Rede von Kulturstaatsministerin Grütters anlässlich der Konferenz "Zukunft gemeinsam entwickeln –Digitale Erweiterung musealer Erlebnisse und Prozesse"

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Im Wortlaut Rede von Kulturstaatsministerin Grütters anlässlich der Konferenz "Zukunft gemeinsam entwickeln –Digitale Erweiterung musealer Erlebnisse und Prozesse"

Im Rahmen des Verbundprojekts museum4punk0 entwickeln die beteiligten Häuser Digitalisierungsstrategien für Museen. " Ich bin begeistert, wie viele herausragende Prototypen so entstanden sind, die andere Museen in Deutschland nachnutzen könnten", erklärte Kulturstaatsministerin Grütters in ihrer Rede.

Dienstag, 27. Oktober 2020 in Berlin

Der Zukunftsforscher Matthias Horx sagte neulich in einem Interview der FAZ: "Das Virus zwingt uns dazu, zu entscheiden, wie wir in Zukunft leben wollen“. Er fordert dazu auf, Positives aus der Krise zu ziehen und "von den Lösungen her" zu denken.

Wenn Künstlerinnen, wenn Kuratoren, Schauspieler oder Tänzerinnen um ihre Existenz bangen, wenn Kulturinstitutionen vorübergehend schließen müssen und in eine ungewisse Zukunft schauen, wenn Medien über immer weiter steigende Fallzahlen berichten – dann fällt es sicherlich schwer, der Krise auch nur irgendetwas Positives abzutrotzen. Dass uns aber in einer zunehmend technisierten Welt gerade ein Mikroorganismus, ein Virus, zum Nachdenken darüber zwingt, was für uns im Leben unverzichtbar ist – das sehe ich als eine echte Chance für Kultur und Gesellschaft. Dazu gehört sicher auch die Frage, wie wir die Digitalisierung sinnvoll gestalten und nutzbar machen wollen.

Kreative zeigen uns hier einmal mehr den Weg.
Wie nie zuvor nutzen Künstlerinnen und Künstler seit Beginn der Pandemie das Internet als kulturellen Veranstaltungsort und versuchen, mit ihren Auftritten im Netz von den "Lösungen her zu denken“. Und es ist schön zu sehen, wie schnell und erfindungsreich auch Museen mit digitalen Formaten ein neues Publikum erreichen. Die Corona-Krise hat der Digitalisierung einen echten Schub gegeben. Die Kontaktbeschränkungen und der Shutdown haben aber auch unter dem viel beschworenen Brennglas gezeigt, wie sehr wir auf physische Nähe, auf direkten Austausch und auf gemeinsame Erlebnisse angewiesen sind. Das Bildschirmerlebnis kann das Gemeinschaftserlebnis jedenfalls nicht ersetzen. Aber die digitalen Medien können – und das durchaus mit großem Gewinn – kulturelle Erlebnisse verbreiten, vermitteln und vertiefen; sie können Menschen miteinander in Kontakt bringen und dazu beitragen, dass wir voneinander lernen und Wissen teilen.

Auf eben diese Stärken der Digitalisierung hat das Pilotprojekt museum4punkt0 von Anfang an gesetzt: mit einer modellhaften Arbeitsstruktur und einer fruchtbaren Verbundarbeit, mit Wissenstransfer und Vernetzung. Ich bin begeistert, wie viele herausragende Prototypen so entstanden sind, die andere Museen in Deutschland nachnutzen könnten. Herzlichen Dank dafür allen Beteiligten, ganz besonders Ihnen, liebe Frau Professor Hagedorn-Saupe von der SPK. Sie steuern das Gesamtprojekt mit großem Engagement und machen damit diese fruchtbare Kooperation erst möglich.

Dass Augmented Reality, Virtual Reality, 3D-Modellierung und intelligente Führungssysteme die Objekte in einem Museum ganz neu zum Sprechen bringen, dass sie den Museumsraum öffnen und das analoge Kunsterlebnis noch vertiefen können – davon waren wir bereits überzeugt, als wir das Pilotprojekt vor drei Jahren ins Leben riefen.

Wie „real“ es sich aber tatsächlich anfühlt, den Lebewesen auf dem Waldboden quasi "auf Augenhöhe" zu begegnen und virtuell auf dem Mond zu landen, oder welche kunstgeschichtlichen Dimensionen des Bildes "Der Kaufmann von Gisze" von Hans Holbein dem Jüngeren mit Hilfe einer Tablet-Anwendung sichtbar werden, das, liebe Projektteilnehmerinnen und Projektteilnehmer, habe ich erst bei der Vorstellung Ihrer ersten Ergebnisse „leibhaftig“ 2018 erfasst. Entsprechend gespannt bin ich auf die Filme, die Sie gleich präsentieren. Ich bin überzeugt: Ihre Ideen werden die Museumslandschaft nicht nur in der Krise, aber ganz besonders jetzt bereichern.

Deshalb freue ich mich auch, dass wir im Rahmen des Programms „Neustart Kultur“ das Projekt um ein Jahr bis Ende 2021 verlängern und mit weiteren
10 Millionen Euro unterstützen können. Die Verlängerung konnten wir vor allem auch deshalb ermöglichen, weil das Projekt für die Digitalisierungsstrategie des Bundes von großer Bedeutung ist. Damit konnte ich sogar den Freak Helge Braun beeindrucken.

Damit unterschiedlichste Anwendungen für die jeweiligen Besuchergruppen und Museen entstehen, waren von Anbeginn große und kleine Museen der Kultur- und Migrationsgeschichte, der Naturkunde, des Brauchtums, des immateriellen Kulturerbes sowie der Technologiegeschichte im Verbund vertreten. Mit der Erhöhung des Etats von 15 auf 25 Millionen Euro können wir nun zehn weitere bislang lediglich assoziierte Partner in den Verbund aufnehmen. Sie haben uns bereits mit innovativen Projektideen überzeugt. Ich bin gespannt, wie Sie das Ideenlabor und das Spektrum an Prototypen erweitern.

Wir dürfen es nicht allein den Tech-Giganten und deren ökonomischen Interessen überlassen, wie wir die Technologie zukünftig nutzen, welches Wissen wir uns digital erschließen und wie wir die Welt um uns herum wahrnehmen. Die digitale Entwicklung ist im Kulturbereich genauso notwendig wie in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, aber wir brauchen eigene Wege und verbindliche Werte, und die können nur gemeinsam im Verbund mit verschiedenen Akteuren erarbeitet werden. Die Kulturwissenschaftlerin und Journalistin Mercedes Bunz schrieb in ihrem Buch "Die stille Revolution": "Die Digitalisierung bietet uns heute die Möglichkeit eine andere Zukunft zu gestalten. Und aus ihr wird, was wir aus ihr machen."

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen weiterhin einen lebendigen Austausch und starke Ideen, um die gesellschaftlichen Debatten über neue Technologien mitzuprägen – und vor allem auch, um die Museen zukunftsfest zu machen.