Regierungspressekonferenz vom 15. November 2023

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Im Wortlaut Regierungspressekonferenz vom 15. November 2023

Themen

  • Kabinettssitzung
    • Entwurf des dritten Gesetzes zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes
    • vierte Verordnung zur Anpassung der Höhe des Mindestlohnes
    • Entwurf eines nationalen Aktionsplanes für den europäischen Forschungsraum
  • Besuch des türkischen Staatspräsidenten
  • Nahostkonflikt
  • Verlängerung der Geltungsdauer der Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz
  • Urteil des Bundesverfassungsgericht zum Zweiten Nachtragshaushalt 2021
  • Zulassung von Impfstoffen durch die EMA
  • Ausbildungsmissionen der Bundespolizei in Saudi-Arabien
  • Bio-Strategie 2030
  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Mittwoch, 15. November 2023

Sprecherinnen und Sprecher

  • Staatssekretär Hebestreit
  • Wagner (BMWK)
  • Göpner-Reinecke (BMAS)
  • Wagner (AA)
  • Kall (BMI)
  • Dr. Kalwey (BMF)
  • Alexandrin (BMDV)
  • Gülde (BMG)
  • Köhler (BMEL)

StS Hebestreit

Auch heute hat es eine Sitzung des Bundeskabinetts gegeben.

Unter anderem hat das Kabinett heute den Entwurf des dritten Gesetzes zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes beschlossen. Damit legt die Bundesregierung einen wichtigen Grundstein für einen zügigen und kosteneffizienten Hochlauf der Wasserstoffmarktes. Ohne Netzinfrastruktur ist die Versorgung mit Wasserstoff nicht möglich. Damit ist der Netzaufbau ein zentraler Schritt hin zu sauberer, bezahlbarer und sicherer Energie in Deutschland und Europa.

Der Entwurf enthält zum einen den Rechtsrahmen für die Finanzierung des Wasserstoffkernnetzes. Er schafft zum anderen eine integrierte und bedarfsgerechte Netzplanung für Gas und Wasserstoff von dem Jahr 2025 an. Kernidee des Finanzierungskonzeptes ist es, das Wasserstoffkernnetz weitestgehend privatwirtschaftlich zu verwirklichen. Es soll grundsätzlich vollständig über Netzentgelte finanziert werden. Damit zu hohe Netzentgelte angesichts nur weniger angeschlossener Erstnutzer den Hochlauf nicht behindern, sollen die Netzentgelte möglichst bundesweit einheitlich sein und zu Beginn auf ein marktgängiges Niveau gedeckelt werden. Die anfänglichen Mindereinnahmen für die Betreiber werden auf ein sogenanntes Amortisationskonto gebucht, dessen Saldo mit späteren Mehreinnahmen durch dann höhere Netzentgelte ausgeglichen werden sollen. Im Kern tragen damit die späteren Nutzer im Sinne einer fairen Verteilung auch die Aufbaukosten mit, sodass die Entgelte für die Erstnutzer bezahlbar bleiben. Das macht die hohe Investition von Beginn an wirtschaftlich tragfähig.

Heute ist ebenfalls die vierte Verordnung zur Anpassung der Höhe des Mindestlohnes vom Kabinett beschlossen worden. Von nächstem Jahr an erhalten Millionen von Menschen in Deutschland mehr Geld. Der Mindestlohn steigt zum 1. Januar 2024 auf 12,41 Euro brutto pro Stunde. Ein Jahr später, also zum 1. Januar 2025, steigt der Mindestlohn dann im zweiten Schritt auf 12,82 Euro pro Stunde. Das Kabinett hat die vom Bundesarbeitsminister Heil vorgelegte Verordnung wie gesagt beschlossen. Die Bundesregierung setzt damit den Beschluss der Mindestlohnkommission von Juni dieses Jahres rechtsverbindlich um.

Dritter Punkt: Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf eines nationalen Aktionsplanes für den europäischen Forschungsraum beschlossen. Sie möchte damit aktiv die europäische Forschungs- und Innovationspolitik mitgestalten und zu einer engeren Verzahnung auf nationaler und europäischer Ebene beitragen. Deutschland und Europa sollen sich so auch weiterhin in einer weltweiten Spitzenposition in Forschung und Innovation halten und Europas Innovationskraft, Exzellenz und technologische Souveränität steigern. Dann steht hier: Wenn Sie Details wissen wollen, möge ich an das Fachressort abgeben ‑ an das würde ich dann auch alle weiteren Fragen abgeben.

So weit von mir aktiv aus dem Kabinett von heute.

Frage

An Herrn Hebestreit und gegebenenfalls an das entsprechende Ministerium: Warum hat man sich beim Aufbau des Wasserstoffnetzes für den privatwirtschaftlichen Weg entschieden?

StS Hebestreit

Meines Wissens sind die meisten Nutzernetze in Deutschland privatwirtschaftlich organisiert, und so hält man es auch bei diesem Netz.

Frage

Der Hintergrund meiner Frage ist erstens, dass die bisherigen Gasnetzbetreiber ihre Infrastruktur behalten wollen und dementsprechend den Besitz wahren wollen. Zum anderen haben wir in den letzten Jahrzehnten auch schlechte Erfahrungen damit gemacht, dass die kritische Infrastruktur, zu der man ja auch so ein Wasserstoffnetz zählen könnte, in privatwirtschaftlicher Hand ist. Was war also die grundsätzliche Entscheidung dahinter?

StS Hebestreit

Ich würde sagen, die Prämisse, die Sie da im hinteren Teil nennen, die teile ich nicht. Ich wüsste jetzt nicht, dass wir das Gasnetz verstaatlichen wollten oder Ähnliches. Insofern ist das ein Wasserstoffnetz. Aber Herr Wagner wird das sicherlich noch auf den konkreten Fall unterbrechen können.

Wagner (BMWK)

Genau, ich kann das gerne noch ergänzen. ‑ Grundsätzlich ist es so, dass das Netz durch private Gasleitungsbetreiber organisiert werden soll, was ja auch sehr sinnvoll ist, da diese die nötige Expertise haben, die jetzt auch nicht neu durch die Bundesregierung aufgebaut werden soll. Dadurch ist das dann natürlich auch effizienter.

Im Übrigen haben wir natürlich auch aus vergangenen Krisen gelernt und auch unsere Wirtschaftssicherheitsgesetze und das Wirtschaftssicherheitsrecht deutlich ausgebaut, sodass wir, wenn es um den Bereich kritischer Infrastrukturen und auch um Versorgungssicherheit geht, durch umfassende Vorgaben sicherstellen können, dass die Versorgungssicherheit auch in diesen Bereichen gewährleistet wird.

Frage

Herr Hebestreit, auch wenn Sie sagen, privatwirtschaftliche Finanzierung sei der Ansatz: War oder ist zur Organisation der Finanzierung vorgesehen, irgendwelche Gelder aus dem KTF dafür einzusetzen?

Wagner (BMWK)

Das ist nicht vorgesehen.

Frage

Herr Wagner, die bisherigen Gasnetzbetreiber waren und sind ein Oligopol. Haben die in der Vergangenheit mit Effizienz geglänzt?

Wagner (BMWK)

Grundsätzlich ist es ja so, dass der Netzbetrieb in der Regel wenig Wettbewerb hat. Das sehen Sie auch bei den Stromnetzen. Dort haben Sie Übertragungsnetzbetreiber, und die legen nicht parallel eine zweite Stromleitung, die dann vielleicht günstiger ist. Das sind also Aufwendungen, die man nur einmal macht, und dann laufen sie. Deshalb werden sie auch von der Bundesnetzagentur sehr, sehr streng reguliert. Dort wird sehr genau geguckt, wie das vonstattengeht, und vor allem auch, welche Erlöse damit erzielen werden können. Da gibt es Erlösobergrenzen; das ist eine relativ komplexe Regulierung, weil es eben ein Markt ist, in dem es keinen Wettbewerb gibt. Aber diese Kontrolle und diese Regulierung durch die Bundesnetzagentur finden dort statt.

Zusatzfrage

Das ist ja genau der Punkt: Das ist ein Markt, in dem es keinen Wettbewerb gibt. Warum wollen Sie diesen Markt dann privatwirtschaftlich organisieren? Da müssen dann ja zusätzlich wieder Profite erwirtschaftet werden.

Wagner (BMWK)

Es gibt da, wie gesagt, Erlösobergrenzen, die dann sicherstellen, dass dort wirtschaftliche Erwägungen eine Rolle spielen ‑ was ja, wenn das privat betrieben ist, auch verständlich ist. Wie gesagt, die Alternative wäre, dass Sie jetzt eine Bundesgasinfrastrukturgesellschaft gründen, die das jetzt komplett mit neuem Material, neuem Know-how und vor allem neuem Personal stemmt. Insofern ist dann, glaube ich, der effizientere Weg ‑ so wie man es bei anderen Netzen ja auch macht und wie es beim Gasnetz derzeit auch der Fall ist ‑, dass es umlagegetrieben ist und dass die Kosten dort von den Gasnetzbetreibern auf den Nutzer umgelegt werden.

Frage

Zur Steigerung des Mindestlohns an das entsprechende Ministerium: Ist der denn alterssicher?

Göpner-Reinecke (BMAS)

Wenn ich Ihre Frage richtig einordne, geht es darum, wie gut abgesichert Menschen im Alter sind. Zum einen erstmal korrekt ‑ ‑ ‑ Sie gucken kritisch, ist das nicht Ihre Frage? Korrigieren Sie mich, wenn ich Ihre Frage falsch interpretiert habe.

Frage

Hintergrund ist, dass Ihr Ministerium unter Herrn Heil vor sechs Jahren schon einmal auf eine Bundestagsanfrage geantwortet hat, der Mindestlohn müsse bei ungefähr 13 Euro liegen, wenn ein Mensch sein gesamtes Berufsleben lang diesen Mindestlohn bekommt, damit dieser Mensch dann nicht in Altersarmut gerät. Selbst mit dieser Steigerung ist der Mindestlohn aber immer noch darunter.

Göpner-Reinecke (BMAS)

Der Anstieg ist so, wie Herr Hebestreit das bereits mitgeteilt hat. Der Minister hat schon in mehreren Interviews dazu geäußert, dass er sich eine stärkere Erhöhung des Mindestlohns gewünscht hätte, und er hat auch mehrfach betont, dass der Mindestlohn immer nur eine Untergrenze für den Lohn ist. Das Ziel ist natürlich, dass Menschen für gute Löhne arbeiten, und dafür braucht es Tarifbindung. Dort, wo es Tarifbindung gibt, sind auch die Arbeitsbedingungen, die Lohnbedingungen besser. Deswegen ist, wie gesagt, der Schlüssel zu besseren Löhnen auch die Tarifstärkung. Die Bundesregierung hat sich auch schon dazu geäußert, dass sie Anreize schaffen wird, um die Tarifbindung in Deutschland zu stärken.

Frage

Ist dieser Mindestlohn also nicht alterssicher? Ihr Minister will ja auch einen höheren Mindestlohn haben; das muss ja einen Grund haben.

Göpner-Reinecke (BMAS)

Ich hatte ja gesagt: Der Mindestlohn ist immer eine untere Lohngrenze. Es geht natürlich darum, dass Menschen von ihrem Lohn leben können. Speziell zum Punkt der Altersarmut gibt es, wie Sie wissen, auch die Grundrente, um sozusagen Lebensleistung und Arbeitsleistung im Alter besser abzubilden.

Frage

Es gibt ja einen inneren Zusammenhang zwischen Bürgergeld und Mindestlohn im Hinblick auf das Lohnabstandsgebot. Die Union fordert eine Abschaffung des Bürgergeldes, weil derzeit eben zu wenig Abstand, zu wenig Anreiz für das Aufnehmen einer Lohnarbeit gegeben sei. Sehen Sie, dass mit der jetzigen und der geplanten Anhebung des Mindestlohns ein hinreichender Lohnabstand gegeben wäre bzw. gegeben sein wird, oder müsste der eigentlich noch höher sein, um sozusagen der Argumentation der Union von der positiven Seite her zu begegnen?

Göpner-Reinecke (BMAS)

Zur Argumentation der Union müssten Sie natürlich die Union befragen. Zur Anhebung des Mindestlohns habe ich mich gerade geäußert und gesagt, dass das eine Untergrenze ist und dass sich der Minister da durchaus auch noch eine Steigerung hätte vorstellen können. Das Bürgergeld deckt das notwendige Existenzminimum ab ‑ nicht mehr und nicht weniger. Damit sich Arbeit lohnt, hat die Bundesregierung ja schon die Anhebung auf 12 Euro beschlossen, Steuern für Geringverdiener gesenkt, auch die Sozialbeiträge gesenkt, Kindergeld erhöht und weitere Maßnahmen getroffen.

Zusatzfrage

Vielleicht habe ich die Frage unpräzise gestellt: Ist mit der jetzt beschlossenen Anhebung des Mindestlohns nach Ihrer Auffassung ein ausreichend hoher Lohnabstand gegeben?

Göpner-Reinecke (BMAS)

Sie paraphrasieren jetzt Ihre Frage, aber ich habe darauf schon geantwortet.

Frage

(zum Besuch des türkischen Staatspräsidenten) Herr Hebestreit, was soll bei dem anstehenden Abendessen von Herrn Erdogan und Herrn Scholz auf der Tagesordnung stehen, was ist da konkret an Gesprächen geplant. Können Sie dazu vielleicht ein bisschen ausführen?

StS Hebestreit

Ich kann Ihnen noch nicht sagen, wie die Speisefolge sein wird. Was ich hier am Montag schon relativ umfassend vorgetragen habe, ist: Das ist ein Besuch eines schwierigen Partners, mit dem wir eine ganze Reihe von Dossiers miteinander diskutieren. Dazu gehört einerseits natürlich das Thema der Türkei als Regionalmacht. Wir hatten gestern den griechischen Ministerpräsidenten in Berlin zu Gast, der sich auch in der Pressekonferenz gemeinsam mit dem Bundeskanzler zu diesem Besuch und zu den Erwartungen geäußert hat. Das wird ein Thema sein. Wir haben natürlich die Thematik, den NATO-Beitritt Schwedens weiter voranzubringen. Wir haben das Ukraine-Dossier, in dem die Türkei insbesondere durch ihre Initiative der Black Sea Grain Initiative sehr aktiv gewesen ist, und sie ist auch weiter dabei, dort Hilfe zu schaffen. Die Türkei ist natürlich auch eine Regionalmacht mit Blick auf den Nahen Osten. Darüber hinaus haben wir natürlich auch Migrationsthemen miteinander zu besprechen.

Es ist also eine lange, umfangreiche Agenda. Man blickt nicht immer aus der gleichen Perspektive auf die jeweiligen Probleme, und deshalb ist es wichtig, da auch einen klaren und offenen Austausch zu pflegen. Damit ist aber auch die Hoffnung verbunden, dass man in diesen Dossiers vorankommt. All das wird am Freitagabend im Bundeskanzleramt hoffentlich auch so stattfinden.

Frage

Herr Hebestreit, wenn der griechische Ministerpräsident kommt, gibt es eine Pressekonferenz, wenn der türkische Präsident kommt, aber nicht?

StS Hebestreit

Ich habe ja am Montag, glaube ich, schon gesagt, dass wir diesbezüglich am Diskutieren bzw. am Verhandeln sind. Ich bin da durchaus hoffnungsvoll, dass es nicht nur eine griechische, sondern auch eine türkische Pressebegegnung geben wird. Die Details werde ich hoffentlich heute im Laufe des späteren Nachmittages mitteilen können. Da sind noch letzte Fragen zu klären. Ich werde das jedenfalls so rechtzeitig mitteilen, dass auch alle, die sich für den Freitagabend nichts Besseres vorgenommen haben, im Kanzleramt sein können. Aber wie gesagt, das ist noch in den letzten Zügen zu besprechen.

Zusatzfrage

Ist davon auszugehen, dass die türkische Seite keine Pressekonferenz will?

StS Hebestreit

Ich lasse mich zu solchen internen Fragen nie ein, auch in diesem Fall nicht.

Zusatzfrage

Dann können wir davon ausgehen, dass so ein Exempel wie beim chinesischen Besuch des Ministerpräsidenten nicht wieder vorkommt, falls es zu einer Pressekonferenz kommt?

StS Hebestreit

Zu einer Pressekonferenz gehören ja immer zwei Seiten, und beide Seiten muss man miteinander übereinbringen.

Frage

Herr Hebestreit, wie wir wissen, ist die deutsche Bundesregierung in vielerlei Hinsicht abhängig von der türkischen Regierung, vor allem wenn es um das Thema Migration geht. Da gibt es einige Abkommen. Wie versucht die Bundesregierung ihrerseits Druck auf die türkische Regierung auszuüben, was das Thema Nahost angeht? Da hat sich die Türkei ja sehr deutlich sich gegen Israel gestellt.

StS Hebestreit

Ich glaube, der Bundeskanzler hat dazu gestern im Bundeskanzleramt in besagter Pressekonferenz mit dem griechischen Ministerpräsidenten auch sehr klare Worte dazu gefunden. Ich glaube, genau für solche Fragen gibt es auch einen Austausch, in dem man die jeweiligen Positionen auch markiert, argumentiert und für seine Position wirbt. Da muss man sich ja auch nichts vormachen: Es gibt sehr unterschiedliche Sichtweisen auf viele Probleme in der Welt, und wenn wir nicht miteinander reden würden, sondern jeweils nur auf unseren Standpunkten beharren würden, dann würde auch gar nichts vorangehen. Insofern ist das ein Thema, um das es dort gehen wird.

Zu Ihrer Teilprämisse am Anfang Ihrer Frage, also den Abhängigkeiten, würde ich sagen: Es gibt in einer interdependenten Welt immer sehr verschiedene, unterschiedliche Abhängigkeiten; jeder ist irgendwie von jedem abhängig. Wenn man konstruktiv orientiert ist, dann ist die Kunst der Politik, solche Abhängigkeiten zu beider Seiten nutzen aufzulösen.

Zusatzfrage

Dieser Einschätzung stimme ich vollkommen zu, meine Frage ist aber nicht beantwortet worden: Welche Druckmittel hat die deutsche Regierung, um vielleicht Abhängigkeiten auf der anderen Seite auszunutzen?

StS Hebestreit

Da ich ja gar nicht von Druck, den wir verspüren, gesprochen habe, spreche ich auch nicht von Druck, den wir irgendwie ausüben würden. Ich habe vielmehr von der Qualität von Gesprächen, vom gegenseitigen Meinungsaustausch, von der Kraft der Argumente gesprochen. Dann muss ich mich irgendwann auch auf den Punkt zurückziehen, zu sagen: Den Gesprächen, die am Freitag stattfinden werden ‑ wie in der Regel auch all den anderen Gesprächen, die man hat ‑, greifen wir hier nicht vor. Ich glaube aber, wir haben doch relativ umfassend besprochen, wie wir auf Dinge sehen. Das ist auch bekannt, und jeder aufmerksame Zeitungsleser, Fernsehzuschauer, Internetnutzer weiß auch, wie die türkische Seite auf vieles blickt. Das gilt es nun miteinander zu diskutieren.

Frage

Herr Hebestreit, Sie haben es gerade angesprochen: Aktuell gibt es neue Rekorde, was die Anzahl der Geflüchteten aus der Türkei nach Deutschland betrifft. Mutmaßlich gehören dazu auch viele Kurdinnen und Kurden, die derzeit vor den Angriffen fliehen, die die türkische Regierung dort in der Region wieder ausübt. Wird auch das ein Thema sein? Ist das etwas, was den Bundeskanzler besorgt und was er mit dem türkischen Präsidenten ansprechen wird?

StS Hebestreit

Ich habe ja das Thema Migration genannt. Sie wissen, wie die Diskussionen in Deutschland sind, sie wissen, wie die Herausforderungen für Deutschland sind. Es würde mir schwerfallen, mir vorzustellen, dass dann ein solches Thema oder ein solcher Aspekt nicht zur Sprache kommt. Aber auch da gilt wieder: Das ist ja kein achtstündiger Besuch, in dem man sich ausspricht, sondern es sind, glaube ich, zweieinhalb Stunden. Ich würde aber davon ausgehen, dass dieses Thema eine Rolle spielen könnte.

Frage

(zum Nahostkonflikt) Ich probiere es einmal bei Herrn Wagner: Ich beziehe mich auf Aussagen des israelischen Finanzministers Smotrich, der gestern eine freiwillige Abwanderung von Palästinensern aus Palästina, in diesem Fall aus Gaza, gefordert hat. Wie stehen Sie zu dieser Forderung aus der israelischen Regierung? Ist es eigentlich völkerrechtlich gestattet, eine Bevölkerung aufzufordern, aus ihrem eigenen Land abzuwandern?

Wagner (AA)

Vielen Dank. Wir haben diese Äußerungen zur Kenntnis genommen. Die sind nicht hilfreich, sie sind auch nicht akzeptabel. Sie wissen vielleicht, dass sich die Außenministerin beim jüngsten G7-Treffen in Tokio zu diesem Thema eingelassen hat, auch mit fünf Punkten, die vielleicht zur Orientierung dienen können, wie eine Zweistaatenlösung eine Zukunft haben kann. Einer der Punkte war dabei ja ganz explizit auch, dass die Palästinenserinnen und Palästinenser nicht aus Gaza vertrieben werden dürfen. Insofern würde ich Sie auf diese Äußerungen verweisen, die ja im Übrigen auch vom amerikanischen Außenminister in ähnlicher Weise intoniert worden sind.

Zusatzfrage

Okay, Sie sagen, das ist nicht akzeptabel, aber Sie verurteilen das nicht. ‑ Ich hatte außerdem noch gefragt, wie das völkerrechtlich zu sehen ist. Darf man eine einheimische Bevölkerung auffordern, das eigene Land zu verlassen?

Wagner (AA)

Ich habe zu der Frage, die Sie gestellt haben, das gesagt, was ich sage, und ich bleibe bei meinen Einlassungen.

Frage

Herr Hebestreit, ich würde gerne noch einmal auf die Pressekonferenz am 14. November, die Sie schon erwähnt haben, zurückkommen. Der Kanzler hat dort erklärt ‑ ich zitiere ‑, Israel sei „ein Land, das sich den Menschenrechten und dem Völkerrecht verpflichtet fühlt und in seinen Aktionen auch dementsprechend handelt“. Jetzt sind mit Stand 14. November nach UNOCHA-Angaben 102 UN-Mitarbeiter und 47 Journalisten durch israelische Vergeltungsschläge getötet worden. Da würde mich interessieren, ob diese Tötung in einem dreistelligen Bereich von UN-Mitarbeitern und einem mittleren zweistelligen Bereich von Journalisten für den Kanzler auch in diesen Bereich ‑ „dem Völkerrecht verpflichtet fühlt“ ‑ fällt.

StS Hebestreit

Ich will das hier überhaupt nicht kategorisieren. Der Bundeskanzler hat gesagt, wie der Staat Israel grundsätzlich handelt. Wir haben es im Moment mit einer Kriegssituation zu tun. Wir haben es damit zu tun, dass die Hamas Israel überfallen hat, dass sie mehr als tausend Menschen ‑ ich glaube, inzwischen liegt die Zahl bei 1200 ‑ bestialisch umgebracht hat und dass immer noch mehr als 200 Geiseln dort gefangen gehalten werden. Das sind Frauen, das sind alte Menschen, das sind auch Männer und es sind Kinder, die dort ohne ihre Eltern seit mehr als fünf Wochen festgehalten werden. Die Hamas hätte jederzeit die Möglichkeit, da auch ein Zeichen der Versöhnung, wenn man so will, ein Zeichen der Abrüstung zu setzen. Im Gegenteil, der Beschuss Israels geht weiter; es ist eine fortgesetzte Kriegssituation, die dort herrscht. Gleichzeitig bleibt der Aufruf an die israelische Seite, sich an den Rahmen des humanitären Völkerrechts zu halten.

Wenn man vergleicht, wie die Hamas gegen Israel vorgeht und wie Israel gegen die Hamas vorgeht, dann kann zumindest ich Unterschiede erkennen. Zu einer allgemeinen Einzelfallbeurteilung kann ich von dieser Stelle nichts beitragen; das tut mir leid für Sie.

Zusatzfrage

Aber die allgemeine Tendenz ist ja derzeit, dass sowohl Volker Türk als UN-Hochkommissar für Menschenrechte als auch alle involvierten UN-Organisationen sehr deutlich davon sprechen, dass Israel mit der Art des militärischen Vorgehens im Gazastreifen Völkerrecht bricht. Bisher zumindest hat die Bundesregierung sich in der BPK hingestellt und gesagt: Nö, wir sehen das anders. Da würde mich schon interessieren: Auf welcher Grundlage kommt die Bundesregierung zu dem Schluss ‑ im Gegensatz zur Einschätzung von eigentlich allen UN-Organisationen und auch vielen internationalen Partnerstaaten Deutschlands ‑, dass Israel im Gazastreifen Völkerrecht nicht bricht?

StS Hebestreit

Ich werde hier nicht in eine Thematik, wer was an der Stelle genau sagt, einsteigen. Das ist eine sehr schwierige Situation; es ist eine Kriegssituation, in der wir uns befinden. Das ist ein bewaffneter Konflikt, der fortgesetzt geführt wird. Die Aufforderung, die wir auch an dieser Stelle mehrfach gemacht haben ‑ auch meine Kolleginnen und Kollegen, die, wenn ich nicht hier bin, hier sitzen ‑, war immer auch die Aufforderung, dass die Regeln des humanitären Völkerrechts gelten müssen und dass sich alle Seiten daran halten müssen. Wir wissen, wer sich überhaupt nicht daran hält: Das ist die Hamas. Wir wissen auch, dass Israel bemüht ist. Wenn es Situationen gibt, die verurteilungswürdig sind, dann wird auch das verurteilt werden. Es ist aber nicht am Regierungssprecher oder an der Bundesregierung, das von hier aus zu beurteilen. Insofern kann ich Ihnen auch an der Stelle wieder nicht weiterhelfen.

Frage

Jetzt hat der Kollege meine Frage natürlich schon vorweggenommen. Ich will aber trotzdem ‑ ‑ ‑

StS Hebestreit

Dann nehmen Sie einfach die Antwort, die ich gegeben habe, nochmal.

Frage

Ich will trotzdem noch einmal nachfragen. Wir können ja auch aus der aktuellen Kriegssituation weggehen. ‑ Israel bzw. die israelische Regierung ‑ vor allem die aktuelle Regierung unter Netanjahu ‑, verfolgt schon seit Jahren eine expansive Siedlungspolitik, die dem internationalen Recht widerspricht. Die Bundesregierung stellt sich eigentlich dagegen. Wie kann es sein, dass der Bundeskanzler jetzt sagt, Israel würde sich grundsätzlich an internationales Recht halten ‑ und noch viel wichtiger: er hat gesagt, es dürfe keinen Zweifel daran geben, man dürfe also nicht daran zweifeln, dass sich Israel an das internationale Recht hält ‑, wenn es doch wirklich umfassende Berichte darüber gibt ‑ und zwar schon seit Jahrzehnten ‑, dass das nicht der Fall ist?

StS Hebestreit

An einer Stelle folge ich Ihnen dezidiert nicht, an vielen anderen gerne. Die dezidierte Stelle, an der ich Ihnen nicht folge, ist die Stelle, an der Sie daraus eine Kausalität herbeiführen ‑ weil das so gewesen sei, könne die Hamas jetzt Israel überfallen und diese Terrorakte verüben. Wenn das nicht gemeint ist, sondern das eher ein grundsätzlicher Eindruck ist, dann kann ich darauf verweisen, dass wir auch von dieser Stelle, gerade was eine aggressive Siedlungspolitik angeht, immer wieder auch klar Israel aufgefordert haben, das zu unterlassen. Auch in unseren Gesprächen mit Benjamin Netanjahu ‑ es gab, glaube ich, drei persönliche Begegnungen in den letzten anderthalb Jahren zwischen dem Bundeskanzler und ihm, nämlich in Tel Aviv, in New York und in Berlin ‑, hat der Bundeskanzler das klar angesprochen.

Das ist auch der Unterschied: Man kann mit der Regierung Israels, das ja eine Demokratie ist ‑ auch da sollten wir jetzt nicht immer alles gleichsetzen und sagen: die einen sagen so, die anderen sagen so ‑ reden, da gibt es eine kritische Öffentlichkeit, es gibt Gerichte, es gibt eine kritische Presse in Israel. All das wird kritisch miteinander diskutiert, und wenn es ‑ und da gebe ich Ihnen völlig Recht ‑ Stellen gibt, an denen es Kritik zu üben gibt, dann haben wir das auch getan. Wenn Sie sagen, unter anderem, was die Siedlungspolitik angeht, gebe es da Verstöße gegen völkerrechtliche Vorgaben, dann würde ich das jetzt aber nicht auf die Kernaussage des Bundeskanzlers beziehen. An der Stelle war es ja dezidiert auf die Fragen im aktuellen Konflikt bezogen, der sich in Gaza, im Gazastreifen abspielt, also auf den Kampf zwischen Israel, das das auch völkerrechtliche Recht hat, sich gegen die fortgesetzten Angriffe der Terrororganisation Hamas zu verteidigen, und der Hamas. Wenn wir das so auseinanderhalten, sind wir, glaube ich, fein.

Zusatz

Über die Hamas habe ich überhaupt gar nichts gesagt.

StS Hebestreit

Aber ich.

Zusatz

Ich wollte auch nichts darüber suggerieren. Aber auch in der Westbank sind seit dem 7. Oktober über 180 Zivilisten von der israelischen Armee getötet worden. Da ist ja die Hamas nicht.

StS Hebestreit

Nein, das ist auch klar. Das haben wir sowohl in internen Gesprächen als auch zum Teil öffentlich klar kritisiert. Das ist etwas, was wir absolut verurteilen, und das darf nicht sein.

Frage

Sie haben sicherlich auch die Äußerung des US-Präsidenten Joe Biden zur Kenntnis genommen, der im Hinblick auf die Situation des Al-Schifa-Krankenhauses, in dem derzeit nicht mehr operiert und medizinisch gearbeitet werden kann und in dem Menschen deswegen sterben, zum einen gefordert hat, dass dieses Krankenhaus besser geschützt werden müsse. Zum anderen hat er von Israel explizit ein weniger einschneidendes Vorgehen gefordert.

Teilt die Bundesregierung diese Position?

StS Hebestreit

Wir haben das zur Kenntnis genommen. Wir haben heute auch Nachrichten zur Kenntnis genommen, wonach Israel dort ‑ wie haben Sie es zitiert? ‑

Zusatz

Ein weniger einschneidendes Vorgehen.

StS Hebestreit

‑ wonach Israel sowohl mit arabischsprachigen Mittlern als auch mit Spezialkräften in dieses Krankenhaus gegangen ist ‑ die Formulierung „gegangen ist“ ist ein Euphemismus ‑, also dieses Krankenhaus gestürmt hat. Aber es hat ‑ ich denke, das war das, wozu viele aufgefordert haben ‑ keine Bombardierung dieses Krankenhauses gegeben.

Ich wiederhole noch einmal, was ich auch Montag hier schon gesagt habe: Die Situation in Gaza ist furchtbar. Die Zivilbevölkerung dort leidet, die Zivilbevölkerung, die zum Teil von der Hamas daran gehindert wird, diese Orte zu verlassen, um sich in Sicherheit zu bringen, weil sie als menschliche Schutzschilde gebraucht und missbraucht wird. Gleichzeitig bleibt es fortgesetzt dabei, dass die Hamas auch im Schutze dieser Zivilisten ihre Terrorangriffe und ihren Kampf gegen Israel fortsetzt.

Deswegen ist das eine so furchtbare Situation. Das Leid der Zivilbevölkerung ist schwer ermesslich, um nicht zu sagen unermesslich. Gerade daher gilt es auch, immer wieder darauf hinzuweisen, dass es ein Krieg Israels gegen die Hamas ist, aber nicht ein Krieg Israels gegen die Palästinenserinnen und Palästinenser. So schwer das oft zu trennen zu sein scheint, ist das eine Situation, in der wir differenzieren müssen.

Daher auch wieder die Aufforderung, was die Bedingungen des humanitären Völkerrechts angeht. Wir haben sie an dieser Stelle und auch anderswo wiederholt, und auch der Bundeskanzler hat sie in besagter Pressekonferenz gestern noch einmal wiederholt. Ich sehe zumindest heute, wenn ich den Nachrichten Glauben schenken darf, die uns erreichen, dass Israel auch auf diese Mahnungen aus der internationalen Gemeinschaft zu reagieren scheint.

Aber, wie gesagt: Das ist eine Kriegssituation. Das alles ist sehr schwierig.

Wagner (AA)

Vielleicht darf ich noch ergänzen, weil es um das humanitäre Völkerrecht geht. Tatsächlich stehen zivile Einrichtungen, gerade auch Krankenhäuser und ihr Personal, in solchen bewaffneten Konflikten grundsätzlich unter einem besonderen Schutz. Aber wenn zivile Einrichtungen für militärische Zwecke missbraucht werden, dann können sie im Einzelfall ‑ das hat der Regierungssprecher eben schon angedeutet ‑ auch zu legitimen militärischen Zielen werden.

In der Tat hat Israel versichert, alle Vorkehrungen dafür zu treffen und so vorzugehen, dass es im Einklang mit den Vorgaben des humanitären Völkerrechts steht. Dagegen hält sich die Hamas tatsächlich überhaupt nicht an die Vorgaben des humanitären Völkerrechts.

Zusatzfrage

Ich denke, über den Charakter der Hamas-Terroraktionen besteht zumindest in diesem Raum kein Zweifel. Die Frage, die sich aber dennoch und nicht im Gegensatz dazu ergibt, ist: Wenn die Situation so ist, dass ein Krankenhaus nicht als Krankenhaus funktionieren kann, dass dort nicht medizinisch betreut werden kann, dass Menschen sterben, was ist dann aus Sicht der Bundesregierung zu tun, um auch vor dem Hintergrund des humanitären Völkerrechts zu gewährleisten, dass die Funktion des Krankenhauses, medizinische Hilfe zu leisten und Menschen nicht sterben zu lassen, schnellstmöglich wiederhergestellt werden kann? Denn dies ist zurzeit offenbar nicht gegeben. Das berichten die Ärzte aus diesem Krankenhaus. Was kann also aus Sicht der Bundesregierung getan werden, um das Krankenhaus wieder als Leben erhaltende und rettende Einrichtung in Funktion zu setzen?

StS Hebestreit

Ich denke, es würde unsere Gehaltsklasse etwas übertreffen, wenn wir von hier aus einen so konkreten Fall wie das Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt und, was zu tun sei, genauer beurteilen könnten.

Was wir grundsätzlich sagen, ist das, was wir auch im Zusammenhang mit den Feuerpausen mehrfach gesagt haben, dass es nämlich humanitäre Hilfe, dass es Nahrung, dass es Strom, Treibstoff und Ähnliches braucht, und zwar immer wieder und verlässlich, und dass man diese Pausen braucht, die Israel im Übrigen seit einigen Tagen einhält, sodass es dann also Hilfslieferungen gibt.

Das ist aber nicht konkret auf dieses eine Krankenhaus bezogen. An der Stelle will ich den Kollegen Wagner noch ergänzen. Es ist natürlich eine sehr herausfordernde Situation, wenn dieses Krankenhaus einerseits ein Krankenhaus ist und andererseits, zumindest nach dem, was wir hören, eine Kommandozentrale sein soll. Wir müssen bei dem, was wir sehen und hören, immer vorsichtig sein. Aber auch da merkt man plötzlich, dass nicht alles schwarz-weiß ist.

Zu einem Punkt will ich noch etwas sagen. Sie sprachen von dem großen Konsens, den wir in diesem Raum hätten. Das glaube ich sofort. Das ist völlig richtig. Trotzdem müssen wir diese Seite immer wieder betonen, weil es sonst eine Schlagseite bekommt, auch in unseren Argumentationen, wenn wir die ganze Zeit sagen: Was macht Israel? Warum macht Israel nicht dies und das? ‑ Wenn wir aber den Auslöser, den anderen Akteur gar nicht mehr erwähnen, weil wir ihn alle gemeinsam verurteilen und es für absolut undenkbar halten, was da passiert, dann bekommt eine öffentliche Debatte auch eine gewisse Schlagseite. Sehen Sie es deshalb mir und sehen Sie es uns nach, dass wir ab und zu darauf rekurrieren, ohne hier irgendwem irgendetwas unterstellen zu wollen, sondern um das Bild ein bisschen breiter zu machen.

Frage

Herr Hebestreit, Sie meinten eben, seitens Israel werde kein Krieg gegen die palästinensische Bevölkerung geführt. Ich will auf Herrn Macron zurückkommen, der am Freitag in der BBC gesagt hat ‑ ich zitiere ‑: Es werden Zivilisten, Babys, Frauen und alte Menschen bombardiert und getötet. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, Zivilisten anzugreifen.

Hat Herr Macron aus Sicht der Bundesregierung etwas Falsches gesagt?

Herr Wagner, hat das Auswärtige Amt mittlerweile eigene Erkenntnisse über Opferzahlen unter Zivilisten in Gaza?

StS Hebestreit

Es wird Sie jetzt völlig überraschen, Herr Kollege, dass ich nichts zu den Äußerungen von Emmanuel Macron sage, den die Bundesregierung sehr schätzt. Aber da müssen Sie sich an Herrn Macron wenden. Solche Äußerungen haben Sie von deutschen Regierungsstellen so zumindest nicht gehört. Auch da rate ich immer wieder zur Differenzierung.

Zusatz

Das ist ja eine Tatsachenbehauptung. Es kann ja sein, dass Sie sagen: Diese Erkenntnisse haben wir nicht.

StS Hebestreit

Auch das wäre eine Beurteilung der Worte des französischen Staatspräsidenten. Sie stehen für sich.

Wagner (AA)

Zu Ihrer zweiten Frage: Sie wissen, dass es eine intensive Diskussion über diese Zahlen gibt. Nach wie vor sind die einzige Quelle für die Opferzahlen, die Betroffenenzahlen in Gaza die Hamas-geführten Behörden. Insofern muss man diese Angaben mit einer gewissen Vorsicht beurteilen.

Natürlich muss man gleichzeitig auch mit Zahlen arbeiten und daraus Rückschlüsse und Anhaltspunkte ziehen. Aber es steht doch ganz außer Frage, dass es schon viel zu viele zivile Opfer gegeben hat und dass wir alles dafür tun müssen, das humanitäre Leid in Gaza ‑ das haben wir hier wirklich sehr wortreich zum Ausdruck gebracht ‑ zu lindern. Dabei steht es ganz außer Frage, dass Israel das Recht hat, sich gegen den Terror der Hamas zu verteidigen, und zwar im Rahmen des Völkerrechts.

Frage

Daraus kann ich schließen, dass die Bundesregierung keinen Zweifel daran hat, dass die israelische Kriegsführung im Rahmen, also verhältnismäßig ist. Das hat Herr Macron ja angezweifelt.

Es gibt also keinen Zweifel daran, dass es verhältnismäßig ist und auch nicht daran, dass das ein guter Weg ist, um die Geiseln zu befreien. Denn um diese machen sich ja viele Menschen seit fünf Wochen Sorgen. Einige Menschen bezweifeln, dass diese Art der Kriegsführung dazu beiträgt, dass die Geiseln bald freikommen. Ist die Bundesregierung überzeugt davon, dass es der richtige Weg ist, den die israelische Regierung gerade geht?

Wagner (AA)

Wir haben es hier ja schon sehr oft gesagt: Die Situation ist wahnsinnig komplex und wahnsinnig schwierig. Die Hamas führt ihren Kampf von einem städtischen, unheimlich dicht besiedelten urbanen Gebiet aus, das Gaza nun einmal ist. Das stellt für alle, die dort militärisch operieren, enorme Herausforderungen dar. Insofern gelten die Regeln des humanitären Völkerrechts, die vorgeben, möglichst alles zu unternehmen, was man unternehmen kann, um zivile Opfer zu vermeiden und ihre Zahl zu reduzieren. Gleichzeitig verbrieft das Völkerrecht aber Israel sein Recht, sich gegen die fortlaufenden Angriffe ‑ immer noch werden Raketen aus Gaza abgeschossen ‑ zu verteidigen.

Vorsitzender Feldhoff

Ist die Frage beantwortet?

Zusatz

Nein.

Vorsitzender Feldhoff

Dann fragen Sie noch einmal.

Zusatzfrage

Ist das Vorgehen der israelischen Regierung verhältnismäßig?

StS Hebestreit

Es ist doch nicht an der Bundesregierung, die Frage der Verhältnismäßigkeit zu beantworten!

Zusatz

Herr Macron hat es getan!

StS Hebestreit

Ja, aber dann müssen Sie nach Frankreich fahren und Herrn Macron befragen.

Hier befragen Sie die Bundesregierung. Die Bundesregierung lehnt eine solche Beurteilung ab, auch mangels Kenntnisse. Deshalb hat der Kollege Wagner ja auf die Komplexität dieser Situation hingewiesen. Zu verlangen, dass wir uns hier und jetzt ein Urteil anmaßen, das wir ja auch rechtfertigen müssten ‑ ‑ ‑ Die eine wie auch die andere Seite wäre doch ‑ ‑ ‑ Zum jetzigen Zeitpunkt traue ich mir ein solches Urteil nicht zu. Wer das tut, der möge das tun, aber ich tue es nicht.

Zusatzfrage

Weil das eben eine sehr komplexe Situation ist, gibt es zum Beispiel die Bitte, der Internationale Strafgerichtshofs in Den Haag möge Ermittlungen dazu einleitet. Bei dem russischen Angriff auf die Ukraine hat sich Deutschland sehr früh dafür eingesetzt. Wie steht die Bundesregierung dazu, das auch in diesem Fall zu tun, um mögliche Kriegsverbrechen auf beiden Seiten zu verfolgen?

StS Hebestreit

Ich bin nicht Völkerrechtlers genug, um zu wissen, ob Hamas, weil sie eine Terrororganisation ist, überhaupt ein Subjekt für einen internationalen Strafgerichtshof wäre. Aber da knurrt neben mir der Kollege des Auswärtigen Amtes, der dazu gegebenenfalls etwas ergänzen kann.

Ich wehre mich auch an dieser Stelle wieder etwas gegen die Gleichsetzung.

Zusatz

Das macht niemand hier.

StS Hebestreit

Doch. Sie haben es vielleicht nicht gewollt, aber so klingt es in meinen Ohren, wenn man sagt: Als Russland die Ukraine überfallen hat, habt ihr doch sofort nach dem Internationalen Strafgerichtshof gerufen. Jetzt macht Israel so etwas; dann sollen die auch kommen. ‑ Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Wir müssen das genau betrachten. Das macht sich niemand leicht. Sie wissen, dass UN-Organisationen auch vor Ort in Gaza sind. Ihr Kollege hat die Opferzahlen genannt. Das ist ja nichts, was ignoriert würde, auch nicht international. Aber dass wir uns zum jetzigen Zeitpunkt, zu dem dieser Krieg läuft, eine solche Forderung oder auch den Verdacht, der darin mitschwingt, irgendwie zu eigen machen würden, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sehen.

Vorsitzender Feldhoff

Ich will nur Folgendes sagen: Wir haben jetzt noch eine Kollegin und drei Kollegen auf der Frageliste. Alle haben sich gemeldet. Weil es auch andere Kolleginnen gibt, die andere Themen und andere berechtigte Fragen haben, und es jetzt 20 Minuten vor zwei Uhr ist, würde ich vorschlagen ‑ ‑ ‑ Ich will den Kollegen nicht zu nahe treten, aber ich glaube, wir drehen uns etwas im Kreis. Mir kommen die Fragen sehr gleich und auch die Antworten ziemlich gleich vor. Von daher habe ich das Gefühl, dass wir an der Frage nicht wirklich weiterkommen, und würde es gerne bei der Frage der Kollegin und des Kollegen belassen und dann das Thema wechseln.

Frage

Auch ich würde unglaublich gern noch über andere Themen mit Ihnen sprechen, Herr Hebestreit. Das ist aber gerade leider nicht möglich. Sie ‑ ‑ ‑

StS Hebestreit

Diese Kurve habe ich nicht kommen sehen! Ich dachte, Sie kommen zu einem anderen Thema.

Zusatzfrage

Sie sagen glücklicherweise inzwischen, dass Sie das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung sehen.

StS Hebestreit

Moment! Nein! Diese Unterstellung ‑ ‑ ‑ Wir sind hier nett und fair miteinander, und Sie stellen Fragen. Aber die Unterstellung, wir würden jetzt mittlerweile das Leid der Zivilbevölkerung mal erwähnen, weise ich wirklich mit Nachdruck zurück. Das hat der Bundeskanzler zu jedem Zeitpunkt getan. Wir haben es auch, als wir in Israel waren, getan. Wir haben es seither zu jeder sich bietenden Gelegenheit getan.

Diese Erzählung, dieses Narrativ weise ich zurück, und zwar empört, würde ich sagen. Das lasse ich mir an der Stelle von Ihnen nicht unterschieben.

Zusatzfrage

Darf ich trotzdem eine Frage stellen?

StS Hebestreit

Das ist ein freies Land!

Zusatzfrage

Sie betonen das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung. Sie betonen, dass es unbedingt humanitäre Hilfe brauche. Die humanitäre Hilfe, das ist normalerweise Essen ‑

Wagner (AA)

Medizin.

Zusatzfrage

medizinische Mittel ‑

StS Hebestreit

Treibstoff.

Zusatzfrage

Treibstoff. Allerdings sind der Grund für die humanitäre Katastrophe ja die Bombardierungen. Wie kann es sein, dass Sie die Bombardierungen dann nicht stoppen wollen, sondern nur quasi Pflaster auf die Wunden kleben wollen?

StS Hebestreit

Auch da wieder: Wir haben es mit einer Kriegssituation zu tun. Es gibt einen fortgesetzten Angriff, gegen den sich Israel wehren darf, wehren kann und wehrt.

Auf Ihre ja berechtigte Frage, wie humanitäre Hilfe dort hinkommt, hat unter anderem der Europäische Rat vor einigen Wochen ‑ ich denke, es war vor knapp drei Wochen ‑ gemeinsam beschlossen, Feuerpausen zu fordern, damit in diesen Pausen die Hilfe in die Landstriche kommen kann. Dafür gilt es viele Fragen zu klären. Dabei geht es um Grenzübergänge, um Zulieferungen, um die Sicherheit derer, die diese Hilfe transportieren. All diese Fragen gilt es zu beantworten.

Jetzt aber zu sagen, Israel solle sich nicht wehren, weil das ja Leid erzeugen würde, ist etwas, was in einer Kriegssituation, in der ‑ ich wiederhole es ‑ Israel fortgesetzt angegriffen wird, weiterhin mehr als 200 Menschen in Geiselhaft sind, weiterhin Raketen auf Israel abgefeuert werden usw., den Tatsachen widerspricht.

Wagner (AA)

Wenn ich vielleicht ergänzen darf: Ein praktischer Ausfluss dessen, dass wir dieses Leid von Anfang an gesehen haben, ist ja, dass wir uns mit unseren internationalen Partnern, mit den Akteuren in der Region, mit den Vereinten Nationen und den Hilfsorganisationen, die es gibt, so dafür einsetzen, dass humanitäre Hilfe nach Gaza hineinkommt. Wir haben unsere humanitäre Hilfe noch einmal sehr signifikant aufgestockt, geben jetzt insgesamt ‑ lassen Sie mich nachschauen ‑ rund 161 Millionen Euro und sind natürlich auch in die praktischen Fragen sehr involviert, die der Kollege Hebestreit gerade angesprochen hat. Das betrifft zum Beispiel den Zugang zu Gaza und die Frage, wie man die Hilfslieferungen dort hineinbekommt.

Es ist ein guter und erster wichtiger Schritt, dass Israel jetzt angekündigt hat, Treibstoff zur Verfügung zu stellen. Es muss sicherlich noch mehr kommen. Es müssen auch mehr LKW nach Gaza hineinkommen, weil der Bedarf so enorm ist. In der Tat sind die humanitären Feuerpausen, für die wir uns schon seit Langem einsetzen, auch nur ein erster Schritt, der jetzt implementiert und sicher auch etwas ausgebaut werden muss, damit die Hilfe dort ankommen kann, wo sie ankommen muss.

Zusatzfrage

Ist Ihnen bekannt, ob die Raketen, die aus Gaza nach Israel geschossen werden, überhaupt noch durch den Iron Dome kommen oder ob sie abgefangen werden?

Wagner (AA)

Die Frage impliziert, dass man gegen diese Raketen nicht vorgehen könnte, wenn das nicht der Fall wäre. Aber dazu habe ich nichts, was ich Ihnen hier berichten könnte.

Frage

Herr Kall, laut Medienberichten ‑  ich habe noch keine Pressemitteilung dazu gesehen ‑ hat die Bundesministerin die Verlängerung der Dauer der Grenzkontrollen tatsächlich schon notifiziert. Wie sieht es damit aus? Für wie lange soll das gelten?

Was haben die Kontrollen bis jetzt im Hinblick auf die Schleuserbekämpfung gebracht?

Kall (BMI)

Das kann ich gern beantworten. Wir haben die vorübergehenden Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz um weitere 20 Tage verlängert. Das gilt ab heute für weitere 20 Tage. Diese Maßnahmen wirken, gerade auch im Zusammenspiel mit den zahlreichen anderen Maßnahmen, die wir getroffen haben. Wir haben sowohl stationäre als auch mobile grenzpolizeiliche Maßnahmen. Wir setzen auch die Schleierfahndung sowie die gemeinsamen Streifen auf beiden Seiten der Grenze, auch zu Polen, weiter fort.

Das hat, wie gesagt, Erfolge. Seit dem 16. Oktober, seitdem wir auch stationär kontrollieren, hat die Bundespolizei etwa 90 Schleuser gefasst, 6900 unerlaubte Einreisen festgestellt und etwa 2800 Maßnahmen getroffen, mit denen unerlaubte Einreisen entweder verhindert oder unerlaubte Aufenthalte in Deutschland beendet worden sind.

Zusatzfrage

Könnten Sie ergänzen, wie der Fahrplan rein technisch aussieht? Das gilt jetzt wieder für 20 Tage. Was passiert nach 20 Tagen?

Kall (BMI)

Danach sind weitere Verlängerungen möglich. Ich kann auf den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom vergangenen Montag hinweisen, die gemeinsam mit dem Bundeskanzler beschlossen hat, dass diese Grenzkontrollen weiterhin fortgesetzt werden sollen.

Insofern kann ich Ihnen jetzt kein aktuelles Enddatum nennen. Aus unserer Sicht ist es aber sehr wichtig, zu sagen, dass das vorübergehende Kontrollen sind, die so lange notwendig sind, wie wir die neuen Mechanismen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, vor allen Dingen den umfassenden Schutz der europäischen Außengrenzen, die Identifizierung und Registrierung aller Menschen, die nach Europa kommen, noch nicht haben. So lange sind vorübergehend weitere Maßnahmen notwendig.

Frage

Ich will auf das Urteil von heute zu sprechen kommen. Zwar gab es eben die Statements, aber sie haben, ehrlich gesagt, die für mich entscheidenden Fragen nicht beantwortet. Ich habe bisher nicht verstanden, wofür die Ausgabensperre im KTF gilt. Herr Habeck hat gesagt, es könne trotzdem alles irgendwie finanziert werden. Meine mathematischen Kenntnisse sagen: Wenn am Ende des Jahres rund 40 Milliarden in der Rücklage übrig gewesen wären, die übertragen werden sollten und jetzt 60 Milliarden fehlen, dann haben wir schon im nächsten Haushalt ein Minus in Höhe von 20 Milliarden. Schon da können wir also nicht alles finanzieren.

Was genau fällt jetzt weg, oder sollen irgendwie zusätzliche Einnahmen geschaffen werden, um das auszugleichen?

StS Hebestreit

Vielleicht ist es am besten, wenn ich anfange. Wenn der Kollege mich dann ergänzen möchte, kann er es gern tun.

Der Punkt ist: Hier ist nur das Nebenspiel. Das Hauptspiel findet gerade im Bundestag statt, weil der Bundeskanzler dort in der Regierungsbefragung ist. Dort wird diese Frage vielleicht auch ‑ ‑ ‑

Zusatz

Nein! Da habe ich parallel hineingehört. Auch da hat er dazu leider nichts gesagt.

StS Hebestreit

Vielleicht wurde nicht nachgefragt. ‑ Aber das ist, da ich nicht parallel zuhören konnte, ein guter Hinweis für mich, dass ich hier auch möglichst wenig sagen sollte.

Klar ist ‑ das haben wir deutlich gesagt ‑, auch in Rücksprache mit den Fraktionsvorsitzenden der die Koalition tragenden Fraktionen, dass das Haushaltsverfahren so weitergeht wie geplant. Das gibt vielleicht auch einen Hinweis für die Fragen, die Sie jetzt aufgeworfen haben. Morgen ist der Beginn der Bereinigungssitzung. Nehmen Sie sich für Freitagvormittag nichts vor! Denn dann kommen die übernächtigten Haushälterinnen und Haushälter hierher und werden Ihnen berichten, was Sie geschafft haben.

Der Teil, der betroffen ist, ist der Wirtschaftsplan des KTF. Dieser Plan soll jetzt im Lichte des Urteils zügig, aber auch gründlich überarbeitet werden. Das ist auch ein bisschen die Antwort auf Ihre Frage. Dieses Urteil lag zunächst nur als Pressemitteilung vor beziehungsweise natürlich in der Urteilsverkündung. Das eigentliche Urteil hat meines Wissens 76 Seiten. Das muss jetzt genau ausgewertet werden. Alle drei, also der Bundeskanzler, der Vizekanzler und auch der Finanzminister, haben deutlich gemacht, dass sich daraus erhebliche Auswirkungen nicht nur auf die Haushaltspraxis des Bundes, sondern auch auf die Haushaltspraxis der Länder ergeben können, weil das erste Mal in einem Grundsatzurteil die Fragen behandelt wurden, wie man mit Sondervermögen umgeht, welche Möglichkeiten es gibt und ob sie längerfristig, also überjährig, mehr als ein Jahr lang, gelten können. Das muss man jetzt bewerten. Das dauert seine Zeit. Aus dieser Bewertung heraus ergeben sich auch Antworten auf die Fragen, die Sie haben.

Ich verstehe das, wüsste es auch gern und würde es Ihnen auch gern jetzt schon mitteilen können. Aber an der Stelle müssen wir sehr gründlich prüfen, was das letztlich heißt. Manchmal sind Urteile auch nicht in allen Aspekten so eindeutig, wie es zunächst scheint. Deswegen muss man sich Zeit dafür nehmen. Aber Sie sehen, dass wir die Auswirkungen, was den Bundeshaushalt angeht, für begrenzt halten.

Dr. Kalwey (BMF)

Ehrlich gesagt, kann ich die Aussagen von Herrn Hebestreit natürlich nur unterstreichen und unterstützen. Wir alle würden Ihnen jetzt gern sagen können, was genau die Auswirkungen sind. Aber Herr Hebestreit hat es gesagt: Es ist ein komplexes Urteil. Es ist sehr lang.

Ich kann den Aussagen, die der Minister vorhin getroffen hat, von dieser Stelle aus nichts hinzufügen.

Wagner (BMWK)

Mir geht es genauso. Ich kann auch nur um Verständnis bitten. Wir haben es gerade gehört: Dieses Urteil kam erst im Laufe des Vormittags. Wir werten es aus. Wir konnten die Statements der Minister auf dem Weg hierher zur RegPK nur mitverfolgen und haben sie auch nicht im Detail hier, Deshalb können wir Ihnen heute keine weiteren Details nennen.

Zusatzfrage

Zwei Nachfragen: Dass das Urteil für die Gesamthaushaltsplanung der Zukunft Auswirkungen haben mag, mag sein. Ich fand, dass zumindest in der Pressemitteilung der Teil über die 60 Milliarden sehr eindeutig war. Sie fehlen schlicht und ergreifend im KTF.

Mein Gefühl ist: Sie haben uns hier in der letzten Woche ständig erzählt, es gebe einen Plan B, Sie würden ihn uns aus Respekt vor dem Verfassungsgericht nur nicht verraten. Jetzt ist das Urteil da, und der Plan B besteht darin, dass Sie sagen: Wir gucken uns das alles mal an und wissen auch noch nicht so genau weiter, und wir machen eine Haushaltssperre im KTF.

Angesichts all der Projekte, die jetzt irgendwie daraus finanziert werden sollen, die konkrete Nachfrage an Herrn Wagner: Wofür gilt die Ausgabensperre? Herr Habeck hat in der PK gesagt, sie gelte für alles außer für die Sachen, die Energieeffizienz und Gebäude betreffen. Später hieß es dann aber, sie gelte für alles, was noch nicht sozusagen konkret zugesagt und verplant sei.

Also die konkrete Frage: Wofür gilt ab heute diese Ausgabensperre?

Dr. Kalwey (BMF)

Ich denke, man muss zwei Sachen unterscheiden. So haben sich auch die Minister geäußert.

Zum einen geht es um das Thema der Verpflichtungen, die wir eingegangen sind und an die wir rechtlich gebunden sind. Das ist das eine. Dazu hat sich, wenn ich richtig informiert bin und es richtig gelesen habe, Herr Habeck geäußert.

Davon zu trennen sind neue Ausgaben, die vom KTF getätigt werden sollen. So, wie sich der Minister geäußert hat ‑ ich habe es, wie Herr Wagner es gesagt hat, auch nur auf dem Weg hierher verfolgt ‑, muss man schauen, wie das mit Verpflichtungsermächtigung für das Jahr 2024 läuft.

Eine Sache möchte ich schon gerne sagen: Ich kenne keine Äußerung der letzten Woche zu einem Plan B. Wir haben an dieser Stelle eigentlich immer nur gesagt, dass wir uns mit Blick auf das Urteil nicht äußern können, dass wir dem Urteil nicht vorgreifen können. Das waren die Äußerungen, die wir an dieser Stelle gemacht haben.

Der Minister ‑ vielleicht spielen Sie darauf an ‑ wurde, so meine ich, auf einer Veranstaltung nach einem Plan B gefragt. Dort hat er, glaube ich, so etwas gesagt wie: Wir werden sehen, ob ich einen brauche.

Das also vielleicht zur Klarstellung. Hier haben wir so etwas nicht gesagt.

StS Hebestreit

Vielleicht muss man auch noch einmal deutlich machen, dass die KTF-Haushaltssperre, die der Finanzminister verhängt hat, gilt, bis man den neuen Wirtschaftsplan aufgestellt hat. Sie sorgt nur dafür, dass während dieses Verfahrens, in dem der Haushaltsplan jetzt erarbeitet wird, nicht noch zusätzlich Mittel abfließen. Es ist also kein genereller Stopp, sondern dieser Stopp ist zeitlich befristet, bis es einen neuen Wirtschaftsplan gibt, den wir jetzt ‑ wie sagt man so schön? ‑ mit der nötigen Schnelligkeit, aber der gebotenen Gründlichkeit erarbeiten.

Frage

Herr Lindner sagte vorhin, ausgenommen seien Maßnahmen zur Förderung der Energieeffizienz. Herr Alexandrin, können Sie sich vorstellen, dass darunter auch Maßnahmen für die Schiene fallen, dass diese also weiterfinanziert werden, auch das KsNI-Programm, also die Förderung klimafreundlicher Nutzfahrzeuge?

Alexandrin (BMDV)

Es wird Sie überraschen, dass ich auch nicht mehr sagen kann als der Bundeskanzler oder die Kollegin aus dem BMF oder auch der Regierungssprecher. Wie gesagt, wird das eingehend geprüft. Zu gegebener Zeit wird man sich dazu sicherlich äußern.

Frage

Ich habe eine Frage zu einem anderen Sondervermögen, dem der Bundeswehr. Es wurde jetzt immer geäußert, dass das ja in der Verfassung verankert und deswegen davon nicht betroffen sei. Ist das auch die Lesart der Bundesregierung?

StS Hebestreit

Ich habe mich hier ja schon insoweit geoutet, als dass ich nicht Jurist bin, sondern nur Erfahrungsjurist. Aber alles, was ich auch der Lektüre zumindest der Pressemitteilung zum Urteil entnommen habe, bezieht sich zum einen erst einmal ausdrücklich auf den Zweiten Nachtragshaushalt 2021. Das Verfassungsgericht prüft, ob etwas verfassungsgemäß ist. Da das Sondervermögen verfassungsrechtlich verankert ist ‑ das ist ja das, was das Verfassungsgericht prüft, nämlich ob etwas verfassungsgemäß ist - und da das in der Verfassung steht, gehe ich jetzt als juristischer Laie davon aus, dass das dadurch auch besonders abgesichert und von diesem Urteil nicht betroffen ist. Aber auch da gilt es noch, in die Details hineinzuschauen, um zu sehen, ob diese Position zu halten ist. In den Gesprächen seit dem Bekanntwerden des Urteils, die ja nicht so lange gedauert haben, ist mir diese Lesart, dass das Sondervermögen Bundeswehr davon betroffen wäre, zumindest nicht begegnet.

Frage

Noch einmal zur Sperrung des Klimafonds, Herr Wagner: Können Sie sagen, was das konkret für die für das Intel-Chipwerk geplanten Subventionen heißt?

Wagner (BMWK)

Ich glaube, wir haben jetzt deutlich zu machen versucht, dass wir, was das sozusagen konkret und im Einzelnen bedeutet, an dieser Stelle jetzt nicht mitteilen können. Wir werden alles prüfen, wir schauen uns alles an, und dann werden wir darüber informieren.

Frage

Das Urteil ist doch aber in dem Punkt, denke ich, insoweit klar, als das Verfassungsgericht festgestellt hat, dass die im Instrument des KTF vorgenommene Umwidmung von Mitteln, die ursprünglich für einen ganz anderen Zweck, nämlich Coronapandemiemaßnahmen, gedacht waren, nicht zulässig ist, zumal nicht über mehrere Haushalte hinweg. Das ist doch eine sehr eindeutige Positionierung. Gehen Sie vor diesem Hintergrund davon aus, dass die Finanzierung des Industriestrompreises aus Mitteln des KTF nach wie vor möglich sein wird?

StS Hebestreit

Vielleicht kann ich so viel sagen, und das hat der Finanzminister in dem Statement, dass Sie leider nicht verfolgen konnten, weil Sie schon hier saßen, klar gesagt: Die Kreditermächtigungen hinsichtlich der 60 Milliarden Euro, um die es geht und die im zweiten Nachtragshaushalt auf den KTF übertragen worden sind, werden, wie er sich, glaube ich, ausgedrückt hat, gelöscht werden. Die stehen nicht mehr zur Verfügung. Trotzdem hat der KTF natürlich Mittel, die ihm auch immer wieder zufließen, aus anderen Quellen. Die Fragen, die Sie jetzt stellen, gehören zu denen, die wir jetzt beantworten müssen, aber im Augenblick noch nicht beantworten können.

Zusatzfrage

Bedeutet dieses Urteil, das ja die Schaffung von, wie ich es jetzt einmal nenne, Schattenhaushalten heftig bekämpft oder verhindert, dass Sie politisch über das Instrument der Schuldenbremse neu diskutieren und entscheiden werden müssen?

StS Hebestreit

Die Verfassung und auch die Haushaltsordnung sehen Sondervermögen vor. Es hat heute ein erstes Grundsatzurteil gegeben. Das und die Frage, inwieweit diese Sondervermögen künftig noch möglich sind, muss jetzt ausgewertet werden, und alle Fragen, die sich daran anschließen, schließen sich daran an. Dem können wir jetzt nicht vorweggreifen.

Frage

Aber die Frage stellt sich ja trotzdem, weil die klare Wirkung ist, dass Ihnen 60 Milliarden Euro, die Sie verplant haben, nicht zur Verfügung stehen. Sieht der Bundeskanzler also eine Notwendigkeit, noch einmal innerhalb der Koalition über den Umgang mit der Schuldenbremse zu sprechen? Bisher hat er ja die Haltung des Finanzministers geteilt, die, wie Sie wissen, weder die SPD-Fraktion noch große Teile der Grünen teilen, dass die Schuldenbremse steht.

StS Hebestreit

Da fällt es mir zum jetzigen Zeitpunkt, vier Stunden nach diesem Urteil ‑ ‑ ‑ Auch das gilt es ja zu bewerten. Ich werde jetzt weder etwas in die eine noch in die andere Richtung sagen. Ich verstehe, dass man die Frage stellt, und bitte um Verständnis, dass wir diese Frage zusammen mit all den anderen Fragen, die sich jetzt an dieses Urteil anschließen, das in seinen Konsequenzen in Teilen ja sehr weitreichend ist und auch eine Staatspraxis, die sowohl im Bund als auch in vielen Ländern seit vielen Jahren gepflegt wird, im Augenblick anders interpretiert oder mit dieser Staatspraxis bricht, jetzt genau erwogen werden müssen, ohne dass ich irgendetwas vorgreifen möchte oder kann.

Frage

Worüber Sie eben schon sehr sicher waren und was nicht erst noch geklärt werden muss, ist, dass das keine Auswirkungen auf den Haushalt 2024 selbst hat, ja? Das habe ich richtig verstanden, ja?

Dann habe ich nur noch einmal eine Rückfrage. Daraus folgt dann doch aber zwangsläufig, dass im KTF für das Jahr 2024 20 Milliarden Euro herausgekürzt werden müssen, weil die ja nur ausgeglichen werden könnten, wenn man andere Mittel aus dem Haushalt herüberschriebt oder etwas an den Einnahmen verändert. Wenn das nicht geplant ist ‑ das müsste ja im Haushalt passieren, wenn ich das richtig verstanden habe ‑, besteht die Lösung jetzt darin, zumindest das Geld, das im KTF fehlt, komplett durch eine Neupriorisierung oder eine Streichung von bestimmten Dingen herauszunehmen; denn eine andere Lösung erschließt sich mir jetzt nicht, die funktionieren würde, wenn sich am Haushalt nichts ändert. Habe ich das richtig verstanden?

StS Hebestreit

Ich glaube nicht, dass wir Ihnen dazu weitreichende Informationen gegeben haben. Wir haben Ihnen gesagt, dass wir uns all das jetzt anschauen und sehen, wie wir mit der Situation umgehen. Dann müssen Sie warten, bis wir eine Entscheidung getroffen haben, die wir Ihnen dann auch verkünden dürfen. Zum jetzigen Zeitpunkt würde ich das weder bestätigen noch dem klar widersprechen können, sondern wir haben gesagt: Der Haushalt gilt. Morgen und wahrscheinlich noch übermorgen wird es die Bereinigungssitzung geben, und dann, in der übernächsten Woche, wird, glaube ich, die Haushaltsbeschlusslage im Bundestag Thema sein. Der Wirtschaftsplan KTF wird neu erarbeitet und dann zügig beschlossen werden. All die Fragen, die sich einem jetzt berechtigterweise stellen und die Sie uns stellen, werden dabei beantwortet werden, und dann können wir Ihnen das genauer erläutern. Zum jetzigen Zeitpunkt und in der Kürze der Zeit ist das nicht seriös machbar.

Frage

Sorry, ich muss auch noch einmal nachfragen. Das heißt, Sie haben das ja jetzt so ein bisschen isoliert. Sie haben also gesagt: Den KTF schneiden wir sozusagen heraus, und dieser Wirtschaftsplan wird neu aufgestellt, aber nur der. – Das bedeutet ja, dass wir nicht erwarten können, dass aus dem Haushalt irgendwie großartige Umschichtungen in den KTF oder so ähnlich vorgenommen werden.

StS Hebestreit

Die Schlüsse aus meinen Worten müssen Sie ziehen.

Frage

Frau Kalwey, ist es denn Ihrem Ministerium bzw. Ihrem Minister peinlich, dass der von Ihnen vorgelegte Nachtragshaushalt vom Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wurde?

Dr. Kalwey (BMF)

Wenn wir uns alle noch einmal richtig erinnern, dann war das ein Vorgehen, das von der gesamten Koalition getragen wird, und das Vorgehen wurde innerhalb der Koalition abgestimmt. Das stand auch im Koalitionsvertrag. Wir haben uns hier immer wieder dazu geäußert, wie wir diesen Nachtragshaushalt einschätzen. Das Verfassungsgericht hat jetzt heute entschieden, und wir nehmen das, wie gesagt, mit Respekt zur Kenntnis.

Zusatz

Aber der Entwurf dieses Gesetzes, das jetzt verfassungswidrig ist, kam ja aus Ihrem Haus!

StS Hebestreit

Ja, aber vielleicht darf ich das auch für die gesamte Bundesregierung sagen: Das ist ein Beschluss der gesamten Bundesregierung gewesen, auch mit dem Ratschlag aller, die darauf schauen. Das war ja jetzt nicht ein bewusstes verfassungswidriges Verhalten, sondern man ist fest davon ausgegangen, dass das, was auch einer langen Haushaltspraxis entspricht, verfassungsgemäß sei. Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Frage heute nach langer Abwägung anders entschieden. Dafür ist das Verfassungsgericht da. Das sind immer Auslegungsfragen und auch immer wieder Festsetzungen. Die können sich über Jahre und Jahrzehnte hinweg auch immer einmal wieder wandeln, wie Sie wissen. Damit müssen wir jetzt umgehen. Aber ich glaube, es hat niemand mutwillig oder bösartig entschieden: Ich lege jetzt ein verfassungswidriges Gesetz vor.

Wenn man solche Verfassungsgerichtsentscheidungen erhält, dann sind das immer wieder schwierige juristische Abwägungen. Damit muss eine Regierung umgehen. Damit muss ein Parlament umgehen. Dafür haben wir die Gewaltenteilung. Dafür gibt es das, sonst wäre das unnötig. Insoweit ist jetzt die Frage wichtig, wie man mit dieser Entscheidung umgeht, weil wir eine neue Realität haben, eine neue Grundlage, und das muss jetzt miteinander erörtert werden. Aber schauen Sie in die Haushalte vieler Länder: Da wird so etwas nicht grundsätzlich anders gehandhabt. Jetzt haben wir eine juristische Interpretation einer bisherigen Praxis, die man jetzt überarbeiten muss.

Frage

Herr Hebestreit, jetzt hat der Bundeskanzler sowohl eine berufliche Vergangenheit als Finanzminister wie er auch Jurist ist. Hat ihn die Kernaussage dieses Urteils vor dem Hintergrund dieser doppelten Qualifikation überrascht, oder hat er eigentlich doch damit gerechnet?

StS Hebestreit

Nein. Es wäre ja auch grober Unfug, wenn man ein Gesetz, bei dem man davon ausgeht, dass es verfassungswidrig ist, miteinander beschließen würde. Das weise ich auch wirklich zurück.

Ich möchte noch ergänzen: Er ist von Hause aus Arbeitsrechtler, aber hat natürlich als Finanzminister eine Menge an Erfahrung gewonnen. Insoweit war das ein Verfahren, das der Bundeskanzler genauso wie alle anderen Regierungsmitglieder für absolut tragfähig gehalten hat. Man muss auch sagen: Das sind ja schwierige juristische Abwägungen, und auch das Verfassungsgericht wird sich das nicht leicht gemacht haben. Am Ende entscheiden die Verfassungsrichter, und sie haben entschieden. Dieses Urteil gilt es zu akzeptieren und jetzt die nötigen Schlüsse daraus zu ziehen.

Zusatzfrage

Deswegen hatte ich ja auch nichts unterstellt, sondern nur gefragt, ob ihn das Urteil in seiner Kernaussage überrascht habe. Das möchten Sie nichts sagen?

StS Hebestreit

Ich dachte, ich hätte das beantwortet.

Zusatz

Ach so!

StS Hebestreit

Hören Sie noch einmal nach oder schauen Sie in das Protokoll.

Zusatzfrage

Hat es ihn überrascht oder nicht?

StS Hebestreit

Das wird jetzt langsam albern, aber bitte sehr: Der Bundeskanzler wie auch alle anderen Regierungsmitglieder wie auch die die Regierung tragenden Bundestagsfraktionen haben dieses Nachtragshaushaltsgesetz für den zweiten Nachtragshaushalt 2021 im festen Bewusstsein, dass es verfassungsgemäß ist, beschlossen. Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt, knapp drei Jahre oder zweieinhalb Jahre später, entschieden, dass es das anders sieht, und damit gilt es umzugehen.

Frage

Kürzlich herausgeklagte Pfizer-Dokumente belegen, dass es zwei Herstellungsprozesse für RNA-Impfstoffe gab, einen, intern „process one“ genannt, für das Zulassungsverfahren in vitro steril maschinell produziert, und einen zweiten, intern „process two“ genannt, wiederum bakteriell basiert, nicht steril. Das Ganze führte auch dazu, dass die EMA, die europäische Arzneimittelbehörde, das entsprechend monierte, aber in der Folge nicht etwa irgendwie die dadurch verunreinigten Impfstoffchargen vernichten ließ, den Produktionsprozess neu aufbauen ließ, sondern einfach den Standard der RNA-Konfigurierung senkte. Das Ganze lässt sich auch im „British Medical Journal“ nachlesen. Was mich vor diesem Hintergrund interessiert: Ab wann wusste denn die Bundesregierung bzw. das Gesundheitsministerium davon, dass die EMA diesen RNA-Standard massiv abgesenkt hatte?

Gülde (BMG)

Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich weiß nicht, ob die von Ihnen jetzt hier dargestellte Behauptung tatsächlich so zutrifft, dass hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Impfstoffe Standards durch die EMA abgesenkt wurden. Sollte es so etwas gegeben haben, dann würde ich Sie bitten, die Frage tatsächlich an die EMA zu richten. Mir liegt eine solche Erkenntnis nicht vor. Gegebenenfalls könnte ich hier aber auch etwas nachreichen.

Zusatzfrage

Nur zum Verständnis: Heißt das, die Bundesregierung sagt, sie ist weder darüber informiert, dass die EMA diese Verunreinigung moniert hat, noch darüber, dass sie in der Folge die entsprechenden Standards gesenkt hat?

Gülde (BMG)

Ich sagte jetzt gerade, dass mir dieser Aspekt nicht bekannt ist, und gegebenenfalls könnte ich etwas nachreichen, sollte das so zu treffen.

Frage

Meine Frage richtet sich an das Bundesinnenministerium. Es geht um Trainings der Bundespolizei in Saudi-Arabien. Vier Monate vor einem UN-Bericht vom Oktober 2022 kannte die Bundesregierung Berichte darüber, dass saudi-arabische Grenztruppen an Geflüchteten in Saudi-Arabien Massaker verübt haben. Trainings der Bundespolizei liefen jedoch weiter, auch nachdem Human Rights Watch diese Menschenrechtsverletzungen bestätigt hatte. Zwar enthalte das Trainingsprogramm derzeit keine Maßnahmen für die Grenzpolizei, Schulungen für andere Polizeieinheiten sowie die Ölgarde würden aber fortgeführt.

Eine Frage wäre: Heißt „derzeit“, es gibt Pläne, diese Trainings der Grenzpolizei wieder weiterzuführen?

Die zweite Frage: Laufen diese Trainings für andere Polizeibehörden im Zuständigkeitsbereich des saudischen Innenministeriums, darunter die Garde zur Bewachung von Ölanlagen, unvermindert weiter?

Kall (BMI)

Diesbezüglich mache ich mich gerne schlau und reiche Ihnen eine Antwort nach.

Frage

Ich habe eine Frage an Herrn Hebestreit und dann noch einmal an das BMEL zum dem morgigen Termin von Herrn Özdemir, der Vorstellung der Bio-Strategie. Herr Hebestreit, war die Bio-Strategie heute Thema im Kabinett?

StS Hebestreit

Das müsste ich nachreichen. Es ist jetzt nicht angesprochen worden. Es war aber heute auch eine relativ effiziente Kabinettssitzung. Ob das Teil der TOP-1-Liste war? Ich habe es dem Kollegen Feldhoff schon gestanden: Da habe ich heute noch nicht hineingeschaut. Vielleicht weiß der Kollege vom BMEL mehr.

Zusatzfrage

Wenn das jetzt beschlossen ist, ist das dann die Bundesstrategie, oder wird morgen allein eine Strategie des Ministeriums vorgestellt?

Köhler (BMEL)

Vielleicht von mir noch einmal grundsätzlich: Die Bundesregierung verfolgt das Ziel einer nachhaltigen zukünftigen Landwirtschaft. Deshalb haben sich die Regierungsparteien ja auch im Koalitionsvertrag vorgenommen, bis 2030 30 Prozent Ökolandbau zu erreichen. Dafür gibt es einen politischen Prozess, der vom BMEL angestoßen wurde, um die politischen Rahmenbedingungen zu setzen. Ziel ist es natürlich eine Bio-Strategie 2030.

Die Ergebnisse dieses Prozesses werden morgen vorgestellt. Deswegen ist es schwierig, jetzt an dieser Stelle diesen Ergebnissen vorzugreifen. Deswegen würde ich Sie tatsächlich auf die morgige PK, die ja auch hier stattfinden wird, verweisen.