergebnisoffen heißt, dass das Ergebnis während des Verhandlungsprozesses noch nicht feststeht. Ich habe ja schon öfter gesagt, dass ich eine Skepsis gegenüber einer vollen Mitgliedschaft der Türkei habe. Aber ich möchte diesen Verhandlungsprozess weiterführen, so wie wir das abgemacht haben", erklärte die Bundeskanzlerin.

Bereits vor ihrem Abflug hatte Merkel in ihrem wöchentlichen Video-Podcast erklärt, dass ein neues Kapitel in den Beitrittsverhandlungen EU–Türkei eröffnet werden müsse. "Ich habe, obwohl ich skeptisch bin, der Fortführung der Beitrittsverhandlungen zugestimmt", so Merkel. "Sie sind in letzter Zeit etwas ins Stocken geraten und ich bin dafür, dass wir jetzt ein neues Kapitel in diesen Verhandlungen eröffnen, damit wir auch ein Stück vorankommen."

Der ungelöste Zypernkonflikt stellt ein Hindernis in den Verhandlungen zwischen EU und der Türkei dar. Nach den Worten der Kanzlerin in Ankara solle allerdings jetzt ein weiteres Verhandlungskapitel - das Kapitel zur Regionalpolitik - eröffnet werden. Weitere Fortschritte hängen davon ab, dass die Türkei das Zusatzprotokoll zum Ankara-Abkommen über eine Anerkennung Zyperns umsetzt.

Zusatzprotokoll zum Ankara-Abkommen

Die Türkei hat anlässlich der Unterzeichnung des Zusatzprotokolls zum Ankara-Abkommen am 29. Juli 2005 eine einseitige Erklärung abgegeben. Danach lehnt sie es ab, die Republik Zypern vor einer Gesamtlösung des Zypernproblems im VN-Rahmen anzuerkennen, und auch die Umsetzung des Zusatzprotokolls (besonders die Öffnung von türkischen Häfen und Flughäfen für zyprische Schiffe und Flugzeuge) von der Zustimmung der Republik Zypern zu einem Direkthandel der "Türkischen Republik Nordzypern" mit der EU abhängig macht.

Viele politische Themen angesprochen

Der türkische Ministerpräsident und die Bundeskanzlerin erörterten internationale und bilaterale Themen. Die beiden Regierungschefs sprachen unter anderem über ein geplantes deutsch-türkisches Universitätsprojekt. "Ich freue mich, dass wir Fortschritte bei der deutsch-türkischen Universität machen. Ich hoffe, dass wir zum Herbstsemester 2013/2014 die ersten Vorlesungen haben können", erklärte Merkel.

Die Kanzlerin forderte die Türkei aber auch auf, die Rechte von Religionsgemeinschaften und Journalisten zu achten: "Wir wünschen uns, dass Journalisten frei arbeiten können." Deutschland setze sich auch dafür ein, dass alle Religionsgemeinschaften sich frei betätigen können.

Zum Thema der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK sagte die Bundeskanzlerin: "Alles was in unserer Macht steht, Terrorismus zu bekämpfen, werden wir tun". Im Übrigen werde Deutschland auch alles daran setzen, um von der rechtsextremen Terrorzelle NSU verübten Morde aufzuklären und die Verantwortlichen zu bestrafen.

Türkei ist wichtiger Wirtschaftspartner

Merkel wurde von einer 15-köpfigen hochrangigen Wirtschaftsdelegation begleitet. Sie haben an Gesprächen mit dem türkischen Ministerpräsidenten und einheimischen Unternehmensvertretern teilgenommen. Merkel und Erdoğan waren zudem Gäste bei einem deutsch-türkischen Wirtschaftsforum.

Erdogan betonte die engen wirtschaftlichen Beziehungen beider Staaten. So seien in der Türkei inzwischen etwa 5.000 deutsche Firmen vertreten, die mehr als 350.000 Menschen beschäftigten. Auch in Deutschland gebe es viele türkische Investoren.

Wirtschaftliche Zusammenarbeit

Für Deutschland ist die Türkei einer der wichtigsten Handelspartner außerhalb der EU. Der Bestand deutscher Investitionen in der Türkei beträgt mehr als sieben Milliarden Euro. Das deutsche Interesse an einer Zusammenarbeit beim Ausbau der türkischen Infrastruktur ist groß.
Für Deutschland ist auch die türkische Energiewirtschaft bedeutsam. Im November 2011 ist eine Erklärung zur Energiezusammenarbeit zwischen Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler und dem türkischen Energieminister Taner Yildiz zustande gekommen. Im April 2013 wird ein deutsch-türkisches Energieforum stattfinden. 

Merkel hob die Bedeutung der Bürgerinnen und Bürger hervor: "Insgesamt teile ich die Meinung, dass die Beziehungen zwischen den Menschen Deutschlands und der Türkei - ganz besonders wegen der vielen türkischen Bürgerinnen und Bürger oder der türkischstämmigen deutschen Staatsbürger, die in Deutschland leben - ein ganz wichtiger Teil unserer bilateralen Beziehungen ist." Die Menschen, die in Deutschland leben, seien "eine Brücke zwischen unseren beiden Ländern", so die Kanzlerin.