Fleisch muss den Preis wert sein

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Im Wortlaut: Schmidt Fleisch muss den Preis wert sein

Auch mit einer artgerechten Tierhaltung werde Fleisch nicht teuer, sagte Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt kurz vor Eröffnung der Grünen Woche in einem Radiointerview. Außerdem macht er sich dafür stark, die vielen unterschiedlichen Label für Lebensmittel zu vereinheitlichen.

  • Interview mit Christian Schmidt
  • Deutschlandfunk
Kühe auf einer Weide in Ostdeutschland.

Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt will Deutschland zum Trendsetter in der Frage des Tierwohls machen.

Foto: Photothek/Grabowsky

Das Interview im Wortlaut:

Christian Schmidt: Guten Morgen.

Deutschlandfunk: Wie groß sind denn die Missstände, wenn es um das Thema Tierschutz und Tierhaltung geht, in Deutschland?

Schmidt: Tierhaltung in Deutschland ist eine auf einem sehr dialogischen Weg sich entwickelnde Verbesserung. Ich will, dass wir Trendsetter werden bei der Frage des Tierwohls. Ich will, dass auch die geschilderten und nach unseren Untersuchungen exakt stimmenden Verbraucherwünsche und Erwartungen auch aufgenommen werden. Allerdings auch, dass es dann tatsächlich an der Ladenkasse zu einer Honorierung dessen kommt, was man mit mehr Platz, mehr Spiel, beziehungsweise auch einer artgerechten Haltung bezeichnet.

Deutschlandfunk: Was Sie zum Schluss gesagt haben heißt höhere Qualität, mehr Tierschutz in den Produkten, heißt auch einfach einen höheren Preis?

Schmidt: Ja. Ich sage mal, es ist nicht billig, sondern preiswert. Es muss den Preis wert sein. Es soll nicht teuer werden und das wird es auch nicht sein. Sie haben von den vier Cent gesprochen, die wohl nicht ganz ausreichen, um Haltungsbedingungen nachhaltig und strukturell zu verbessern. Aber da liegt schon der Kern des Problems. Wenn gleichzeitig Billigware aus anderen Ländern kommt, in denen andere Tierschutzstandards gelten, nicht die, die wir Stück für Stück nach oben bringen, gemeinsam mit den Landwirten und Erzeugern, und die dann doch Abnehmer finden, dann ist das eine Form des Wettbewerbs über den Preis und nicht über die Qualität, und das wäre bedauerlich.

Deutschlandfunk: Nun werfen Ihnen ja Kritiker vor, dass Sie gar nicht genug tun, um die Erwartungen der Verbraucher zu erfüllen. Ihr eigener wissenschaftlicher Beirat ist ja zu dem Ergebnis gekommen, dass die Tierhaltung in der jetzigen Form nicht mehr zukunftsfähig ist. Vorgeschlagen wird beispielsweise, dass Sie sich für ein einheitliches Label einsetzen. Warum tun Sie das nicht?

Schmidt: Zum einen hat für die Frage der Finanzierung auch mein wissenschaftlicher Beirat darauf hingewiesen, dass das natürlich auch fordert, dass die Tierhalter mehr Geld zur Verfügung haben, um es noch besser zu machen. Zum Zweiten müssen wir den Dickicht der Labels in der Tat lichten. Da hat Klaus Müller das zurecht gesagt. Ich denke, dass wir auch Strukturen über Standards, das heißt was spiegelt das Label wieder schaffen müssen. Ich bin gerade dabei zu untersuchen, wie wir Labels zusammenführen können und wie wir die Erkennbarkeit für den Verbraucher - das muss doch im Mittelpunkt stehen -, wie wir die verbessern können. Ich bin übrigens bei dem Tierwohl-Label, das angesprochen worden ist. Das ist von meinem Haus im Wesentlichen finanziert und wir beobachten gerade, dass es beginnt, sich auf dem Markt zu etablieren, allerdings leider noch nicht ganz zufriedenstellend von den Verbrauchern her, wenn ich das sagen darf.

Deutschlandfunk: Wenn wir über ein einheitliches, staatlich kontrolliertes Tierwohl-Label sprechen, dann wird ja immer als Vergleich oder als Vorbild herangezogen die Kennzeichnung von Eiern. Da hat sich viel bewegt. Die Kunden wissen inzwischen, null bis drei sind die Ziffern, die für unterschiedliche Haltungsformen stehen. Wäre ein Label so einfach aus Ihrer Sicht zu machen? Ist es das, wofür Sie sich einsetzen?

Schmidt: Ein Ei ist gelegt und dann weiß man, wo es herkommt. Beim Fleisch übrigens ist das jetzt auch seit diesem Jahr Pflicht, Herkunftskennzeichnung, Produktionskennzeichnung mit aufzugeben beim unverarbeiteten Fleisch. Bei Wurst und anderen Produkten ist das sehr viel schwieriger. Deswegen muss man einen Weg gehen, der mehrfache Themen umfasst, zum Beispiel die Bezeichnung. Das berühmte Thema, ist in der Kalbsleberwurst eigentlich Kalb und Leber drin. Dann die Frage, gibt es Haltungsbedingungen nach gewissen Standards, die man unterstellen kann. Dabei sind wir, diese nicht ganz einfache, sondern fordernde Frage so zu organisieren, dass der Verbraucher das auch in Kürze erkennen kann. Es kann ja nicht sein, dass der Verbraucher den Beipackzettel lesen muss, um zu wissen, wie viel Quadratmeter wie und wo. Ich denke, das ist der Punkt, an dem wir ansetzen müssen, und das will ich im Wege gemeinsam mit den Erzeugern. Zum Beispiel habe ich ja mit meiner Tierwohl-Initiative freiwillige Verbindlichkeit erreicht, dass wir bei der Geflügelwirtschaft in diesem Jahr beginnen, auf das Schnäbelkürzen zu verzichten. Das heißt, wir haben echte Fortschritte. Echte Fortschritte, die manchmal, das darf ich mal sagen, nicht richtig wahrgenommen werden, weil sie fast ab und zu nicht ins Bild passen. Sie sind aber da.

Deutschlandfunk: Was auch noch da ist sind die Schweine in den Ställen, denen die Ringelschwänze abgeschnitten werden. Das sogenannte Kupieren ist EU-weit verboten. Ihnen wird der Vorwurf gemacht, Sie haben das in Deutschland noch nicht mal durchgesetzt. Warum nicht?

Schmidt: Zur Durchsetzung von Tierschutzvorschriften sind im Übrigen die Länder zuständig. Das soll aber nicht heißen, dass ich das Thema jetzt auf irgendjemanden übertrage oder abschiebe. Nein! Die Frage ist doch: Wie können wir es organisieren, dass die nicht zur Regel werden sollende Kürzung, die sogenannten nichtkurativen Eingriffen, wie kann das sein, dass wir trotzdem hier Stall- und Schweinehaltung in Deutschland behalten. Das will ich und deswegen haben wir uns Zwischenziele gesetzt.
Ich habe eine ganze Reihe von Musterbetrieben-Versuchen, die nicht ganz einfach sind. Denn wissen Sie: Wenn die Schweine in einer gewissen Haltungsform sind, was nicht noch mal Massentierhaltung ist, dann sind bei ungekürzten Schweinen Aggressive unterwegs. Dann gibt es Verletzungen, dann brauchen sie wieder medizinische Behandlung. All die Dinge muss man vernetzt und gemeinsam betrachten. Da sind wir dabei und nicht nur beim Betrachten, sondern auch beim Handeln.

Deutschlandfunk: Klingt ein bisschen, Herr Schmidt, als sei alles so kompliziert, dass es schwer ist, Fortschritte zu erzielen.

Schmidt: Nein, nein, es ist ganz einfach. Wir müssen am Schluss dazu kommen, dass auf die sogenannten nichtkurativen Eingriffe, das heißt auf das Kürzen der Schnäbel und auf das Wegschneiden des Ringelschwanzes verzichtet werden kann. Das ist eine klare Zielvorgabe.

Deutschlandfunk: Eine weitere Möglichkeit, mehr Geld in den Tierschutz zu geben, damit auch die Landwirte einen Ausgleich haben, ist der Weg über die EU-Subventionen. Die werden im Moment vor allem verteilt für Fläche, die Bauern bewirtschaften. Es gibt den Vorschlag, viel mehr dieser Mittel auch an Tierwohl, an Tierschutz zu koppeln. Sind Sie dafür?

Schmidt: Das ist ein Weg, der jetzt schon über die sogenannte zweite Säule in der auch relativ komplizierten EU-Agrarförderung stattfindet. Man wird sehen müssen, wie wir auch eine gewisse Rückbindung der Zahl der Tiere, der Produktion der Tiere an die Fläche wieder erreichen. Das ist damals aufgelöst worden von meiner Vorgängerin Renate Künast. Das hatte durchaus aus heutiger Sicht schon eine Berechtigung vom System her. Es hat aber dazu geführt, dass ohne die Bindung an die Fläche die Zahl, die Produktion natürlich steigen konnte, und da müssen wir uns Wege überlegen. Da bin ich dabei auf Ebene der Europäischen Union. Das ist nicht so ganz einfach, mit 28 in der Kommission das zu tun. Aber die Ansätze sind da, das wieder auf ein richtiges Maß zu führen.

Deutschlandfunk: Wie lässt sich mehr Tierschutz erreichen in der Landwirtschaft - wir haben gesprochen mit Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt. Vielen Dank für das Gespräch heute Morgen, Herr Schmidt.

Das Interview führte Jasper Barenberg für den Deutschlandfunk .