Pressestatements von Bundeskanzler Scholz, Bundesminister Habeck und Bundesminister Linder am 13. Dezember 2023 in Berlin

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BK Scholz: Einen schönen guten Tag, meine Damen und Herren! Vor vier Wochen hat das Bundesverfassungsgericht bekanntlich ein sehr weitreichendes Urteil gesprochen. Dieses Urteil hat Auswirkungen auf den aktuellen und auf den kommenden Bundeshaushalt und grundsätzlich auf die Art und Weise, wie wir Haushalte im Bund und in den Ländern aufstellen.

Im Lichte des Urteils haben wir in den vergangenen Wochen in der Bundesregierung den Haushalt neu priorisiert. Die Gespräche ‑ das darf ich Ihnen hier gern verraten ‑ liefen vertrauensvoll, sie liefen vertraulich ‑ das haben Sie mitbekommen ‑ und sie liefen sehr konstruktiv. Dafür bin ich allen Beteiligten ausdrücklich sehr dankbar. Heute nun stehen wir ‑ ich als Bundeskanzler, der Vizekanzler und der Bundesminister der Finanzen ‑ vor Ihnen, um Sie über das Ergebnis dieser Beratung zu informieren.

Meine wichtigste Botschaft zu Beginn: Die Regierung hält an ihren Zielen fest: Wir treiben den klimaneutralen Umbau unseres Landes kraftvoll voran, wir stärken den sozialen Zusammenhalt, und wir stehen eng an der Seite der Ukraine in ihrem Verteidigungskampf gegen Russland. Diese drei Ziele leiten uns unverändert. Klar ist aber: Wir müssen mit deutlich weniger Geld auskommen, um diese Ziele zu erreichen. Priorisieren heißt deshalb, miteinander zu klären, was wir uns leisten können und was nicht. Es geht auch um Kürzungen und Einsparungen. Die machen wir nicht gerne, klar, sie sind aber nötig, damit wir mit dem Geld, das uns zur Verfügung steht, hinkommen. Solche schwierigen Haushaltsgespräche dauern in der Regel mehrere Monate. Wir haben sie nun innerhalb einiger Wochen geführt.

Zu den konkreten Fakten: Im Kernhaushalt für das Jahr 2024 werden wir rund 17 Milliarden Euro erwirtschaften. Das machen wir insbesondere, indem wir klimaschädliche Subventionen abschaffen, die Ausgaben einzelner Ressorts etwas absenken und Bundeszuschüsse verringern. Das zentrale Instrument des Bundes für den klimaneutralen Umbau unseres Landes bleibt der Klima- und Transformationsfonds. Aufgrund der Vorgaben der Verfassungsrichter verringern wir allerdings die Ausgaben des Fonds im nächsten Jahr um 12 Milliarden Euro. Im Finanzplanungszeitraum bis 2027 kürzen wir um etwa 45 Milliarden Euro. Der KTF hat damit aber immer noch ein sehr hohes Gesamtvolumen von 160 Milliarden Euro.

Noch eine Frage, die sicherlich viele beschäftigt: Was bedeutet all das für die Schuldenregel des Grundgesetzes? Mit dem Haushalt 2024 halten wir die Schuldenregel nach Artikel 115 des Grundgesetzes ein. Das Grundgesetz sieht ausdrücklich vor, dass die Kreditobergrenzen zur Bewältigung von Naturkatastrophen und außergewöhnlichen Notsituationen angehoben werden können. Das haben wir mit Blick auf die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal 2021 gemacht und ein Sondervermögen in Höhe von 16 Milliarden Euro aufgelegt. Aufgrund des Urteils des Verfassungsgerichts müssen solche Vermögen jedes Jahr neu beschlossen werden. Das haben wir getan. Der Bundestag wird am Freitag einen entsprechenden Beschluss für das laufende Jahr treffen. Für das nächste Jahr geht es um einen Betrag von 2,7 Milliarden Euro, für den wir den Überschreitensbeschluss nach Artikel 115 Absatz 2 Satz 6 des Grundgesetzes vorsehen möchten. Dazu laufen allerdings notwendigerweise nochmals vertiefte Prüfungen. Wir werden auch auf die größte Oppositionspartei zugehen und um deren Unterstützung für diesen Schritt werben. Denn die betroffenen Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sollen sich auch auf die gegebenen Zusagen verlassen können.

Mein letzter Punkt: Die Unterstützung der Ukraine stemmen wir aus dem Regelhaushalt, so wie wir es geplant haben, und vor allem so lange wie nötig. Dazu zählen 8 Milliarden Euro für Waffenlieferungen, Finanzhilfen für den ukrainischen Haushalt direkt oder über die Europäische Union und voraussichtlich über 6 Milliarden Euro zur Unterstützung ukrainischer Flüchtlinge hier in Deutschland. Sollte sich die Situation durch Russlands Krieg gegen die Ukraine verschärfen, etwa weil die Lage an der Front sich verschlechtert, weil andere Unterstützer ihre Ukraine-Hilfe zurückfahren oder weil die Bedrohung für Deutschland und Europa weiter zunimmt, werden wir darauf reagieren müssen. Um vorbereitet zu sein, haben wir bereits miteinander vereinbart, in einer solchen Lage ‑ von der heute niemand weiß, ob sie nun eintritt oder nicht ‑ dem Bundestag einen Überschreitensbeschluss vorzuschlagen, so wie Artikel 115 des Grundgesetzes das in Notsituationen zulässt.

Meine Damen und Herren, mir bleibt noch, mich bei allen Beteiligten noch einmal zu bedanken für die intensiven, konstruktiven und lösungsorientierten Beratungen. Die Vereinbarungen werden wir nun so schnell es geht im Kabinett beschließen und dem Haushaltsgesetzgeber übermitteln. ‑ Schönen Dank.

BM Habeck: Vielen Dank. ‑ Sehr geehrte Damen und Herren, erlauben Sie mir auch von meiner Seite noch ein paar kommentierende Bemerkungen.

Wir haben uns nach intensiven Gesprächen ‑ Sie haben es ja teilweise mitverfolgen können; Gott sei Dank nicht aus den Gesprächen selbst, aber die Beratungstaktung haben Sie bekanntermaßen ja doch mitverfolgen können ‑ auf ein großes Paket geeinigt. Das ist gut und notwendig gewesen ‑ notwendig natürlich auch, obwohl wir große Umschichtungen vorgenommen haben, weil diese Beratungen in einer Zeit großer geopolitischer und wirtschaftspolitischer Unsicherheit stattgefunden haben und wir mit diesem Beschluss heute die Verlässlichkeit, das Vertrauen, das Wissen, das Deutschland liefert, wiederherstellen. Das ist wichtig für die Bürgerinnen und Bürger, das ist wichtig für die Unternehmen, die investieren wollen, und das ist wichtig für die internationalen Partner.

Die Beschlüsse, die wir gefasst haben und jetzt den Fraktionen und den Parteien noch einmal zur Beratung vorlegen werden, halten die Balance, die wir uns vorgenommen haben, sie investieren weiter in soziale Sicherheit in Zeiten der Unsicherheit, und sie sorgen für Impulse für die wirtschaftliche Stabilität und Erneuerung. Vor allem aber geben sie auch der Ukraine in einer schwierigen Zeit das Schutzversprechen, dass wir zu unserem Wort stehen. Das ist sicherlich ein Signal, das auch Putin vernehmen wird ‑ und auch soll.

Die Lösung, die wir gefunden haben, ist ja durch das Verfassungsgerichtsurteil ausgelöst worden, das aus der Rücklage des KTF 60 Milliarden Euro herausnimmt. Das bedeutet, dass wir diese Lücke schließen mussten. Das gelingt durch verschiedene Operationen. Zum Teil gehen Beiträge, die wir in den KTF getan haben, wieder raus. Das betrifft die Bundesbahn, die jetzt anders finanziert wird ‑ aber sie wird finanziert, das ist keine Einsparmaßnahme. Wir werden die Einnahmen des KTF steigern, indem wir auf den CO2-Pfad der GroKo zurückkehren. Wir werden im KTF umschichten. Wir werden auch einsparen, und zwar in den Bereichen des Bau- und des Verkehrsministerium ‑ dafür bin ich den Kollegen sehr dankbar ‑, aber natürlich auch in dem Bereich, den ich verantworte.

Ich will zwei Beispiele nennen. Wir werden die Umweltprämie, also die Förderung für E-Mobile, auslaufen lassen und früher beenden. Sie läuft eh aus, aber wir werden das früher tun. Wir werden auch bei einigen Programmteilen kürzen, beispielsweise bei der Solarindustrie. Das tut mir weh, aber das ist der Preis dafür, dass die zentralen Bestandteile, die Säulen des KTF erhalten bleiben. Der Aufbau der Wasserstoffwirtschaft, die Dekarbonisierung der Industrie, aber eben auch die Bürgerprogramme, die Beibehaltung der EEG-Umlage seien genannt oder auch die Förderung im BEG, also die Förderung der Wärmewende. Alle diese zentralen Säulen bleiben erhalten und werden die Investitionen auslösen, die wir versprochen haben und die wir uns damit erhoffen, und einen Impuls für die wirtschaftliche Erneuerung Deutschlands geben.

Die verschiedenen Beiträge, die die Ressorts leisten, sind erheblich. Aber auch der Bundeshaushalt wird einen Beitrag leisten, weil wir vereinbart haben, dass es jetzt wieder die Zuschussmöglichkeit oder Zuschüsse für den Klima- und Transformationsfonds gibt, sodass das Schließen der Lücke durch eine gemeinsame Kraftanstrengung insgesamt gelungen ist und wir damit jetzt wieder eine Grundlage schaffen, für das Land und in das Land zu investieren.

BM Lindner: Meine Damen und Herren, das Bundeskabinett hat sich heute mit dem wichtigen und ernstzunehmenden Thema der Strategie gegen Einsamkeit beschäftigt. Ich kann allerdings feststellen, dass wir drei in den letzten Wochen nicht betroffen waren. Wir haben intensiv gearbeitet und können heute mit dem klaren Signal vor Sie treten, dass diese Koalition auch bei sehr schwierigen Aufgaben handlungs- und einigungsfähig ist. Das ist die erste von sieben kurzen Bemerkungen.

Die zweite: Wir setzen den Kurs der fiskalischen Konsolidierung fort. Im Jahr 2021 hat die deutsche Schuldenquote 69 Prozent betragen. Für das nächste Jahr werden 64 Prozent prognostiziert. 2021 hatten wir ein Jahresdefizit in Höhe von 3,6 Prozent. Im nächsten Jahr gehen wir von einem Defizit in Höhe von 1,5 Prozent aus. Das heißt, dass auch unter Einbeziehung aller Sondervermögen und Nebenhaushalte der Kurs stimmt. Wir haben eine Trendwende erreicht. Herr Bundeskanzler hat gesagt, dass dies deshalb möglich ist, weil die Orientierung an der Schuldenbremse für uns weiter von großer Bedeutung ist.

Drittens: Die wirtschaftliche Entwicklung ist nicht zufriedenstellend. Deshalb unternehmen wir Anstrengungen, um unser Land auf den wirtschaftlichen Erfolgspfad zu führen. Dazu gehören Rekordinvestitionen aus dem Bundeshaushalt. Auch der KTF hat ein enormes weiteres Finanzierungsvolumen für die transformativen Aufgaben. Wir gehen teilweise auch kreative Wege. Beispielsweise wollen wir Privatisierungserlöse von nicht benötigten Bundesbeteiligungen teilweise dafür nutzen, um die Bahn zu stärken. Zur Stärkung der wirtschaftlichen Dynamik gehört die Steuerentlastung in Höhe von 15 Milliarden Euro bei der Lohn- und Einkommenssteuer, die im nächsten Jahr wirksam wird. Eine Stromsteuersenkung in Höhe von drei Milliarden Euro wird kommen. Daran halten wir fest; das haben wir möglich gemacht. Das Wachstumschancengesetz ist in vollem Umfang weiterhin im Haushaltsplan vorgesehen. Ich fordere deshalb die CDU/CSU auf, sich wieder an den Gesprächen in der Vorbereitung eines Vermittlungsverfahrens zu beteiligen, damit auch dieser Baustein zur Stärkung unserer wirtschaftlichen Entwicklung beschlossen werden kann. Das wäre jedenfalls ein starkes Signal für die wirtschaftliche Entwicklung. Diese Bundesregierung hat jedenfalls das dafür Notwendige getan.

Der vierte Punkt: Der Bundeskanzler und auch der Vizekanzler haben völlig zu Recht unterstrichen, welche besondere Bedeutung die Unterstützung der Ukraine für uns hat. Dort werden auch unsere Werte verteidigt. Dort wird über die Europäische Friedens- und Freiheitsordnung entschieden. Deshalb sehen wir acht Milliarden Euro an direkter bilateraler Hilfe für die Ukraine vor. Wir sind damit im weltweiten Vergleich mit an der Spitze. Ich denke, man kann sagen, dass gut die Hälfte der Hilfen aus Europa für die Ukraine aus Deutschland kommt. Wir stellen uns dieser Verantwortung auch weiterhin. Sollte sich die Lage verändern und die internationale Gemeinschaft gemeinsam Entscheidungen treffen, sind wir voll handlungsfähig, auch für die Fälle, in denen die Möglichkeiten, die der Bundeshaushalt bereitstellt, überschritten werden könnten. Der Herr Bundeskanzler hat dies gerade unterstrichen.

Wir haben dann noch den Punkt des Aufbauhilfefonds. Der Bundeskanzler hat auch das angesprochen. Es ist unser Ziel, den betroffenen Menschen Unterstützung und Rechtssicherheit zu geben. Der Aufbauhilfefonds der Vorgängerregierung wurde mit einem Notlagenbeschluss eines Sondervermögens beschlossen. Nach der jetzigen Auslegung der Schuldenbremse durch das Bundesverfassungsgericht wäre es nicht mehr möglich, dieses Vorhaben so fortzusetzen. Auf der anderen Seite ist das Finanzierungsvolumen von 2,7 Milliarden nicht dazu angetan, die Statik des Bundeshaushaltes zu gefährden, was wiederum bei der Auslegung der Schuldenbremse seinerseits diskussionswürdig ist. Wie der Bundeskanzler sagt, prüfen wir deshalb jetzt, wie wir diese Rechtssicherheit gewährleisten, und wollen die Anhörung zum Haushalt abwarten und auch das Gespräch mit der CDU/CSU-Fraktion suchen, um einen Weg zu finden, hier Rechtssicherheit zu geben.

Fünftens ‑ das hat der Bundeskanzler ebenfalls gesagt; insofern ist fast alles schon gesagt ‑: Wir bauen klimaschädliche Subventionen in einem Umfang von drei Milliarden Euro ab. Dazu gehört unter anderem die im Koalitionsvertrag vorgesehene Plastikabgabe. Dabei handelt es sich um ein EU-Eigenmittel, 1,4 Milliarden, die wir jetzt aus allgemeinen Steuermitteln nach Brüssel überweisen. Das wollen wir jetzt neu finanzieren und, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, die, wie sagt man, Inverkehrbringer von Plastik für die Finanzierung dieses Eigenmittels nutzen. Die drei Milliarden klimaschädlicher Subventionen finanzieren also die Senkung der Stromsteuer. Man könnte anders sagen: Alte, nicht mehr benötigte Subventionen helfen uns dabei, in Zukunftsbereichen Schwerpunkte zu setzen.

Sechster und vorletzter Punkt: Viele Ressorts leisten eigene Beiträge, beispielsweise das Verkehrsministerium, aber auch das Umweltministerium und das Arbeitsministerium. Wichtig ist aber, dass es keine Reduzierung sozialer Standards geben wird. Das ist das gemeinsame Versprechen dieser Koalition gewesen. Dennoch erreichen wir durch mehr Treffsicherheit bei Sozialleistungen eine Einsparung in Höhe von 1,5 Milliarden Euro ‑ so haben wir uns das vorgenommen ‑ auch im Bereich des Arbeitsmarkts, beispielsweise über die bessere Vermittlung der Geflüchteten aus der Ukraine.

Der siebte und letzte Punkt: Der KTF hat im nächsten Jahr weniger Ausgaben, 12,7 Milliarden Euro weniger. In der ganzen Finanzplanperiode werden wir aber unsere Ziele erreichen. Dazu ist es notwendig, dass wir zum 1. Januar des kommenden Jahres auf den Preispfad der Großen Koalition zurückkehren. Wir hatten uns ursprünglich vorgenommen, den CO2-Preis nur um fünf Euro zu erhöhen und wären damit unterhalb des Preispfades der Großen Koalition geblieben. Weil uns diese transformativen Vorhaben aber so wichtig sind, haben wir gesagt: Nein, wir machen jetzt den Preispfad der GroKo, damit wir unsere auch für das Land wichtigen Vorhaben finanzieren können, ohne die Bürgerinnen und Bürger zu überlasten. Denn es ist ja der alte Preispfad, auf den sich unser Land vormals schon hat einstellen können.

Ich denke, das ist ein ausgewogenes, gutes Paket, das unser Land voranbringt.

BK Scholz: Schönen Dank!