"Wir werden in Europa vorankommen"

Regierungserklärung "Wir werden in Europa vorankommen"

In ihrer Regierungserklärung zum bevorstehenden EU-Gipfel zeigte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel überzeugt, dass Europa vorankomme. Aber die Probleme der Euro-Krise könnten nicht über Nacht gelöst werden. Die Kanzlerin schlug einen Fonds zur Unterstützung von Reformen in europäischen Partnerländern vor.

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Bundeskanzlerin Merkel bei ihrer Regierungserklärung zum EU-Gipfel im Deutschen Bundestag

Kanzlerin Merkel: Mehr "echte Durchgriffsrechte" der EU in nationale Haushalte

Foto: Bundesregierung/Schacht

"Die Stärkung des Euro ist ein Prozess. Die Konturen einer Stabilitätsunion sind aber bereits deutlich erkennbar", sagte die Kanzlerin. Sie erinnerte daran, dass mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus, dem Fiskalpakt und dem Pakt für Wachstum und Beschäftigung schon wichtige Fortschritte gemacht wurden. Auch die Einführung einer Finanzmarkttransaktionssteuer sei von elf Ländern verabredet.

Fortentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion

Die Überwindung der Krise im Euroraum erfordere aber weitere Maßnahmen. Daher hatten die EU-Staats- und Regierungschefs im Juni Ratspräsident Herman Van Rompuy beauftragt, neue Vorschläge zu machen.

Die Bundeskanzlerin begrüßte die so genannten vier Säulen, die Van Rompuy in seinem Zwischenbericht an den Europäischen Rat (ER) vorschlägt - diese sind:

  • eine stärker integrierte Finanzmarktpolitik,

  • eine stärker integrierte Fiskalpolitik,

  • eine stärker integrierte Wirtschaftspolitik,

  • und eine gestärkte demokratische Legitimation und Kontrolle.

Deutschland für effiziente Bankenaufsicht

Eine integrierte Finanzmarktpolitik erfordere eine effiziente gemeinsame europäische Bankenaufsicht. Deutschland werde sich mit großem Elan dafür einsetzen. Dabei gehe Qualität vor Schnelligkeit. Die Kanzlerin wies auf die komplexen Probleme hin, die dabei zu lösen seien. Auch müsse die Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vorliegen, die die Bankenaufsicht übernehmen soll.

Eine integrierte Fiskalpolitik erfordert nach Auffassung der Kanzlerin eine Stärkung der Europäischen Institutionen. Mit dem Fiskalpakt sei bereits ein Fortschritt erzielt worden. Sie geht davon aus, dass der Vertrag Anfang 2013 in Kraft tritt. Das sei aber noch nicht ausreichend.

Merkel schlägt "echte Durchgriffsrechte" in die nationalen Haushalte vor. Dazu müssten die nationalen Parlamente mit der EU entsprechende Vereinbarungen eingehen.  Eine gemeinsame Haftung für die Staatsschulden lehnt die Kanzlerin weiter ab. Das sei ein ökonomischer Irrweg.

Ausblick auf den Europäischen Rat

Stärkung der wirtschaftspolitischen Koordinierung

Bei der Koordinierung der Wirtschaftspolitik stehe Europa noch am Anfang. Die Koordinierung berühre Kernbereiche nationaler Souveränität, wie beispielsweise bei der Steuer- oder Arbeitsmarktpolitik. Für diese hochsensiblen Fragen müsse man innovative Lösungen finden. Es gehe darum, einen Ausgleich zwischen Eingriffsrechten der EU und dem Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten herzustellen.

Dazu sei selbstverständlich eine Zustimmung der nationalen Parlamente notwendig. Zur Umsetzung von Reformvereinbarungen der Mitgliedstaaten könnten gezielt und projektbezogen finanzielle Anreize gegeben werden. Ein entsprechender Fonds könne sich beispielsweise aus dem Erlös der Finanzmarkttransaktionssteuer speisen und werde ein "neues Element der Solidarität" darstellen.

Mehr demokratische Legitimation und Kontrolle

Mit der Stärkung der europäischen Ebene in der Wirtschafts- und Währungsunion müsse auch eine Stärkung der demokratischen Legitimation und Kontrolle einhergehen, betonte die Kanzlerin. Dazu müssten die Rechte des Europäischen Parlaments gestärkt werden. Wie das im Einzelnen zu regeln sei, müsse diskutiert werden. Grundsätzlich gelte: Jede Entscheidung müsse auf der Ebene legitimiert und kontrolliert werden, auf der sie getroffen werde.

Entscheidungen im Dezember

Der EU-Gipfel am 18. und 19. Oktober treffe noch keine Entscheidungen. Er diene lediglich dazu, die Fragen zu identifizieren, die bis zum Dezember-Rat zu lösen seien. Bei allen noch zu klärenden Fragen zeigte sich die Kanzlerin überzeugt, dass die Staats- und Regierungschefs auf Grundlage ihrer gemeinsamen Überzeugungen zu Fortschritten fähig seien.

Friedensnobelpreis als Ansporn und Verpflichtung

Merkel würdigte die Vergabe des Friedensnobelpreises an die EU als "wunderbare Entscheidung". Sie sei besonders bedeutend, weil sie gerade jetzt "in der Zeit der Krise" komme, sagte Merkel. Das sei Ansporn und Verpflichtung für alle.