Flexibler arbeiten - verlässlicher planen

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von der Leyen-Interview Flexibler arbeiten - verlässlicher planen

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen möchte die Bundeswehr zu einem der attraktivsten Arbeitgeber in Deutschland machen."Das wichtigste Thema ist dabei die Vereinbarkeit von Dienst und Familie", so die Ministerin in der Bild am Sonntag.

  • Interview mit Ursula von der Leyen
  • Bild am Sonntag
Bundesministerin der Verteidigung Ursula von der Leyen im Gespräch mit einer Soldatin im Camp Marmal nahe Mazar-i Sharif (Afghanistan) beim gemeinsamen Frühstück.

Von der Leyen: Verlässliche Karriereplanungen für Soldatinnen und Soldaten ist wichtig

Foto: Bundeswehr/Sebastian Wilke

Das Interview im Wortlaut:

Bild am Sonntag (BamS): Frau Ministerin, vor Ihnen als der Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt in Friedenszeiten müssen 185000 Soldaten strammstehen. Genießen Sie das?

Ursula von der Leyen: Ich bin mir der mit diesem Amt verbundenen Verantwortung bewusst. Ich erlebe die Bundeswehr als eine Einrichtung mit sehr guten Formen und Traditionen und zugleich als hochmodern. Das gefällt mir.

BamS: Hat sich Ihr Adjutant schon daran gewöhnt, Ihre Handtasche tragen zu müssen?

von der Leyen: Meine niederländische Kollegin Jeanine Hennis-Plasschaert hatte da einen guten Tipp: Deren Adjutant hat sich einen Rucksack gekauft, da kommt ihre Handtasche rein. Und mein Adjutant hat offenkundig auch schon eine Lösung gefunden. Ich habe ihn noch nie mit meiner Tasche in der Hand gesehen, aber wenn ich sie brauche, ist sie da.

BamS: In der Bevölkerung herrscht noch Skepsis vor: 44 Prozent der Deutschen halten die Besetzung des Verteidigungsministeriums mit Ihnen für keine gute Idee, 40 Prozent begrüßen es. Was antworten Sie den Skeptikern?

von der Leyen: Das kann ich verstehen, denn viele haben noch das Bild der Familien- und der Arbeitsministerin vor sich. Den Skeptikern sage ich: Jetzt lasst mich mal machen, dann könnt ihr euer Urteil überprüfen. Die Soldaten reagieren übrigens offen und unkompliziert auf mich. Sie sagen im Gespräch sehr direkt, was sie bewegt.

BamS: Von außen betrachtet wirken Sie wie ein Ausbund an Disziplin. Passen Sie deshalb vielleicht besser zur Bundeswehr als mancher meint?

von der Leyen: Möglicherweise. Ich war übrigens nicht immer so, zum Beispiel im Studium. Aber meine sieben Kinder haben ganz viel Ordnung in mein Leben gebracht. Man hört irgendwann automatisch auf, die Nächte durchzufeiern, wenn man weiß: Morgen früh um sechs Uhr stehen die Kinder vor dem Bett. Disziplin bedeutet auch, für andere verlässlich da zu sein und nicht nur, wenn man Lust dazu hat. Das zeichnet auch das Soldatsein aus.

BamS: Es gibt wohl kaum einen anderen Beruf, der sich so schwer mit einer Familie vereinbaren lässt wie der des Soldaten. Wie wollen Sie das ändern?

von der Leyen: Mein Ziel ist es, die Bundeswehr zu einem der attraktivsten Arbeitgeber in Deutschland zu machen. Das wichtigste Thema ist dabei die Vereinbarkeit von Dienst und Familie. Die Soldaten brauchen künftig eine verlässlichere Karriereplanung. Sie müssen wissen, was mit ihnen in drei oder fünf Jahren ist, damit sie auch zu Hause planen können. Ich wünsche mir innerhalb der besonderen Anforderungen, die der Soldatenberuf mit sich bringt, mehr Flexibilität bei den Arbeitszeiten. Und für Zeitsoldaten muss die Tätigkeit in der Bundeswehr zu einem Sprungbrett in die Wirtschaft werden. Diese drei Themen werde ich konsequent angehen.

BamS: Ihr Amtsvorgänger de Maiziere hat bei seiner Abschiedsrede gesagt, dass für ihn im Zweifel ein Soldat immer im Dienst ist. Bedeutet das nicht: Der Dienst hat immer Vorrang vor Familie und Privatleben?

von der Leyen: Im Einsatz wie in Afghanistan gilt das ganz unbestritten. Doch in der Regel folgen auf vier Monate im Auslandseinsatz 20 Monate daheim. Entscheidend ist, wie die aussehen. Wir haben am meisten von den Soldatinnen und Soldaten, wenn die eine gute Balance zwischen Dienst und Familienleben finden. Dann sind sie motiviert und einsatzfreudig. Deshalb müssen wir Dienst- und Familienzeiten besser aufeinander abstimmen. Da geht es um Kinderbetreuung oder etwa um die Frage, warum die Bundeswehr so viele Wochenendpendler hat. Ein Grund ist die Praxis der häufigen Versetzungen.

BamS: Was wollen Sie dagegen tun?

von der Leyen: Ich werde mir das System der nahezu automatischen Versetzungen alle zwei bis drei Jahre genau ansehen. Wenn jemand eine steile Karriere macht, dann geht das auch in großen Wirtschaftskonzernen nicht ohne häufige Positions- und Ortswechsel. Aber die Frage ist, ob dies für die große Mehrheit der Soldatinnen und Soldaten immer sinnvoll ist. Das müssen wir überprüfen. Da heute die Lebenspartner unserer Soldatinnen und Soldaten häufig selbst berufstätig sind, tragen Versetzungen große Spannungen in die Familien.

BamS: Kann man bei der Bundeswehr künftig in Teilzeit arbeiten?

von der Leyen: Warum eigentlich nicht, wenn die Teilzeit nicht nach dem Klischee organisiert wird: Nur Frauen arbeiten Teilzeit und das vor allem vormittags. Wer etwa in der Familienphase die Option einer Drei- oder Viertagewoche nutzt, muss weiter Karriereperspektiven haben. Ich denke auch an Lebensarbeitszeitkonten, auf die Überstunden eingezahlt werden und von denen Freizeiten abgehoben werden können, sei es für die Betreuung von kleinen Kindern oder alter Eltern. Wie wollen wir im Wettbewerb um die besten Köpfe mit den vielen zivilen Arbeitgebern bestehen, wenn Teilzeit und Elternzeit nicht selbstverständlich in der Bundeswehr werden? Karriere bei der Bundeswehr darf im Regelfall nicht bedeuten: immer im Dienst und alle paar Jahre ein Umzug. Zeitliche Unterbrechungen müssen ohne Laufbahnnachteile möglich werden. Unsere Soldatinnen und Soldaten lieben ihren Beruf, aber sie möchten auch, dass ihre Ehen halten und sie ein glückliches Familienleben führen.

BamS: Soldaten arbeiten an Wochenenden, nachts oder sehr früh. Mit den Öffnungszeiten normaler Kitas kommen sie nicht zurecht. Was wollen Sie dagegen tun?

von der Leyen: Wir brauchen ein flexibles System der Kinderbetreuung rund um die Bundeswehr. Wir haben eigene Kitas in Kasernen und Belegplätze in Kindergärten. Aber wir sollten gerade für die Betreuung in Randzeiten sehr viel stärker mit Tagesmüttern arbeiten. Denn das ist eine besonders flexible Form der Kinderbetreuung und wir haben den großen Vorteil, dass es in vielen Kasernen den Platz dafür gibt. Das gehört zu den ersten Punkten, die ich angehen will. Und bevor wir Soldaten in den Schulferien ihrer Kinder auf Lehrgänge schicken, muss wirklich jede Alternative geprüft sein.

BamS: Sie haben als Familien- und als Arbeitsministerin versucht, die Wochenenden für die Familie freizuhalten. Glauben Sie, Sie schaffen das auch als Verteidigungsministerin?

von der Leyen: Ich bin entschlossen, das auch in Zukunft durchzuhalten. Dazu braucht es harte Arbeit und Disziplin in der Woche. Dann schafft man viel weg. Die Reise nach Afghanistan am vierten Advent fand meine Familie trotzdem in Ordnung, weil ich den Soldaten zeigen wollte, dass ich für sie da bin. Aber ein Kongress oder eine Tagung muss am Wochenende nicht sein. Das kann man auch am Freitag machen.

BamS: Werden Sie wie in den vergangenen Jahren in der Woche im Ministerium wohnen?

von der Leyen: Dabei bleibt es auch in Zukunft. Denn so kann ich, wenn ich nicht bei meiner Familie bin, sozusagen rund um die Uhr arbeiten und viel wegschaffen. Das hilft mir, die Wochenenden wirklich freizuhalten.

BamS: Was sagt eigentlich Ihr Mann zu Ihrem neuen Job?

von der Leyen: Der hat erst einmal tief durchgeatmet und dann gesagt: Wenn du dir das zutraust, dann mach es.

BamS: Hört sich an, als wenn das Angebot eine Überraschung war...

von der Leyen: Das war es auch! Die Kanzlerin hat mich fünf Tage vor der Vereidigung der neuen Regierung am 17. Dezember gefragt, ob ich mir das Amt der Verteidigungsministerin zutraue. Nach einer Schrecksekunde habe ich Ja gesagt und mich für den Vertrauensvorschuss bedankt. Ich empfinde das als eine große Ehre.

BamS: Der Bundeswehrverband plädiert für die Anschaffung von Drohnen. Hat er Ihre Unterstützung?

von der Leyen: Für den Schutz der Soldaten in gefährlichen Einsätzen ist die Aufklärungsdrohne existenziell wichtig. Sie kann wie Google Earth in Echtzeit zeigen, was auf dem Boden passiert. Im Moment verwenden wir in Afghanistan einen Typ, den wir von einer befreundeten Nation geliehen haben. Den Vertrag können wir jederzeit nach Bedarf verlängern. Deshalb ein klares "Ja" zur Aufklärungsdrohne.

BamS: Stark umstritten sind Kampfdrohnen ...

von der Leyen: Wir haben in der Koalition aus gutem Grund vereinbart, dass die Anschaffung von bewaffneten Drohnen vorher umfassend diskutiert werden muss. Es wäre falsch, das Unbehagen der Bevölkerung gegenüber unbemannten Waffensystemen einfach zu ignorieren. Wirksame Waffen sind zum Schutz unserer Soldaten enorm wichtig, aber die sehr emotionale Drohnendiskussion zeigt doch, dass wir Deutschen sehr sensibel sind, bei der Frage, mit welchen Mitteln unsere Bundeswehr vorgeht. Drohnen, die automatisiert über Leben und Tod entscheiden, die wollen wir für unser Land ganz klar nicht. Um den Rückhalt für die Einsätze unserer Soldaten zu sichern, sollten wir möglichst im Parlament genaue Regeln festlegen, wie und wann bewaffnete Drohnen überhaupt zum Einsatz kommen dürfen. Es besteht auch kein akuter Entscheidungsdruck. Der Vertrag für die Aufklärungsdrohne ist gerade verlängert und der einzige Kampfeinsatz der Bundeswehr in Afghanistan läuft im Dezember aus.

BamS: Was geschieht eigentlich mit der einen Euro-Hawk-Drohne, wegen der de Maiziere an Rücktritt dachte: Kommt die ins Museum?

von der Leyen: Euro Hawk ist nur das Fluggerät. Darin befindet sich das Aufklärungssystem mit dem Namen ISIS. Die wichtige Frage ist, ob ISIS auch in einem anderen Fluggerät eingebaut werden kann oder nicht. Dazu werden in den nächsten Wochen Vorschläge kommen.

BamS: Solange es die Bundeswehr gibt, gab es Pannen und Skandale bei kleinen und großen Rüstungsprojekten. Aktuell geht es um den Airbus A 400, Kampfhubschrauber oder die Probleme mit dem G 36 . Bekommen Sie das in den Griff?

von der Leyen: Dass bei Großprojekten, die über 15 oder 20 Jahre laufen, immer mal Fehler passieren, ist klar und in der zivilen Wirtschaft auch nicht anders. Deshalb müssen wir dem Parlament regelmäßiger berichten und Probleme von Beginn an schonungslos aufklären. Ich möchte eine bessere Fehlerkultur einführen. Wir dürfen die Industrie zwar nicht aus der Haftung lassen, aber es muss in Ordnung sein, dass die am Projekt Beteiligten Fehler frühzeitig melden, wir daraus Konsequenzen ziehen, aber die Fehlermeldung für den Einzelnen nicht gleich empfindliche Strafen auslöst. Im Vordergrund muss stehen: Wie stellen wir das ab, was lernen wir für die Zukunft, aber die Ausrüstung muss gut sein.

BamS: Als Verteidigungsministerin müssen Sie möglicherweise die Verantwortung für den Tod von Soldaten im Kampfeinsatz übernehmen. Bedrückt Sie der Gedanke?

von der Leyen: Wenn ich am Ehrenmal oder in Afghanistan am Ehrenhain vor den Plaketten der Gefallenen stehe, dann denke ich an die Eltern. Wie schwer muss die Frage wiegen, warum es das eigene Kind getroffen hat. Diese Frage werden wir nie beantworten können. Aber wir können mitfühlen, mittrauern und die Soldaten ehren. Die Truppe erkämpft immer wieder für uns alle Frieden und Demokratie. Das kann nicht hoch genug bewertet und oft genug gesagt werden.

BamS: Was bedeutet in einer modernen Armee Mut, wer sind Helden für Sie?

von der Leyen: Helden sind für mich Menschen, die in Extremsituationen das Richtige getan und anderen Menschen geholfen haben. Mut muss immer gepaart sein mit Besonnenheit und Vernunft. Dann ist er richtig.

BamS: Haben Sie schon selbst einmal mit einer Waffe geschossen?

von der Leyen: Ich kann mich nur an ein Bürgerschießen meines Ortsrates in meiner niedersächsischen Heimat erinnern. Ich glaube nicht, dass ich besonders gut war.

BamS: Würden Sie Ihren Kindern raten, zur Bundeswehr zu gehen?

von der Leyen: Wenn mein Kind zur Bundeswehr will, würde ich sagen: "Klasse, da hast du richtig viele Möglichkeiten." Und ein Teil meines Mutterherzens würde fühlen: Und bleib behütet, wenn es ernst wird.

Das Interview führten Michael Backhaus, Marion Horn und Angelika Hellemann für die Bild am Sonntag .