Im Wortlaut
in Sharm-el-Sheikh
8 Min. Lesedauer
- Mitschrift Pressekonferenz
- Dienstag, 8. November 2022
BK Scholz: Auch wenn gegenwärtig alle Gedanken konzentriert sind auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und auf die Folgen, die dieser Krieg hat, ist es wichtig, dass wir die ganz großen anderen Fragen unserer Menschheit nicht vergessen. Das Aufhalten des menschengemachten Klimawandels gehört zu den großen Aufgaben, vor denen wir insgesamt auf unserem Planeten stehen. Das ist wichtig für unser eigenes Leben, das ist wichtig für das Leben zukünftiger Generationen. Deshalb bin ich auch hierhin nach Sharm-el-Sheikh gefahren, um einen Beitrag zu den Verständigungen zu leisten, die hier gefunden werden können, und auch zu zeigen, dass Deutschland aktiv dabei ist, seinen Beitrag zu leisten, den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten.
2045 wollen wir CO2-neutral wirtschaften. Das ist von jetzt an gerechnet in ganz kurzer Zeit, und das bedeutet, dass wir die größte industrielle Modernisierung unserer Volkswirtschaft zustande bringen müssen. Wir müssen dafür sorgen, dass wir auf erneuerbare Energien, auf Strom, der mit Windkraft, mit Solarenergie, mit Biomasse produziert wird, zurückgreifen können. Dass das möglich ist, haben wir auch mit vielen Gesetzen auf den Weg gebracht. Jetzt sind viele Beschleunigungsmaßnahmen beschlossen, wir haben die Ausbauziele massiv ausgeweitet, und wir werden genau diesen Weg weitergehen.
Darüber konnte ich hier berichten, und gleichzeitig dafür sorgen, dass es viel Zusammenarbeit in der Welt gibt - zum Beispiel mit den Ländern Afrikas und mit den Ländern, die am meisten vom Klimawandel berührt sind, obwohl sie nur einen geringen Beitrag zu den CO2-Emissionen der Welt leisten. Wir wollen die Entwaldung stoppen und die nötigen Maßnahmen ergreifen, damit die Wälder eine Senke für CO2-Emissionen sind - was wichtig ist -, und wir wollen uns auf neue Technologien konzentrieren und Wasserstoff gemeinsam als ein Gas entwickeln, das überall in der Welt mit erneuerbarer Energie produziert wird, aber auch importiert werden kann - zum Beispiel von Ländern wie Deutschland.
Natürlich geht es auch darum, dass wir Unterstützung leisten, wenn es darum geht, dass die Länder des globalen Südens in Afrika, in Asien und im Süden Amerikas es sich leisten können, an der Bekämpfung des Klimawandels teilzunehmen, dass sie auf erneuerbare Energien setzen können, dass sie die Folgen des Klimawandels bekämpfen können.
Deshalb hat Deutschland auch angekündigt, dass wir unseren Beitrag dazu leisten werden, die internationale Klimafinanzierung möglich zu machen. Das Ziel sind 100 Milliarden US-Dollar im Jahr. Bis 2025 wird Deutschland 6 Milliarden Euro davon leisten. Das ist dann tatsächlich unser großer Beitrag in dieser schwierigen Lage.
Ich glaube, es ist wichtig und gut, dass diese Konferenz stattfindet. Es sind viele Fortschritte sichtbar, aber es wird eine dauerhafte Anstrengung bleiben, bei der wir in der Welt zusammenstehen müssen.
Frage: Herr Bundeskanzler, Sie werden auf der Konferenz von Klimaschützern heftig dafür kritisiert, dass sie Ländern wie Senegal bei der Erschließung neuer Gasfelder helfen. Warum investieren Sie in diese Technologie, was dann erst in ein paar Jahren fossile Brennstoffe bringt?
BK Scholz: Deutschland ist ein Land, das in kurzer Zeit aus der Nutzung fossiler Ressourcen aussteigen wird - 2045 ist unser Ziel. Klar ist: Das bedeutet, dass wir in der Zwischenzeit Gas nutzen werden. Dort, wo in den 30er-Jahren Kohlekraftwerke geschlossen werden, werden Kraftwerke entstehen, die zunächst mit Gas und später mit Wasserstoff arbeiten. Das sind neue Technologien, die in Deutschland entwickelt werden und einen ganz großen Beitrag dazu leisten werden, den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten.
Wir haben auch einen konkreten Beitrag dazu geleistet, dass wir jetzt andere Importstrukturen für Gas haben. Jetzt, unmittelbar in dieser Krise, in der die Importe von Gas aus Russland nicht mehr stattfinden, haben wir uns neue Ressourcen erschlossen. Das ist verantwortlich - gerade auch dann, wenn man auf dem richtigen Weg ist, nämlich aus den fossilen Ressourcen auszusteigen und sich unabhängig von solchen Importen zu machen. Das wird uns bis 2045 auch gelingen.
Frage: Herr Bundeskanzler, Sie treffen nachher Mitglieder oder Aktivistinnen von „Fridays for Future“. Die haben vorhin in einer Aktion mit tatsächlich jungen Menschen aus beinahe aller Herren Länder Sie persönlich dafür in Haftung genommen, dass Sie auch für Ihre Klimaziele eintreten und dass das nicht nur Worte sind, sondern Sie auch aktiv dafür arbeiten. Was haben Sie diesen jungen Menschen anzubieten?
BK Scholz: Deutschland ist das Land, das sich als großes Industrieland am schnellsten und am meisten auf den Weg gemacht hat, CO2-neutral wirtschaften zu können. Wenn wir uns zum Beispiel ein so großes Ziel vornehmen, dass wir bei der Produktion von Fahrzeugen auf die elektrische Mobilität setzen, und wenn wir dafür Sorge tragen, dass in Deutschland Stahl und Chemie anders produziert werden, als das bisher der Fall war, dann ist das unser ganz konkreter Beitrag, um den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten. Deutschland hat da auch eine ganz wichtige Funktion, denn wir werden den Ländern des globalen Südens in Asien, in Afrika und im Süden Amerikas nicht den Wunsch abschlagen können, dass sie einen gleichen Wohlstand haben, wie wir ihn heute haben. Wenn wir aber wollen, dass sie den auf andere Weise für sich erobern, dann wird das nur gelingen, wenn wir in Deutschland jetzt durch das, was wir machen, die Technologien entwickeln, mit denen es möglich ist, erfolgreiches Industrieland zu sein und einen großen Wohlstand zu haben, ohne das Klima zu schädigen.
Frage: (ohne Mikrofon; akustisch unverständlich)
BK Scholz: Es ist sehr bedrückend, zu sehen, dass hier ein Menschenleben gefährdet ist, und der Hungerstreik ist jetzt in ein Stadium getreten, in dem wir alle befürchten müssen, dass das wirklich zu ganz furchtbaren Konsequenzen führt. Deshalb haben ich und, wie ich weiß, auch noch viele andere Staats- und Regierungschefs das konkret angesprochen und gesagt: Da muss jetzt etwas entschieden werden, da muss eine Freilassung möglich werden, damit es nicht dazu kommt, dass der Hungerstreikende verstirbt.
Frage: Herr Bundeskanzler, Sie haben heute noch einmal sehr stark für Ihren Klimaclub geworben. Gehen Sie davon aus, dass auch China daran teilnehmen wird? Wird die deutsche Delegation bei der Klimakonferenz auch Kontakt zur russischen Delegation aufnehmen?
BK Scholz: Wir haben einen internationalen Klimaclub vorgeschlagen und die Unterstützung der G7-Staaten gewonnen, und wir werben jetzt dafür, dass viele andere mitmachen. Wir hatten zu einer breiten Diskussion heute Morgen eingeladen. Daran haben sehr viele Staaten aus aller Welt teilgenommen, sowohl Industrieländer als auch Länder, die noch eine größere wirtschaftliche Entwicklung für sich erreichen wollen. Alle haben gesagt: Das ist eine vernünftige Idee.
Wir müssen ambitionierte Ziele verfolgen, wenn es darum geht, den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten. Wir können dabei unterschiedliche Wege beschreiten und müssen gleichzeitig dafür sorgen, dass nicht diejenigen, die besonders schnell vorangehen, dann darunter zu leiden haben, dass billige und in dem Fall schmutzige Konkurrenz dazu beiträgt, dass dieser Weg gefährdet wird. Deshalb ist es nötig, sich unterzuhaken. Das ist die Idee des Klimaclubs.
Ich glaube, dass es jetzt sehr breite Unterstützung dafür gibt, weil das vernünftig ist und weil das der Weg ist, auf dem man es wagen kann, schnell voranzugehen, was wir uns für Deutschland als Ziel gesetzt haben und was sich auch viele andere als Ziel gesetzt haben, weil sie dann sicher sein können, dass das nicht nachteilig im globalen Wettbewerb ist.
Zusatzfrage: Muss China denn dabei sein?
BK Scholz: Ich finde es notwendig, dass alle Länder der Welt für sich entscheiden, dabei zu sein, und große Länder wie Indien und China sind dabei ganz bedeutsam. Sie werden ja in Zukunft auch einen großen Anteil der Weltwirtschaft ausmachen, sogar einen wachsenden. Wenn das so ist, dann ist es umso wichtiger, dass dort ambitionierte Ziele, was den Klimaschutz betrifft, verfolgt werden.
Frage: Es gibt vermehrt Rufe danach, dass Öl- und Gasfirmen stärker zur Kasse gebeten werden, nicht nur, um deutsche Konsumenten zu entlasten, sondern auch, um (akustisch unverständlich), die vom Klimawandel betroffen sind, zum Beispiel in den vulnerabelsten Ländern (akustisch unverständlich). Wie steht Deutschland dazu?
BK Scholz: Wir haben jetzt ein „Global Shield“ vorangebracht, mit dem viele Länder, die am meisten von den Folgen des Klimawandels betroffen sind, unterstützt werden können, nicht nur mit einer Versicherungslösung, an der lange gearbeitet worden ist, sondern eben auch mit ganz konkreten Untersuchungen der Gefährdungen und der Maßnahmen, die dazu ergriffen werden. Dazu werden wir auch einen Finanzierungsbeitrag leisten.
Ich glaube, dass dies hier jetzt nicht ein Ort ist, an dem es darum geht, steuerliche Regelungen zu entwickeln, sondern es geht darum, gemeinsame Maßnahmen zum Schutz vor den Folgen des Klimawandels zu entwickeln und gleichzeitig dazu beizutragen, dass wir unser Wirtschaften so ändern, dass wir Wohlstand und Klimaschutz miteinander kombinieren können.
Frage: (ohne Mikrofon; akustisch unverständlich)
BK Scholz: Zunächst einmal wollen wir die Strukturen nach den langen Vorarbeiten noch in diesem Jahr etablieren. Es geht ja auch nicht um die Schaffung einer neuen internationalen Organisation, sondern um ein Kooperationsprojekt. Eine der ganz wichtigen Aufgaben am Anfang wird sein, dass wir miteinander festlegen, wie die verschiedenen Maßnahmen bewertet werden können, die ergriffen werden. Einige Länder wie zum Beispiel Deutschland haben ja Gesetze zur CO2-Bepreisung auf den Weg gebracht. Andere machen das nicht. Dann müssen wir genau verstehen, auf welche Weise die Maßnahmen, die in diesen Ländern ergriffen werden, dann gleichgewichtig sind. Das wird die erste Aufgabe sein. Damit ist auch deutlich, dass das ein Club ist, der jetzt nicht als Allererstes damit beginnt, Zölle vorzuschlagen, sondern der zunächst einmal damit beginnt, möglich zu machen, dass wir unsere unterschiedlichen, aber gleichgerichteten Anstrengungen miteinander vergleichen können, sodass wir es vermeiden, dass, anstatt dass das Klima geschützt wird, eine große Zollauseinandersetzung die Realität der nächsten Jahre ausmachen wird. Ich bin ganz zuversichtlich, dass genau das gelingen wird.