Forschungsprojekt ausgezeichnet
Beim Brand eines Chemiewerks oder bei Gefahrgut-Unfällen können gefährliche Giftstoffe freigesetzt werden – eine besondere Herausforderung für Einsatzkräfte. Ein neuer kompakter Sensor (ACDC) erkennt radioaktive und chemische Gefahren und schlägt rechtzeitig Alarm.
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Einsatzkräfte, die zu einem Unfall mit Gefahrstoffen gerufen werden, können nicht immer auf den ersten Blick erkennen, ob dabei radioaktive Strahlung oder giftige Gase freigesetzt werden. Ein Warngerät, ähnlich wie bereits weit verbreitete Kohlenmonoxid-Warner (CO-Warner), das aber noch zusätzlich bei radioaktiver Strahlung und einer definierten Auswahl an chemischen Gefahrstoffen anschlägt, wäre für viele Feuerwehren und andere Rettungskräfte eine große Hilfe. Im Extremfall könnte so das Leben der Helferinnen und Helfer gerettet werden.
Der Markt für solche lebensrettenden Geräte ist sehr groß. Allein in Deutschland gibt es mehr als 22.000 Freiwillige Feuerwehren. Sie haben oftmals nicht das Geld für große und teure Anschaffungen. Wenn bei einem Einsatz unsichtbare Gefahren wie Radioaktivität oder giftige Gase austreten, wären Einsatzkräfte oft so gut wie ungeschützt.
Detektorchip schützt Einsatzkräfte
Das Forschungsprojekt „ACDC“ soll jetzt die Lösung bringen. Gestartet hat dies der ABC-Zug München-Land, gemeinsam mit der Universität der Bundeswehr München, Neubiberg, und einem Halbleiterhersteller. Oberste Priorität dabei ist für Projektleiterin Tanja Stimpel-Lindner von der Bundeswehr-Universität der Eigenschutz der Einsatzkräfte bei gleichzeitig ablaufenden Rettungsmaßnahmen.
„Für die Führungskraft ist dies oft ein Spagat“, so Tanja Stimpel-Lindner. „Ein einfaches Messgerät als Alarmgeber, das unsichtbare Gefahren wie ionisierende Strahlung oder gefährliche Gase detektieren kann, wäre hier gerade bei kleineren Einheiten ohne jegliche Gefahrgut-Ausrüstung eine gute Entscheidungshilfe.“ So entwickelte das ACDC-Team eine kostengünstige und zugleich robuste Sensoreinheit, die sowohl schon kleinste Mengen der gängigsten und gefährlichsten Gase bzw. Säuregase („C“) als auch radioaktive Teilchen („A“) detektieren kann.
Das Bundesforschungsministerium hat das Projekt mit rund 840.000 Euro gefördert. Projektpartner sind das Landratsamt München (ABC-Zug München-Land), die Universität der Bundeswehr München sowie die KETEK GmbH Halbleiter- und Reinraumtechnik.
Eine persönliche Herzensangelegenheit
Das Projekt ist für Tanja-Stimpel-Lindner, die „am liebsten die ganze Welt retten würde“, persönlich eine Herzensangelegenheit: Als langjährige Helferin im Katastrophenschutz und als Führungskraft hat sie bereits viele Einsatzszenarien hautnah miterlebt. Dabei stand sie selbst vor der Entscheidung, Personal in gefährliche Situationen schicken zu müssen.
„Durch meine Zusatzqualifikation zur Sicherheitsingenieurin hatte ich ohnehin bereits eine große Affinität zum Arbeitsschutz. So wurde meine Idee zu diesem Projekt geboren, dessen erfolgreiche Umsetzung durch die Konstellation der Projektpartner von Anfang an in greifbarer Nahe zu sein schien, was sich am Ende auch bewahrheitet hat“, so Stimpel-Lindner.
Nicht größer als eine Zigarettenschachtel
Der Sensor ist etwa so groß wie eine Zigarettenschachtel und kann einfach und schnell mit einem Karabiner an der Schutzausrüstung von Einsatzkräften befestigt werden. Detektiert der Sensor im Einsatz eine AC-Gefahr, löst er Alarm aus – sowohl optisch durch ein Blinken als auch akustisch durch einen Piepton.
Dazu erklärt Tanja-Stimpel-Lindner: „Die entwickelten Gassensoren basieren auf zweidimensionalen Materialien, also hauchdünnen Schichten. Dadurch reagieren sie wesentlich schneller als die üblichen kommerziell erhältlichen Gassensoren. Zudem sind sie sehr günstig herzustellen.“ Auch der Strahlungsdetektor könne in Silizium-Technologie hergestellt werden – so wie weltweit fast jeder Computerchip gefertigt wird. Die „ACDC“-Leiterin zeigt sich daher optimistisch: „Damit wird die Technologie hoffentlich für jede Einheit erschwinglich.“
Auf dem Weg zur Markt- und Serienreife
Durch die breite Einsatzfähigkeit und seine kostengünstige Herstellung soll der Sensor künftig auch von den vielen freiwilligen Einheiten der Feuerwehr oder des Technischen Hilfswerks (THW) genutzt werden können, die bislang über keinerlei Messtechniken verfügen. Deshalb will das ACDC-Team die Sensoreinheit weiter verbessern und leistungsfähiger machen. „Wir wollen binnen zwei Jahren vom derzeit vorliegenden Demonstrator zum funktionierenden Prototypen kommen“, so Tanja Stimpel-Lindner. Kurz danach soll der lebensrettende Sensor überall Rettungskräften zur Verfügung stehen.
Das ACDC-Projekt hat im Dezember 2022 eine besondere Auszeichnung erhalten: den fünften Platz beim ist beim Förderpreis „Helfende Hand“ in der Kategorie „Innovative Konzepte“. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat den Preis vergeben. Der Förderpreis „Helfende Hand“ wird vom Bundesinnenministerium gemeinsam mit dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe für herausragende Leistungen zur Förderung des Ehrenamts im Bevölkerungsschutz verliehen.