Rede von Staatsministerin Monika Grütters zum Auftakt der digitalen Konferenzserie zur EU-Medienpolitik

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Sie „schuf eine neue und wundervolle Welt und zur gleichen Zeit eine neue Hölle. (…) Sie gab der Wahrheit Flügel und der Unwahrheit ein doppeltes Flügelpaar. (…) Sie wurde Begründer und Beschützer menschlicher Freiheit, und doch ermöglichte sie Despotismus, wo er zuvor nicht möglich war.“

Nein, die Rede ist nicht von der Digitalisierung. Die Rede ist hier von der Erfindung des Buchdrucks. Es war der Schriftsteller Mark Twain, der Fluch und Segen dieser Innovation so eindringlich beschrieb.

Heute wie damals gilt: Die Medienrevolution hat zwei Gesichter. Jene vor gut 500 Jahren hat demokratischen Errungenschaften den Weg geebnet. Jene des 21. Jahrhunderts hat der Demokratie neuen Schwung gegeben. Doch gleichzeitig stehen wir vor der Herausforderung, demokratische Werte verteidigen zu müssen.

Wie sichern wir mediale Vielfalt und Qualitätsjournalismus? Wie schützen wir die Meinungsfreiheit? Wie gehen wir gegen Hassrede, Cybermobbing und Desinformation vor? Wie können wir die Betreiber digitaler Plattformen, die neue Spielfelder mit veränderten Spielregeln eröffnen, dafür stärker mit in die Verantwortung nehmen?

Um diese und andere Fragen wird es im Rahmen der Konferenzserie zur EU-Medienpolitik gehen. Die deutsche Ratspräsidentschaft will damit Impulse für eine zukunftsweisende medienpolitische Agenda auf europäischer Ebene geben. Denn offensichtlich fordert die Digitalisierung nicht nur etablierte Geschäftsmodelle heraus, sondern auch unsere Demokratie. Deren Kern ist der vermittelnde Ausgleich zwischen unterschiedlichen Interessen und Weltanschauungen. Digitale Plattformen, wo immer mehr Menschen sich heute bevorzugt informieren und austauschen, können zweifellos gut recherchierte Inhalte verbreiten und Verständigung fördern. Sie können aber auch Polarisierung und Desinformation begünstigen.

Hier müssen wir gegensteuern. Dazu sollen auf Ebene der Mitgliedsstaaten und auf europäischer Ebene Vorschläge erarbeitet werden. Sie sollen in Ratsschlussfolgerungen einfließen, die professionellen Journalismus und vielfältige, qualitativ hochwertige Inhalte fördern und besser zugänglich und auffindbar machen.

Ich hoffe, dass es uns gelingt, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten Grundlagen für eine künftige Medienordnung auf europäischer Ebene zu entwickeln. Denn Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Medienvielfalt sind die wirksamsten Waffen im Kampf gegen Desinformation und Despotismus – und damit Stützen der Demokratie. Das gilt nicht nur, aber ganz besonders in Krisenzeiten.

Die Corona-Pandemie führt uns gerade sehr deutlich vor Augen, welch verheerende Folgen Falschinformationen oder Ignoranz haben können. Einmal mehr sehen wir aber auch, wie wichtig es für eine demokratische Debattenkultur ist, unterschiedliche Positionen und Perspektiven zu Wort kommen zu lassen. Ich bin allen Journalistinnen, Journalisten und Medienverantwortlichen dankbar, die europaweit unter erschwerten Bedingungen gerade einen hervorragenden Job machen und alles dafür tun, ihrer Verantwortung gerecht zu werden!

Wenn es gelingt, auch digitale Plattformen noch mehr als bisher für eine demokratische Debattenkultur, als Forum des Austauschs und der Verständigung zu nutzen, bieten gerade sie für die Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit und für das weitere Zusammenwachsen Europas enormes Potential.

Die Digitalisierung verleiht der Wahrheit Flügel – und der Unwahrheit gleich ein doppeltes Flügelpaar. Sie schenkt uns mehr Freiheit, und doch ermöglicht sie auch Despotismus in zuvor unvorstellbarem Ausmaß. Vielfalt und Verantwortung der Medien in der digitalen Gesellschaft – sie lassen Kräfte gedeihen, die der Wahrheit, der Verständigung und damit auch der Demokratie zugute kommen. In diesem Sinne freue ich mich auf inspirierende und fruchtbare medienpolitische Diskussionen im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft.