Europäische Drohnen entwickeln

  • Bundesregierung ⏐ Startseite
  • Schwerpunkte

  • Themen   

  • Bundeskanzler

  • Bundesregierung

  • Aktuelles

  • Mediathek

  • Service

Im Wortlaut: von der Leyen Europäische Drohnen entwickeln

Die Bundesverteidigungsministerin will gemeinsam mit den politisch Beteiligten Regeln zum Einsatz von Kampfdrohnen erarbeiten. Ob die Flugkörper bewaffnet oder unbewaffnet seien, hänge stets vom konkreten Parlamentsmandat ab, betonte die Ministerin im Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

  • Interview mit Ursula von der Leyen
  • Sueddeutsche Zeitung
Ursula von der Leyen, Bundesministerin der Verteidigung (BMVg).

Ursula von der Leyen setzt auf Deeskalation.

Foto: Bundesregierung/Kugler

Das Interview im Wortlaut:

Süddeutsche Zeitung (SZ): Frau Ministerin, Sie haben gut zu tun: Sie müssen den Verbündeten erklären, wo Deutschland international Verantwortung übernehmen will, den Rüstungssektor auf Vordermann bringen und die Bundeswehr reformieren. Haben Sie im Dezember geahnt, was mit dem neuen Amt auf Sie zukommt?

Ursula von der Leyen: Dass es eine große Herausforderung würde, das war mir klar. In meinen beiden vorherigen Ministerämtern habe ich allerdings die Erfahrung gemacht, dass man nie ganz genau weiß, worauf man sich einlässt. Die Grundbereitschaft muss da sein, aber man lernt erst im Lauf der Zeit, wo die Klippen liegen.

SZ: Eine der Klippen trägt den Namen Kampfdrohne. Warum sind Sie der Frage, ob die Bundeswehr sie bekommen soll, seit Amtsantritt ausgewichen?

von der Leyen: Mir war wichtig, dass die Regierungspartner, also Union und SPD, eine gemeinsame Position finden. Für diesen Findungsprozess braucht es Zeit, die man einer neuen Regierung auch zugestehen muss. Sie dürfen nicht vergessen, dass wir uns speziell bei diesem Thema noch im vergangenen Jahr als Opposition und Regierung gegenübergestanden haben. Deswegen hatten Union und SPD ja auch von Anfang an festgelegt, dass es erst eine breite Debatte zum Thema Drohnen geben muss.

SZ: War es nicht einfach so, dass Ihnen klar war, wie unpopulär das Thema ist?

von der Leyen: Natürlich war mir auch das klar. Zu meinem Verständnis von Kommunikation gehört es aber, Debatten auch dann auszubreiten, wenn sie anstrengend und schmerzhaft sind. Nur so können die Zwischentöne überhaupt hörbar werden. Wenn man ein Thema geräuschlos wegentscheidet, bekommen Sie keine Diskussion. Die ist bei diesem sensiblen Thema aber zwingend geboten.

SZ: Am Montag gab es im Bundestag eine Anhörung zum Thema Kampfdrohnen. Die Opposition sprach von einer Farce, weil Sie sich Ihre Meinung ohnehin längst gebildet hätten. Stimmt doch, oder?

von der Leyen: Ich habe das als eine enorm ernsthafte Debatte empfunden, die auch die verschiedenen Abwägungspunkte noch mal dargelegt hat, zum Beispiel die gesamte völkerrechtliche Dimension. Außerdem fand ich noch einmal interessant, die Extremposition der Gegner aufgezeigt zu bekommen, die von der autonomen Killerdrohne sprechen. Um die geht es aber gar nicht. Es geht um die Frage, was wir mit einer bewaffnungsfähigen Drohne für den Schutz der Soldatinnen und Soldaten leisten. Und wie wir glasklare Regeln definieren, wann und wie diese Drohne eingesetzt werden darf.

SZ: Ist der Koalitionsvertrag beim Thema Drohne zu weich?

von der Leyen: Der Koalitionsvertrag umschreibt den Rahmen. Mehr kann er auch gar nicht leisten, man kann schließlich nie in die Zukunft sehen. Wer hätte denn geahnt, wie die sicherheitspolitische Lage sich verändern würde, nachdem wir ihn ausgehandelt hatten?

SZ: Was hat das mit der Drohne zu tun?

von der Leyen: Wir haben in den vergangenen Monaten wieder vor Augen geführt bekommen, dass das Gefühl von Sicherheit immer nur eine Momentaufnahme ist. Die Konflikte in Afrika über den Krisenbogen im Nahen und Mittleren Osten bis hin zu Isis im Irak und der Entwicklung in der Ukraine zeigen uns leider, dass eine friedliche Welt keine Selbstverständlichkeit ist. Es ist enorm schwer vorauszusehen, wo sich neue Konfliktherde auf der Welt ausbreiten und erweitern. Deswegen müssen wir zum einen noch mehr dafür tun, dass Konflikte gar nicht erst entstehen. Da sind auch Diplomatie und wirtschaftliche Zusammenarbeit gefragt. Wir müssen zum anderen für den Fall, dass irgendwann nur noch militärisches Eingreifen im Bündnis Katastrophen verhindern kann, im Blick behalten, dass die Soldatinnen und Soldaten, die wir in Einsätze schicken, den optimalen Schutz erhalten.

SZ: Das heißt, die Bundeswehr soll bewaffnete Drohnen bekommen?

von der Leyen: Ich bin der Überzeugung, dass wir in die Entwicklung einer europäischen bewaffnungsfähigen Drohne einsteigen müssen. Für ein solches Projekt, das mindestens ein Jahrzehnt dauert, werden wir nun Partner suchen. Europa braucht die Fähigkeiten einer Aufklärungsdrohne, um auf die Dauer nicht von anderen abhängig zu sein. Mir ist durch die NSA-Affäre noch einmal klar geworden, was es bedeutet, wenn man vor zehn bis 15 Jahren technologische Entwicklungen verschlafen hat und heute voller Bitterkeit feststellt, wie abhängig man von anderen ist. Europa braucht die Technologie einer Aufklärungsdrohne übrigens nicht nur unter militärischen Gesichtspunkten, sondern vor allem für die zivilen Möglichkeiten, die dahinterstecken.

SZ: Sie sprachen aber gerade von einer bewaffnungsfähigen Drohne.

von der Leyen: Das ist der militärische Aspekt. Für die Entwicklung einer Drohne ohne Bewaffnungsfähigkeit würden wir auch gar keine europäischen Partner finden. Ob eine Drohne dann im Einzelfall bewaffnet oder unbewaffnet eingesetzt wird, würde stets vom konkreten Einsatz und dem entsprechenden Mandat des Bundestags abhängen. Das heißt auch, dass jederzeit die Kontrollmöglichkeit des Parlaments gegeben ist.

SZ: In Mandaten für Bundeswehreinsätze steht bislang auch nicht drin, ob Panzerhaubitzen oder Kampfhubschrauber eingesetzt werden. Sollen die Abgeordneten über die Ausrüstung entscheiden?

von der Leyen: Nein. Aber sie entscheiden zum Beispiel heute schon darüber, ob Luftnahunterstützung zum Schutz der Truppe am Boden zulässig ist oder nicht. Der Bundestag entscheidet nicht nur, ob deutsche Soldaten in einen Einsatz gehen, sondern setzt auch den Rahmen, nach welchen Regeln sie kämpfen dürfen und was nicht gestattet ist. Daran orientieren sich die Waffensysteme. Und wie zum Beispiel ein Hubschrauber kann auch eine Drohne bewaffnet sein oder nicht. Das funktioniert seit Jahren.

SZ: Wie überbrücken Sie die Zeit, bis die europäische Drohne entwickelt ist?

von der Leyen: Der Isaf-Kampfeinsatz in Afghanistan geht zu Ende. Dort haben wir gute Erfahrungen damit gemacht, eine Drohne zu leasen. Die ist jeden Tag im Einsatz gewesen, wohlgemerkt als reine Aufklärungsdrohne. Eine solche Lösung hat sich bewährt. Sie hat den Vorteil, dass man hierzulande keine eigene Zulassung braucht. Wir könnten jederzeit flexibel darauf reagieren, was künftige Einsätze von uns verlangen. Und da die neueren Modelle ohnehin bewaffnungsfähig sind, stünde uns damit künftig nicht nur die dringend benötigte Aufklärungsdrohne zur Verfügung. Für den heute noch nicht absehbaren Fall eines erneuten Kampfeinsatzes hätte das Parlament die Option, mit dem Mandat und auf den konkreten Fall bezogen auch die Frage der Bewaffnung der Drohne zum Schutz der entsandten Truppen zu entscheiden.

SZ: Also könnte noch in dieser Legislaturperiode eine bewaffnete Drohne zum Einsatz kommen?

von der Leyen: Das ist heute überhaupt nicht absehbar. Die Konflikte dieser Welt richten sich nicht an den Legislaturperioden des deutschen Bundestags aus.

SZ: Eine Sorge der Kritiker ist, dass die Drohne als Angriffswaffe eingesetzt wird, man also schneller zuschlagen kann, weil man keine Bodentruppen braucht.

von der Leyen: Dazu kann der Bundestag in seinen Mandaten ein enges Regelwerk aufstellen. Die Parlamentsarmee Bundeswehr hat in den vergangenen Jahrzehnten bewiesen, dass sie sich an diese Einsatzregeln mit großer Besonnenheit und Genauigkeit hält.

SZ: Warum kaufen Sie keine Drohnen?

von der Leyen: Das ist nicht entschieden. Aber wir haben mit dem Leasing in Afghanistan gute Erfahrungen gemacht. Nun läuft der Einsatz dort aus, und tatsächlich zeichnet sich im Augenblick kein neuer Einsatz ab, bei dem wir Drohnen brauchen. Mit einer Leasingoption wären wir in der Lage, flexibel auf Herausforderungen zu reagieren. Außerdem hätten wir so stets modernes Material zur Verfügung.

SZ: Aber wie sollen die Soldaten mit den Drohnen üben, wenn die erst wieder für den nächsten Einsatz geleast werden?

von der Leyen: So wie heute auch könnte das Training außerhalb von Deutschland stattfinden.

SZ: Also in Israel, wo die in Afghanistan genutzte Heron und das Nachfolgemodell Heron TP hergestellt werden?

von der Leyen: Ich werde mich hier nicht zu irgendeiner Herstellerpräferenz äußern.

SZ: Die SPD sieht bewaffnete Drohnen sehr kritisch. Ist Ihre Position abgestimmt?

von der Leyen: Wir sind seit Wochen in guten Gesprächen. Noch mal, ob bewaffnet oder unbewaffnet hängt immer vom konkreten Parlamentsmandat ab. Die Verbindung aus dem flexiblen Überbrückungsmodell und der langfristigen europäischen Entwicklung wird von uns gemeinsam getragen und ist auch schon im Koalitionsvertrag vorgezeichnet.

SZ: Es gibt noch andere Rüstungsprojekte, manche davon sehr problematisch. Warum ist der Posten des zuständigen Staatssekretärs seit Februar unbesetzt?

von der Leyen: Der Generalinspekteur hat die Position mit übernommen. Erstens habe ich enorme Expertise hier im Haus. Zweitens habe ich Zeit gebraucht, um jemanden zu finden, der die Anforderungen erfüllt. Mir war wichtig, jemanden auszuwählen, der erfahren im Management von Großprojekten ist und sowohl die Eigenarten der Industrie kennt als auch die Art, wie der politische Raum in Berlin arbeitet und wie öffentliche Verwaltung funktioniert.

SZ: Nun glauben Sie, diese Person gefunden zu haben. Sie heißt Katrin Suder und arbeitet bei der Beratung McKinsey.

von der Leyen: Ich kann bestätigen, dass ich dem Kabinett Frau Suder als für den Rüstungsbereich zuständige Staatssekretärin vorschlagen möchte.

SZ: Zugleich holen Sie für die nächsten Monate externe Berater ins Haus. Warum?

von der Leyen: Ich will das Vollbild der größten Rüstungsprojekte, mit Ist -Zustand, Kostenentwicklung und Risikoabschätzung. Meine Erfahrung am Anfang war, dass dieses Vollbild sich ohne den zusätzlichen Blick von außen nicht ohne Weiteres herstellen ließ. Letztlich geht es um die bestmögliche Ausrüstung für die Truppe und verantwortlichen Umgang mit Steuergeld.

Das Interview führte von Nico Fried und Christoph Hickmann für die

.