Rede von Kulturstaatsministerin Roth zur Haushaltsdebatte im Bundestag am 23. März

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− Es gilt das gesprochene Wort −

Krieg herrscht in Europa. Menschen werden getötet, werden verletzt, Menschen müssen fliehen, Familien werden zerrissen, Existenzen zerstört. 

Dahinter tritt alles zurück, wirkt alles andere klein und unbedeutend. Doch gerade jetzt, in dieser Situation, müssen wir uns auf das besinnen, was wir mit unseren Mitteln tun können, um zu helfen, wo wir helfen können. 

Und gerade jetzt geht es darum, unser demokratisches Modell, unsere so wertvolle Kultur der Demokratie zu stärken und zu verteidigen. Und deswegen ist Kulturpolitik auch Sicherheitspolitik.

Dieser Krieg zerstört nicht nur das Leben von Millionen Menschen, er zerstört auch ukrainische Kulturgüter. Er macht ukrainische Künstlerinnen und Künstler und Journalisten und Journalistinnen, die sich mit großem Einsatz für eine demokratische Entwicklung in der Ukraine stark gemacht haben, zu Verfolgten und zu Vertriebenen. 
Bedroht sind aber auch viele russische Künstlerinnen, Journalisten und Wissenschaftlerinnen, die für die letzten Freiräume gekämpft haben und nun auf der Flucht vor dem Putin-Regime sind.

Deswegen sage ich: Wenn wir es ernst meinen mit den Werten, die für alle Menschen gelten, wenn wir die Freiheit der Meinungen, der Kunst, der Kultur verteidigen wollen, dann unterstützen wir jetzt alle diejenigen, die für diese Werte eintreten. Dann wehren wir uns gegen eine nationalistische Instrumentalisierung von Kultur, dann widerstehen wir Versuchen von Kulturboykotten und öffnen unser Land für die, die heute auf der Flucht vor Kriegstreibern, vor Autokraten und verbrecherischen Regimen sind! 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
das werden wir nur gemeinsam schaffen, ressortübergreifend, in Zusammenarbeit mit Bund und Ländern, zwischen Innen und Außen und nicht zuletzt zwischen Regierung und Parlament. Kultur- und Medienpolitik sollten wir heute mehr denn je gemeinsam angehen. Und ich darf mich an dieser Stelle ganz besonders bei Annalena Baerbock, aber auch allen Landesministerinnen und -ministern und Kultureinrichtungen für diese Zusammenarbeit bedanken. 

Wir haben, in einem ersten Schritt, in meinem Haus eine Schnittstelle eingerichtet, eine „Task force“, die Innen und Außen, Zivilgesellschaft und Länder verbindet. Gemeinsam organisieren wir Hilfe und Aufnahmeprogramme für KünstlerInnen und JournalistInnen, wir unterstützen aufnahmebereite Kultureinrichtungen und koordinieren Ad hoc-Maßnahmen zur Rettung von Kulturgütern. 

Ein Thema liegt mir dabei besonders am Herzen und deswegen haben wir als Bundesregierung es auch auf die Agenda der G7 gesetzt: Wir müssen das demokratische Gesellschaftsmodell verteidigen und stärken und das heißt, uns um die Meinungsfreiheit und die Meinungsvielfalt kümmern, um unabhängige Medien, die seriös und die verlässlich informieren. Bei uns, aber auch in Europa und im globalen Rahmen und heute ganz besonders mit Blick auf den Angriffskrieg gegen die Ukraine. Gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt, der Schöpflin- und der Augstein-Stiftung, mit Reporter ohne Grenzen und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen wollen wir Arbeits- und Aufnahmemöglichkeiten für bedrohte Journalistinnen und Journalisten schaffen. 

Liebe Demokratinnen und Demokraten,
ich bin überzeugt: Kultur lebt im öffentlichen Raum und der öffentliche Raum lebt von ihr. Kultur ist ein Lebenselixier für unsere Demokratie. Und deswegen ist Kulturpolitik auch Gesellschaftspolitik. Und die müssen wir gerade nach der Pandemie stärken. Wir müssen gerade jetzt dafür sorgen, dass sie ihre Kräfte entfalten kann. Und was für Kräfte sie entfalten kann und wie stark ihre Stimme ist, das haben wir doch erst letzten Sonntag gesehen – beim Sound of Peace, hier in Berlin am Brandenburger Tor.

Doch diese Kraft, sie funktioniert nicht, indem wir nur Fördermittel ausreichen und einzelne, herausgehobene Institutionen bedenken. Wir wollen die Kultur als einen offenen Raum begreifen, in dem wir Ideen, Projekte, Visionen fördern und unterstützen und in dem wir es ermöglichen, dass Menschen angstfrei ihre Stimme erheben können. Diese Freiheit von Kunst und Kultur, ihre Widerständigkeit und Verschiedenheit, genau das brauchen wir wie die Luft zum Atmen.

Deshalb habe ich gesagt, dass ich die Kulturstaatsministerin der Demokratie sein will. Weil ich für die Kulturpolitik einer offenen Gesellschaft stehe, sage ich: Eine offene Gesellschaft unterschiedlichster, auch widerstreitender Ideen und Ausdrucksformen gedeiht nur, wenn sie Gegensätze aushalten, Leidenschaften ertragen und Freiheit gewähren kann.

Dafür brauchen wir Mittel und deshalb bin ich froh, dass das Bundeskabinett den zweiten Regierungsentwurf für den Haushalt 2022 beschlossen und den Etat für Kultur und Medien auf insgesamt 2,14 Milliarden Euro erhöht hat, das ist eine Steigerung von zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. 

Und ich bin zufrieden, dass wir mit diesem Haushaltsentwurf Impulse setzen können, die wirklich in unserem Sinne wirken werden und dafür möchte ich auch hier für diesen Entwurf werben.

Diese Mittel sind gut angelegt. Für die Kreativität unserer Gesellschaft, indem wir gemeinsam mit Robert Habecks Ministerium das Thema Kreativwirtschaft stärken und ressortübergreifend gemeinsam fördern wollen. 
Für die Vielfalt und Demokratie in unserer Gesellschaft, indem wir zusätzliche Mittel gegen Rechtsextremismus und Rassismus bereitstellen, indem wir uns der Aufarbeitung des Kolonialismus energisch widmen und neue Mittel vor allem für die gemeinsame kulturelle Zukunft mit Afrika und den Ländern des Globalen Südens zur Verfügung stellen wollen. Und vor allem: indem wir Nachhaltigkeit und Klimapolitik zu einem zentralen Thema machen. Mit dem Sektorvorhaben Green Shooting für die Filmwirtschaft haben wir begonnen. Und wir werden jetzt in einer eigenen Arbeitseinheit „Kultur und Nachhaltigkeit“ über alle Sektoren hinaus verstärken und am Aufbau des Green Culture Desk arbeiten, den wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben.

Freiheit, Vielfalt und Nachhaltigkeit, das sind die Themen, die uns den Weg nach vorn in die Zukunft weisen sollen. Wir werden sie gemeinsam anpacken und die Kulturpolitik für eine Koalition des Aufbruchs gestalten.

All das will ich in einem „Plenum der Kultur“ in enger Zusammenarbeit, in Abstimmung mit allen erreichen, die in der Kultur und für die Kultur wirken: Künstlerinnen und Künstler, Kultureinrichtungen, Bund, Länder, Kommunen und Zivilgesellschaft. Ich will gemeinsam mit Ihnen die Kräfte von Kunst und Kultur weiter entfesseln. Und ich freue mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich Sie in großer Mehrheit an meiner Seite weiß.