Rede von Bundeskanzlerin Merkel zur Eröffnung der Schnellfahrstrecke München-Berlin am 8. Dezember 2017 in Berlin

  • Bundesregierung ⏐ Startseite
  • Schwerpunkte

  • Themen   

  • Bundeskanzler

  • Bundesregierung

  • Aktuelles

  • Mediathek

  • Service

Lieber Herr Lutz,
sehr geehrte Vorstände der Bahn,
sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister,
sehr geehrte Herren Ministerpräsidenten,
Minister,
Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Bundestag,
den Landtagen und dem Europäischen Parlament,
sehr geehrte Damen und Herren,
vor allem liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bahn sowie diejenigen, die als Bauleute mitgewirkt und auch zum Erfolg beigetragen haben,

ich bin natürlich froh, ein weiteres Verkehrsprojekt Deutsche Einheit einweihen zu können. Als jemand, der aus Mecklenburg-Vorpommern kommt, brauche ich auch Erfolgserlebnisse, denn wir haben mit unserem Verkehrsprojekt Deutsche Einheit im Augenblick ein paar Probleme. Ich freue mich natürlich, dass auch Bayern von den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit schön profitieren kann.

Alles in allem wissen wir: Die Bahn verbindet. Die heutige Einweihung ist ein Beispiel dafür. In der Tat feiern wir heute den Abschluss eines bahnbrechenden Verkehrsprojekts, das seinesgleichen sucht: 230 Kilometer Neubaustrecke, 270 Kilometer Ausbaustrecke, 27 Tunnel, 37 Talbrücken, 4.500 Mitarbeiter. Ich durfte Herrn Drescher kurz kennenlernen. Ich sage danke dafür, dass Sie die zehn Milliarden Euro gut in etwas umgesetzt haben, das Menschen in Zukunft im wahrsten Sinne des Wortes wirklich besser miteinander verbindet.

Dank modernster Technologie ist es jetzt möglich, mit einer Geschwindigkeit bis zu 300 km/h in vier statt bisher sechs Stunden von Berlin nach München zu fahren. In Konfliktfällen sind wir also schnell beieinander, aber natürlich auch, wenn wir nacheinander Sehnsucht haben. Das kann es ja auch einmal geben. Der irische Mathematiker Dionysius Lardner vertrat in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch die Ansicht: „Das Reisen mit der Eisenbahn bei hoher Geschwindigkeit ist nicht möglich, da Passagiere, unfähig zu atmen, ersticken würden.“ So kann man sich täuschen. Ihm würde allenfalls die Luft wegbleiben, wenn er sehen könnte, was heute eben doch möglich ist. Es ist aber wirklich atemberaubend, was mit diesem Verkehrsprojekt Deutsche Einheit geschaffen wurde.

Es geht um mehr als nur um Daten und Zahlen. VDE 8 – der Projektname ist kurz, der Etappenschritt zu moderner Mobilität aber groß. Unter dem Stichwort „modern“ kann man sich vieles vorstellen. Im Verkehrsbereich erweist sich das als modern, das vor allem drei Herausforderungen gerecht wird: dem rasanten Wachstum des Verkehrsaufkommens, der Digitalisierung und – Herr Lutz hat es eben schon gesagt – dem Klimaschutz.

Zum ersten Punkt: Die Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas brachte vieles in Bewegung – in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und natürlich auch im Verkehr. Mit der neu gewonnenen Bewegungsfreiheit und dem wirtschaftlichen Auf- und Umbau in den neuen Ländern ging ein starkes Verkehrswachstum einher.

(Windböen kommen auf)
– War nicht ein sturmfreier Tag heute vorausgesagt? Na gut, schauen wir einmal, dass ich fertig werde. –

Unser Land – das kann man ja wirklich sehen – ist nach und nach zusammengewachsen; eben auch durch neue Verkehrsprojekte, insbesondere durch die insgesamt 17 Verkehrsprojekte Deutsche Einheit mit Planungsbeschleunigungen und einer wirklich guten Umsetzung.

Ein Ende des Verkehrswachstums ist überhaupt nicht in Sicht. Mobilität ist ja Ausdruck einer prosperierenden Entwicklung unseres Landes; und sie ist zugleich eine wesentliche Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg. Deutschland verfügt über eines der dichtesten und besten Verkehrsnetze weltweit. Aber wir wissen: dieses müssen wir modernisieren und bedarfsgerecht weiterentwickeln, auch weil wir mit einer günstigen Lage in der Mitte Europas als Verkehrsdrehscheibe vieler anderer Länder gefragt sind.

Hierbei ist der Schienenverkehr in einer Schlüsselposition. Wir brauchen einen leistungsfähigen Schienenverkehr. Die Schnellfahrstrecke, die wir heute eröffnen, ist enorm leistungsfähig – und damit eben auch konkurrenzfähig zum Verkehrsträger Flugzeug und allemal zum Verkehrsträger Straße. Aber auch ein modernes, gut ausgebautes Schienennetz wird den Verkehr auf der Straße, in der Luft oder zu Wasser natürlich nicht ersetzen können. Deshalb ist die Verkehrspolitik der Bundesregierung auf alle Bereiche ausgerichtet. Wir haben die Investitionsmittel aufgestockt. Wir haben im Augenblick eher Planungsnadelöhre als zu wenig Geld, um Mobilität besser zu realisieren. Wir unterstützen natürlich auch die regionalen Verkehrsverbünde, zum Beispiel den regionalen Schienenverkehr.

Der zweite Punkt, den ich erwähnte, ist die Digitalisierung. Hierbei leistet diese Strecke Pionierleistungen, auch wenn man die Chancen der Digitalisierung beim Start des VDE 8 vor über einem Vierteljahrhundert ja noch gar nicht sehen konnte. Die Digitalisierung ist sozusagen in der Projektentwicklung mit gewachsen. Dafür bin ich sehr, sehr dankbar. Diese Strecke ist jetzt sozusagen eine Pilotstrecke, um zu zeigen, wie Verkehr in Zukunft ablaufen kann. Sich smarte Logistik einmal näher anzuschauen und sich damit vertraut zu machen, ist sicherlich eine sehr, sehr spannende Sache.

Vielen aber macht es heute noch Angst, wenn man von autonomen Systemen oder selbstfahrenden Lokomotiven spricht, wenn man sagt, es gebe keine Signalstruktur klassischer Art mehr. Natürlich wird es auch Veränderungen in den Berufsbildern geben. Aber ich glaube, die Bahn zeigt, wie sie die Menschen auch im Hinblick auf neue Technologien Schritt für Schritt mitnimmt. Das bietet viele neue Chancen.

Mobilität ist im Grunde auch eine Leistung, die man auf Plattformen anbietet und die vernetzt ist. Es gibt nicht den einen Verkehrsträger, sondern das Spannende an Mobilität ist, dass man sich sozusagen seine eigene Mobilität, wenn man von A nach B möchte, selbst zusammenstellen kann. Apps und Sharing-Angebote werden nicht nur von der Deutschen Bahn aufgenommen, sondern natürlich auch von anderen. Ich weiß nicht, ob der Wettbewerbskommissar oder jemand von der Wettbewerbsdirektion der Europäischen Union hier ist, aber wir werden noch manche kartellrechtliche Frage miteinander zu klären haben.

Die Deutsche Bahn hat im bayerischen Bad Birnbach vor wenigen Wochen den deutschlandweit ersten autonom fahrenden Pendelbus im öffentlichen Verkehr in Betrieb genommen. Ich bin mir sicher: solche Projekte werden auch in Zukunft Furore machen.

Die Deutsche Bahn hat jetzt auch ein weibliches Vorstandsmitglied: Frau Jeschke. Ich weiß nicht, ob sie noch hier ist oder schon weiter digitalisiert. Sie ist jedenfalls Expertin für künstliche Intelligenz und das Internet der Dinge. Ich halte diese Besetzung für strategisch absolut richtig und glaube, dass sie eine wichtige Weichenstellung in umfassendem Sinne ist.

Um die Chancen der Digitalisierung im Verkehr nutzen zu können, gehört natürlich auch, dass wir den Breitbandausbau ordentlich realisieren und auch gesetzgeberisch Schritt halten. Ich weiß, dass der frühere Verkehrsminister Alexander Dobrindt, der ja heute auch da ist, sehr viel in moderne Formen der Mobilität investiert hat.

Zum Klimaschutz. Herr Lutz hat es gesagt: die Bahn fühlt sich dem Klimaschutz verpflichtet. Der Verkehrsträger Schiene ist bereits relativ umweltfreundlich. Die Bahn versucht nun auch deutlich zu machen, dass sich die Umweltfreundlichkeit auch aus regenerativen Energien speisen sollte. Ich bin sehr dankbar dafür, dass der Personenfernverkehr ab 2018 CO2-frei erfolgen soll.

Natürlich brauchen wir all diese Neuerungen auch beim Güterverkehr. Das neue Streckenangebot erleichtert die Verlagerung auf die Schiene. Auch deshalb ist das ein wichtiger Schritt.

Natürlich gab es auch Kritik an diesem Projekt. Prominente Kritiker sind auch hier heute unter uns. Viele fragten sich, ob der Aufwand, die hohen Kosten und die lange Bauzeit angemessen sind. Natürlich gab es dann auch immer wieder eine Generaldebatte über große Infrastrukturprojekte. Ich glaube, dass diese Debatte auch öffentlich geführt werden muss. Aber ich glaube auch, dass wir in der Lage sein müssen, im 21. Jahrhundert neue Großprojekte zu realisieren, wenn wir mit der Zeit Schritt halten wollen.

Insofern sage ich: dies ist heute ein guter Tag für die Menschen, die diese Strecke nutzen werden – auch für die Möglichkeit, Güter zu transportieren. Sie ist ein Pilotprojekt für neue Technologien – siehe Digitalisierung – und auch ein Beitrag zum Umweltschutz. Deshalb Gratulation an alle: vor allem an die, die die Brücken gebaut haben, die die Tunnel gebaut haben, die die Schienen bei Wind und Wetter verlegt haben. Das war harte Arbeit, das war tolle Arbeit. Danke dafür, dass wir heute mit Ihnen feiern können. Herzlichen Dank.