Regierungspressekonferenz vom 6. November 2023

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Im Wortlaut Regierungspressekonferenz vom 6. November 2023

Themen

  • Jahresakkreditierung 2024
  • Reise der Bundesaußenministerin zum Treffen der G7-Außenministerinnen und ‑Außenminister in Japan
  • Cyber-Defence-Konferenz der NATO
  • Nahostkonflikt
  • Videocall des Bundeskanzlers mit dem Staatspräsidenten der Volksrepublik China
  • Gesetz zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts
  • Erinnerungsveranstaltungen anlässlich des 9. Novembers
  • Anschläge auf Moscheen in Deutschland
  • Verbreitung von rechtswidrigen Inhalten im Internet mit Bezug zum Krieg im Nahen Osten
  • Geiselnahme in Hamburg
  • irreguläre Migration über Russland
  • russische Pläne zur Errichtung maritimer Stützpunkte in Libyen
  • Stabilitäts- und Wachstumspakt
  • Diskussion um die mögliche Einführung eines Industriestrompreises
  • Schuldenbremse
  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Montag, 6. November 2023

Sprecherinnen und Sprecher

  • Staatssekretär Hebestreit
  • Deschauer (AA)
  • Beylage-Haarmann (BMI)
  • Beckfeld (BMJ)
  • Pauly (BMDV)
  • Petry (BMDV)
  • Keller (BMF)
  • Wagner (BMWK)

(Vorsitzender Feldhoff eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Hebestreit
sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.)

StS Hebestreit

Ich habe einen reinen Servicehinweis, den ich Ihnen nicht verschweigen will: Mit Blick nach draußen sehen Sie, dass das Jahresende naht und somit auch bald der Beginn des neuen Jahres ansteht. Wie Sie wissen, heißt das auch für viele: Es ist Zeit für die neue Jahresakkreditierung 2024. Der Antrag dafür ist ab sofort online unter www.akkreditierung.bundesregierung.de zu finden. Dort finden Sie auch all die Voraussetzungen, die für eine Antragstellung notwendig sind. Die Ausgabe der neuen Ausweise wird dann ab 2. Januar sowohl in Berlin als auch in Bonn erfolgen.

Ihnen ist bekannt, aber ich betone es trotzdem noch einmal: Mit der Jahresakkreditierung soll all jenen Medienschaffenden die Arbeit erleichtert werden, die regelmäßig und hauptberuflich aus Berlin oder Bonn über bundespolitische Themen berichten, insbesondere über den Bundeskanzler und den Bundespräsidenten. Sie dient dem erleichterten Zutritt für presseöffentliche Termine im Bundeskanzleramt und im Bundespräsidialamt. Mehr Details dazu finden Sie auf der genannten Webseite.

Deschauer (AA)

Ich habe eine Ankündigung zu einer Reise der Außenministerin zu machen: Außenministerin Baerbock wird heute Abend nach Tokio in Japan reisen. Sie wird dort am zweiten Treffen der G7-Außenministerinnen und -Außenminister unter dem Vorsitz Japans im Jahr 2023 teilnehmen. Wie bei diesen Treffen üblich, sind am Abend des 7. November und dann im Laufe des 8. November verschiedene Arbeitssitzungen angesetzt. Themen werden unter anderem die Lage in Nahost, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, Regionalfragen im Indopazifik sowie die Zusammenarbeit mit den zentralasiatischen Staaten sein.

Am 8. November wird vom japanischen Vorsitz wie üblich ein gemeinsames Außenministerkommuniqué veröffentlicht werden, und am Ende des Treffens wird Außenministerin Baerbock vor Ort eine Pressekonferenz geben. Die genaue Uhrzeit werden wir auf dem üblichen Weg ankündigen. Die Ministerin wird am Rande des Treffens auch zu einem bilateralen Gespräch mit der Außenministerin Japans zusammenkommen.

Ich habe noch eine weitere Ankündigung, eine Konferenzankündigung, für Sie mitgebracht. Der Regierungssprecher hat es bereits letzte Woche erwähnt: Außenministerin Baerbock lädt vom 9. bis 10. November zu der ersten jährlichen NATO-Cyber-Defence-Konferenz ein, die im Auswärtigen Amt ausgerichtet wird. Die Konferenz baut auf den Beschlüssen des NATO-Gipfels im Juli 2023 auf. Sie wird hochrangige politische und militärische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger aus den Hauptstädten der NATO-Alliierten zusammenbringen. Ziel ist es, mit Blick auf den Jubiläumsgipfel, der in Washington im kommenden Jahr ansteht, über offene strategische und institutionelle Fragen mit Blick auf Cybersicherheit und Verteidigung zu beraten.

Der Konferenzeröffnungsteil wird presseöffentlich sein. Außenministerin Baerbock und NATO-Generalsekretär Stoltenberg werden die Konferenz am Donnerstag um 16 Uhr mit Reden eröffnen. Anschließend wird die Außenministerin gemeinsam mit ihren niederländischen, albanischen und finnischen Amtskolleginnen und -kollegen sowie dem britischen Europastaatssekretär an einer Paneldiskussion teilnehmen. ‑ Herzlichen Dank.

Frage

Frau Deschauer, zu den Abstimmungen mit der japanischen Regierung: Es hat ja bei dem Nahost-Thema doch einige Differenzen im Kreis der G7 gegeben. Deswegen hätte ich von Ihnen gerne eine Einschätzung, wie weit die japanischen und die amerikanischen Verbündeten bei diesem Thema auseinanderliegen.

Deschauer (AA)

Ich würde die Gelegenheit nutzen zu sagen, dass wir uns auf die Konferenz konzentrieren und die Ergebnisse der Konferenz ‑ ich erwähnte es ‑ wie üblich in einem gemeinsamen Kommuniqué, das üblicherweise den gemeinsamen Stand der Überlegungen auch zu aktuellen Themen wie Nahost widerspiegeln wird. Dem kann ich natürlich nicht vorgreifen; die Konferenz hat noch nicht begonnen und das Kommuniqué liegt noch nicht veröffentlicht vor.

Zusatzfrage

Es hat ja, wenn ich das richtig sehe, keine gemeinsame G7-Erklärung zu Israel und der Auseinandersetzung mit der Hamas gegeben. Sie erwarten also, dass es ein gemeinsames Kommuniqué geben wird?

Deschauer (AA)

Ich rekurriere darauf, dass üblicherweise im Rahmen von G7-Außenministerinnen- und ‑ministertreffen eine entsprechende Erklärung vorbereitet und angedacht wird. Üblicherweise wird darin die ganze Bandbreite der Themen, die dort adressiert werden, aufgenommen. Über die Themen, die wir erwarten, habe ich berichtet.

Frage

Ich möchte doch noch einmal an die Frage des Kollegen Rinke anknüpfen: Können Sie uns denn nicht sagen, mit welcher Voreinschätzung über Nähe oder Differenzen in den Positionen zum Nahostkonflikt Deutschland oder die Außenministerin auf die Konferenz geht?

Deschauer (AA)

Die Außenministerin blickt auf diese Konferenz mit der Perspektive, dass sie im Kreise der besonders wichtigen wirtschaftlichen Partner der G7 einen intensiven Austausch zu den aktuellen großen Problemlagen dieser Welt führen wird. Dazu gehört natürlich der russische Angriffskrieg, aber dazu gehören auch ganz drängend die aktuellen Fragen rund um Nahost.

Zusatzfrage

Danke schön ‑ davon geht man ja aus. Das beantwortet aber nicht die Frage, ob Sie uns sagen können, welche Nähe oder Distanz Sie zu den genannten besonders wichtigen Partnern haben.

Deschauer (AA)

Wir sind enge Partner der USA und Japans. Den Diskussionen und dem Austausch, die auf der Konferenz stattfinden und dann natürlich auch ins Detail der Positionierung gehen werden, kann ich an dieser Stelle nicht vorausgreifen.

Frage

An das BMI, das BMJ und vielleicht auch Herrn Hebestreit: Bei den Demonstrationen in Essen und Berlin wurde ein deutsches Kalifat bzw. die Einführung der Scharia in Deutschland gefordert. Teilweise demonstrierten Männer und Frauen bei den Demonstrationen getrennt. Zumindest in Essen wurde dies durch die Polizei geduldet. Es gab nicht eine einzige Festnahme. Ist das aus Sicht der Bundesregierung hinnehmbar, also Teil der Meinungsfreiheit und der Vielfalt, oder müssen daraus Konsequenzen erwachsen ‑ und wenn ja, welche?

Beylage-Haarmann (BMI)

Ich fange einmal an. ‑ In Deutschland darf jeder seine Meinung frei äußern und friedlich demonstrieren. Aber die rote Linie ist: Es gibt null Toleranz für antisemitische und israelfeindliche Hetze, es gibt null Toleranz für Gewalt. Diese Linie muss unser Rechtsstaat durchsetzen: mit Versammlungsverboten, wenn antisemitische Hetze droht, mit Einschreiten bei Versammlungen, wenn antisemitische Hetze gesehen wird. Hier ist hartes polizeiliches Einschreiten gefragt.

Beckfeld (BMJ)

Der Minister hatte sich am Wochenende schon zu den Demonstrationen geäußert und seine Bestürzung über so manche Äußerung dort zum Ausdruck gebracht. Er hat betont, dass jetzt insbesondere wichtig sei, die Identitäten von Verdächtigen festzustellen und die Beweismittel zu sichern, damit es hier zu schnellen Strafverfahren kommen kann.

Zusatzfrage

Aber genau das ist ja in Essen nicht passiert. Wie will man denn wissen, ob man, wie es vom Vizekanzler in seiner viel beachteten Rede gefordert worden ist, jemanden abschieben muss oder zumindest den Aufenthaltstitel überprüfen muss, wenn man nicht einmal die Personaldaten aufnimmt, was ja in Essen nicht geschehen ist.

Von daher noch einmal die Frage: Sie haben referiert, wie die Rechtslage in diesem Land ist, aber ganz offensichtlich hat sich die Polizei zumindest in Essen nicht daran gehalten. Welche Konsequenzen müssen da jetzt folgen?

StS Hebestreit

Die Bundesregierung hat an dieser Stelle und auch von dieser Stelle aus wiederholt darauf hingewiesen, dass es Gesetze gibt, die dann auch umgesetzt werden müssen. Insofern geht die Aufforderung an die jeweils örtlichen Behörden ‑ so herausfordernd das im Einzelfall auch sein mag ‑, diese Gesetze zur Durchsetzung zu bringen. Wenn das jetzt in Nordrhein-Westfalen war, wäre der Ansprechpartner der nordrhein-westfälische Innenminister.

Frage

Ich habe eine Frage an Herrn Hebestreit zum Videocall zwischen Olaf Scholz und Xi Jinping am Freitag. Die Informationen zu dem Gespräch kamen während der Regierungspressekonferenz heraus ‑ das war eine relativ kurze Fassung und Sie wollten das nicht ergänzen. Es hat dann aber später von chinesischer Seite ein Readout gegeben, das viel ausführlicher war und in dem es einige bemerkenswerte Äußerungen gibt. Darin steht zum Beispiel, Xi habe gesagt, um den Nahostkonflikt und die Ukrainekrise zu lösen, sei es notwendig, tiefer über Sicherheitsfragen nachzudenken. Mit Betreff auf Russland hieß es dort, „squeezing the security space of other countries”, also das Quetschen des Sicherheitsraums von anderen Ländern, würde zur Eskalation von Konflikten führen. Wollen Sie das, was in dem offiziellen chinesischen Readout zu dem Gespräch zu lesen war, kommentieren? Wie hat Bundeskanzler Scholz diese Äußerungen wahrgenommen?

StS Hebestreit

Vielen Dank für die Frage, die mir abermals Gelegenheit gibt, die grundsätzliche Position, die wir einnehmen, darzustellen, nämlich dass wir aus internen Runden, internen Telefonaten oder so das mitteilen, was wir für mitteilenswert halten, und auch nicht beurteilen, was andere darüber sagen. Klar ist, dass wir und unsere chinesischen Partner in vielen Fragen unterschiedlich auf die Welt blicken, und das hat sich auch in diesem Videocall wieder gezeigt.

Zusatzfrage

Sie haben in Ihrem Readout die Gefahr eines Atomkriegs erwähnt ‑ ein großes Thema für den Bundeskanzler mit Blick auf die Ukraine. In diesem langen Readout der chinesischen Seite war das nicht zu sehen. Macht Ihnen das Sorge?

StS Hebestreit

Nein.

Frage

(zum Nahostkonflikt) Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt: Wie viele deutsche Staatsbürger sind inzwischen aus Gaza ausgereist und wie ist die Bundesregierung in Kontakt mit den verbleibenden deutschen Staatsbürgern im Gazastreifen?

Ich hätte auch noch eine Frage zu den Geiseln, wenn Sie erlauben: Wie ist der Kenntnisstand der Bundesregierung bezüglich der deutsch-israelischen Geiseln der Hamas?

Deschauer (AA)

Vielen Dank für Ihre Fragen. ‑ Wir hatten uns an dieser Stelle schon des Öfteren hierzu geäußert. Das gibt mir die Gelegenheit, noch einmal zu betonen, dass die Bundesregierung mit voller Kraft daran ist, für die deutschen Staatsangehörigen, die sich in Gaza aufhalten, eine Ausreise zu ermöglichen. Ich glaube, wir hatten hier auch schon ausführlich erläutert, dass dies vielfältige Gespräche mit internationalen Gesprächspartnern mit sich zieht, dass wir uns engstens abstimmen, und natürlich auch, dass wir engstens versuchen, die deutschen Staatsangehörigen, so wir sie denn erreichen können ‑ angesichts manchmal etwas instabiler Kommunikationslage ist das nicht immer leicht ‑, über Mittel wie E-Mail, Landsleutebrief, Anrufe oder SMS informiert zu halten.

Was die Anzahl an Staatsangehörigen betrifft, die ausreisen konnten, so hatten wir dazu kürzlich ‑ zuletzt am Freitag ‑ informiert, und das Auswärtige Amt hat sich dazu geäußert, dass über 30 Staatsangehörige am Freitag Gaza verlassen konnten.

Zu den Geiseln: Auch hier ist die Bundesregierung bestrebt, sich mit aller Kraft und größter Anstrengung in Gesprächen mit internationalen Partnern für eine Freilassung dieser Personen einzusetzen. Einzelne Details kann ich an dieser Stelle auch mit Blick auf die Sensibilität der Situation nicht äußern; das hatten wir hier auch schon erwähnt.

Zusatzfrage

Die Bundesregierung hatte vorher ja verlautbart, dass eine niedrige dreistellige Zahl an Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit in Gaza ist. Das heißt ‑ ‑ ‑

Deschauer (AA)

Das gilt weiterhin. Ich habe jetzt nur nicht noch einmal zur Gesamtzahl ausgeführt, weil wir hier, glaube ich, schon einen intensiven Austausch hatten. Ich hatte gesagt, dass es gelungen ist ‑ worüber wir erleichtert waren; aber natürlich haben bisher nicht alle Menschen die Möglichkeit gehabt, auszureisen ‑, dass am vergangenen Freitag über 30 Personen ausreisen konnten, und wir haben dies auch öffentlich gemacht.

Frage

Frau Deschauer, ein israelischer Minister hat mit einem Atombombenangriff auf Gaza gedroht. Er wurde zwar suspendiert, ist aber weiterhin im Kabinett. Was sagen Sie dazu?

Eine zweite Frage: Im Westjordanland wurde heute ein ARD-Fernsehteam durch das israelische Militär festgehalten. Der Korrespondent und seine Mitarbeiter wurden bedroht. Ich hätte gerne eine Reaktion dazu.

Deschauer (AA)

Die Androhung von Gewalt durch den israelischen Minister, die Sie beschrieben haben, verurteilen wir natürlich. Entsprechende Äußerungen sind inakzeptabel.

Zu Ihrer zweiten Frage: In einer so angespannten Situation wie der, in der wir uns aktuell befinden, ist Pressefreiheit natürlich ein extrem hohes Gut. Die Pressevertreterinnen und -vertreter vor Ort müssen ungehinderten Zugang haben, um Berichterstattungen vornehmen zu können. Unser Kenntnisstand ist, dass die Situation nach kürzerer Zeit geklärt werden konnte, sodass die Kolleginnen und Kollegen von der ARD ihrer Tätigkeit weiter nachgehen können. Nichtsdestotrotz betonen wir hier, dass die Pressefreiheit auch davon lebt, Zugang vor Ort zu haben.

Frage

Frau Deschauer, noch eine ergänzende Frage zu Libanon ‑ da gab es ja auch eine Ausreiseaufforderung ‑: Können Sie uns sagen, wie viele Deutsche sich dort noch auf der Notliste des Auswärtigen Amtes eingetragen haben? Hatte der Aufruf zur Ausreise also Erfolg oder sind immer noch eine erkleckliche Anzahl von Deutschen im Land?

Deschauer (AA)

Vielen Dank für Ihre Frage. Das gibt mir die Gelegenheit, generell noch einmal auf die Funktion des Krisenvorsorgesystems und der ELEFAND-Liste hinzuweisen. Diese Liste gilt für alle Krisensituationen, und Deutsche sind aufgerufen, sich in diese Liste einzutragen. Sie haben Recht: Seit dem 19. Oktober besteht eine Ausreiseaufforderung für den Libanon. Das Risiko, dass der Konflikt sich regional ausweitet, besteht weiterhin. Es kommt ja auch immer wieder zu militärischen Auseinandersetzungen an der Grenze. Alle Deutschen, die sich in der Region befinden, fordern wir auf bzw. bitten sie, sich in die Krisenvorsorgeliste einzutragen. Im Moment befinden sich etwa tausend Personen auf der Liste.

Grundsätzlich kann ich noch einordnen, dass das nicht notwendigerweise bedeutet, dass dies die konkrete Anzahl der Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit vor Ort ist, sondern dass sicherlich auch noch mehr Personen vor Ort sein können. Deswegen gibt es noch einmal diesen Appell und Aufruf zur Eintragung.

Frage

Ebenfalls im Süden Libanons wurde gestern ein Auto mit Zivilisten von einer israelischen Drohne angegriffen. Im Auto saßen drei Kinder, ihre Großmutter und ihre Mutter ‑ nur die Mutter hat überlebt. Wie äußert sich das Auswärtige Amt dazu?

Deschauer (AA)

Mir ist dieser Fall jetzt nicht im Detail bekannt, deswegen kann ich das auch nicht im Detail nachvollziehen.

Grundsätzlich ist die Position der Bundesregierung, dass in einem bewaffneten Konflikt der größtmögliche Schutz von Zivilisten ein Gebot ist, zu dem wir auch auffordern.

Frage

Noch einmal zu deutschen Staatsbürgern: Deren Ausreise, soweit sie bislang erfolgte, geschah ja, wenn ich das richtig sehe, weitgehend über Rafah, also nach Ägypten. Es gibt zwei weitere Grenzübergänge von Gaza nach Israel. Spricht die Bundesregierung mit der israelischen Regierung eigentlich darüber, ob eine Ausreise deutscher Staatsbürger auch über diese Übergänge möglich wäre? Das könnte ja von Israel dann relativ einfach ‑ in Anführungsstrichen ‑ realisiert werden.

Deschauer (AA)

Die Bundesregierung spricht mit den Partnern in Verantwortung und mit entsprechenden Zugängen vor Ort grundsätzlich darüber, welche Möglichkeiten der Ausreise für deutsche Staatsangehörige ‑ das betrifft aber auch andere Staatsangehörige, die sich in Gaza befinden ‑ bestehen. Weitere Details darüber hinaus kann ich an dieser Stelle, wie bereits gesagt, nicht geben.

Zusatzfrage

Sie können nicht sagen, ob die Bundesregierung die israelische Regierung gebeten hat zu prüfen, ob eine Ausreise deutscher Staatsbürger aus Gaza direkt nach Israel über die beiden anderen Grenzübergänge möglich ist?

Deschauer (AA)

Ich glaube, es ist guter Usus ‑ auch auf dieser Bank ‑, dass wir über Gespräche, die wir mit internationalen Partnern nicht presseöffentlich führen, nicht im Detail unterrichten. Ihnen ist aber sicherlich bekannt, dass diese beiden Grenzübergänge im Moment geschlossen sind, und zwar auch für Ausreisen. Insofern ist der aktuelle Stand, dass wir mit Kräften daran arbeiten, über die bereits erfolgten Ausreisen hinaus weitere Ausreisen für deutsche Staatsangehörige zu ermöglichen. Dies erfolgt, wie Sie richtig festgestellt haben, im Moment über den Grenzübergang Rafah.

Frage

Auch zum Thema Gaza und Israel: Gibt es keine Kritik an den Verbrechen Netanjahus in Gaza? Die Zahl der Todesopfer berief sich bis zum gestrigen Sonntag auf mehr als 20 000 Menschen.

Zweite Frage: Der Kulturminister Israels hat dazu aufgerufen, den Gazastreifen mit Atombomben zu bombardieren. Was sagen Sie dazu?

Deschauer (AA)

Vielen Dank für Ihre beiden Fragen. Die letztere hatte ich, glaube ich, schon beantwortet; auf diese Antwort würde ich verweisen.

Auf Ihre erste Frage möchte ich eine Antwort geben, die Sie hier, glaube ich, schon öfter gehört haben: Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass Israel das Recht hat, sich gegen die noch immer andauernden Angriffe der Hamas im Einklang mit dem Völkerrecht zu verteidigen. In Sorge um die Zivilbevölkerung rufen wir aber dazu auf ‑ ich glaube, das habe ich auch in Bezug auf eine andere Frage bereits geantwortet ‑, einen größtmöglichen Schutz der Zivilbevölkerung sicherzustellen. Die Sorge der Bundesregierung um die Zivilbevölkerung spiegelt sich auch dadurch wider, dass wir intensiv daran arbeiten, mit humanitärer Hilfe Unterstützung zu leisten, dass wir diese aufgestockt haben und dass wir auch in unseren Gesprächen mit internationalen Partnern sehr stark dafür werben, dass diese humanitäre Hilfe auch an die Menschen herankommen kann.

Zuruf

Wir reden über die Verbrechen der Israelis und nicht über humanitäre Hilfe!

Deschauer (AA)

Ich glaube, ich habe das an dieser Stelle eingeordnet, indem ich erläutert habe ‑ wie das bereits mehrfach meine Kollegen in der Regierungspressekonferenz getan haben ‑, dass Israel das Recht hat, sich gegen die noch immer andauernden Angriffe der Hamas zu verteidigen, dass die Hamas eine perfide Strategie benutzt, indem sie sich hinter unschuldiger Zivilbevölkerung versteckt, dass wir in Sorge um den Schutz der Zivilbevölkerung immer wieder zu diesem Schutz aufrufen, und dass wir ‑ ebenfalls in großer Sorge um die Zivilbevölkerung ‑ bereits die humanitäre Hilfe aufgestockt haben und alles daransetzen, dass sie zu den Menschen kommt. Ich glaube, das ist eine Antwort auf Ihre Frage, die vielleicht etwas repetitiv ist, die aber hoffentlich die Dramatik der Lage würdigt.

Frage

Ich habe eine Frage zur Pressefreiheit: In dem Konflikt sind auch viele Journalisten gestorben, und viele haben ihre Familien verloren ‑ auch Kollegen von mir, die dort gearbeitet haben. Sehen Sie die Pressefreiheit gefährdet?

Deschauer (AA)

Ich glaube, bei jedem Journalisten und jeder Journalistin, die in einer Kriegssituation ums Leben kommt, wissen die Familien und die Hinterbliebenen um die Kondolenz und das Bedauern der Bundesregierung.

Zu Ihrer übergeordneten Frage: Ich vermag die Medienlandschaft in Gänze von hier aus nicht zu beurteilen und kann insofern nicht beurteilen, ob die Pressefreiheit eingeschränkt ist. Ich glaube, ich kann noch einmal auf eine Frage verweisen, die einen anderen Kollegen Ihrerseits umgetrieben hat, was die Behinderung der Arbeit von Journalisten angeht: Die Bundesregierung ist der Meinung, dass Pressefreiheit, freier Zugang und freie Tätigkeit vor Ort gerade in solchen Kriegssituationen unglaublich wichtig sind.

StS Hebestreit

Vielleicht kann ich das noch ergänzen: Natürlich ist jeder Einzelfall schrecklich, und Presse bzw. Pressevertreter sind in einem solchen Konflikt niemals Ziele. Allerdings ist man in einem Kriegsgebiet, wo es oftmals nicht so einfach ist, das zu trennen; das wissen in der Regel auch diejenigen, die sich in diese sehr verdienstvolle, aber auch sehr gefährliche Arbeit hineinbegeben. Aber natürlich darf so etwas nicht passieren, und jeder Einzelfall muss untersucht werden, ja.

Zusatzfrage

Sie stellen immer den zivilen Schutz in den Vordergrund, auch in den Gesprächen, die der Kanzler geführt hat. Was können Sie tun, außer Aufrufe zu machen? Sie rufen ja nur auf, die Zivilbevölkerung zu schützen, aber ansonsten passiert ja nichts, und es sind bereits zehntausend Menschen gestorben.

StS Hebestreit

Wir haben hier ja schon einmal deutlich gemacht, was die Ursache für diese Situation ist, die wir jetzt alle erleben. Das ist ein brutaler, auch weiterhin fortgesetzter terroristischer Überfall der Hamas auf Israel, der, wenn ich das richtig im Hinterkopf habe, mindestens 1400 Zivilisten und Zivilistinnen, die zum Teil bestialisch und menschenverachtend ums Leben gebracht wurden, getötet wurden, ermordet wurden, zur Schau gestellt wurden, gedemütigt wurden. Es wurden, wenn ich das richtig weiß, knapp 300 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Bis auf einige wenige sind sie alle noch dort und werden gefangen gehalten. Jegliche Aufrufe und alle internationalen Bestrebungen ‑ auch von denjenigen, die der Hamas vielleicht näherstehen, als wir das tun ‑ haben bisher nicht gefruchtet. Es werden weiterhin Raketen auf Israel abgefeuert, es werden weiterhin Versuche unternommen, auf israelisches Gebiet einzudringen.

Das ist also ein fortgesetzter Terrorakt, den wir da erleben, und Israel hat das Recht, sich gegen diesen Terrorakt zur Wehr zu setzen, um seine eigene Sicherheit und die seiner Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Das ist die Ursache dieser Situation, die wir im Augenblick erleben. Jetzt geht die Hamas deutlich anders vor als Israel, was die Warnungen vorab angeht, und Israel nimmt vornehmlich Hamas-Terroristen, Hamas-Anhänger ins Visier, während die Hamas bewusst Zivilisten angegriffen hat und angreift. Das ist die Situation, in der wir uns gerade befinden.

Dass das eine sehr, sehr schwierige Situation ist, weil ‑ zumindest, wenn man den Meldungen Glauben schenken darf ‑ die Kommandozentralen der Hamas bewusst unter Schulen, unter Krankenhäuser, unter andere Einrichtungen ziviler Infrastruktur gelegt werden, um sich dort vor möglichen Schlägen der israelischen Luftwaffe zu schützen, macht dann natürlich ‑ so bitter das ist ‑ diese Einrichtungen zu einem Kriegsziel. So verwerflich ist das Tun der Hamas. Gleichzeitig hindert die Hamas viele Palästinenserinnen und Palästinenser, die sie als menschliche Schutzschilde gebraucht, daran, die Gegend, die im Moment Hauptkriegsgebiet ist, zu verlassen, bzw. werden die Leute ‑ zumindest, wenn die Berichte, die ich auch dazu gesehen und gelesen habe, stimmen ‑ zum Teil mit Schusswaffengewalt entweder daran gehindert, die Gegend zu verlassen, oder sie werden erschossen.

Das ist die bittere Situation, die wir im Moment zu gewärtigen haben. Insoweit ergeht klar der Aufruf auch an Israel, sich an die Bedingungen des Kriegsrechts und des humanitären Völkerrechts zu halten. Aber sie haben das Recht, sich zu verteidigen und auch dort berechtigte Kriegsziele zu bombardieren. Trotzdem ergeht der Appell, so es irgend geht, die Auswirkungen, die man nie ganz begrenzen kann, soweit zu begrenzen, dass dabei möglichst wenige Unschuldige zu Schaden kommen. Das ist unser Appell, darüber reden wir in all unseren Gesprächen mit unseren israelischen Freunden. Auch der amerikanische Präsident und all diejenigen, die sonst mit Israel eng in Kontakt stehen, tun das immer wieder. Wir haben auch den Eindruck, dass das in Israel sehr wohl vernommen wird.

Frage

Sie sprechen jetzt schon wieder von Warnungen, die Israel ausgesprochen haben soll, um die Zivilbevölkerung in Gaza zu schützen. Jetzt ist erneut das Internet ausgefallen. Das ist auch am vergangenen Wochenende mehrmals passiert. Wie sollen diese Warnungen ausgesprochen werden, wenn es überhaupt keine Verbindung zum Mobilnetz oder auch zum Internet gibt?

StS Hebestreit

Ich würde das eine mit dem anderen nicht vermischen, weil diese Warnungen in Gaza natürlich seit Wochen ergehen, dass man die Stadt Gaza nach Möglichkeit in Richtung Süden verlassen soll. Das erklärt oder rechtfertigt aber nicht, dass das Internet dort ausfällt oder abgedreht wird oder so etwas. Das sind zwei unterschiedliche Maßnahmen, die ich an dieser Stelle nicht miteinander vermischen würde. Aber natürlich ist es auch an der Stelle so, dass das seit Langem gilt. Trotzdem muss es natürlich so sein ‑ dafür setzt sich die internationale Gemeinschaft ein, und dafür haben sich die Außenministerin und der Bundeskanzler in all den Gesprächen eingesetzt ‑, dass für diejenigen, die im Gazastreifen sind ‑ die kommen ja nicht aus dem Gazastreifen heraus ‑, Nahrung, Wasser, Elektrizität und Ähnliches bereitgestellt werden kann, damit sie in dieser furchtbaren Situation wenigstens das Lebensnotwendigste haben.

Frage

Herr Hebestreit, mich würde die Meinung oder die Position von Kanzleramt und Auswärtigem Amt zum mittelfristigen oder weiteren politischen Vorgehen im Nahen Osten interessieren. Bis jetzt ist ja immer klar gewesen: Man will eine Zweistaatenlösung. Die erscheint zum jetzigen Zeitpunkt ja völlig utopisch. Der israelische Historiker Tom Segev nennt das eine diplomatische Fiktion. Wann verabschiedet sich die Bundesregierung von dem Konzept der Zweistaatenlösung?

StS Hebestreit

Die Historiker haben ja immer den Vorteil, dass sie später über Sachverhalte, die sie nicht zu verantworten haben, urteilen dürfen. Als Politiker verabschieden wir uns überhaupt nicht von dieser Lösung, weil bisher ‑ in den letzten 30 Jahren oder noch länger ‑ keine bessere Idee aufgekommen ist. Dass das zum jetzigen Zeitpunkt und in der jetzigen Lage etwas ist, das nicht morgen oder übermorgen verwirklicht werden kann, dürfte jedem Beteiligten klar sein. Trotzdem braucht man diese Perspektive für den Tag danach, so schwer das im Augenblick vorstellbar ist. Die Palästinenserinnen und Palästinenser haben ein Anrecht darauf, und auch Israel hat ein Anrecht darauf, dass wir, die internationale Gemeinschaft, uns alle überlegen, wie eine Lösung ‑ ein Frieden, mag er auch noch so sehr in der Zukunft liegen ‑ aussehen kann, und da ist die Zweistaatenlösung das, auf das sich die internationale Gemeinschaft am stärksten hat einigen können.

Für den Historiker Segev sage ich vielleicht: Es gab einmal eine Situation ‑ ich bin ein bisschen älter, aber das scheint mir gar nicht so lange her gewesen zu sein ‑, in der es für eine Sekunde so aussah, dass man sie sogar erreichen könnte. Insoweit ist sie nicht so absurd, wie sie im Augenblick ‑ da gebe ich dann doch dem Historiker recht ‑ erscheinen mag.

Zusatzfrage

Gibt es denn zurzeit überhaupt Möglichkeiten, von außen vonseiten der Bundesregierung Einfluss auf die weitere Entwicklung dort zu nehmen? Ich meine, auch der amerikanische Außenminister kommt ja letztlich mit leeren Händen von seinen Besuchen zurück.

StS Hebestreit

Ich glaube, das Langfristige spielt im Augenblick keine riesige Rolle. Wir versuchen gerade jeden Tag, in einer akuten Krise ‑ wir haben jetzt über die hohe Zahl von Opfern geredet, wir haben über den hohen Grad der Zerstörung und auch der Hoffnungslosigkeit in Teilen des Gazastreifens gesprochen ‑ etwas zu bewegen und das Leid der Zivilbevölkerung zu mindern. Es geht weiterhin darum, die Geiseln, die immer noch im Gazastreifen festgehalten werden, darunter auch einige Deutsche, freizubekommen. Das ist im Moment das Akute.

Ich glaube, gerade die Diplomatie, die der amerikanische Außenminister Blinken da auf bewundernswerte Weise zutage fördert, und wie viel er auch mit unterschiedlichen Akteuren der Region spricht, das ist alles andere als leere Hände. Wenn man sich jetzt wünscht, dass so eine Shuttlediplomatie am Ende eine kurzfristige Lösung herbeischafft, dann muss man dazu sagen: Nein, es wäre auch naiv, zu glauben, dass man das hinbekommt.

Aber wir befinden uns in engem Kontakt mit der israelischen Seite, aber auch mit allen Akteuren in der Region. Wenn ich es richtig weiß, dann hat der Bundeskanzler in der vergangenen Woche sowohl mit Benjamin Netanjahu als auch mit dem jordanischen König Abdullah und auch mit dem irakischen Ministerpräsidenten telefoniert, um nur einige zu nennen. Die Außenministerin ist massiv aktiv ‑ sie ist sowohl zweimal persönlich in der Region gewesen als natürlich auch telefonisch engagiert ‑, und so sind es viele andere auch. Das ist also einer der Konflikte, die im Moment auch diplomatisch massiv bearbeitet werden. Aber, noch einmal, das ist ein anhaltender terroristischer Angriff der Hamas auf Israel.

Frage

Herr Hebestreit, Sie haben gerade über die Lage in Gaza und auch über die Vorgehensweise der Hamas in Gaza gesprochen. Wie hat die Bundesregierung zurzeit noch die Möglichkeit, unabhängige und vertrauensvolle Informationen aus Gaza zu bekommen? Ich verstehe das nicht genau. Können Sie sagen, mit wem Sie da telefonieren? Können Sie ungefähr schildern, wie das jetzt läuft?

StS Hebestreit

Die Situation ist schwierig. Die Internetverbindungen sind zum Teil sehr unsicher, und natürlich ist die Lage vor Ort in Teilen auch sehr verzweifelt. Aber zu Details ‑ ‑ ‑ Wir haben Möglichkeiten, aber sie sind natürlich deutlich begrenzter als in früheren Zeiten.

Frage

Meine Frage knüpft direkt daran an. Sie haben die Zahlen der infolge des Terrorangriffs vom 7. Oktober Getöteten mit 1400 angegeben. Ich glaube, diese Zahl ist auch unstrittig. Wie versucht die Bundesregierung zu verifizieren, wie hoch die Zahl der im Zusammenhang mit israelischen Angriffen gegen die Hamas zu Tode gekommenen zivilen Opfer tatsächlich ist? Sie wird mit ungefähr 8000 bis 10 000 angegeben. Regelmäßig wird gesagt, das seien Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde, die wir alle nicht nachprüfen können. Die Vereinten Nationen sagen, dass sich diese Angaben in der Vergangenheit im Wesentlichen bestätigt hätten. Also gehen sie auch von Zahlen in ähnlicher Höhe aus. Wie versucht die Bundesregierung zu verifizieren, wie hoch die Zahl dieser zivilen Opfer tatsächlich ist? Geht das im Kontakt mit der Autonomiebehörde in Ramallah, oder welche anderen Wege haben Sie dafür?

StS Hebestreit

Da die Hamas ja die Autonomiebehörde vor Ort staatsstreichartig zum Teil eliminiert hat bzw. aus dem Gazastreifen vertrieben hat, wäre das jetzt nicht die richtige Adresse, um dort nachzufragen. Wir stehen natürlich in Kontakt mit internationalen Organisationen, die aber auch nur ein bedingtes Bild haben. Die UN sind weiterhin auch in Gaza vertreten, allerdings auch dort deutlich eingeschränkt. Noch einmal: Es ist ein Kriegsgebiet, in dem wir uns da befinden. Insofern haben wir da keine genaueren Möglichkeiten, das zu überprüfen.

Ich wäre auch vorsichtig mit dem letzten Halbsatz, den Sie gesagt haben, dass die Vereinten Nationen gesagt haben, früher habe sich das bestätigt. Das ist ja jetzt genau der Fall. Wir befinden uns in einem Krieg, und wir wissen, wie es mit Wahrheiten in Kriegen ist. Man muss immer sehr vorsichtig sein. Man kann es nicht überprüfen. Das sollte man immer wieder dazusagen. Ansonsten ist das im Augenblick nicht von Dritten zu verifizieren. Wir beobachten das und nehmen all diese Zahlen, die da genannt werden, mit größtmöglicher Vorsicht zur Kenntnis.

Das ist auch der Unterschied zwischen einer Demokratie wie Israel, wo man die Zahl der Toten sehr genau ‑ ‑ ‑ Ich glaube, Journalistinnen und Journalisten waren vor Ort und konnten die einzelnen Orte, an denen diese Terroranschläge massiv stattgefunden haben, besichtigen und sehen. Deswegen kann man sich, wie Sie am Anfang sagten, auf die Zahl 1400 relativ gut einigen oder sie feststellen. Aber zu sagen, was jetzt in Gaza passiert, ist im Augenblick wie aber auch in jedem Kriegsgebiet immer schwierig. Man muss abwarten, wie die weitere Entwicklung sein wird und ob es zu einem Zeitpunkt irgendwann verifizierbare Zahlen geben wird.

Zusatzfrage

Gehört zu den Zahlen, die Sie zur Kenntnis nehmen, auch die, die heute Morgen über X verbreitet wurde, nämlich dass nach Angaben aus israelischen Militärkreisen dort offenbar mit 20 000 zivilen Toten gerechnet wird? Kennen Sie diese Zahlen?

StS Hebestreit

Ich kenne ganz viele Zahlen. Aber wie wir die dann handhaben und damit umgehen und ob sich etwas darauf bezieht, dass man diesen Waffengang perspektivisch betrachtet oder schon als etwas, von dem man sagt „Das ist die Zahl, Status jetzt“, damit habe ich mich als Regierungssprecher in den letzten vier Stunden nicht so genau beschäftigt.

Frage

Herr Hebestreit, Sie haben ja gerade richtigerweise gesagt, in Zeiten des Krieges sei es enorm schwierig mit der Wahrheit. Es ist auch besonders schwierig, in Gaza bestimmte Dinge zu überprüfen. Bemüht sich die Bundesregierung denn darum, auch zu überprüfen, ob wirklich hinter jedem Ziel der Attacken Israels Hamas-Kämpfer stehen? Ich meine, das behauptet die israelische Regierung momentan. Es gibt viele Hinweise darauf, dass das nicht in jedem Fall auch so ist. Genauso ist es jetzt auch wieder beim Fall im Libanon, hinsichtlich dessen die israelische Regierung jetzt behauptet hat, es habe sich um ein Fahrzeug gehandelt, das dazu genutzt werde, Terroristen zu transportieren. Das waren jetzt aber drei Kinder, eine Großmutter und die Mutter. Wie können Sie das überhaupt genau überprüfen?

StS Hebestreit

Ich weiß gar nicht, ob es Angelegenheit der Bundesregierung bzw. der Bundesrepublik Deutschland ist, so etwas zu verifizieren. Es ist vielmehr die Grundhaltung, dass wir sagen: Wir schauen auf all das, was wir an Informationen bekommen, soweit sie verifizierbar sind. Meine journalistische Karriere liegt schon etwas hinter mir, aber ‑ ich weiß es noch ‑ zu meinen Zeiten hatte man immer zwei Quellen, bevor man etwas in die Zeitung geschrieben oder über den Rundfunk gesendet hat. Genauso ist das hier ein ordentliches Vorgehen. Jeder weiß, wie das in Kriegssituationen ist. Das sind auch aufgeladene Situationen, und ich möchte nicht in der Haut von jemandem stecken, der dort Befehle zu erteilen hat, und vielleicht auch nicht in der von demjenigen, der die Befehle zu befolgen hat. Insofern sind all diese Informationen, die uns erreichen, immer mit einer gewissen Grundskepsis zu betrachten. Das heißt nicht, dass das alles Quatsch ist, aber es heißt eben, vorsichtig zu sein, zu prüfen, abzuwarten und im Zweifel auch den Mut und die Kraft zu haben, zu sagen: Wir wissen es nicht. Wir können es nicht genau verifizieren. Wir müssen abwarten. - Das sollten wir uns alle zumuten, nicht nur in der Regierung.

Zusatz

Jetzt hat die Bundesregierung ja wirklich wiederholt zugesagt, an Israels Seite zu stehen. Israel dürfe sich unbedingt verteidigen, und da ist ‑ ‑ ‑

StS Hebestreit

Das ist auch so!

Zusatz

Da ist ja nun einmal der Kern dessen, auch zivile Ziele anzugreifen, basierend auf der Aussage, man greife damit Hamas-Tunnel usw. an. Insofern wäre es doch da total wichtig, zu überprüfen, ob das auch wirklich geschieht und ob das in der Vergangenheit wirklich geschehen ist. Sonst wäre das ja eine Art von Freifahrtschein, alles zu bombardieren, was im Gazastreifen ist. Das wäre fatal.

StS Hebestreit

Ich glaube, der Unterschied zwischen den Kriegsparteien ist, dass Israel eine Demokratie ist und, soweit ich informiert bin, die einzige Demokratie im Nahen Osten ist, die sich natürlich auch immer wieder rechtfertigen muss - vor der eigenen Öffentlichkeit, vor einer kritischen journalistischen Öffentlichkeit, vor der Weltöffentlichkeit, die auch sehr kritisch darauf schaut. Insofern würde ich den Glauben, Israel würde flächenmäßig undifferenziert zivile Dinge bombardieren, jetzt klar in Abrede stellen.

Natürlich haben wir Informationen darüber, dass die Hamas auch sehr gezielt ‑ das wissen diejenigen, die in den letzten Jahren im Gazastreifen tätig gewesen sind, auch ‑ ihre Kommandozentrale an Einrichtungen, die, wie ich es anfangs sagte, auch der zivilen Infrastruktur angehören, errichtet hat, um eben genau zu erreichen, dass sie dadurch einem Zugriff entzogen wird, weil es sonst zivile Opfer geben könnte oder eben zivile Infrastruktur zerstört wird. Das ist Teil der Perfidie, die die Hamas dort betreibt. Ich sage es noch einmal: Auch die Palästinenserinnen und Palästinenser im Gazastreifen, die feige als menschliche Schutzschilde von der Hamas benutzt werden, sind Opfer der Hamas, Opfer auch dieses Konflikts. An der Stelle würde ich zwischen Tätern und Opfern auch immer noch einmal klar differenzieren.

Israel muss sich natürlich für sein Vorgehen verantworten und tut dies auch. Wir ‑ und Sie ja auch ‑ blicken alle sehr kritisch darauf. Aber der Unterschied ist: Ich höre wenige kritische Fragen an die Hamas in solchen Fällen. Aber vielleicht liegt das daran, dass die sich Fragen gar nicht stellen muss.

Zusatzfrage

Ich wollte nur noch einmal darauf hinweisen, dass der Chef des israelischen Militärs vor zwei Wochen getweetet hat, es gehe nicht um Präzision, sondern um Zerstörung. Das deutet ja also schon darauf hin, dass es eben nicht nur um das gezielte Attackieren geht.

StS Hebestreit

Ich könnte Ihnen jetzt aber auch drei weitere Meldungen des israelischen Militärs, die genau das Gegenteil behaupten, vorlegen, und schon merken Sie, dass man einzelne Aussagen immer wieder kritisch prüfen sollte. Das war ja mein Plädoyer am Anfang.

Frage

Ich habe eine Frage zum Thema der Hamas und Israels und des dortigen Kampfes. Trägt die Bundesregierung nicht eine Mitverantwortung für diese Situation in Gaza, zum Beispiel für den Krieg dort? Die Bundesregierung ist auch mitverantwortlich dafür. Ich kann mich erinnern: Es war im Jahre 2005, als es die nationale Regierung in Palästina zwischen der Hamas und der PLO gab. Die ehemalige Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul hat damals zum Beispiel die Fatah-Minister empfangen, aber lehnte es hinsichtlich der PLO und der Hamas ab. Das ist also auch eine Mitschuld. Auch die Bundesregierung ist nicht heilig. Die Bundesregierung ist nicht heilig, Israelis sind auch nicht heilig und die Araber auch nicht. Zum Beispiel in der Taliban-Regierung ‑ ‑ ‑

Vorsitzender Feldhoff

Herr Aiash, kommen Sie doch zu Ihrer Frage. Die Frage ist, glaube ich, ob die Bundesregierung mitverantwortlich ist.

Zusatz

Das wurde alles mitgemacht!

Vorsitzender Feldhoff

Ich glaube, die Frage ist verstanden worden. Lassen wir der Bundesregierung Zeit zum Antworten.

Zusatz

Ja, Dialog ist immer besser!

StS Hebestreit

Ich glaube, darauf können wir uns sofort verständigen, dass Dialog in dieser Situation oder in jeder Situation immer gut ist. Ob es eine Mitverantwortung der Bundesregierung in den letzten Jahren ‑ wenn Sie auf 2005 rekurrieren, sind das 18 Jahre ‑ gab, ist dann vielleicht doch wieder eher eine Frage für Herrn Segev und ähnliche Historiker, als dass die aktuelle Bundesregierung sie beantworten könnte.

Frage

Mein Thema ist das Einbürgerungsrecht. Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki stellt den beschlossenen Entwurf und die auf den Koalitionsvertrag zurückgehenden Änderungen im Einbürgerungsrecht infrage. Er räumte ein, ich zitiere: Das geht auf den Koalitionsvertrag zurück. Aber wir haben mittlerweile ‑ der stammt aus einer ganz anderen Zeit ‑ einen anderen Stand. Wir haben in den vergangenen Wochen viel über importierten Islamismus und Antisemitismus gesprochen und dies als massives Problem für die deutsche Gesellschaft definiert. Mit einer entsprechenden automatischen Einbürgerung bei Geburt in Deutschland wird dieses Problem nicht kleiner, sondern mutmaßlich nicht mehr zu bewältigen sein. – Meine Frage: Plant die Bundesregierung Änderungen, oder soll das Gesetz aus Sicht der Bundesregierung so kommen wie geplant?

StS Hebestreit

Grundsätzlich äußern wir uns ja zu Meldungen aus dem parlamentarischen Raum nicht. Da ich aber den Kollegen Kubicki sehr schätze, weise ich ihn nur darauf hin ‑ das wird er wissen ‑, dass wir in unserem Gesetz zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts ausdrücklich aufgenommen haben: Antisemitische, rassistische oder sonstige menschenverachtend motivierte Handlungen sind mit der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland unvereinbar und verstoßen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes und würden dann einer Einbürgerung auch entgegenstehen. Insofern ist der Sorge, die Herr Kubicki berechtigterweise formuliert, sogar in diesem Gesetz ‑ daran sehen Sie, wie weitblickend man manchmal ist ‑ schon Rechnung getragen.

Zusatz

Dann waren Sie nicht weitblickend genug, weil sich Herr Kubicki auch auf die automatische Einbürgerung von dann hier geborenen Kindern bezieht. Die haben ja noch nichts verbrochen.

StS Hebestreit

Da haben Sie aber recht: Die haben auch noch nichts verbrochen.

Frage

Ich habe eine Frage an das Innenministerium. An diesem Donnerstag wird es ja überall in Deutschland Erinnerungsveranstaltungen anlässlich des 9. Novembers geben. Ich wollte gerne wissen, ob es einen deutschlandweiten Plan gibt, mit dem sich die Polizei oder die Behörden darauf vorbereiten. Vielleicht können Sie dazu etwas sagen.

Beylage-Haarmann (BMI)

Die Sicherheitsbehörden beobachten die Lage sehr aufmerksam. Das gilt generell. Das gilt insbesondere seit dem 7. Oktober, und das gilt auch noch einmal ganz besonders an solchen Gedenktagen.

Zusatzfrage

Heißt das, es gibt jetzt keinen besonderen Plan dafür?

StS Hebestreit

Ich glaube schon, dass die Sicherheitsbehörden sehr genau wissen, mit was für einem Tag wir es dabei zu tun haben. In erster Linie ist das erst einmal wieder ‑ das ist unbefriedigend, wenn man das den Bund fragt ‑ Sache der Landespolizeien, die sich darauf natürlich einstellen. Aber auch die Bundespolizei unterstützt das nach Kräften. Viele Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung haben sich ja auch noch einmal deutlich und klar dazu geäußert, dass es Aufgabe des Staates ist, die jüdischen Einrichtungen zu schützen. Insbesondere an einem solchen geschichtsträchtigen Datum wie dem 9. November ist das natürlich selbstverständlich. Der Bundeskanzler wird in der Synagoge am 9. November eine Grundsatzrede halten, und viele Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung werden auch aktiv sein. Ansonsten sind die Sicherheitsbehörden auch auf die Herausforderungen, die dieser Tag mit sich bringt, natürlich eingestellt.

Frage

Nicht nur jüdische Einrichtungen in Deutschland sind aktuell akut bedroht und brauchen deshalb natürlich auch dringend mehr Schutz. Auch muslimische Einrichtungen befinden sich aktuell in einer sehr bedrohten Lage. Die CLAIM-Allianz gegen antimuslimischen Rassismus meldete letzte Woche, dass es in Deutschland zehn Anschläge auf Moscheen innerhalb von zweieinhalb Wochen nach dem 7. Oktober und unzählige andere Angriffe gegen Muslime und arabische Menschen in Deutschland gab. Was sagt die Bundesregierung dazu? Wie sollen diese Einrichtungen und wie sollen muslimische Menschen in Deutschland geschützt werden?

StS Hebestreit

Ich glaube, das ist ganz wichtiger Punkt, weil wir natürlich in dieser Debatte ganz stark differenzieren müssen. Jegliche Angriffe aus religiösen oder aus sonstigen Gründen heraus sind absolut inakzeptabel. Das ist nicht nur verboten, sondern wird auch verfolgt. Genauso, wie es natürlich ‑ wie der Aufruf des Bundeskanzlers erging ‑ auch ein Gebot der Zivilcourage ist, an der Seite unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zu stehen, gilt genau das Gleiche für diejenigen, die aufgrund ihres Glaubens anderweitigen Angriffen ausgesetzt sind. Deswegen ist es wichtig, da auch stark zwischen denjenigen zu differenzieren, die demonstrieren und Parolen rufen, die nicht okay sind, die verfassungswidrig sind, die das Existenzrecht Israels infrage stellen oder antisemitisch sind, und denjenigen ‑ wir haben fast fünf Millionen Menschen muslimischen Glaubens in Deutschland ‑, die dann natürlich jedes Recht haben, auch geschützt und ohne Ressentiments ihren Glauben zu leben.

Frage

Direkt daran anschließend habe ich eine Frage an das Innenministerium. Können Sie uns, was Anschläge auf Moscheen angeht, vielleicht auch mit Zahlen versorgen?

Beylage-Haarmann (BMI)

Die Bitte nehme ich gerne mit. Jetzt, aus dem Stand heraus, kann ich Ihnen keine aktuellen Zahlen nennen.

Frage

Ich habe eine Frage, die in diesem Komplex gehört, an das BMI. Es wird berichtet, dass Ermittler von einer deutlich gestiegenen Anzahl von antisemitischen Hasskommentaren berichten, die nun prioritär verfolgt werden sollen. Können Sie uns dazu etwas sagen?

Beylage-Haarmann (BMI)

Ja, es ist zutreffend, dass wir eine große Zunahme der Verbreitung von rechtswidrigen Inhalten im Internet mit Bezug zum Krieg im Nahen Osten sehen. Diese Inhalte reichen von antisemitischen Postings und vereinzelten Aufrufen zum bewaffneten Kampf bis hin zur perfiden Zurschaustellung von Täter- und Opfervideos in sozialen Medien. Wir stehen dazu mit den Plattformbetreibern in engem Austausch, um gegen diese Äußerungen vorzugehen, und nutzen alle Möglichkeiten zur Löschung, also auch die Behörden selbst.

Zusatzfrage

Haben Sie Hinweise, wer die, wie ich jetzt einmal sage, Täter sind? Kann man die in irgendeiner Weise zuordnen?

Zum Zweiten: Wird auch eine ähnliche Zunahme an antiislamischen Hass-, Propaganda- und Gewaltaufrufen gesehen?

Beylage-Haarmann (BMI)

Zum Ersten kann ich Ihnen keine weiteren Details nennen.

Zu dem Zweiten kann ich Ihnen sagen, dass auch in diese Richtung aufgrund der aktuellen Lage besonders geblickt wird. Von einer Zunahme kann ich Ihnen hier nicht berichten.

Frage

Ich habe eine Frage an das Innenministerium und an das Verkehrsministerium. Am Wochenende gab es ja diese Geiselnahme in Hamburg, bei der der Täter ohne große Schwierigkeiten mit dem Wagen auf das Rollfeld des Flughafens gekommen ist. Sind Sie der Ansicht, dass die bestehenden Sicherheitsvorkehrungen ausreichen, oder muss da nachgeschärft werden, zumal es sich ja nicht um einen Einzelfall handelt, sondern inzwischen um das letzte Glied einer ganzen Kette ähnlicher Vorfälle?

Beylage-Haarmann (BMI)

Zuerst gilt der Dank allen Einsatzkräften der Polizei sowie den Rettungsdiensten, der Feuerwehr und auch dem Flughafenbetreiber. Die Geiselnahme des gestrigen Tages konnte glimpflich und ohne Blutvergießen beendet werden. Die örtlichen Notfallkonzepte für eine solche Lage haben gegriffen. Jetzt geht es darum, diesen Vorfall aufzuklären. Das verfolgen Sie auch. Die konkreten Ermittlungen zum Tathergang laufen. Es sind staatsanwaltschaftliche Ermittlungen eingeleitet worden.

Wie Sie der Berichterstattung auch entnehmen konnten, hatte die Geiselnahme ihren Ursprung außerhalb des Flughafens. Der Ablauf der Ereignisse wird jetzt Gegenstand der Ermittlungen sein.

Zu Ihrer Frage: Ich kann Ihnen zuerst sagen, dass die Flughafenbetreiber dafür zuständig sind und nach § 8 LuftSiG verpflichtet sind, den Flughafenbetrieb vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs zu schützen. Das gilt insoweit, als sie verpflichtet sind, das Gelände gegen unberechtigten Zugang zu sichern. Die Aufsicht über diese Verpflichtung, die besteht, haben die Länder. Die Flughafenbetreiber können dieser Verpflichtung durch unterschiedliche Maßnahmen nachkommen, also bauliche Maßnahmen, Sicherheitsschleusen, Videoüberwachung etc. Was hier den konkreten Fall im Flughafen Hamburg betrifft, liegt das in der Zuständigkeit der Länderbehörden.

Eine letzte Ergänzung mache ich noch: Trotzdem ist es natürlich so, wenn es einen solchen Vorfall gibt, dass das Anlass ist, die Sicherheitskonzepte zu hinterfragen.

Pauly (BMDV)

Ich kann natürlich auch für das Bundesverkehrsministerium bestätigen, dass die Sicherheit des Flugbetriebs in Deutschland eine sehr hohe Priorität innerhalb der Bundesregierung genießt. Wir nehmen jeden Sicherheitsvorfall und jede mögliche Gefährdung sehr ernst, und wir stehen bezüglich aller Sicherheitsfragen in einem engen und regelmäßigen konkreten Austausch mit dem BMI, mit den zuständigen Behörden und mit der Luftverkehrswirtschaft. Dabei werden die bestehenden Sicherheitsmaßnahmen im Hinblick auf alle Gefährdungslagen kontinuierlich überprüft, auch in diesem Fall.

Zusatzfrage

Hat es denn aus den Vorfällen in der Vergangenheit, also als jemand auf das Rollfeld hinter dem Kanzler hergefahren ist, als die „Letzte Generation“ auf das Rollfeld gelangt ist, irgendwelche Konsequenzen in Sachen Sicherheit gegeben?

Beylage-Haarmann (BMI)

Das sind Fragen an die zuständigen Länderbehörden. Die haben hierfür die Aufsicht inne. Es gibt, wie gesagt, im Luftsicherheitsgesetz eine klare Regelung zum Schutz des unberechtigten Zugangs.

Frage

Sie sagten, die Länder seien zuständig. Aber für die Sicherheit an den Flughäfen und Bahnhöfen ist auch die Bundespolizei zuständig. Haben wir in Deutschland, wenn es um die Sicherheit an Flughäfen geht, einen Standard oder verschiedene Standards?

Beylage-Haarmann (BMI)

Es ist immer etwas unbefriedigend, wenn wir auf Zuständigkeitsfragen verweisen. Den Zugang müssen die Betreiber sichern. Was die Sicherheit auf dem Flughafen angeht, besteht eine Zuständigkeit der Bundespolizei.

In dem konkreten Fall ‑ genau danach hatten Sie gefragt ‑ geht es im ersten Schritt um den Zugang zum Flughafengelände.

Zusatzfrage

Gibt es Überlegungen, das Sicherheitskonzept generell zu überarbeiten?

Beylage-Haarmann (BMI)

Auch dazu will ich noch einmal darauf verweisen, dass nach § 8 Luftsicherheitsgesetz die Verpflichtung besteht, den unberechtigten Zugang auf das Flughafengelände zu verhindern.

Frage

Sorgen sich, auch wenn es generell in der Zuständigkeit der Länder liegt, die Bundesinnenministerin und der Bundesverkehrsminister zumindest darum, dass man von Flughäfen nicht nur „easy“ abjetten kann, sondern auch relativ „easy“ draufkommt?

Beylage-Haarmann (BMI)

Ich denke, mein Kollege hat es gesagt: Wir stehen in engem Austausch mit den zuständigen Behörden und auch den Betreibern der Flughäfen.

Zusatzfrage

Bereitet es Ihnen aber Sorge? Beobachten Sie das mit Sorge? Es ist, wie der Kollege schon ausgeführt hat, nicht der erste Fall. Dass man in engem Austausch steht, das ist die Formel, die man dann bringt. Aber der aktuelle Anlass ist: Ein Mann mit einem Auto bringt über ein ganzes Wochenende den kompletten Betrieb auf einem Flughafen zum Erliegen. Er kommt einfach so drauf.

Beobachten die Bundesinnenministerin und der Bundesverkehrsminister solche Entwicklungen ähnlich wie bei den Klimaklebern mit Sorge?

Beylage-Haarmann (BMI)

Ich hatte es gesagt. Dieser Fall wird intensiv nachbereitet. Dabei will ich es belassen.

Pauly (BMDV)

Wir haben auch bereits bei ähnlichen Vorfällen in der Vergangenheit immer wieder deutlich gemacht, dass die Sicherheit von Flughäfen oberste Priorität haben muss. Natürlich verfolgen wir diese Entwicklungen. Wir sehen uns das ganz genau an. Sofern Konsequenzen zu ziehen sind, werden diese gezogen. Aber natürlich muss erst einmal eine Analyse angestellt werden. Dem kann ich nicht vorgreifen.

Frage

Offenbar wurden beispielsweise aus dem Vorfall mit der „Letzten Generation“ noch keine Konsequenzen gezogen, oder gibt es etwas, was wir nicht mitbekommen haben? War es schon einmal Thema auf der Innenministerkonferenz, oder soll es dort Thema werden?

Beylage-Haarmann (BMI)

Wie gesagt, bitte ich Sie, sich auch mit der Frage nach den Konsequenzen an die zuständigen Länder zu wenden.

Ob es Thema auf einer Innenministerkonferenz war, müsste ich prüfen.

Frage

Sind die deutschen Flughäfen Ihrer Einschätzung nach sicher?

StS Hebestreit

Grundsätzlich sind die deutschen Flughäfen sehr sicher. Das, was wir jetzt in Hamburg erlebt haben, zeigt, dass es auch immer wieder Lücken im Konzept gibt bzw. dass jemand mit hoher krimineller Energie, der offenbar auch sehr verzweifelt war, es schafft, solche Lücken zu nutzen. Dann gibt es die Nachbereitung, dass man sich genau anschaut, wie das zustande kam und wie man so etwas vorbeugt.

Ich wollte Frau Höhne zum Thema der „Letzten Generation“ noch sagen: Als häufiger Nutzer des Berliner Flughafens ist zumindest mir aufgefallen, dass sich einiges verändert hat, was die Sicherung des Flugfeldes angeht. Auch das noch einmal: Das ist nicht Sache der Bundespolizei, sondern erst einmal sind es die Flughafenbetreiber, also diejenigen, die damit Geld verdienen, dass da Flugzeuge starten und landen, die dafür sorgen müssen, dass niemand unberechtigt auf das Flugfeld kann.

Dass kein Konzept so gut ist, dass es nicht noch besser werden kann, ist auch klar.

Aber auf die grundsätzliche Frage: Uns sind jetzt drei Fälle bekannt gewesen, wenn ich noch den Fall desjenigen, der sich in die Kanzlerkolonne eingeschleust haben soll, hinzuzähle. Das ist jetzt noch kein generelles Problem. Aber auch da weiß ich, da ich unlängst eine solche Fahrt am gleichen Flughafen mitmachen musste, dass erhebliche Vorkehrungen getroffen worden sind, damit das nicht noch einmal passiert.

Petry (BMDV)

Was die Frage der Sicherheit der deutschen Flughäfen betrifft, ist es so, dass die Sicherungen der Flughafengelände in Deutschland den Anforderungen der ICAO entsprechen bzw. diese teilweise auch übererfüllen. Insofern: Ja, die deutschen Flughäfen sind im internationalen Vergleich sehr sicher.

Frage

Ich habe Fragen an das Innenministerium und an das Außenministerium. Ich würde gern mit der Frage an das Innenministerium beginnen.

Es geht um irreguläre Migration über Russland. Wir stellen eine starke Zunahme von irregulären Einreisen über die deutsch-polnische Grenze fest. Ein sehr großer Anteil davon, zum Teil zwei Fünftel, zum Teil die Hälfte, hat seinen Ursprung in Moskau und kommt über Belarus. Die Visavergabe von Russland an Staaten wie Syrien oder Afghanistan wurde zuletzt ausgeweitet.

Das Bundesinnenministerium hat schon 2021, also noch unter der alten Regierung, einen Themenbericht „Szenarien für Migration als Ansatzpunkt hybrider Bedrohungen“ gemacht und tatsächlich davor gewarnt, dass ausländische Staaten oder hybride Akteure, wie es genannt wurde, zur Destabilisierung Deutschlands gezielt Migration nach Deutschland fördern würden. Jetzt sehen wir, dass im Fall von Russland zumindest diese Förderung der Migration durch Vergabe von Visa und zumindest Nichthinderung von Schleppern stattfindet.

Inwieweit wurden von der neuen Bundesregierung Maßnahmen getroffen, was die Warnung vor diesen hybriden Bedrohungen angeht, und inwieweit wird auf diesen akuten Anstieg reagiert?

Beylage-Haarmann (BMI)

Wir haben das Thema der Kontrollen im Grenzbereich hier schon am Freitag und auch in der vergangenen Woche ausführlich erörtert. Die Grenzkontrollen sind verstärkt worden.

Zugleich fragen Sie nach den hybriden Aspekten. Auch diese werden von den Sicherheitsbehörden intensiv nachverfolgt.

Zusatzfrage

Wie denn konkret?

Beylage-Haarmann (BMI)

Es wird analysiert, ob Muster erkennbar sind. Dann wird darauf entsprechend reagiert.

Zusatzfrage

Wie sieht solch eine Reaktion aus?

Beylage-Haarmann (BMI)

Die Reaktion kann beispielsweise so aussehen, dass die Kontrollen entsprechend verstärkt und Informationen darüber mit anderen Behörden geteilt werden.

Zusatzfrage

Mit ausländischen Behörden?

Beylage-Haarmann (BMI)

Nein, erst einmal im Verbund der Sicherheitsbehörden.

Zusatzfrage

An das Auswärtige Amt: Wir hatten 2021 schon einmal eine sehr hohe Anzahl von Einreisen in die EU über Belarus. Damals wurde dem unter anderem dadurch begegnet, dass von der EU aus Druck auf die Fluggesellschaften ausgeübt wurde, die potenzielle Migranten nach Belarus geflogen haben.

Gibt es, was speziell die Einreise über Moskau angeht, Überlegungen, wieder Druck auf die Fluggesellschaften auszuüben?

Deschauer (AA)

Die Kolleginnen und Kollegen weisen mich gerade darauf hin, dass Sie eine gleichlautende Anfrage an das BMI und das Auswärtige Amt gestellt haben. Um dem Ganzen genügend Raum zu geben, auch für Detailfragen, werden wir das auf schriftlichem Wege beantworten.

Zusatzfrage

Trotzdem noch eine Nachfrage: 2015 gab es mit Blick auf den Westbalkan den Versuch der Bundesregierung, der zum Teil auch erfolgreich war, die Anreize für Migranten durch Informationskampagnen nach dem Motto „Kommt nicht her! Ihr habt kein Anrecht. Lasst es bleiben!“ zu reduzieren. Das hatte damals einen gewissen Erfolg, und aus dem Westbalkan kamen dann weniger Menschen.

Ist so etwas denkbar oder angedacht?

Deschauer (AA)

Wir kommunizieren Dinge, wenn Sie zu kommunizieren sind. Zu Ihren Fragen werden wir uns schriftlich äußern ‑ Sie haben sie uns ja schriftlich gestellt ‑ und stimmen uns dazu mit dem BMI ab. Vielen Dank.

Frage

Frau Deschauer, die Vereinigten Staaten haben heute ihre Sorge über russische Pläne zur Errichtung maritimer Stützpunkte in Libyen geäußert. Gibt es eine Reaktion darauf?

Deschauer (AA)

Im Moment noch nicht von dieser Stelle aus. Die Meldungen, die Sie erwähnen, sind sehr frisch. Dementsprechend würden wir uns hierzu zu einem geeigneten Zeitpunkt äußern, wenn Sie eine konkrete Frage dazu haben.

Frage

Erst vor wenigen Wochen war General Haftar, der Warlord, der über zwei Drittel Libyens herrscht, in Moskau, laut Kreml sogar bei Wladimir Putin. Haben Sie Erkenntnisse darüber, dass dabei über solche Pläne oder eventuell sogar über die Ausweitung der Migration über Libyen nach Europa gesprochen wurde?

Deschauer (AA)

Dazu habe ich hier nichts mitzuteilen.

Frage

Ich habe eine Frage an das Finanzministerium zum Thema des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Diese Woche treffen sich die EU-Finanzminister. Erwarten Sie dabei eine Einigung dazu? Wo sehen Sie im Moment noch die Hürden für eine Einigung?

Keller (BMF)

Zum jetzigen Zeitpunkt habe ich dazu nichts Neues mitzuteilen. Ich kann den Gesprächen auch nicht vorgreifen. Verschiedentlich wurde schon gesagt, dass sich noch eine Landezone zwischen den Vorschlägen, die aktuell aus verschiedenen Richtungen kursieren, abzeichnen muss. Dazu gibt es aktuell nichts Neues.

Zusatzfrage

Können Sie sagen, ob Deutschland kompromissbereit ist, zum Beispiel beim Thema von Ausnahmen für bestimmte Arten von Ausgaben? Zum Beispiel ist im Gespräch, dass Militärausgaben oder grüne Investitionen davon ausgenommen werden sollen.

Keller (BMF)

Der Finanzminister hat sich, denke ich, an vielen Stellen dazu geäußert, wie er zu diesen Punkten steht, gesagt, dass es klare Regeln geben müsse, die einheitlich gälten, und deutlich gemacht, dass zum letzten Zeitpunkt, von dem ich weiß, solche Ausnahmen nicht vorgesehen sind.

Frage

Arbeitet das Ministerium momentan an einem Gesetzentwurf zum Industriestrompreis, obwohl sowohl Herr Lindner als auch Olaf Scholz das abgelehnt haben?

Wagner (BMWK)

Sie kennen die laufende Diskussion um die Frage, wie wir die Kosten für die Energie gerade für energieintensive Unternehmen reduzieren können. Minister Habeck hat sich im Rahmen der Vorstellung der Industriestrategie noch einmal dazu geäußert. Wir bringen uns dazu innerhalb der Bundesregierung ein. Wenn es diesbezüglich etwas gibt, das wir Ihnen verkünden können, dann werden wir das gern tun. Aber jetzt kann ich leider nur auf das Verfahren verweisen.

Zusatz

Sie können mir also nicht beantworten, ob das Ministerium gerade an einem Gesetzentwurf arbeitet.

Wagner (BMWK)

Bevor die Bundesregierung ihre Gesetzentwürfe einbringt, steht ja erst einmal eine Einigung über Änderungen im Raum. Dann ist das sozusagen der Schritt, der dann kommt. Dann ist ja auch immer die Frage: Wo wird was genau geändert? ‑ Das hängt natürlich von Details ab. Dann stellt sich ja auch die Frage, wer für solch einen Gesetzentwurf federführend wäre.

Frage

Herr Wagner, Herr Hebestreit, diese Debatte haben wir nun ja schon einige Monate. Ich möchte nach der zeitlichen Perspektive fragen. Kann man erwarten, dass noch in diesem Jahr innerhalb der Bundesregierung eine Entscheidung darüber fällt?

StS Hebestreit

Ich glaube, die Bundesregierung ist intensiv dabei, sich um die Lasten, die durch die hohen Energiepreise aufgrund des russischen Überfalls auf die Ukraine und dessen Folgen auf die Bürgerinnen und Bürger wie auf die Unternehmen zugekommen sind, zu kümmern. Das ist nicht einfach. Wir haben die Gemengelage hier mehrfach aufgerissen. Ich bin sehr überzeugt davon, dass wir zeitnah mit etwas auf Sie zukommen, was dieser Herausforderung gerecht wird.

Frage

Herr Hebestreit, teilt der Bundeskanzler auch mit der Expertise als ehemaliger Bundesfinanzminister die Einschätzung, dass die Schuldenbremse in ihrer derzeitigen Form ein Standort- und Wohlstandsrisiko für Deutschland geworden sei und dringend der Reform bedürfe?

StS Hebestreit

Die Bundesregierung hat entschieden, den Haushalt 2024 im Rahmen der grundgesetzlich verankerten Schuldenbremse aufzustellen. Das bestimmt die Politik des Bundeskanzlers.

Über generellere Erwägungen habe ich dazu mit ihm nicht einmal in den letzten Monaten intensiver gesprochen. Insofern muss ich Ihnen die Antwort schuldig bleiben.

Zusatz

Vielleicht könnten Sie die Antwort nachliefern. Diese Formulierung findet sich im Entwurf des Leitantrages für den Bundesparteitag der Partei, der der Bundeskanzler angehört. Insofern wäre das als eine politische Positionierung vielleicht nicht ganz uninteressant. Vielleicht können Sie ihn bei Gelegenheit einmal danach fragen.

StS Hebestreit

Ich bin mir nicht sicher, ob er seine doch sehr enge Zeit darauf verwenden wird. Sollte er das tun, dann werde ich das gern nachreichen.

Frage

(zum Nahostkonflikt) Entschuldigen Sie die zu spät gekommene Nachfrage zur Demonstration in Essen. Dort wurden Flaggen mitgeführt, die verbotenen islamistischen Flaggen frappierend ähneln. Sie sind lediglich auf anderem Grund gedruckt. Prüft das Bundesinnenministerium ein Verbot dieser Flaggen, die dort benutzt wurden?

Beylage-Haarmann (BMI)

Die Versammlungen vor Ort müssen von den zuständigen Versammlungsbehörden ausgewertet werden. Dann wird über entsprechende Konsequenzen nachgedacht.