Guten Tag, auch im Namen der Bundesfamilien- und -frauenministerin, und herzlich willkommen zu unserer zweiten Konferenz, die sich mit Frauen in Führungsrollen befasst. Wir haben auch 30 Nachwuchskräfte, wie es so schön heißt, eingeladen und auch Expertinnen und Experten mit dabei. Ich freue mich, dass Sie wieder so zahlreich der Einladung gefolgt sind und dass Sie sich trotz aller Verpflichtungen, die Sie haben, die Zeit für dieses Treffen genommen haben.
Unser erstes Treffen ist fast eineinhalb Jahre her. Ein Zeitungsbericht dazu begann mit den Sätzen: „Vor dem Kanzleramt bietet sich ein ungewohntes Bild. Eine Limousine nach der anderen fährt vor, doch im Fonds sitzt kein Mann, sondern eine Frau.“ – Oh Wunder, oh Wunder. Solche Worte wären auch heute denkbar, aber solange eine solche Beobachtung überhaupt eine Meldung wert ist, stimmt irgendetwas noch nicht. Dass hier zahlreiche Autos vorfahren, denen nur Männer entsteigen, das gibt es hier öfters.
Wir müssen feststellen, dass in den DAX-30-Unternehmen der Anteil von Frauen in den Vorständen sogar noch gesunken ist – von knapp acht auf unter sechs Prozent. Frauen in Top-Positionen bleiben also eine Rarität. Das ist ein ernüchternder Befund, mit dem wir uns jetzt schon über sechs Jahrzehnte in der Bundesrepublik Deutschland auseinandersetzen.
Deshalb wollen und müssen wir nun auch gesetzliche Regelungen in Angriff nehmen. Es soll eine Quote für die Aufsichtsräte börsennotierter und mitbestimmungspflichtiger Unternehmen geben. Außerdem sind verbindliche Zielvereinbarungen für börsennotierte oder mitbestimmungspflichtige Unternehmen geplant. Frau Bundesministerin Schwesig ist gerade dabei, einen entsprechenden Gesetzentwurf innerhalb der Bundesregierung abzustimmen.
Die Argumente für und wider gesetzliche Regelungen sind hinlänglich bekannt. Noch länger darüber zu diskutieren, wäre müßig. Denn es ist beschlossen, dass die Quote kommt. Aber auch das beste Gesetz wird seine Wirkung nur zögerlich entfalten können, wenn zwar die Quote kommt, aber nicht auch der gesellschaftliche Wille dahintersteht. Aber ich sage noch einmal, auch angesichts der aktuellen Diskussionen: Es ist jetzt so beschlossen; und nun wird es auch so gemacht. Dann werden, wie man aus anderen Ländern weiß, sich die Dinge weiterentwickeln; und wir werden dann feststellen, dass das Leben auch nicht beschwerlicher geworden ist.
Es sollte also das Verständnis dafür weiter wachsen, dass es besser für das ganze Land ist, besser für die Männer, für die Frauen, für die Familien, für die Unternehmen, für unsere gesamte gesellschaftliche Kraft, wenn Frauen vermehrt an allen Stellen und auch in Führungspositionen dabei sind. Dafür aber haben wir immer noch ein zu geringes gesellschaftliches Verständnis. Deshalb glaube ich, dass wir parallel zu allen gesetzlichen Maßnahmen auch einen gesellschaftlichen Dialog führen und immer wieder darüber sprechen sollten, was Chancengleichheit bedeutet. Denn dass Frauen zu Recht gleiche Chancen beanspruchen, ist unstrittig.
Es geht nicht darum – das hat im Übrigen auch unsere erste Diskussion heute gezeigt –, die Geschlechter gegeneinander auszuspielen, sondern es geht um einen fairen Umgang miteinander, um einen fairen Wettbewerb. In Führungspositionen wird es immer Wettbewerb geben. Und Frauen stellen sich ja auch diesem Wettbewerb.
Wir hatten auch die Sicht der Männer zu einem der drei Schwerpunkte dieser Konferenz gemacht. Damit haben wir eine Anregung aus Ihrem Kreis aufgegriffen. Irgendwie war aber angesichts der anderen spannenden Themen die Sicht der Männer gar nicht so gefragt. Deshalb haben wir diesen Themenschwerpunkt dann in ein anderes Forum integriert. Wahrscheinlich glaubten die meisten, dass sie die Sicht der Männer kennen. Allerdings darf ich davon berichten, dass ich neulich ein Gespräch mit familienengagierten Männern geführt habe. Das war auch sehr interessant. Ich darf Ihnen verraten, dass man, wenn man als Mann zum Beispiel einen Preis als bester Familienvater Bayerns bekommt, sich dann nicht ganz sicher sein kann, ob das bei einer Bewerbung ein Punkt ist, der einen nach vorne bringt oder ein Stück weit zurückwirft. Auch das zeigt, dass an dieser Stelle etwas noch nicht ganz im Lot ist und dass auch aus diesem Blickwinkel durchaus Probleme zu sehen sind.
Dreh- und Angelpunkt ist im Grunde immer wieder das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Solange das vorrangig eine Sache der Frauen bleibt, ist es natürlich auch schwierig, die gleichen Karrierewege wie Männer zu schaffen. Es ist im Sinne der Gleichberechtigung, dass wir Familie und Männer und Frauen im Beruf sozusagen gleichermaßen fördern und das zur Normalität machen.
Dabei haben wir mit dem Elterngeld ja schon einiges an Umdenken bewirkt. Am Anfang wurde noch viel darüber gewitzelt. Heute aber stellt sich fast immer die Frage, wer mehr verdient, um zu sehen, ob nicht auch vom Vater zumindest noch ein paar Monate Elternzeit genommen werden sollten. Jedenfalls nimmt heute knapp ein Drittel der Väter Elternzeit – im Durchschnitt aber doch nur wenig länger als drei Monate. Das lässt sich noch etwas steigern. Aber das Angebot ist viel besser angenommen worden, als anfangs gedacht.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Familienverantwortung übernehmen, bringen – das muss man immer wieder betonen – wertvolle Erfahrungen mit in das Berufsleben. Es wurde ja letztlich erst in der Industriegesellschaft sozusagen das Arbeitsleben vom Familienleben so krass getrennt. Dann war es eine Zeit lang ein Bewusstsein von Wohlstand, wenn man der Frau sagen konnte: Du brauchst nicht zu arbeiten. Aber das entspricht ja heute überhaupt nicht mehr der Wunschwelt; die Wunschwelt ist heute eine andere.
Deshalb ist auch eine entsprechende Personalpolitik ganz wichtig. Das war ja, neben Vereinbarkeit von Beruf und Familie, heute das zweite Thema: Personalpolitik und Strategien, mit denen Unternehmen weibliches Führungspersonal gewinnen wollen. Es wird zunehmen, sich über Strategien darüber Gedanken zu machen. Denn erstens sind Männer auch längst nicht mehr dadurch zu gewinnen, dass man ihnen mit einem Karriereaufstieg einen Dienstwagen verspricht und dann ist alles gut, sondern auch sie achten mehr auf Zeitmanagement und variable Arbeitszeiten. Zweitens haben wir in Deutschland in hohem Ausmaß einen Fachkräftebedarf; und er wird weiter zunehmen. Deshalb freut man sich auch sehr über gut gebildete Frauen.
Wir haben das Thema: Was können wir in Richtung Frauen und technikorientierte Berufe machen? Ich führe zwar mit wachsender Begeisterung den Girls‘ Day durch, wie viele andere auch, aber ich bin dann bei der Quizfrage doch immer enttäuscht, wenn zum Beispiel danach gefragt wird, wie viele von den Tausenden, die IT-Berufe angefangen haben, Mädchen sind, und die Antwort darauf zwischen sechs und neun Prozent lautet. Es gibt also noch eine sehr ungleiche Verteilung.
Wir müssen wissen, was zum Beispiel im Bankensektor passiert. Wie gehen Unternehmensberater an die Sachen heran? Alles das muss man sich überlegen, wenn man ein bisschen vorankommen will. Aber ich glaube, mit etwas Fantasie und Kreativität können wir noch viel zusammenbringen.
Das dritte Konferenzthema ist die sogenannte „gläserne Decke“. Das ist ein sehr spannendes Thema – ich werde mir nachher noch darüber berichten lassen –: Wie kommt man aus der mittleren Führungsschicht in die Top-Ebene? Will man es? Traut man es sich zu? Das ist sicherlich nicht allein eine Frage der Qualifikation, sondern es geht etwa auch um Vorbilder, um die Frage: Wer hat schon mal gezeigt, dass man das schaffen kann? Hier stellen sich Frauen vielleicht manchmal Fragen, die sich auch mal Männer stellen sollten, nämlich ob sie geeignet sind. Diese Frage scheint bei Frauen häufiger verbreitet zu sein als bei Männern. Ich will jetzt nicht zur Ignoranz aufrufen, aber ich will nur sagen: Man merkt manchmal, wenn man sich etwas zutraut, dass es ja auch geht.
Es braucht Vorbilder von Frauen, die es bis in Führungspositionen geschafft haben. Bei den genannten sechs bis acht Prozent von Frauen in DAX-Vorständen dauert es natürlich lange, ehe man mal ausreichend Vorbilder kennengelernt hat. Deshalb möchte ich hier an die erste Frau im Amt einer Bundesministerin in der Bundesrepublik Deutschland erinnern. Elisabeth Schwarzhaupt war ihr Name. 1961 ist sie Gesundheitsministerin geworden. Als sie später Bilanz zog, sagte sie: „Sicher war es ein Erfolg, was die Frauen angeht, dass wir zunächst durch meine Ministerschaft gewissermaßen den Fuß in eine bisher verschlossene Tür gesetzt haben.“ Ich kann heute sagen: Die Tür ging nicht mehr zu, aber irgendwie steckt der Fuß manchmal noch ganz schön fest drin im Spalt. Seither ist allerdings im Bundeskabinett doch eine deutliche Verbesserung eingetreten. Ziemlich viele Türen wurden geöffnet. Selbst ich sitze hier und bin erkennbar weiblich.
Aber wir brauchen auch in anderen Bereichen noch mehr Erfahrungsschätze. Ich glaube, man sieht auch heute noch in bestimmten Bereichen, auch wenn wir jetzt eine Frau als Verteidigungsministerin haben, dass es immer noch eine kurze Gewöhnungsphase braucht, bevor man sich an bestimmte Bilder gewöhnt hat. Wenn man sie dann mal intus hat, geht das Leben, wie ich es schon bei der Quote vorausgesagt habe, eigentlich doch ganz normal und manchmal auch etwas bereichert weiter.
In diesem Sinne freue ich mich auf die Diskussion und begrüße Sie alle nochmals ganz herzlich, auch die anwesenden Männer.