Rede von Bundeskanzler Scholz anlässlich der Preisverleihung der startsocial Wettbewerbsrunde 2021/22 am 22. September 2022 in Berlin

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Meine sehr geehrten Damen und Herren,

auch von meiner Seite einen herzlichen Glückwunsch an alle Preisträgerinnen und Preisträger!

Ich habe nun noch die Ehre, einen Sonderpreis vergeben zu können. Ich will das auch nicht allzu spannend machen. Ich habe mir für den Sonderpreis ein Projekt ausgesucht, das einen Bereich betrifft, der unglaublich viele bewegt: die Pflege und den drängenden Fachkräftemangel, den wir dort haben. Vor allem aber ist es ein Projekt, das speziell Geflüchtete unterstützt, einen Weg in einen Pflegeberuf zu finden. Für sie ist es im wahrsten Sinne des Wortes ein Sprungbrett in ein erfolgreiches Berufsleben – mit pflegespezifischen Sprachkursen und individueller Begleitung hin zu einer Ausbildung in der Pflege.

Ich finde das eine tolle Sache – eine Sache, die die Verantwortlichen mit großer Energie und Leidenschaft voranbringen! Deshalb geht der Sonderpreis in diesem Jahr an die Initiative „Sprungbrett Pflege“ und den Verein für Pflege- und Gesundheitsberufe in Bonn. Vielen Dank für Ihr herausragendes Engagement, und herzlichen Glückwunsch! Den haben alle anderen hier ja auch schon zum Ausdruck gebracht.

Sehr geehrter Herr Dr. Düsedau,
sehr geehrte Laudatorinnen und Laudatoren,
liebe Wettbewerbsteilnehmerinnen,

ich glaube, es ist eine gute Sache, dass wir das hier machen können, und ich freue mich auch sehr darüber, dass das hier stattfinden kann. Es ist schon gesagt worden: Ich komme gerade von der Generalversammlung der Vereinten Nationen und habe daran teilgenommen. Dort sind ganz viele Resolutionen verabschiedet worden. Ich erwähne das deshalb, weil die Vereinten Nationen mit einer solchen Resolution Ende der Neunzigerjahre das Jahr 2001 zum Internationalen Jahr der Freiwilligen erklärten. Zufälligerweise – vielleicht auch nicht ganz so zufällig – war das ja auch das Gründungsjahr von startsocial. Dieses Internationale Jahr der Freiwilligen galt damals allen, die sich weltweit freiwillig und ehrenamtlich engagieren. Allein bei uns in Deutschland sind das heute mehr als 30 Millionen Bürgerinnen und Bürger, die vom Kinderchor bis zum Pflegeheim, vom Sportverein bis zur Kommunalpolitik mit anpacken.

Das Ehrenamt ist so vielfältig wie unsere Gesellschaft. Sie, liebe Wettbewerbsteilnehmerinnen und -teilnehmer, sind der allerbeste Beweis dafür. Aber – und das ist auch der Grund, warum wir heute hier sind – ehrenamtliches Engagement funktioniert am besten mit vernünftigen Rahmenbedingungen und klaren Organisationsstrukturen. Dazu gehören unterschiedlichste Kenntnisse wie Projektmanagement, Marketing und Finanzierung. Wer könnte das besser vermitteln als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Unternehmen, die genau diese Strukturen und Prozesse in ihren Betrieben tagtäglich anwenden? Sie mit Ehrenamtlichen zusammenzubringen, das ist das Erfolgsrezept von startsocial, und wir haben eben schon gehört, dass das auch immer weiter so funktioniert. Ich finde es jedenfalls beeindruckend, gelernt zu haben, dass mittlerweile 1800 Initiativen und Projekte gefördert und begleitet worden sind. Damit leisten Sie, lieber Herr Dr. Düsedau, und das gesamte Team von startsocial einen wertvollen Beitrag zu einer lebendigen Zivilgesellschaft. Für die wertvolle Arbeit, für den Austausch und insbesondere dafür, dass dieser Wettbewerb heute stattfinden kann, sage ich Danke!

Danke auch an alle Jurymitglieder und Coaches, die den Wettbewerb seit Jahren ehrenamtlich tatkräftig unterstützen. Auch da haben wir die Stundenzahl schon gehört: 15 000 Stunden werden da ehrenamtlich geleistet. Ich weiß nicht, mit welcher modernen Arbeitszeiterfassung, die Herr Heil noch gar nicht fortgeschrieben hat, das erfasst worden ist, aber irgendetwas wird es schon sein. Ich danke jedenfalls für diesen Einsatz!

Meine Damen und Herren, der Wettbewerbsjahrgang 2021/2022 ist ein besonderer. Er fand weitgehend im virtuellen Raum statt. Das war nicht immer einfach, aber es hat funktioniert, weil es kreative Lösungen gegeben hat, vor allem eben über die digitalen Formate. Sie alle haben sich von den widrigen Umständen nicht entmutigen lassen. Auch das zeichnet unser Ehrenamt aus. Wir sind durch diese Zeit gekommen.

Nun kommen andere Zeiten, die andere Probleme mit sich bringen. Aber ich denke, das, worauf wir immer gründen können, ist, dass es immer Menschen gibt, die etwas tun wollen und dafür sorgen, dass das Miteinander funktioniert. Es zeichnet eben auch Sie alle aus, die an dem Wettbewerb teilgenommen haben. Sie sehen eine Herausforderung und resignieren nicht, und es ist Ihnen auch nicht egal, wie sich die Dinge entwickeln, im Gegenteil. Sie suchen nach neuen Wegen und Lösungen. Sie packen an. Dabei findet ganz viel statt, was man mit keinem Geld der Welt bekommen kann. Ihr Engagement ist wesentlich für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Sie alle haben dafür meinen allergrößten Respekt und meine Hochachtung.

Deshalb sage ich allen, die hier teilnehmen: Danke für Ihr Engagement und Ihren Dienst für unsere Gesellschaft! Danke!

Was das Ehrenamt und Sie alle leisten, das sehen wir doppelt und dreifach in den Zeiten, in denen wir uns jetzt befinden. Von der Coronapandemie war eben schon die Rede. In dieser Zeit sind unglaublich viele ehrenamtliche Initiativen in atemberaubendem Tempo wie Pilze aus dem Boden geschossen. Nachbarschaftsinitiativen wurden gegründet, um Ältere zu versorgen, die sich nicht mehr vor die Haustür getraut haben. Telefonische Beratungsangebote wurden auf- und ausgebaut. Denn die Quarantäne und die räumliche Distanzierung waren für viele eine große seelische Belastung. Das ist unglaublich, und es ist unglaublich viel Gutes entstanden, von dem wir als Gesellschaft nun profitieren.

Als Russland Ende Februar über Nacht die Ukraine überfallen hat und Hunderttausende Frauen, Kinder und Ältere zu uns geflüchtet sind, waren wieder unzählige ehrenamtliche Helfer zur Stelle. Sie haben Unterkünfte, Kleidung, Essen und medizinische Versorgung organisiert. Ich habe mir das an vielen Stellen angeschaut und selbst geschaut, wie das funktioniert. Von der Solidarität und Professionalität der vielen haupt- und ehrenamtlichen Unterstützerinnen und Unterstützer kann man wirklich nur beeindruckt sein. Das zeigt mir noch einmal: Unser Land hat die Kraft, in Notlagen über sich hinauszuwachsen. –

Ich bin mir ganz sicher: Das werden wir jetzt auch in diesem Herbst und Winter zeigen, in dem es steigende Preise und steigende Energiekosten gibt und in dem sich viele Bürgerinnen und Bürger und nicht so wenige Unternehmen Gedanken machen, wie das weitergehen soll, übrigens auch – das gilt ja für viele von Ihnen – viele Einrichtungen, und nicht wissen, wie denn die Heizrechnungen für all das, was man macht, bezahlt werden können. Mit diesen Themen setzen wir uns jetzt auseinander. Wir versuchen im Rahmen der Möglichkeiten, die wir als Staat haben, das zu lösen, damit die Preise heruntergehen, damit die Versorgung sicher ist und damit wir dort, wo die Preise trotz all diesen Maßnahmen noch zu hoch sind, auch helfen können. Das werden wir miteinander tun. Auch wenn nicht alle Einzelheiten jetzt schon vorhergesagt werden können, können sich alle darauf verlassen, dass wir das Notwendige tun.

Wir werden die Entwicklung jedenfalls genau beobachten und niemanden alleinlassen. Ich habe das mit einem Lied, das auf Fußballplätzen gesungen wird, gesagt: You’ll never walk alone.  Das ist, denke ich, ein Grundsatz für unser Land, auch ein Grundsatz, der für viele gilt, die hier versammelt sind, und der ausdrückt, was Sie denken, wenn Sie etwas für andere tun, dass wir zusammenstehen und uns unterhaken.

Dafür steht das Ehrenamt. Dafür stehen all Ihre Projekte. Egal ob Sie am Ende Preisträgerin und Preisträger geworden sind, sind Sie alle Gewinner, meine Damen und Herren. Aber vor allem sind Sie ein Gewinn für unsere Gesellschaft. Deshalb möchte ich Sie alle ermutigen: Machen Sie unbedingt weiter! Sie werden gebraucht.