"Das Geld wird sinnvoll genutzt"

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Interview "Das Geld wird sinnvoll genutzt"

Mit der Süddeutschen Zeitung hat Kulturstaatsministerin Grütters unter anderem über notwendige Anpassungen in der Filmförderung sowie die Stärkung des Kulturortes Kino als auch des Produktionsstandortes Deutschland gesprochen.

  • Interview mit Monika Grütters

SZ: Frau Ministerin, im Februar haben Sie die deutsche Filmszene, die fast vollständig von staatlichen Geldern abhängig ist, in Aufregung versetzt. Die Filmförderung, sagten Sie, müsse „behutsam umgesteuert“ werden...

Grütters: Im Februar werden immer die Geschäftszahlen des vorangegangenen Kinojahres veröffentlicht, und 2018 waren das mitunter schwierige Zahlen. Es gab Einbußen beim Umsatz um rund 15 Prozent und bei den Besucherzahlen ein Minus von knapp 14 Prozent. Zudem gehen aktuell auch nur noch knapp 37 Prozent der Deutschen mindestens einmal pro Jahr ins Kino – vor zehn Jahren waren es noch 45 Prozent. Dabei waren die Fördertöpfe für den Film nie besser gefüllt als heute: 445 Millionen Euro öffentlicher Filmförderung pro Jahr. Deshalb haben mich diese schlechten Zahlen besonders geschmerzt.

SZ: Lassen Sie uns, bevor wir ins Detail gehen, noch einmal grundsätzlich werden. Warum braucht ein Sechs-Millionen-Besucher-Hit wie "Fack Ju Göhte 3", der 2017 an allen US-Blockbustern vorbeigezogen ist, überhaupt Filmförderung? Bund und Länder haben den Film mit 2,6 Millionen Euro Steuergeld subventioniert. Wenn es nicht mal die erfolgreichsten Produzenten alleine schaffen - ist dann nicht etwas faul?

Grütters: Filmproduktion ist ein sehr bewegliches Geschäft. Die Produzenten sind in ihrer Standortwahl völlig frei. Alle Standorte, die Studios und Fachkräfte haben, nehmen wir als Beispiel nur mal Prag, versuchen, erfolgversprechende Filmproduktionen anzulocken. Diese Standorte werben auch mit staatlichen Subventionen, weil sie wissen, dass eine solche Standortförderung im Filmbereich ein relevanter wirtschaftlicher Faktor ist, der Folgeinvestitionen im eigenen Land nach sich zieht. Zudem trägt er dazu bei, dass die einheimische Produktionsinfrastruktur und die Beschäftigten im Filmbereich ausgelastet sind und Know-How im Inland gebunden wird. Und weil auch die deutsche Filmförderung neben dem kulturellen auch den wirtschaftlichen Erfolg im Blick hat, macht es durchaus Sinn, selbst die kommerziell erfolgreichen Filme mit Steuergeldern zu fördern, oder im Fall von "Fack Ju Göhte 3", deren Produktion im eigenen Land zu behalten.

SZ: Der Bund betreibt diese filmwirtschaftliche Standortförderung äußerst konsequent. Wer bestimmte Kriterien erfüllt, bekommt das Geld über den Deutschen Filmförderfonds (DFFF) automatisch, und die abrufbaren Summen wurden 2018, gerade auch für Großproduktionen aus dem Ausland, noch mal deutlich erhöht: von 50 auf 125 Millionen Euro.

Grütters: Ja, weil das für den Filmstandort Deutschland schon rein wirtschaftlich sinnvoll ist. Jeder Euro in der Filmförderung zieht das Sechsfache an Folgeinvestitionen hier nach sich. Das hat, nachdem ich oft mit ihm gesprochen habe, der damalige Finanzminister Wolfgang Schäuble eingesehen. Im Ergebnis hat dann auch der Deutsche Bundestag 2017 schließlich diese eindrucksvolle Erhöhung genehmigt.

SZ: Im vergangenen Jahr ist allerdings etwas Seltsames passiert: Von den 75 Millionen, die Sie im sogenannten DFFF-II-Fonds speziell für internationale Großproduktionen bereitgestellt hatten, wurden etwa 70 Millionen gar nicht abgerufen. Eine Fehlplanung?

Grütters: Im Gegenteil. Finanzierungsinstrumente solcher Größenordnung brauchen immer einen gewissen Vorlauf, weil die internationalen Produzenten auch längerfristig planen, gerade in den USA. Und man muss diese Angebote bekannt machen. Ich war gerade mit meinen Filmexperten in Los Angeles, wir hatten hochrangige Gespräche mit Warner Brothers und Sony. Das ist immer spannend zu hören, wie man dort die Förderlandschaften beurteilt. Wir haben für unseren attraktiven Filmstandort Deutschland noch einmal geworben. Die Mittel für den DFFF II sind ja nicht verfallen, und dass sie im Anlaufjahr noch nicht voll ausgeschöpft werden konnten, hatten wir erwartet.  

SZ: Sie bleiben also auf dem ganzen schönen Steuergeld nicht sitzen?

Grütters: Nein, für das laufende Jahr sieht die Auslastung gut aus. Es gibt zudem noch einen Fonds speziell für die Förderung von High-End-Produktionen, auch Serien, den German Motion Picture Fund (GMPF). In diesem Jahr sind dort eigentlich 15 Millionen drin, aber im aktuellen Serienboom ist wesentlich mehr gefragt. Also haben wir die Spielräume genutzt und Fördersummen umgelenkt. Kurz gesagt: Das Geld wird sinnvoll genutzt.

SZ: Weiß der bayerische Ministerpräsident Markus Söder eigentlich von diesen Summen? Neulich forderte er im Interview mit der SZ eine „nationale Film GmbH“, die alle Töpfe aus Bund und Ländern vereint, um endlich die nötige finanzielle Schlagkraft zu haben. Was sagen Sie dazu?

Grütters: Föderaler Wettbewerb hat uns immer gutgetan. Im besten Fall sorgt er für mehr Vielfalt. Der Wettbewerb stimuliert, wenn die Hamburger auf die Münchner gucken und die Münchner auf die Berliner und so weiter. Diese regionalen Angebote sorgen dafür, dass Deutschland flächendeckend eben doch das reichhaltigste Kulturangebot hat - auch im Vergleich zu zentralistischen Systemen wie in Frankreich. Insofern gibt es kein Interesse daran, Fördermechanismen in ihrer Gesamtheit zusammenzuführen. Über die Bündelung einzelner Förderbereiche und eine noch weitergehende Harmonisierung sollten wir allerdings auch mit den Ländern weiter nachdenken. Das hat auch der intensive Austausch mit der Branche gezeigt.

SZ: Wäre es denn überhaupt machbar?

Grütters: Wenn Ministerpräsident Söder bei dieser Harmonisierung vorangehen will, müsste er als erstes seinen eigenen Fördergrundsatz ändern, dass bayerisches Geld unbedingt in Bayern ausgegeben werden muss. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er mit dieser Idee Erfolg hätte.

SZ: Wenn man über Millionenbudgets, über Studios und Produktionsstandorte spricht, bekommt die große Mehrheit der deutschen Filmschaffenden allerdings Hassgefühle. Weil sie sich als Filmkünstler verstehen und das Gefühl haben, dass sie um jeden Cent Förderung erbittert kämpfen müssen.

Grütters: Hass erlebe ich nicht, sondern eher Konkurrenz und Wettbewerb - und das finde ich nicht falsch.

SZ: Aber es schimpft doch jeder!

Grütters: Das ist sicher auch mal der Fall, aber derartige Debatten stimulieren doch im Übrigen auch. Richtig ist aber, dass man Position beziehen muss, und das tue ich sehr energisch. Gerade haben wir von der wirtschaftlichen Filmförderung gesprochen – was mir aber persönlich mindestens ebenso wichtig ist, ist die Förderung des Films als Kulturgut. Eine meiner ersten Amtshandlungen für den Film war es, die dezidiert kulturelle Filmförderung um 15 Millionen auf insgesamt 28 Millionen zu erhöhen. Diese Förderung gibt es nicht automatisch, sie wird kuratiert. Damit fördern wir Experimente, Dokumentarfilme, Kurzfilme, aber auch anspruchsvolle Arthouse-Filme – also Filmformate, die unbedingt nötig sind, um das gesamte Filmschaffen wach zu halten, innovativ zu bleiben, um Dinge zu tun, von denen Künstler überzeugt sind, sie unbedingt machen müssen. Diese Filme müssen nicht jedem gefallen, sie dürfen eine Zumutung sein, anstrengend, sperrig. Denn nur so entsteht Fortschritt, nur so, mit kritischen Positionen, halten wir unsere Demokratie wach.

SZ: Von der Gegenseite gibt es ein böses Argument gegen die kulturelle Filmförderung. Sehr häufig erfolgt sie in Form von Darlehen, die von der Logik her irgendwann zurückgezahlt werden sollen. Die Rückzahlquote liegt aber je nach Jahrgang bei zwei bis fünf Prozent. Was dann für das totale Versagen des Systems spräche...

Grütters: Wer so etwas sagt, stößt bei mir auf entschiedenen Widerspruch! Wir müssen uns lösen von der Idee, dass nur Filme „erfolgreich“ sind, die viele Besucher an der Kasse generieren. Filme sind auch erfolgreich, wenn sie einfach erstklassig gut sind und auf internationale Festivals eingeladen werden, oder wenn sie schwierige Themen auf ergreifende Weise behandeln, wie zum Beispiel „Systemsprenger“ von Nora Fingscheidt, den wir mit unserer kulturellen Filmförderung ermöglicht haben. Der lief im Februar im Berlinale-Wettbewerb und hat einen Silbernen Bären gewonnen, ein Erstlingswerk! Logischerweise zielt ein solcher Film nicht auf ein Millionenpublikum – aber wenn die kulturelle Förderung gelegentlich derartige Filme ermöglicht, hat sie ihren Sinn voll und ganz erfüllt. Es darf hier nicht nur um Rückzahlquoten gehen!

SZ: Aber sollte man diesen Darlehensgedanken dann nicht einfach abschaffen? In anderen Künsten gibt es das doch auch nicht, dass man die Macher immer wieder damit quält. Warum sagt man nicht ehrlich: Ein Großteil des kulturellen Filmschaffens ist nicht wirtschaftlich gedacht, es wird sich auch nicht refinanzieren, aber wir wollen es trotzdem.

Grütters: Da haben Sie Recht! Und bei der kulturellen Filmförderung meines Ministeriums gibt es ja auch keine Darlehen, sondern nicht rückzahlbare Zuschüsse. Wir haben sogar eine Bestimmung, dass wir Filme bis zu achtzig, in Ausnahmefällen sogar mal bis hundert Prozent finanzieren können, damit die Filmemacher im Fall der Fälle bei künstlerisch besonders herausragenden Projekten vom Fördertourismus befreit sind, oder vom Einfluss der Fernsehanstalten, die ja auch inhaltlich mitreden wollen. All diese Hindernisse wollen wir ausklammern. Denn nur so wird der Film zum Innovativmotor, zum kritischen Korrektiv, noch dazu auf besonders sinnliche Art. Das hat eine gesamtgesellschaftliche Bedeutung, die wir höher einstufen als ein Wirtschaftsprodukt.

SZ: Jetzt gibt es aber auch Köpfe wie den Münchner Regisseur Klaus Lemke, der nie Filmförderungen annimmt und die ganze Idee als „Papas Staatskino“ verhöhnt. Man muss die ganze Filmförderung platt machen, fordert er - und in wenigen Jahren wäre der deutsche Film auch künstlerisch Weltspitze. Was sagen Sie dazu?

Grütters: …dass ich kühne Denker wie Klaus Lemke klasse finde. Nein, im Ernst! Also ich finde das Selbstbewusstsein solcher Künstler und ihren unbedingten Willen, ihre Sicht auf die Welt zu verbreiten, gut.

SZ: Netflix und andere Streamingdienste machen dem Kino immer stärker Konkurrenz. Sehen Sie da Gefahren?

 Grütters: Ja, ich sehe die Gefahren, aber ich glaube auch, dass wir ihnen im Moment ganz gut begegnen. Kinobetreiber waren in meinen Gesprächen natürlich auch dabei, und es wurde deutlich, dass insbesondere jenseits der Ballungsräume eine gewisse Not herrscht. Diese Einladung, sich zu Hause einen brandneuen Film auf dem Sofa anzugucken, ist ja auch verführerisch. Wahrscheinlich macht das jeder gelegentlich. Aber wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass diese Streamingangebote den Appetit auf das große Kinoerlebnis eher noch stimulieren. Das muss sich also nicht ausschließen.

SZ: Aber was muss dafür passieren?

Grütters: Es setzt voraus, dass die Kinos als Ort attraktiv bleiben, also auch in der Technik, im Ambiente. Und deshalb versuchen wir, am Kulturort Kino anzusetzen mit einem Soforthilfeprogramm in diesem Jahr, das neue Elemente im Visier hat: Marketing, digitale Kundenbindung, Begleitprogramm usw. Es ist mit fünf Millionen Euro dotiert. Und im nächsten Jahr gibt es ein noch viel größeres Angebot, nämlich bis zu 17 Millionen vom Bund. Aus anderen Quellen, zum Beispiel von den Ländern, soll noch mal dasselbe kommen. Das würde am Ende mehr als 30 Millionen Euro für Kinos in Deutschland bedeuten, die zur Verfügung stehen, um diese kulturellen Orte, an denen wichtige gesellschaftliche Themen verhandelt werden, zu erhalten und attraktiv zu machen. Und damit ist mehr als nur ein neuer Anstrich der Fassade gemeint. Das ist natürlich eine, wie ich zugebe, ziemlich plakative Reaktion auf das Thema Streaming. Das andere Feld, auf dem wir reagieren sollten, ist die Förderstruktur.

SZ: In welcher Form?

Grütters: Was wir in diesem Sommer aber geschafft haben: Wir konnten Netflix und andere Video-on-Demand-Anbieter endlich dazu bringen, dass sie ihrer seit Jahren statuierten gesetzlichen Pflicht nachkommen, die Filmabgabe zu bezahlen, die dann wieder in die Filmförderung fließt. Die Filmabgabe nach dem FFG müssen alle entrichten, die vom deutschen Kinofilm profitieren wollen. Das war ein großer Erfolg, es war harte Arbeit, und es hat ja auch mehrere Jahre gedauert.

SZ: Sind Sie immer noch der Meinung, dass Netflix-Filme nicht im Wettbewerb der Berlinale laufen dürfen, wenn sie nicht auch ins Kino kommen...

Grütters: Ja, das ist eine laufende Debatte, die vor zwei Jahren in Cannes losgetreten wurde. Im Februar hat sie sich auch hier auf der Berlinale abgespielt, weil der Film „Elisa & Marcela“ im Wettbewerb lief. Er sollte für ein paar Wochen im spanischen Kino verwertet werden und brachte deshalb die formale Voraussetzung mit, um im Berlinale-Wettbewerb gezeigt zu werden. Am Ende, das ist gerade letzte Woche bekannt geworden, hat das gar nicht gestimmt, er lief nicht in den spanischen Kinos. Und wenn die Gefahr besteht, dass die Kinoauswertung später untergraben werden könnte, muss man bei Festivals im Wettbewerb, wie ich finde, strengere Kriterien anlegen. Ich persönlich meine daher, dass der Berlinale-Wettbewerb Filmen vorbehalten sein muss, die im Kino ausgewertet werden, bevor sie im Streaming gezeigt werden, bei allem Respekt dafür, was Netflix auch für eine künstlerische Klasse entwickelt hat. Ich will den neuen Berlinale-Chefs, Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian, das aber nicht vorschreiben. Sie haben natürlich alle Freiheiten für ihr Programm. 

SZ: Bisher zeigt Netflix sich nicht sehr kompromissbereit.

Grütters: Das stimmt leider und gilt insbesondere mit Blick auf die im deutschen Filmfördersystem geltenden Sperrfristen. Wir haben auch, um mal ein Beispiel zu nennen, mit dem Regisseur Duncan Jones, dem Sohn von David Bowie, lange verhandelt. Der wollte seine Netflix-Produktion „Mute“ in Babelsberg drehen, weil das ja auch naheliegend war, sich auf den Spuren seines Vaters von Berlin inspirieren zu lassen. Wir sind Netflix weit entgegengekommen, was die Kino-Auswertung anging, die nun einmal eine maßgebliche Grundlage unserer Filmförderlogik ist. Am Ende hat sich Netflix leider nicht auf diese Bedingungen eingelassen.

SZ: Heißt das, die Filmförderung muss flexibler werden, was Vorschriften für die Auswertung betrifft? Also in Bezug auf das Sechs-Monats-Fenster, in dem ein Film den Kinos bisher exklusiv gehört?

Grütters: Das ist ein ganz heißes Eisen, und das wissen wir auch. Wir wollen ja das Kino als exklusiven Auswertungsort stärken und unterstützen. Das ist ein Leitgedanke der deutschen Filmförderung. Andererseits wissen wir, dass hochwertige Serien, und das, was in Streamingdiensten angeboten wird, auf jeden Fall grundsätzlich förderwürdig ist. Das sind schließlich künstlerisch oft sehr anspruchsvolle Werke. Und man darf nicht vergessen, dass die Künstler, die daran beteiligt sind, also deutsche Regisseure und Schauspieler, damit ein millionenfaches Publikum erreichen. Das wird oft unterschätzt. Wir zählen immer nur die Tickets an der Kinokasse. Aber die millionenfache Verbreitung im Streaming-Dienst hat ja auch gerade für Schauspieler, die ihr Gesicht und ihr Können vermarkten müssen, einen sehr hohen Wert. Die Produktionen sind häufig gut. Außerdem ändert sich das Zuschauerverhalten. Kurz gesagt, wir müssen in der Fördersystematik flexibler werden. Das ist ein Topthema.

SZ: In Bayern hat Ministerpräsident Markus Söder angekündigt, er wolle das Münchner Filmfest zur ersthaften Konkurrenz für die Berlinale machen, es sogar auf Augenhöhe mit Venedig oder Cannes heben. Die Berlinale ist das Filmfestival des Bundes, also Ihr Ding. Lachen Sie ihn aus?

Grütters: Nein, ich finde es erst einmal sehr gut, wenn die Bayern ehrgeizig sind und ihr Festival so stark ausbauen wollen. Das tut uns Deutschen gut, das verträgt München auch. Das Filmfest München ist ja mit Sicherheit das sichtbarste nach der Berlinale. Allerdings, das wissen Sie auch, spielt die Berlinale in einer völlig anderen Liga. Unter den sogenannten A-Festivals ist die Berlinale weltweit das größte Publikumsfestival, und sie wird diesen Charakter natürlich verteidigen. Das muss der Bund unterstützen, und tut das auch. Wir haben das Berlinale-Budget in den vergangenen Jahren mehrfach erhöht, insgesamt um mehr als eine Million Euro.

SZ: Söder fordert aber auch, dass der Bund – also Sie – sich beim Münchner Filmfest endlich finanziell engagieren müssten.

Grütters: Viele Länder wollen immer wieder, dass der Bund ihnen hilft. Aber mit der Berlinale haben wir ein national bedeutsames, internationales Filmfestival, das wir folgerichtig finanzieren. Darüber hinaus engagiert sich der Bund aus gutem Grunde nur bei ganz wenigen anderen, national relevanten deutschen Festivals. Das sind zum Beispiel der Max-Ophüls-Preis in Saarbrücken für die Nachwuchsförderung, die Kurzfilmfestivals in Oberhausen und Dresden, das Dokumentarfilm-Festival in Leipzig, und zwei Kinderfilm-Festivals. Alle anderen Filmfeste fallen in die Kulturhoheit der Länder. Und da können und werden wir sicher nicht noch in andere Festivals einsteigen, auch nicht in München.

SZ: In den vergangenen Wochen haben Sie Filmschaffende in Ihr Ministerium eingeladen, mit der Frage, was man anders machen könnte. Was kam dabei heraus?

Grütters: Es gab drei große Gesprächsrunden mit Vertretern aus allen Bereichen der Filmbranche, jeweils rund zwanzig Fachleute für jeweils mehrere Stunden. Da sind einige Wünsche, Ideen, Probleme und Kritikpunkte zusammengekommen. Die Rückmeldungen sind dabei genauso vielfältig und so differenziert wie das Filmschaffen selbst.

SZ: Das kennt man ja bei diesem Thema. Alle sind unzufrieden, alle beklagen sich, und wenn es zur Sache geht, verheddert man sich hoffnungslos in den Details.

Grütters: Ganz so habe ich das nicht empfunden. Es gibt aber jedenfalls nicht den einen Ausweg aus dieser tatsächlichen oder vermeintlichen Krise. Aber es gibt schon die Wahrnehmung, dass sich auch in den bewährten Strukturen etwas ändern sollte.

 SZ: Zum Beispiel? Dass sehr viel Geld schon da ist, sagen Sie ja selbst.

Grütters: Produzenten verfolgen oftmals nicht nur ein Projekt, sondern entwickeln ständig neue Ideen. Hierfür brauchen sie auch finanzielle und gestalterische Freiräume, weil so eine Entwicklungsphase über zwei, drei, vier Jahre läuft. Wir werden prüfen, welche Maßnahmen hier sinnvoll sein könnten. Etwas Anderes wurde auch noch klar: Im Kino-Marketing und in der digitalen Kundenbindung gibt es Defizite und einen Mangel an kompetenten Kräften. Da sollten Instrumente geschaffen werden, um diese Bereiche zu stärken, zum Teil schon in der Ausbildung an den Filmhochschulen.

Das Interview für die Süddeutsche Zeitung führte Tobias Kniebe.