Rede von Kulturstaatsministerin Grütters zum Thema "Kunst und Kommerz" im Rahmen der Diskussionsreihe "ZUKUNST! Perspektiven für Kultur und Medien"

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Im Wortlaut Rede von Kulturstaatsministerin Grütters zum Thema "Kunst und Kommerz" im Rahmen der Diskussionsreihe "ZUKUNST! Perspektiven für Kultur und Medien"

In ihrem Eingangsstatement zur Diskussionveranstaltung im Frankfurter Städel Museum stellte die Kulturstaatsministerin die Frage nach den Konflikten und Allianzen, die entstehen, wenn Kunst und Kommerz aufeinandertreffen.

Montag, 20. Mai 2019 in Städel Museum

Herzlich willkommen zur Diskussionsveranstaltung "Kunst und Kommerz" im Rahmen unserer Veranstaltungsreihe "ZUKUNST! Perspektiven für Kultur und Medien" aus Anlass des 20jährigen BKM-Jubiläums. "Kunst und Kommerz" - da rümpft der feingeistige Kulturfreund erst einmal indigniert die Nase. Ist es nicht gerade die Unabhängigkeit von den Kriterien kommerziellen Erfolgs, die Weigerung, sich den Regeln des Marktes zu unterwerfen, die den Künstler von einem - sagen wir - Handwerker unterscheidet? Pablo Picasso hat für dieses Spannungsverhältnis salomonische Worte gefunden: "Ein Maler", so Picasso - "ein Maler ist ein Mann, der malt, was er verkauft. Ein Künstler ist ein Mann, der verkauft, was er malt."

Diese Aussage deckt die Bandbreite der Schönen Künste natürlich nicht annähernd ab. Sie fasst aber recht anschaulich zusammen, dass Kunst und Kommerz sich zumindest nicht ausschließen. Über Konflikte einerseits und Allianzen andererseits, die möglich sind, wenn Kunst und Kommerz, wenn Genialität und Geld aufeinander treffen, wollen wir heute mit Ihnen diskutieren. Ich danke Ihnen, lieber Philipp Demandt, dass wir dieser Diskussion im ehrwürdigen Städel Museum einen inspirierenden Rahmen geben können. Denn hier zeigt sich die Allianz von Kunst und Geld, von Kultur und Bürgersinn von ihrer besten Seite.

Gerade die Geschichte des Städel erinnert ja daran, dass Deutschland seine im europäischen Vergleich einmalige Dichte kultureller Einrichtungen nicht nur einer relativ großzügigen staatlichen Kulturfinanzierung verdankt, sondern auch einer beträchtlichen Zahl wohlhabender Bürgerinnen und Bürger, denen es ein Herzensanliegen war und ist, unserem Staat und unserer Gesellschaft etwas zurück zu geben. Das Städel ist das Vermächtnis eines wohlhabenden Bürgers, Johann Friedrich Städel. Es profitiert bis heute enorm von Stiftungen, Spenden und Schenkungen, und der 2012 eröffnete Erweiterungsbau wurde zur Hälfte aus privaten Spendengeldern finanziert. Gerade in einer Zeit, in der viele Häuser mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen haben - bedingt durch steigende Kosten beispielsweise für Ausleihe, Transport, Versicherung und bedingt auch durch immer anspruchsvollere Vorgaben der Leihgeber - kann man den Wert solch privater Förderung nicht hoch genug einschätzen. So stehen - wie hier im Städel - zahlreiche Fördervereine deutscher Museen landauf landab für im doppelten Wortsinn wertvolle Allianzen privater Sammler und Spender mit der Kunst und Kultur.

Wertvolle, wertstiftende Verbindungen gehen Kunst und Kommerz - um noch ein zweites Beispiel zu nennen - auch in der Kultur- und Kreativwirtschaft ein, die von der Kommerzialisierung kreativer Leistung lebt. Sie liefert mit Ideen - dem vielleicht wichtigsten Wirtschaftsgut in einem rohstoffarmen Land - den immateriellen Rohstoff für Innovationen in allen gesellschaftlichen Bereichen. Hier tragen Künstler und Kreative die Fackel, an der viele andere das Feuer eigener schöpferischer Kraft entzünden - auch wenn man den Wert geistig-schöpferischer Leistung natürlich nicht auf ökonomische Verwertbarkeit reduzieren kann und sollte.

Dass es im Verhältnis zwischen Wert und Verwertbarkeit, zwischen Kultur und Kapital auch zu Konflikten kommen kann, ist evident. Um einen Eindruck davon zu bekommen, reicht es, regelmäßig das Feuilleton zu lesen: Spätestens seit die Tate Britain kein Geld der Familie Sackler mehr annimmt, die ihren Reichtum umstrittenen Schmerzmitteln verdankt, und die Mailänder Scala vor einigen Wochen umstrittene Spendenmillionen aus Saudi Arabien zurück gab, wird (wieder) über die Frage diskutiert, ob schmutziges Geld der Kunst gut tut und ob Kultursponsoring, mit dem Unternehmen ihr ramponiertes Image polieren, nicht am wertvollsten Kapital der Kunst - ihrer Glaubwürdigkeit - zehrt. Angesichts des Hypes um zeitgenössische Kunst und mit Blick auf einen überhitzten Kunstmarkts stellt sich darüber hinaus die Frage, ob möglicherweise das Bewusstsein verloren gegangen ist, dass Kunst einen Wert und einen Preis hat und dass die sorgfältige Unterscheidung zwischen beidem keinesfalls nur eine semantische Spitzfindigkeit ist.

Wie können wir angesichts der Fixierung auf Preise und Profite die Wertschätzung für die Kunst fördern? Was können wir ihrer Degradierung zur Image-Politur, zur Handelsware, zum Spekulationsobjekt entgegen setzen? Welche politischen Rahmenbedingungen brauchen wir, damit Bildende Kunst, Literatur, Musik, Film, Theater und Tanz auch abseits des Mainstreams gedeihen und sich dem Diktat des Marktes, des Zeitgeistes und des Massengeschmacks, also den Kriterien des kommerziellen Erfolgs, widersetzen können? Kunst und Kultur dürfen, sie sollen und müssen ja zuweilen Zumutung sein, und deshalb braucht es Schutz und Förderung, auf dass nicht nur das am leichtesten Kommerzialisierbare gedeiht. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund unserer Geschichte gibt es jedenfalls gute Gründe, Kunst nicht allein dem Markt, der Regulierung durch Angebot und Nachfrage zu überlassen.

Soweit in aller Kürze beispielhaft einige einführende Gedanken zum Verhältnis zwischen Kunst und Kommerz, meine Damen und Herren. Damit ist allenfalls ein grobes Bild unseres heutigen Diskussionsthemas skizziert, in dem andere Perspektiven als die kulturpolitische noch gar nicht berücksichtigt sind - etwa die gleichstellungspolitische Frage, warum Frauen auf dem Kunstmarkt eigentlich immer noch deutlich niedrigere Preise erzielen, warum weibliche Leistungen selbst im 21. Jahrhundert immer noch weniger wert sind als jene von Männern, warum es also diesen offensichtlichen Widerspruch zwischen einem überkommenen, verstaubten Rollenverständnis und dem Selbstverständnis der Kunst als gesellschaftliche Avantgarde gibt. 

Ja, im Verhältnis von Kunst und Kommerz - in den Allianzen, in den Konflikten, in den Widersprüchen - spiegeln sich gesellschaftliche Entwicklungen, die nicht nur für Künstlerinnen und Künstler, für Kunstliebhaber und Kulturvermittler relevant sind, sondern für unser demokratische Selbstverständnis, für die Werte unserer Gesellschaft insgesamt. Deshalb haben wir das Podium - moderiert von Dr. Rose-Maria Gropp, Ressortleiterin Kunstmarkt bei der FAZ - mit Expertinnen und Experten besetzt, deren Expertise aus unterschiedlichen Blickwinkeln ein möglichst differenziertes Bild von der Situation auf dem Kunstmarkt und der Rolle der unterschiedlichen Akteure zeichnen soll.

  • Dr. Philipp Demandt, Direktor des Städel Museums und des Liebighauses und Leiter der Schirn Kunsthalle hier in Frankfurt, gehört zu den profiliertesten Museumsmachern / Museumsexperten in Deutschland.
  • Prof. Karin Kneffel hat sich mit ihren vielfach preisgekrönten Werken und gefeierten Ausstellungen national und international als Künstlerin einen Namen gemacht. Sie gehört zu denen, die ordentliche Preise erzielen … .
  • Markus Eisenbeis hat als Inhaber und Geschäftsführer des Auktionshauses „Van Ham Kunstauktionen“ einen hervorragenden Überblick über die Entwicklungen auf dem Kunstmarkt.
  • Wie diese sich auf unsere Gesellschaft auswirken, kann uns der Kunsthistoriker und Kulturwissenschaftler Prof. Wolfgang Ulrich erklären,  der bis 2015 an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe lehrte und heute als freier Publizist mit einschlägigen Büchern zur Sache tätig ist.

Auf seinen Impulsvortrag freue ich mich mit Blick auf seine interessanten Buchpublikationen der vergangenen Jahre ganz besonders. Ein herzliches Dankeschön Ihnen allen, unseren Podiumsgästen! Lieber Herr Prof. Ullrich, Sie haben das Wort.