Regierungspressekonferenz vom 15. Januar 2024

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Im Wortlaut Regierungspressekonferenz vom 15. Januar 2024

Themen

  • Reise des Bundeswirtschaftsministers zum World Economic Forum in Davos
  • Klimageld
  • Bedrohungslage im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine
  • Lieferkettengesetz
  • Proteste von Bauern gegen die Politik der Bundesregierung
  • Schienengüterverkehr
  • Verfahren gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof wegen des Vorwurfs des Völkermords
  • Asylanträge russischer Kriegsdienstverweigerer
  • Demonstrationen gegen die AfD und gegen Rechtsextremismus
  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Montag, 15. Januar 2024

Sprecherinnen und Sprecher

  • Staatssekretär Hebestreit
  • Haufe (BMWK)
  • Totz (BMWSB)
  • Olpen (BMF)
  • Müller (BMVg)
  • Wagner (AA)
  • Göpner-Reinecke (BMAS)
  • Köhler (BMEL)
  • Koufen (BMZ)
  • Alexandrin (BMDV)
  • Kall (BMI)
  • Hosemann (BMJ)

(Vorsitzender Szent-Iványi eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt
StS Hebestreit sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.)

Haufe (BMWK)

Der Vizekanzler, Bundeswirtschafts- und ‑klimaschutzminister Robert Habeck, reist heute zum Jahrestreffen des World Economic Forum nach Davos. Dieses steht dieses Jahr unter dem Motto „Vertrauen wieder aufbauen“. Der Minister wird dort in bilateralen Gesprächen mit wichtigen Partnern zusammenkommen, um sich über aktuelle Herausforderungen der wirtschaftlichen Lage weltweit, gerade auch angesichts der wachsenden Spannungen in den Weltregionen und auch der fortschreitenden Klimakrise, auszutauschen. Dabei geht es um langfristige Lösungsansätze sowie um Unterstützungsmöglichkeiten für die Ukraine. Er wird in diesem Zusammenhang Gespräche unter anderem auch mit seiner ukrainischen Amtskollegin, der Vizepremierministerin und Wirtschaftsministerin Julia Svyrydenko, führen. Außerdem trifft er seinen Schweizer Amtskollegen, den Wirtschaftsminister Guy Parmelin. Daneben wird er natürlich an Panels und Round Tables teilnehmen. Unter anderem wird er gemeinsam mit seinem dänischen Amtskollegen Morten Bødskov an einem Panel zum Thema „Europe in the New Global Economy“ teilnehmen.

Frage

Ich weiß nicht, ob es am Freitag schon erwähnt wurde. Herr Hebestreit, können Sie sagen, warum der Kanzler dieses Jahr nicht nach Davos fährt? Vergangenes Jahr hatte es sich dort getummelt. Bringt das für ihn nichts, oder hat er andere dringende Termine?

StS Hebestreit

In der Regel berichten wir von Terminen, die der Kanzler wahrnimmt. Über diesen Termin haben wir nicht berichtet, weil er ihn nicht wahrnimmt.

Zusatz

Genau, und ich möchte wissen, warum er ihn nicht wahrnimmt und ob Sie uns vielleicht einen Grund dafür nennen können.

StS Hebestreit

Ich werde hier nicht anfangen, die Termine, die der Kanzler nicht wahrnimmt, zu besprechen. Wir haben ausgemacht, dass eine Sitzung in der Regel ca. eine Stunde dauert. Das könnte sonst länger dauern.

Zusatzfrage

Entschuldigung, wenn ich nochmal nachhake. Kanzlerinnen- und Kanzlerauftritte in Davos sind eigentlich sehr regelmäßig geworden. Deswegen erlaube ich mir noch einmal die Frage, ob Sie uns vielleicht einen Grund angeben können. Ist das Treffen dieses Mal nicht hochrangig genug?

StS Hebestreit

Alle Termine des Bundeskanzlers werden sehr genau abgewogen, und dann wird entschieden, ob eine Teilnahme erfolgt. Das jetzt ist keine generelle Entscheidung, weder, dass er nie wieder Davos machen wird, noch, dass es immer gemacht wird, sondern das wird immer im Lichte der Erkenntnisse und im Lichte der Lage entschieden.

Aber wenn Sie besorgt sind: Der Chef des Bundeskanzleramtes, der Wirtschaftsminister, die Außenministerin und die Forschungsministerin, sie alle werden vor Ort sein. Insofern ist die Bundesregierung also sehr stark vertreten. Aber der Bundeskanzler wird in diesem Jahr nicht nach Davos reisen, das stimmt.

Frage

Herr Haufe, zur wirtschaftlichen Lage gehört auch die Verteilung von Vermögen. Wird der Wirtschaftsminister auch darüber Gespräche führen? Gerade heute wurde die neue Oxfam-Studie veröffentlicht, wonach die fünf reichsten Männer des Planeten ihr Vermögen seit 2020 verdoppelt hätten und 60 Prozent der Weltbevölkerung sogar ärmer geworden seien.

Haufe (BMWK)

Ich kann die Studie selber nicht kommentieren. Aber selbstverständlich sind auch solche Themen immer Teil der Gespräche in Davos.

Zusatzfrage

Herr Hebestreit, ist die immer größer werdende Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland ein Thema für die Bundesregierung? Laut Oxfam haben 24 Haushalte in Deutschland so viel Vermögen wie die unteren 42 Millionen Menschen in Deutschland.

StS Hebestreit

Wie Sie als enger Beobachter auch der politischen Szene in Deutschland sicherlich gesehen haben, ist die Bundesregierung sehr bestrebt, die unteren Einkommen zu stärken. Das hat sie mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen in den letzten zwei Jahren getan und wird es auch weiterhin tun. Es bleibt eine Aufgabe, die von Ihnen beschriebene Schere näher zusammenzubringen. Aber es ist auch klar, dass wir den Weg, den wir eingeschlagen haben, in dieser Regierung weitergehen werden. Das ist als Erstes jetzt die Stärkung der niedrigen Einkommen. Daran sind wir.

Zusatz

Ich hatte aber nach Vermögen gefragt.

StS Hebestreit

Und ich habe auf Einkommen geantwortet und Sie auf die Beschlusslage der Koalition verwiesen.

Frage

Ich habe eine Frage ans Klimaministerium und ans Bauministerium. Herr Lindner, der Finanzminister, hat gesagt, das Klimageld komme nicht mehr und auch über die Auszahlung werde erst nach der nächsten Bundestagswahl entschieden, also darüber, ob sie überhaupt kommt, nicht, ob sie technisch möglich ist. Er hat das damit begründet, dass die Gelder im Moment für anderes gebraucht würden, unter anderem für Gebäudesanierung, Wärmepumpenförderung usw.

Ich habe es bisher immer so verstanden, dass das eine die Förderung des Umbaus ist und das andere der soziale Ausgleich. Hat sich daran etwas geändert?

Haufe (BMWK)

Die CO2-Einnahmen, die wir als Staat im europäischen Emissionshandel und im nationalen Brennstoffemissionshandel erzielen, werden immer direkt in den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft, in bestimmte Entlastungsmaßnahmen gesteckt, die auch gleichzeitig im Sinne zunehmenden Klimaschutzes oder eben von Klimaneutralität wirken. Das heißt, dass wir die Gelder momentan dazu verwenden, dass die Heizungen ausgetauscht und dass Energieeffizienzmaßnahmen in Gebäuden und andere Maßnahmen durchgeführt werden können, die dazu führen, dass zum Beispiel der Gebäudebestand klimafreundlicher wird, dass also weniger Energie und auch weniger fossile Energie verbraucht werden bzw. dass diese irgendwann komplett ersetzt wird. Das ist ein wichtiger Teil.

Gleichzeitig geht es darum, mit den Geldern, die wir einnehmen, die Wirtschaft zu dekarbonisieren. Wir müssen dafür sorgen, dass es eine zunehmend kohlenstofffreie Produktion, aber eben auch Energiegewinnung oder Energieverwendung gibt. Auch dafür sehen wir eigene Programme vor, die wiederum aus diesen CO2-Einnahmen finanziert werden. Wir finanzieren ebenfalls den Wegfall der EEG-Zulage auf den Strompreis durch die gegenwärtigen Einnahmen.

Das heißt ‑ es ist mir wichtig, das noch einmal festzustellen ‑, dass die Einnahmen, die wir haben, gezielt für Klimaschutzmaßnahmen eingesetzt werden. Sie versickern nicht im Haushalt, sondern werden über den Klimatransformationsfonds gezielt für Klimaschutzmaßnahmen eingesetzt. So ist das beschrieben und so steht es auch im Koalitionsvertrag der Regierungsfraktionen.

Was das Klimageld betrifft, so ist der Auftrag dieser Regierung, einen entsprechenden Auszahlungsmechanismus, eine Organisationsform für das Klimageld vorzulegen. Das ist der Auftrag, den wir in der Regierung verfolgen.

Totz (BMWSB)

Das Thema der Sanierungsförderung liegt beim BMWK. Deswegen habe ich dazu nichts zu ergänzen.

Zusatzfrage

Wie wird der soziale Ausgleich denn dann finanziert? Das ist die eine Frage.

Die andere, im Moment wichtigere Frage ist: Das heißt, dass Sie bestätigen, dass es in dieser Legislatur wirklich nicht mehr kommt. Bestätigen Sie auch, dass offen ist, ob es in der nächsten kommt?

Haufe (BMWK)

Sie sprechen jetzt von Äußerungen, die der Bundesfinanzminister gemacht habe. Diese kann ich hier jetzt nicht kommentieren.

Für uns ist klar, dass die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für ein Klimageld geschaffen werden sollen. Das passiert ja. Das hat der Bundesfinanzminister bestätigt. Darum geht es im Moment. Wenn dieser Mechanismus dann da ist, wenn also eine Direktauszahlung des Staates erfolgen kann ‑ das ist haushaltsweit und direkt an Privathaushalte und an Personen bis heute gar nicht möglich ‑, dann lässt sich auch darüber sprechen, wie das Klimageld selber ausgestaltet wird. Diesen sozialen Ausgleich zu schaffen, ist, wie gesagt, Aufgabe der Regierung.

Aber Sie fragen jetzt nach dem bestehenden sozialen Ausgleich. Ich habe Ihnen gerade Maßnahmen genannt, wie Haushalte, die zum Beispiel einen Heizungsumtausch vornehmen, eine Förderung in Höhe von bis zu 70 Prozent bekommen können. Gerade Haushalte, die weniger Einkommen haben, können diese 70 Prozent voll ausschöpfen. Das ist zum Beispiel eine Maßnahme des sozialen Ausgleichs an dieser Stelle.

Frage

Ich möchte an der Stelle kurz den Koalitionsvertrag zitieren.

Vorsitzender Szent-Iványi

Aber nur kurz!

Zusatzfrage

So ist es, kurz.

„Um einen künftigen Preisanstieg zu kompensieren und die Akzeptanz des Marktsystems zu gewährleisten, werden wir einen sozialen Kompensationsmechanismus über die Abschaffung der EEG-Umlage hinaus entwickeln (Klimageld).“

So steht es im Koalitionsvertrag. Das kann gar nicht anders verstanden werden ‑ so wurde es auch verstanden ‑, als dass es sich um eine Geldleistung handelt, die zum einen allen Bürgern zugutekommt und nicht nur denen, die jetzt vielleicht gerade eine Wärmepumpe subventioniert bekommen, und zum anderen kann die Formulierung „wir werden entwickeln“ nur so verstanden werden, als dass diese Entwicklung zum Abschluss gebracht und eingesetzt wird. Was wir jetzt hören, dass geprüft wird, ob das überhaupt geht ‑ ‑ ‑

Vorsitzender Szent-Iványi

Können Sie die Frage stellen?

Zusatzfrage

Die Frage: Warum ist es der Bundesregierung nicht möglich, das, was sie im Koalitionsvertrag eindeutig signalisiert hat, umzusetzen?

Warum dauert es vier Jahre oder länger, um einen Auszahlungsmechanismus zu entwickeln?

Vorsitzender Szent-Iványi

Auch ans BMWK?

Zusatz

Ans BMWK und gegebenenfalls auch an den Regierungssprecher.

Haufe (BMWK)

Wer fängt an? Es wurde eine ganze Menge Fragen aufgeworfen.

StS Hebestreit

Ich denke, ich kann das relativ schmal beantworten. Zunächst einmal sind es nicht vier Jahre, sondern zwei Jahre, in denen wir uns jetzt befinden. Da Sie ja auch schon länger hier sitzen, wissen Sie, wie herausfordernd das ist. Der Bundesminister der Finanzen hat im vergangenen Herbst seiner Hoffnung Ausdruck verliehen, dass man bis 2024 schon so weit sein werde, also in diesem Jahr. Jetzt habe ich Interviewäußerungen entnommen, dass es vielleicht erst 2025 so weit sein werde, dass man die technischen Voraussetzungen schafft. Das ist ja die Vorgabe dafür. Das Zweite ist, dass wir natürlich ‑ erinnern Sie sich an den Koalitionsvertrag 2021 ‑ seitdem massiv auch in die Senkung der Energiepreise investiert haben. Dabei wurde niemand alleingelassen. Strom- und Gaspreisbremse sind dafür ein Beispiel. Die Senkung der EEG-Umlage bzw. die Abschaffung der EEG-Umlage ist eine direkte Senkung des Strompreises, den die Endkunden sonst hätten zahlen müssen. Dahinein ist das Geld geflossen.

Gleichzeitig stehen wir im Augenblick ‑ Sie kennen die Haushaltslage ‑ vor der Situation ‑ ‑ ‑ Die Umwandlung des Geldes, das wir im Augenblick über den CO2-Preis und direkt einnehmen, in welche Projekte das überall hineinläuft, das hat Herr Haufe ausführlich beschrieben. Diese Summe steht nicht zweimal zur Verfügung. Das Klimageld wollen und müssen wir perspektivisch dann, wenn der europäische Emissionshandel ab 2027 in die zweite Stufe gerät, auf alle Fälle auf den Weg bringen. Das haben wir uns klar vorgenommen. Vorher müssen wir aber die Bedingungen schaffen, dass wir es ermöglichen können, indem wir nämlich die Auszahlungsmechanismen erledigen. Ich müsste jetzt spekulieren, welches Amt genau es ist, das die Grundlagen dafür schaffen muss. In dieser Situation sind wir.

Aber das, was diese Bundesregierung in den vergangenen mehr als zwei Jahren getan hat, war eine massive Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger im Umgang mit den hohen Energiepreisen.

Zusatzfrage

Wenn kein Zusatz kommt, dann stelle ich die Frage noch einmal. In dem Zitat ist deutlich und explizit von der Entwicklung eines Klimageldes die Rede. Das war die Ankündigung der Ampel. Klimageld bedeutet von der Begrifflichkeit her eine Summe, die jedem Bürger zukommt.

Können Sie erklären, warum es nicht möglich ist, einen solchen Rück- oder Auszahlungsmechanismus innerhalb einer Legislaturperiode zu entwickeln und umzusetzen?

StS Hebestreit

Ich dachte eigentlich, dass ich das gerade zu erklären versucht habe. Erst einmal geht es um die Entwicklung dieses Mechanismus. Da sind wir dran. Die Legislaturperiode endet im Herbst 2025. Dann können wir dieses Gespräch, ob dieser Mechanismus bis dahin besteht oder nicht, gern noch einmal führen.

Zum Zweiten habe ich Ihnen deutlich gemacht, welch hohe Summe diese Regierung auch aufgrund der veränderten internationalen Situation aufgewandt hat, um die Strom- und überhaupt die Energiepreise zu senken und abzudämpfen und den Auswirkungen des russischen Überfalls auf die Ukraine und seinen Folgen zu begegnen. Deswegen sind wir in der Situation, in der wir jetzt sind.

Aber das Projekt wird weiter angestrengt vorangetrieben. Über die technischen Schwierigkeiten, die damit einhergehen, hat unter anderem der Bundesminister der Finanzen in der Vergangenheit mehrfach Auskunft gegeben und wird das sicherlich auch in Zukunft tun.

Frage

Das Schöne ist, dass wir an der Stelle gar nicht auf ihn zu warten brauchen. Herr Olpen, Sie sind ja für das BMF hier. Dann können Sie uns doch sicherlich darlegen, worin genau derzeit noch Schwierigkeiten bestehen, einen Auszahlungsmechanismus zu etablieren, und wo auf dem Wege dahin Sie jetzt sind.

Olpen (BMF)

Vielen Dank für die Frage. Das kann ich gern tun. Das trägt vielleicht auch noch zur Erhellung bei. Der Stand der Dinge ist, dass wir, was die Etablierung des Direktauszahlungsmechanismus angeht, im Zeitplan sind. Momentan arbeitet das Bundeszentralamt für Steuern daran, diesen Auszahlungsmechanismus zu schaffen. Die Rechtsgrundlage ist bereits mit dem Jahressteuergesetz 2022 geschaffen worden. Konkret geht es darum, die IBAN der einzelnen Bürger in einer ID-Datenbank zuspeichern zu können. Daran wird jetzt gearbeitet. Die technischen Voraussetzungen für die Übermittlung der IBAN an das BZSt liegen seit dem 1. Dezember vergangenen Jahres vor.

Der Aufbau der Datenbank ist allerdings ein fortlaufender Prozess. Das heißt, es gibt verschiedene Wege, wie IBAN der Bürgerinnen und Bürger zugespeichert werden. Das erfolgt einerseits über Kreditinstitute; das erfolgt aber andererseits auch über staatliche Institutionen. In diesem Prozess sind wir momentan. Das ist tatsächlich ein auch technisch durchaus herausfordernder Prozess.

Zusatzfrage

Ich habe immer noch nicht verstanden, wo eigentlich die technische Schwierigkeit liegt. Denn das Klimageld könnte in der Theorie jeder Bürger für sich in Anspruch nehmen, wenn er es denn wollte. Das heißt, Sie könnten doch eigentlich die Bürger einfach auffordern, ihre BZSt-ID, also ihre Steuer-ID, beim BZSt mit einer IBAN zu hinterlegen. Die Steuer-ID existiert ja bereits. Ich habe bis heute nicht verstanden, wo dabei das Problem liegt.

Olpen (BMF)

Auch das beantworte ich Ihnen gern. Tatsächlich soll es ‑ auch das habe ich gerade schon erwähnt ‑ mehrere Wege geben, wie die IBAN zugespeichert wird, zum einen über Behörden, zum anderen auch über freiwillige Angabe der Bürgerinnen und Bürger. Grundsätzlich kommen freiwillige Angaben nicht immer bei jedem an. Deshalb verfolgt man einen ganzheitlichen Ansatz, um möglichst viele IBAN hinterlegen zu können. Das heißt: sowohl freiwillige Abgabe als auch Zuspeicherung über Behörden, bei denen diese Daten bereits vorliegen.

Frage

Ich habe eine kurze Nachfrage an Herrn Hebestreit, ob ich es richtig verstanden habe. Es wird weiterhin intensiv an diesem Mechanismus gearbeitet. Spätestens 2027 muss der Mechanismus stehen und tatsächlich greifen, um einen Ausgleich für den europäischen Emissionshandel zu finden. Richtig?

StS Hebestreit

So ist die Planung, ja.

Zusatzfrage

Bis 2027?

(StS Hebestreit nickt mit dem Kopf.)

Frage

Einer der Gründe dafür, warum jetzt überhaupt so viele Bauern, aber auch Spediteure auf der Straße sind, ist ja, dass die Bundesregierung versucht hat, das Haushaltsloch zum einen mit dem Wegfallen der Agrardieselsubvention, aber zum anderen auch mit einer erhöhten CO2-Steuer zu stopfen. Das sind Maßnahmen, die sich jetzt auf die Preise auswirken und noch stärker auswirken werden. Ich habe gerade mit ein paar Leuten gesprochen, die dort vor Ort waren und mir gesagt haben: Es ist ganz klar; wir müssen dann unsere Preise erhöhen. ‑ Das heißt, es wird alle Bürgerinnen und Bürger betreffen.

Hätte es die Überlegungen für einen Auszahlungsmechanismus zum Ausgleich insofern nicht viel früher geben müssen, nämlich bevor die jetzigen Maßnahmen beschlossen wurden?

StS Hebestreit

Aber auch dann müsste das Geld irgendwo herkommen. Es wächst ja nicht auf Bäumen.

Zusatz

Das stimmt, aber das hätte man sich ja vorher überlegen können, bevor es jetzt zu dieser Situation kommt, dass Bürgerinnen und Bürger von diesen Preissteigerungen betroffen sind. Das heißt, die Maßnahmen der Bundesregierung, die Preissteigerungen, die daraus folgen, müssen von der Bevölkerung getragen werden.

Haufe (BMWK)

Aber es sind zwei verschiedene Dinge, die Sie jetzt anbringen. Erst einmal: Es gibt keine CO2-Steuer, sondern es ist eine CO2-Abgabe auf Kraftstoffe und fossile Energien, die indirekt erfolgt. Wir sind dazu verpflichtet, die Gelder, die wir einnehmen, möglichst so einzusetzen, dass sie tatsächlich eine Treibhausgasminderung hervorrufen. Für genau diesen Bereich an Geldern, für die Einnahmen aus dem Emissionshandel, habe ich dargelegt, wie wir das machen.

Das Klimageld hat eine andere Funktion. Herr Hebestreit hat gerade ausgeführt, in welcher Weise wir im vergangenen Jahr soziale Entlastung in großem Maß gerade auch im Energiebereich organisiert haben. Insofern ist das an der Stelle durchaus überlegt und durchdacht entschieden worden.

Frage

Herr Hebestreit, der Kollege hat den Koalitionsvertrag schon angesprochen. Das war ja ein zentrales Versprechen der Ampel beim Start. Jetzt wird es offenbar gebrochen. Gehen Sie davon aus, dass der Unmut in der Bevölkerung deswegen noch einmal wachsen wird?

StS Hebestreit

Noch einmal: Wenn Sie das, was der Kollege zitiert hat, genau lesen, werden Sie feststellen, dass dort ausgesagt wird, dass dieser Mechanismus etabliert werden soll, dass wir einen Weg finden, um so etwas auszuzahlen. Das Geld, das wir bisher einnehmen, haben wir unter anderem in die Senkung oder Abschaffung der EEG-Umlage gesteckt. Wir haben dann in den vergangenen 15 Monaten die Energiepreise in diesem Land in einem nicht gekannten Ausmaß abgedämpft mit den Folgen, die das hat. Gleichzeitig bleiben wir dabei, dieses Projekt voranzutreiben. Dabei, jetzt einen ‑ wie haben sie das genannt? ‑ Wortbruch oder so etwas herbeizureden, kann ich ihnen nicht folgen.

Zusatz

Das Klimageld, das so drinsteht, kommt ja nicht, sondern sie verwenden es anders, wie sie es jetzt gerade interpretiert haben. Aber so, wie es die Ampel versprochen hat, dass man das, was man über eine CO2-Abgabe ausgibt, als Bürger wieder zurückbekommt, kommt es nicht.

Haufe (BMWK)

Vielleicht muss man sich dazu die Entwicklung der Zertifikatepreise im CO2-Handel noch einmal anschauen, was den nationalen Brennstoffemissionshandel betrifft. Hierbei ‑ so ist es eigentlich immer verstanden worden ‑ sieht man, dass eine deutliche Erhöhung der CO2-Abgabe ab 2026, 2027 erwartet wird, weil die Zertifikate dann frei gehandelt werden können. Das heißt, wir rechnen mit deutlichen Preissteigerungen bei fossilen Energien oder bei fossilen Kraftstoffen ab diesem Zeitpunkt. Dann wird auch der europäische Emissionshandel für Wärme und Verkehr gelten, der ein ähnliches offenes System vorsieht.

Das Klimageld ist als Ausgleichsmaßnahme dafür angedacht, dass diese Preissteigerungen eintreten. So ist die Konzeption. Deswegen ist eigentlich immer auch diese wachsende, zunehmenden Belastung, die durch die Emissionspreise kommen muss, als Voraussetzung angesehen.

Frage

Ich habe so ein bisschen den Eindruck, dass ich maximal verwirrt werden soll. Ich frage Sie einmal danach.

Ich habe zum Beispiel Herrn in der Beek, den klimapolitischen Sprecher der FDP, gefragt: Wie sieht es mit dem Klimageld aus? Dass dieser Mechanismus entwickelt werden muss, ist ja klar. Aber er sagte: Wir sorgen im Jahre 2024 dafür, dass das Geld für das Klimageld in den Bundeshaushalt 2025 eingestellt wird. Es ging vermutlich darum, dass dazwischen eine Wahl liegt.

Herr Habeck und Herr Lindner sagen aber ‑ und das möchte ich gern richtig verstehen ‑, das Klimageld komme 2025 nicht und werde nicht ausgezahlt. Es werde nicht über die Bundestagswahl hinaus abgesichert, sondern komme frühestens 2027. Die Begründung ist: Dann steigen die CO₂-Preise deutlicher als jetzt. ‑ Ist das richtig?

Haufe (BMWK)

Herr Habeck hat keine Äußerung vorgenommen, dass das Klimageld zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt kommt.

Zusatzfrage

Aber Sie haben das nahegelegt. Dann müssten Sie jetzt sagen, wie Sie es meinen.

Haufe (BMWK)

Ich habe Ihnen gerade nahegelegt, wie die Verbindung zwischen der CO₂-Preisentwicklung und dem Klimageld aussieht. Sie haben jetzt einen Parlamentarier zitiert ‑ so habe ich es verstanden ‑, einen Abgeordneten. Das kann ich nicht kommentieren. Im Parlament finden jetzt die Haushaltsverhandlungen statt. Es ist jetzt nicht meine Angelegenheit, das zu beurteilen. Ich habe Ihnen noch einmal dargelegt, wie die Entwicklung dieses Geldes zu verstehen ist, die Konzeption.

Zusatzfrage

Sie haben völlig recht, Herr Habeck hat das nicht gesagt. Aber wann kommt das Klimageld? Herr Lindner hat gesagt: später.

Der Kollege hat eben nachgefragt. Darauf hat Herr Hebelstreit gesagt: frühestens 2027. Dann sagen Sie mir doch einfach ‑ ‑

StS Hebestreit

Das hat Herr Hebestreit nicht gesagt. Er hat nicht „frühestens 2027“ gesagt. Er hat gesagt, 2027 muss der Mechanismus stehen. Da möchte ich jetzt sehr präzise zitiert werden.

Zusatzfrage

Sie haben gesagt, 2027 muss der Mechanismus stehen.

StS Hebestreit

Richtig.

Zusatzfrage

Das heißt: frühestens 2027.

StS Hebestreit

Nein.

Zusatzfrage

Wie kann man denn vorher auszahlen, wenn man keinen Mechanismus hat?

StS Hebestreit

2027 müsste er spätestens stehen.

Zusatz

Ich bin raus, sorry.

Frage

Ich wollte auch noch einmal nachfragen. Herr Hebestreit, wenn Sie jetzt sagen, der Mechanismus müsse dann stehen, können sich die Bürger denn darauf verlassen, dass es das Klimageld vor 2027 gibt?

StS Hebestreit

Da bräuchte ich jetzt eine Glaskugel. Wir sind ja die Regierung, die erst einmal bis 2025 gewählt ist. Natürlich streben wir die Wiederwahl an. Aber ich spreche jetzt erst mal für die Zeit. In dieser Phase wollen wir diesen Mechanismus etabliert haben. Der Bundesminister der Finanzen hat sich dazu eingelassen, dass das mit der Auszahlung 2025, wenn ich das richtig gesehen habe, wohl nichts werde.

Wenn man die aktuellen Haushaltsdebatten kennt und die Haushaltsdebatten des jetzt anbrechenden Jahres vorausahnt, dann hat man vielleicht auch einen Hinweis, worin die Schwierigkeit liegen würde.

Parallel dazu laufen aber alle Vorbereitungen, um diesen Mechanismus zu etablieren. Dann kommt es irgendwann auf den Haushaltsgesetzgeber an zu priorisieren, was man denn möchte ‑ und das ist dann die Entscheidung. Wichtig für uns ist, dass dieser Mechanismus dann da ist. Wenn man also die Entscheidung trifft, ein Klimageld auszuzahlen, und man einen Weg findet, woher dieses Klimageld stammen soll, dann sollte dieses Geld auch sehr schnell an die Kollegen und alle anderen ausgezahlt werden können und sie passgenau treffen. Es sollte keine Verwechslung geben, dass jemand doppelt oder dreifach begütet wird und andere leer ausgehen.

Zusatzfrage

Dann noch einmal die Nachfrage an das BMF: Herr Olpen, hat Herr Hebestreit denn richtig verstanden, was Herr Lindner gesagt hat, und es wird 2025 noch nicht zum Klimageld kommen?

Olpen (BMF)

Ich möchte noch einmal den zeitlichen Prozess hervorheben. Die Etablierung des Direktauszahlungsmechanismus ist bis Ende 2024 vorgesehen. Dann ist auch gar nicht mehr so viel Zeit bis zum Ende dieser Legislaturperiode. Das heißt, momentan steht an, mit der gebotenen Sorgfalt und der nötigen Eile den Direktauszahlungsmechanismus insoweit fertigzustellen, dass die Zuspeicherung der IBAN der Bürgerinnen und Bürger erfolgt ist. Dann folgt der Schritt, über das politische Projekt Klimageld im Konkreten zu sprechen.

Frage

Herr Olpen, Ihr Minister hat vor fünf Monaten nach der Kabinettsklausur in Meseberg Folgendes gesagt ‑ ich zitiere noch einmal einen Satz ‑:

„Ich gehe davon aus, dass dieser Auszahlungsmechanismus 2024 zur Verfügung steht und damit ... deutlich schneller, als wir im Koalitionsvertrag in Erwägung gezogen haben, ein solches Klimageld auszuzahlen.“

Das ist doch die Ankündigung, dass dieses Klimageld noch in dieser Legislaturperiode ausgezahlt wird. Wie soll man es anders verstehen? Können Sie erklären, was in diesen fünf Monaten passiert ist, dass diese Einschätzung des Finanzministers jetzt so nicht mehr gilt?

Olpen (BMF)

Zunächst bitte ich um Verständnis, dass ich das Zitat jetzt selbst nicht mehr im Kopf habe. Das ist fünf Monate zurück. Insofern habe ich auch nicht alle Äußerungen des Ministers im Wörtlichen parat.

Aber wenn ich mir das anhöre, was Sie gerade vorgetragen haben, dann haben Sie vom Auszahlungsmechanismus gesprochen. Ich habe Ihnen gerade gesagt, dass der Auszahlungsmechanismus bis Ende 2024 abgeschlossen sein soll.

Zusatzfrage

Können Sie nachvollziehen, dass für den normalen Bürger der Begriff Auszahlungsmechanismus bedeutet, dass dann auch ausgezahlt wird und nicht noch eine mehrjährige Pause zwischen Entwicklung des Mechanismus und tatsächlicher Zahlung erfolgt?

Olpen (BMF)

Gut, das haben wir aber immer so betont. Auch an früherer Stelle war das Klimageld hier Thema. Wir haben auch in der Vergangenheit diese Differenzierung zwischen Direktauszahlungsmechanismus und Klimageld vorgenommen.

Frage

Herr Haufe, Sie haben das gerade erörtert. Wenn der Handel mit den Emissionen, mit den CO₂-Zertifikaten, kommt, dann erwartet die Bundesregierung eine Preissteigerung. Dann soll das Klimageld greifen. Jetzt haben wir aber die Situation, dass die Maßnahmen, die dieses Haushaltsloch stopfen sollten, auch zu einer Steigerung der CO₂-Preise führen. Deshalb sind jetzt so unglaublich viele Leute auf der Straße, unter anderem deshalb. Was möchte denn die Bundesregierung machen, um diese Mehrbelastung wegzunehmen, und zwar jetzt und nicht in mehreren Jahren? Das Problem ist ja jetzt da.

Olpen (BMF)

Herr Haufe ist angesprochen, aber ich möchte diesen Belastungsmythos jetzt hier nicht so stehen lassen ‑ sorry für den Begriff Mythos. Es ist ja auch so gewesen, dass die Bundesregierung zu diesem Jahr die Bürgerinnen und Bürger allein um 15 Milliarden Euro bei der Einkommenssteuer entlastet hat und sie auch in den vergangenen Jahren dieser Legislaturperiode zahlreiche Entlastungspakete auf den Weg gebracht hat. Also das, was Sie hier sagen, trifft nicht in Gänze zu.

Haufe (BMWK)

Ich kann hinzufügen, dass wir elf Milliarden Euro aus den Einnahmen dafür einsetzen, um die EEG-Umlage, im Grunde genommen auf der Stromrechnung, wegfallen zu lassen.

Zusatzfrage

Herr Lindner hat ausgerechnet, eine zweiköpfige Durchschnittsfamilie sollte um 500 Euro entlastet werden. Es ist aber doch damit zu rechnen, dass die CO₂-Preise, die jetzt steigen, eine Familie mehr belasten, als diese 500 Euro sie entlasten. Gibt es da irgendwelche Berechnungen vom BMWK, vom BMF, wie viel höher das ausfallen könnte? Und wie will man darauf reagieren, wenn das eben doch viel höher ausfällt als die Steuerentlastungen, die die Bundesregierung vorangetragen hat?

Olpen (BMF)

Ich hätte an der Stelle ehrlicherweise nichts mehr ergänzen zu dem, was ich gerade gesagt hatte.

Frage

Ein ganz anderes Thema. Herr Müller, die „BILD“-Zeitung berichtet heute von einem möglichen Szenario, das offenbar in der Bundeswehr diskutiert wird. Da geht es um die Bedrohung durch Russland, die noch in diesem Jahr in der Ukraine eskalieren könnte. Es ist auch von verstärkten Cyberangriffen, auf die baltischen Staaten zum Beispiel, die Rede und davon, dass die Bundeswehr in eine Lage geraten könnte, mit mehreren tausend, sogar bis zu 30 000 Soldaten, die NATO-Ostflanke zusätzlich zu unterstützen. Gibt es so ein Szenario, und wie bereiten Sie sich, wenn ja, darauf vor?

Müller (BMVg)

Grundsätzlich kann ich diesbezügliche Meldungen weder bestätigen noch dementieren. Davon abgesehen beschäftigen wir uns natürlich mit aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen. Dazu gehört eben auch die Bedrohung durch Russland. Diese Analysen fließen natürlich auch zum Beispiel in Übungen oder Planungen ein, wie wir das zum Beispiel bei der Brigade Litauen sehen. Sonst würden wir ja keine Kampftruppenbrigade über die nächsten Jahre in Litauen stationieren, wenn diese Bedrohung nicht real wäre. Genau diese Beschäftigung, dieses Ernstnehmen, erwartet ja auch die Politik und die Gesellschaft von uns.

Zusatzfrage

Ganz konkret ist da davon die Rede, dass Russland in diesem Jahr noch eine Offensive auf den eben genannten Ebenen plant. Gibt es dieses Szenario bei Ihnen, und gibt es diese Befürchtung?

Müller (BMVg)

Unabhängig von den Meldungen, die hier angesprochen sind, nehmen wir diese Bedrohung ernst, wie ich gesagt habe. Unabhängig davon fließt das stetig in unsere Lagebeurteilung in Übungen mit ein. Dafür gibt es Großübungen wie Air Defender, dafür gibt es Übungen wie Quadriga. Das bedeutet, dass wir im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung einsatzbereit sein wollen. So funktioniert Abschreckung. Wir nehmen die Bedrohung ernst.

Frage

Eine Frage an Herrn Wagner: Es war am Wochenende Wahl in Taiwan. Das Auswärtige Amt hat gestern ein Glückwunschschreiben veröffentlicht, in dem weder der Name des neuen Präsidenten, Herrn Lai, genannt wurde, noch dessen Position. Warum wurde das weggelassen? Andere Partnerländer Deutschlands wie Japan, die USA, Großbritannien oder Litauen haben das ja deutlicher formuliert.

Wagner (AA)

Herr Wurzel, Sie haben es erwähnt. Wir haben gestern eine Sprechererklärung veröffentlicht. Ich spare es, sie hier noch einmal in Gänze vorzulesen. Ich verweise die Kolleginnen und Kollegen gern auf den Text auf unserer Homepage, der im Einklang mit der Linie ist, die auch andere Partner in der EU, zum Beispiel auch die EU, vertreten haben. Sie kennen ja unsere Position zu Taiwan. Wir haben eine Ein-China-Politik. In diesem Rahmen haben wir gute Beziehungen unterhalb der völkerrechtlichen Ebene mit der Demokratie Taiwan.

Zusatzfrage

Im Mai wird Herr Lai ins neue Amt eingeführt. Plant die Bundesregierung, jemanden zu schicken?

Wagner (AA)

Herr Wurzel, ich führe es gern noch einmal aus. Ich habe es hier, glaube ich, öfter schon ausgeführt. Im Rahmen der Ein-China-Politik ist es gute Praxis, dass die Bundesregierung keine diplomatischen Beziehungen mit Taiwan unterhält. Dieser Praxis entspricht es eben auch, dass wir keine Kontakte auf Ebene der souveränitätsrelevanten Ämter, wie wir das nennen, pflegen. Das betrifft die höchsten Staatsämter, Repräsentanten der Verfassungsorgane. Unterhalb dieser Schwelle der völkerrechtlichen Anerkennung unterhalten wir enge und gute Beziehungen zu Taiwan, insbesondere in den Bereichen Wirtschaft, Kultur, Bildung, Wissenschaft und Forschung.

Frage

Gab es souveränitätsrelevante Reaktionen aus China?

Wagner (AA)

Das müssten Sie die chinesische Seite fragen. Ich meine, Medienberichte gesehen zu haben, dass sich die chinesische Regierung auch zu den Wahlen in Taiwan geäußert hat.

Zusatzfrage

Das heißt, es gab keine offizielle Protestnote oder Ähnliches bei Ihnen aufgrund Ihrer Verlautbarungen zur Wahl in Taiwan?

Wagner (AA)

Sie können davon ausgehen, dass es Kontakte mit unseren chinesischen Kolleginnen und Kollegen gibt. Ich müsste jetzt noch einmal nachhören, ob es spezifische Reaktionen auf unsere Sprechererklärung gab.

Frage

Ich hätte eine Frage zum Lieferkettengesetz. Dafür wären, glaube ich, dass BMWK und das BMAS zuständig.

Herr Lindner hat Pläne, das Lieferkettengesetz zu entschlacken. Sehen Sie da ebenfalls die Notwendigkeit, bürokratische Vorschriften zu lockern? Gibt es dazu entsprechende Vorbereitungen und Überlegungen in Ihren Ministerien?

Haufe (BMWK)

Ganz konkret schauen wir, dass die Vorgaben, die es auf europäischer Ebene gibt und die wir selbst mit dem Lieferkettengesetz schon vorgenommen haben, zum Beispiel keine Doppelregelungen, Doppelbelastungen oder widersprechende Vorschriften ergeben. Das ist ein Punkt, den wir in dem Prozess gerade gestalten. ‑ Ich will es erst einmal dabei belassen.

Zusatzfrage

Und beim BMAS?

Göpner-Reinecke (BMAS)

Ich kann bestätigen, dass die Bundesregierung gerade in der Tat daran arbeitet, im Punkt der Doppelberichterstattung unnötige und zusätzliche Belastungen zu vermeiden. Ich habe ansonsten zu den Äußerungen von Herrn Lindner nichts hinzuzufügen oder die auch nicht zu interpretieren.

Zusatzfrage

Könnten Sie vielleicht konkretisieren, was Sie genau damit meinen, im Sinne der Doppelberichterstattung unnötige Bürokratie zu vermeiden? Was genau soll verändert werden?

Göpner-Reinecke (BMAS)

Wie gesagt, die Bundesregierung ist hier gerade in regierungsinternen Gesprächen. Ich kann das jetzt nicht näher ausführen.

Frage

(zu den Protesten von Bauern gegen die Politik der Bundesregierung) Das Thema der Tierwohlabgabe ist jetzt auch nach den Empfehlungen des Bürgerrats noch einmal akut auf der Agenda. Ich würde gern wissen, ob das BMEL inzwischen durchprüfen konnte, inwieweit europarechtliche Vorgaben einer entsprechenden Abgabe entgegenstehen.

Köhler (BMEL)

Vielleicht noch einmal grundsätzlich: Der Minister hatte sich ja in den vergangenen Tagen und Wochen schon mehrfach zu diesem Thema geäußert. Er hat darauf hingewiesen, dass die aktuellen Proteste weit über das Thema Agrardiesel hinausgehen und es vielmehr um die strukturellen Probleme in der Landwirtschaft geht.

Um eine Zahl zu nennen: Zwischen 2010 und 2020 hat sich die Zahl der Höfe in Deutschland halbiert. Deswegen hat er darum geworben, die Chance jetzt zu nutzen, um das Thema Umbau der Landwirtschaft anzugehen, um sie zukunftsfest zu machen. In diesem Zusammenhang hat er auch den „Tierwohlcent“ ins Gespräch gebracht. Das ist ja ein Konstrukt, das von der Borchert-Kommission schon einmal vorgeschlagen wurde. Im Augenblick ist dazu eigentlich nicht mehr zu sagen.

Frage

Entschuldigung. Meine Frage war ja relativ konkret, ob Sie sich mit den europarechtlichen denkbaren Einschränkungen bei den Möglichkeiten beschäftigt haben oder ob Sie die ins Felde geführten europarechtlichen Bedenken in der Zwischenzeit ausräumen konnten.

Köhler (BMEL)

Gehen Sie davon aus: Wenn der Minister einen Vorschlag macht, dann wird das geprüft sein.

Frage

Ich habe eine kurze Frage an Herrn Hebestreit und vielleicht auch an das Wirtschaftsministerium. Es geht auch um die Bauernproteste und darum, was man den Bauern jetzt eigentlich anbieten kann, auch wenn man jetzt die Kürzung der Subventionen für Agrardiesel nicht zurücknimmt. Ich hätte ganz gern gewusst, ob die Bundesregierung da mittlerweile eine gemeinsame Haltung hat, weil die Äußerungen, die von verschiedenen Ministern kommen, jeweils andere Punkte betreffen, also entweder Bürokratieabbau oder Tierwohlabgabe. Gibt es da eine Verständigung, was die Bundesregierung als Regierung den Bauern jetzt noch anbietet?

StS Hebestreit

Ich würde das im Augenblick jetzt nicht in eine direkte Verbindung zur Frage des Subventionsabbaus stellen. Der Bundeskanzler hat am vergangenen Donnerstag in Cottbus mit dem brandenburgischen Vorsitzenden des Bauernverbandes gut eine Stunde gesprochen und hat dabei auch noch einmal deutlich gemacht, dass es schon darum geht, auch die Einkommenssituation der Landwirtinnen und Landwirte in Deutschland im Blick zu behalten. Er hat in einer Videobotschaft, die Sie sicherlich alle am Sonnabendvormittag gesehen haben, sich dazu auch noch einmal geäußert und ein paar Hinweise gegeben, in welche Richtung man da denken kann. Da geht es auch um Bodenpreise, da geht es um die Macht von Lebensmittelkonzernen und Ähnlichem. In dieser Situation sind wir, und dieses Gespräch beginnen wir jetzt.

Gleichzeitig treffen sich heute die Vorsitzenden der Ampel-Bundestagsfraktionen mit Vertretern der protestierenden Bäuerinnen und Bauern. Dort werden sicherlich auch diese Themen zum Tragen kommen. Aber das ist etwas, was jetzt sicherlich ein paar Tage dauern wird, bevor man da ein einheitliches Konzept entwickelt. Ich würde das jetzt aber nicht als eine Kompensation zum Agrardiesel sehen.

Zusatzfrage

Eine kurze Nachfrage an das Wirtschaftsministerium. Herr Backhaus, der Landwirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern, hat ja sehr konkret heute Morgen gefordert, dass man kartellrechtlich gegen die großen Handelsketten vorgeht, weil die Erzeugerpreise gesunken, die Preise an der Ladentheke aber gestiegen seien, und dass deswegen klar sei, wo das Problem liege. Deswegen würde ich gern wissen: Ist der Minister bereit, jetzt auch kartellrechtlich gegen die großen Handelsketten vorzugehen?

Haufe (BMWK)

Das Bundeskartellamt hat die Entwicklung im Lebensmitteleinzelhandel ja schon seit viel Längerem im Blick. Insofern ist diese Aufforderung jetzt durch den Landesminister, den Sie zitiert haben, kein neuer Tatbestand. Es ist nicht nötig, dass der Aufruf kommen muss: Schaut da bitte genauer hin. ‑ Nein, das Bundeskartellamt schaut da immer sehr genau hin. Das würde ich an der Stelle erst einmal sagen.

Ich kann Ihnen aber heute an dieser Stelle keine neue Aktivität nennen. Das heißt aber nicht, dass es dazu intern nicht die eine oder andere Überlegung gibt. Ich kann Ihnen dazu nur gerade nichts mitteilen.

Frage

Dazu hätte ich gern das Entwicklungsministerium. Von den Landwirten wird in den aktuellen Protesten sehr häufig folgendes Argument vorgebracht. Sie sind empört, weil Deutschland, während bei den Subventionen für Landwirte gekürzt wird, gleichzeitig 315 Millionen Euro für die Finanzierung von Radwegen und Bussen in Peru ausgebe. Ich habe versucht, diese Zahl nachzuvollziehen. Ich habe sie nirgendwo gefunden. Können Sie sagen, inwieweit diese Summe belastbar ist und wo und wie da etwas gezahlt wird? Das müsste ja Ihr Haus betreffen.

Koufen (BMZ)

Vielen Dank für die Frage. In der Tat kursiert die Zahl 315 Millionen Euro seit einer Weile relativ hartnäckig im Netz. Angeblich zahlen wir dieses Geld für Radwege und Bussysteme in Peru. Die Zahl ist für uns nicht nachvollziehbar. Richtig ist: Das BMZ unterstützt mit einem Zuschuss in Höhe von 20 Millionen Euro, der im Jahr 2020 zugesagt wurde, den Aufbau eines Radschnellweges in Lima, der sich derzeit im Bau befindet, und im Jahr 2022 hat das BMZ weitere 24 Millionen Euro für den Bau von Radwegen in Peru zugesagt, also auch als Zuschuss, die sich derzeit in der Planungsphase befinden. Das sind also 44 Millionen Euro an Zuschüssen.

Richtig ist außerdem, dass das BMZ darüber hinaus mit Krediten Peru beim Aufbau eines umweltschonenden Bussystems unterstützt. Hierfür wurden bereits 55 Millionen Euro zugesagt, aber als Kredit, verzinst und rückzahlbar. 2022 wurde ein weiterer Kredit in Höhe von 100 Millionen zugesagt, ebenfalls als Kredit, also rückzahlbar. Wir liegen also im Moment bei 155 Millionen Euro an Krediten und 44 Millionen Euro an Zuschüssen.

Lassen Sie mich noch eines sagen: Es wird dann auch immer ein bisschen so getan, als ob das Geld mehr oder weniger in Peru den Radwegen hinterhergeworfen werde. Es ist aber so, dass das Engagement aus sehr gutem Grund erfolgt. Mit dem Pariser Klimaschutzabkommen hat die Weltgemeinschaft ja 2015 vereinbart, dass alle Staaten ihre CO2-Emissionen senken und dass die reicheren Länder die ärmeren dabei unterstützen werden. Der Verkehrssektor ist einer der größten Verursacher von Treibhausgasen in Peru. Lima und auch andere Städte wachsen sehr schnell und haben einen enormen Verkehr. Es ist also auch in unserem Sinne, wenn Lima und Peru es schaffen, ihre Emissionen im Verkehrsbereich zu senden; denn der Klimawandel macht nicht Halt an den Grenzen. Es geht ja um globale Probleme, und die müssen wir auch global lösen.

Zusatzfrage

Wenn also diese kolportierte Zahl von 315 Millionen als Geld, das dann einfach weg ist ‑ der Eindruck, dass das so ist, wird ja erweckt ‑, nachweisbar falsch ist und vielmehr der direkte Zuschuss, also Geld, das dann tatsächlich gezahlt wird, in Höhe von knapp 50 Millionen Euro, wie ich es jetzt verstanden habe, gezahlt wird, steht diese Summe dann in irgendeiner Weise angesichts der Frage, ob man Landwirten mehr geben kann, zur Disposition, oder ist dieses Geld tatsächlich definitiv fest für Peru und den Aufbau der Rad- und Buswege verplant oder schon vergeben?

Koufen (BMZ)

Das Geld ist, wie ich gesagt habe, zugesagt, und „zugesagt“ heißt, dass es dann auch rechtlich bindend für diesen Zweck ausgegeben wird. Aber noch einmal: Langfristig gedacht sind es auch die Landwirte, die davon profitieren, wenn die Welt den Klimawandel in den Griff bekommt; denn Dürren und Hochwasserschäden betreffen die Landwirtschaft ja auch ganz besonders.

Frage

Ich hätte gerne etwas vom Verkehrsministerium im Zusammenhang mit den Protesten da draußen gewusst, weil dort ja auch Transportunternehmen protestieren. Es gibt die Forderung, auf die Einhaltung der Koalitionszusage, dass die CO2-Doppelbesteuerung bzw. -bepreisung für Maut und Diesel kommt, zu verzichten. Können Sie sagen, wie da der Stand ist?

Können Sie bitte noch etwas sagen? Es gibt die Forderung, das Mautharmonisierungsprogramm von 450 Millionen Euro auf 900 Millionen Euro zu erhöhen, auch aus der Transportwirtschaft. Wie ist da der Stand? Dazu habe ich auch nichts gefunden.

Alexandrin (BMDV)

Die CO2-differenzierte Lkw-Maut ist ein beschlossenes Gesetz, das sich in der Umsetzung befindet. Änderungen wären mir nicht bekannt.

Zum Thema der Doppelbesteuerung kann vielleicht das BMF noch etwas ergänzen.

Olpen (BMF)

Ich kann dazu gerade leider auch nichts beitragen. Ich würde schauen, ob ich etwas nachreichen kann.

Frage

Ich würde gerne noch einmal auf das Thema „faire Preise und Landwirtschaft“ zurückkommen. Herr Hebestreit, der Kanzler hat ja in seiner Videobotschaft am Wochenende signalisiert, dass auch er sich für faire Preise einsetzen möchte. Es gibt ja eben auch den von Herrn Özdemir angesprochenen Vorschlag einer Tierwohlabgabe im Centbereich, auf Fleisch etwa. Sie haben gerade schon gesagt, es gebe noch keine gemeinsame Haltung der Regierung. Aber können Sie uns denn einmal sagen, wie der Kanzler darüber denkt? Wäre es aus seiner Sicht eine gute Idee, so eine Tierwohlabgabe einzuführen?

StS Hebestreit

Der Kanzler hat es sich zur Übung gemacht, dass er mit seinen Ministerinnen und Ministern sowie den zuständigen Stellen spricht, bevor er sich an solcher Stelle so dezidiert einlässt. Ich glaube, wichtig ist jetzt das Signal, das Ziel, dass man überzeugt ist, dass die Landwirtinnen und Landwirte in Deutschland ein ordentliches Einkommen haben müssen. Klar ist auch, dass zum jetzigen Zeitpunkt etwa 40 Prozent aller Betriebe subventioniert werden, und dass man da Wege finden muss, die diesen Prozentsatz nicht noch erhöhen. Dafür gibt es verschiedene Ideen und Überlegungen, und die muss man jetzt miteinander übereinbringen. Diese Gespräche werden jetzt beginnen, und ich habe eben auch schon einmal dargelegt, in welcher Art und Weise. Wo das dann perspektivisch hinführen kann, wird sich zeigen.

Frage

Herr Kall, zu den Protesten: Die Art und Weise, auf die die Bauern protestieren, war hier schon einmal Thema. Jetzt kann es sein, dass heute vielleicht der Abschluss erreicht sein wird, aber es kann auch sein, dass die Proteste weitergehen. Deswegen hätte ich ganz gerne gewusst, ob man bei Ihnen noch einmal geprüft hat, wie das eigentlich mit diesen Straßenblockaden ist, also dass an Autobahnzufahrten plötzlich einzelne Bauern die hoheitliche Entscheidung treffen, wer jetzt noch eine Autobahn befahren darf und wer nicht. Gibt es bei Ihnen weitere Überlegungen, dass man das vielleicht ab dem heutigen Tag etwas anders handhabt, als das einzelnen Bauern zu überlassen?

Kall (BMI)

Es ist ja nicht so, dass wir das Bauern überlassen hätten. Die Frage ist nicht ganz so einfach zu beantworten. Das berührt das Versammlungsrecht, und das Versammlungsrecht ist ja seit der Föderalismusreform Ländersache. Ungefähr die Hälfte der Bundesländer hat seitdem eigene Versammlungsgesetze erlassen. Die anderen greifen noch auf das Versammlungsgesetz des Bundes zurück, das der Bund aber nicht mehr ändern darf, das also quasi eingefroren ist. Dann ist es Sache der Versammlungsbehörden und gegebenenfalls der Gerichte, darüber zu entscheiden, welche Auflagen bis hin zu Verboten und welche versammlungsrechtlichen Einschränkungen möglich sind.

Jetzt haben einzelne Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen angefangen, in ihre Versammlungsgesetze hineinzuschreiben, dass auf Autobahnen keine Versammlungen stattfinden dürfen. Das ist aber, glaube ich, in NRW auch noch etwas, womit sich das dortige Verfassungsgericht beschäftigt. Das ist also, wie gesagt, eine Frage, die letztlich gegebenenfalls die Länder im Versammlungsrecht beantworten müssten und dort auch noch die Gerichte beschäftigt.

Dass sich niemand eine hoheitliche Entscheidung anmaßen darf, habe ich ja hier letzten Montag auch deutlich gesagt, als es um diese sogenannten Passierscheine an einzelnen Orten ging. Natürlich kann sich niemand über Recht und Gesetz hinwegsetzen und seine eigenen Regeln auf der Straße setzen; das ist klar.

Zusatzfrage

Darf ich noch einmal nachfragen, gerade weil Sie das gesagt haben? Die Praxis in der vergangenen Woche war ja eine ganz andere. Deswegen habe ich die Frage, ob auch die Bundesregierung das vielleicht mit Sorge sieht oder sich mit den Ländern zusammensetzt, um die Praxis dessen, was Sie eigentlich als nicht rechtlich zulässig beschrieben haben, ab jetzt zu beenden.

Kall (BMI)

Die Praxis zu beenden, ist ja dann eine Frage dessen, wie der Staat durch die Landespolizeien als die dort für die Gefahrenabwehr Zuständigen eingreift. Auch da sind ja zum Teil strafrechtliche Ermittlungen und Ähnliches eingeleitet worden. Das müssen Sie dann auch die Polizeien und gegebenenfalls die Staatsanwaltschaften der Länder fragen. Natürlich muss es dort Konsequenzen geben, und es gibt sie im Einzelfall auch. Das ist ja dann erst einmal rechtlich beantwortet.

Die andere Frage, mit der wir uns ja intensiv beschäftigt haben, ist die Frage, ob es Instrumentalisierung durch Rechtsextremisten gibt, durch demokratiefeindliche Gruppen, durch Gruppen, die den Staat angreifen bzw. delegitimieren wollen. Da müssen wir sagen: Ja, diese Instrumentalisierungsversuche und -absichten gab es und gibt es. Aber die dringend nicht durch, jedenfalls nicht in der Fläche. Extremisten gewinnen keinen prägenden Einfluss auf dieses Demonstrationsgeschehen, und es ist ja auch eine gute Nachricht, dass Abgrenzung und Distanzierung da so funktionieren, dass es eben nicht gelingt, solche Proteste zu kapern und zu instrumentalisieren.

Frage

Herr Kall, auf dem Weg hierher ‑ das ist jetzt persönliche Inaugenscheinnahme ‑ konnte ich feststellen, dass der öffentliche Personennahverkehr durch die Proteste teilweise schlicht und einfach stillgelegt wurde. Busse und Bahnen bzw. zumindest Busse fahren nicht mehr wegen der Proteste und dadurch, dass über viele Straßenkilometer hinweg große landwirtschaftliche Maschinen einfach auf Straßen abgestellt wurden. Die Fahrer hatten sich entfernt. Ist das rechtlich zulässig?

Kall (BMI)

Dazu, was rechtlich zulässig ist: Der Schutz des Versammlungsrechts, von Artikel 8 des Grundgesetzes, reicht ja sehr weit, auch aus guten Gründen. Es gehört zur Demokratie dazu, zu protestieren. Das heißt auch, dass Menschen Einschränkungen hinnehmen müssen, die durch Proteste entstehen. Wie lange das aber gilt, ist wirklich Sache von Versammlungsbehörden und ist dann von Verwaltungsgerichten zu entscheiden und lässt sich nicht pauschal sagen.

Zusatzfrage

Der Sachverhalt ist ja, dass offenbar über längere Zeiträume und größere Entfernungen hinweg dann tatsächlich Trecker und Lkws ohne Fahrer einfach die Straßen unpassierbar machten. Bedeutet das, dass in Zukunft auch andere Demonstranten ihre Fahrzeuge einfach unsanktioniert auf den Straßen abstellen und sich dann zu einer Kundgebung begeben können? Da werden ja Präzedenzfälle geschaffen. Darauf zielte die Frage ab.

Kall (BMI)

Ja, aber dazu kann ich nur noch einmal sagen, dass das Versammlungsrecht durch sehr viel Rechtsprechung und durch Entscheidungen geprägt ist, die in den Kommunen und den Ländern getroffen werden. Dazu, wie das hier bewertet wird, müssten Sie sich dann an den Berliner Senat wenden.

Frage

Ich habe noch einmal eine Frage an das Verkehrsministerium. Im Zuge der Haushaltssanierung sollen jetzt noch einmal 300 Millionen Euro gekürzt werden, was den Schienenverkehr betrifft. Aus der Schienenbranche, wenn ich es so sagen darf, kommt jetzt die Sorge, dass damit das 25-Prozent-Ziel im Schienenverkehr nicht mehr erreichbar ist. Können Sie sagen, wie Sie das einschätzen und ob Sie Auswirkungen auf die Klimaziele befürchten?

Alexandrin (BMDV)

Vielen Dank für die Frage. Ich möchte einmal ganz kurz vorher etwas zum Entfernen von Fahrzeugen anschließen: Es gilt natürlich trotzdem weiterhin der Appell, dass hier insbesondere die Sicherheitskräfte durchkommen müssen, und dafür muss man auch in der Lage sein, das Fahrzeug entsprechend wegzubewegen.

Zu Ihnen: Die Zahlen, die Sie ansprechen, beziehen sich auf den Güterverkehr. Es gibt das im Koalitionsvertrag vereinbartes Ziel, dass diese Bundesregierung einen Güterverkehrsanteil auf der Schiene von 25 Prozent erreichen möchte. Derzeit liegen wir bei etwa 20 Prozent. Dafür gibt es eine große Förderkulisse, mit der wir das erreichen möchten, eben dadurch, klar zu intensivieren, dass Güter auf die Schiene verlagert werden. Die Kürzungen, die Sie ansprechen, kann ich im Finalen nicht kommentieren, weil, wie Sie wissen, wir uns noch in den Haushaltsverhandlungen befinden. Die sind nicht abgeschlossen. Deswegen gibt es hier keine finale Bewertung.

Aber ganz klar sei gesagt, dass in unserem Haushaltsentwurf ein sehr spezifisches Programm für den Einzelwagenverkehr enthalten ist, der aus unserer Sicht im Prinzip den größten Hebel darstellt, weil die große Problematik beim Schienengüterverkehr eben nicht ist, dass wir so viele Werke haben, die einen großen, langen Zug buchen, der dann von A nach B fährt, sondern wir in Deutschland eine Gewerbestruktur haben, die eben in großen Teilen aus Mittelständlern besteht, sodass immer wieder einzelne Waggons hinzugebucht werden müssen. Die große Problematik im Management dieses Einzelwagenverkehrs ist, dass man in einem Werk einen Waggon abholt, den man ankoppeln muss und der an einem ganz bestimmten Endpunkt wieder herauskommen muss. Das ist auf der Schiene nicht ganz so leicht abzuwickeln. Hier braucht es vielmehr sehr große Investitionen in Digitalisierung, Automatisierung und letztendlich auch in die Förderung der Abläufe. Genau diese Abläufe wollen wir weiterhin mit einem neu aufgelegten Förderprogramm fördern, eben für diesen Einzelwagenverkehr, der so ein bisschen das Rückgrat des deutschen Schienengüterverkehrs ist. Profitieren würden davon übrigens letztendlich auch zu einem großen Teil die Wettbewerbsbahnen.

Wagner (AA)

(zur Präsidentschaftswahl in Taiwan) Der Herr ist zwar mittlerweile gegangen, aber ich liefere gerne etwas nach. Dank an die Kolleginnen und Kollegen, die im Amt zuschauen! – Es ist so, dass das chinesische Außenministerium auf unsere Vertretung in Peking zugegangen ist und noch einmal die chinesische Haltung mitgeteilt hat. Wir haben das natürlich zum Anlass genommen, auch unsere Haltung noch einmal darzulegen, wie ich sie hier eben ja schon ausgeführt habe.

Frage

Ich wollte noch einmal zum Völkermordverfahren in Den Haag kommen. Herr Hebestreit, ich fand es bemerkenswert. Sie hatten ja am Freitag getwittert. Zum Ende des südafrikanischen Vortrags hat die Bundesregierung pauschal deren Vorwurf gegenüber Israel zurückgewiesen, weil der jeder Grundlage entbehre, als ob die südafrikanischen Juristen den ganzen Tag vorher nur Blödsinn geredet hätten und man gar kein IGH-Urteil abzuwarten bräuchte. Können Sie einmal erläutern, warum man die internationale Justiz nun missachtet und juristische Argumente ohne Prüfung zurückweist, obwohl die Bundesregierung sonst ja immer der große Unterstützer von internationaler Justiz ist? Warum hat sich die Bundesregierung diese Blöße gegeben?

StS Hebestreit

Ihre Interpretation ist Ihre. Die teile ich komplett nicht. Aber richtig ist, dass wir natürlich weiterhin zum Internationalen Gerichtshof stehen, und dieser Gerichtshof sieht dezidiert vor, dass man auch als Drittpartei an einem solchen Verfahren im Hauptverfahren teilnehmen kann. Von diesem Recht macht die Bundesregierung Gebrauch. Das hat sie angekündigt. Das habe ich in dem Tweet bzw. in der Stellungnahme am Freitag dargelegt. Wir sehen uns aufgrund unserer Vergangenheit, aufgrund des Holocaustes, besonders verpflichtet, bei diesem Thema sehr genau hinzuschauen, und wir sind nicht überzeugt, dass die Argumente, die dargelegt worden sind, diesen Vorwurf rechtfertigen. Deswegen haben wir gesagt, wir stellen uns an die Seite Israels in diesem Verfahren als Drittpartei und werden uns auch äußern. Klar ist aber, dass es ein Verfahren ist, das vor dem Internationalen Gerichtshof läuft und dort behandelt wird, und genauso, wie es Kläger gibt und Leute den Nachweis führen wollen, stehen wir an der Seite Israels und verteidigen es.

Zusatz

Ich habe mich gefragt, warum man Verfahren internationaler Justizsysteme offenbar missachtet und das schon vorher ohne jegliche Prüfung zurückweist.

Ich habe aber eine Frage, weil Sie auf ‑ ‑ ‑

StS Hebestreit

Aber das ist keine Missachtung dieses Verfahrens, Herr Jung, sondern es ist dezidiert im Verfahren vorgesehen, dass sich andere Länder auch als Drittparteien an die Seite stellen können, und von diesem Recht macht die Bundesregierung, macht die Bundesrepublik Gebrauch. Dann wird das dort vor Gericht verhandelt, und diese Verhandlung gilt es, abzuwarten.

Wagner (AA)

Ich kann vielleicht aus Sicht des Auswärtigen Amtes etwas ergänzen. Wie der Regierungssprecher ja auch schon gesagt hat, haben wir hohen Respekt und achten den Internationalen Gerichtshof. Die Kolleginnen und Kollegen in unserer Vertretung in Den Haag verfolgen dieses Verfahren ja auch und waren an beiden Verfahrenstagen als Beobachter zugegen.

Vielleicht noch einmal in der Sache: Es geht ja hierbei sozusagen um unsere Haltung in der Frage, zu der wir uns ja hier auch schon einmal eingelassen haben. Es gibt halt nach der Völkermordkonvention Voraussetzungen dafür, was man als einen Völkermord ansieht. Da setzt der Tatbestand des Völkermords die Absicht voraus, Angehörige einer nationalen ethnischen, rassischen und religiösen Gruppe wegen ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gruppe ganz oder teilweise zu vernichten, und wir können beim besten Willen im israelischen Vorgehen diese Absicht nicht erkennen. Insofern positionieren wir uns so, wie wir uns positionieren.

Zusatzfrage

Das wird ja jetzt entschieden. Ich hatte ja darauf hingewiesen, dass es international so interpretiert wird, als ob die Bundesregierung sagt: Die Südafrikaner haben den ganzen Tag nur Blödsinn geredet.

Ich wollte aber zur namibischen Reaktion kommen, weil am selben Tag die Bundesregierung nichts zum 120. Jahrestag des Beginns des deutschen Völkermordes an den Herero und Nama auf dem Gebiet des heutigen Namibias gesagt hat. Das wundert mich, gerade weil Herr Hebestreit ja an die Völkermordgeschichte Deutschlands erinnert hatte. Warum haben Sie das nicht getan, und wie haben Sie die Kritik des namibischen Präsidenten aufgefasst, der ja ein vernichtendes Urteil über diese Haltung am Freitag geäußert hat, der seine tiefe Sorge über die deutsche Erklärung geäußert hat?

Wagner (AA)

Ich glaube, man muss hier zwei Dinge voneinander trennen, zum einen unsere Beziehung zu Namibia. Wir haben natürlich die Äußerungen des namibischen Staatspräsidenten zur Kenntnis genommen. Wir als Bundesregierung benennen im Übrigen die Verbrechen an den Herero, Nama, Damara und San als das, was sie sind. Sie waren ein Völkermord. Gerade deshalb sind wir ja der Aufarbeitung dieser Verbrechen und der historischen Verantwortung, zu einer deutsch-namibischen Aussöhnung zu kommen, so verpflichtet. Sie wissen ‑ das kann ich gerne noch einmal ausführen ‑, dass Deutschland und Namibia 2015 einen deutsch-namibischen Versöhnungsdialog eingeleitet haben und eine gemeinsame Erklärung entwickelt und ausgehandelt haben, die vor zwei oder mittlerweile drei Jahren ‑ im Mai 2021 ‑ paraphiert worden ist. Die Verhandlungen zu dieser gemeinsamen Erklärung dauern noch an. Das ist ein intensiver Prozess. Wir arbeiten im Übrigen mit Namibia sehr eng zusammen, zum Beispiel auch, wenn es darum geht, den Zukunftsgipfel der UN in New York vorzubereiten, bei dem wir ja beide Co-Initiatoren sind. Ich glaube also, das muss man davon getrennt sehen.

Andererseits ist die Frage, die wir eben schon erörtert haben, eben die Frage, ob Israel nach der Völkermordkonvention in Gaza einen Genozid begeht. Dazu haben wir eine dezidierte Ansicht, die wir hier ja jetzt auch noch einmal dargelegt haben und die wir zuvor schon dargelegt haben. Wir weisen die historische Gleichsetzung der Shoa und des Holocausts mit dem Vorgehen in Gaza zurück.

Frage

Nun ist es aber so, dass mehr als drei Stunden lang erfahrene und hochkarätige Juristen und Juristinnen in Den Haag diese Anklage gegen Israel vorgetragen haben. Sie sagen selbst, dass Deutschland dezidiert sagt, dass das quasi Quatsch ist oder dass das jeglicher Grundlage entbehrt. Das muss doch Den Haag erst entscheiden! Was passiert, wenn Den Haag gegen Israel entscheidet? Sagt Deutschland dann weiterhin, dass entbehre jeder Grundlage, oder gibt es dann das Eingeständnis?

Wagner (AA)

Sie legen uns, wenn ich das einmal zurückweisen darf, Worte in den Mund, die wir nicht benutzen. Auch auf israelischer Seite gehen ja Juristen zu Werke, und Israel hat, glaube ich, dann am Freitag seine Position dort vertreten. In der Tat ist es so, dass das Gericht das jetzt prüft und sich das anschaut, und das beobachten wir natürlich. Es ist mitnichten so, dass wir behaupten, irgendetwas sei Quatsch. Wir haben eine Haltung zu der Frage, die ich ja eben hier dargelegt habe.

StS Hebestreit

Das ist eine juristische Auseinandersetzung ‑ es ist üblich, dass man juristisch streitet und dass man unterschiedliche Positionen darlegt. In diesem Streit zwischen der israelischen Seite und den Anklägern aus Südafrika werden verschiedene Länder ihre Position beziehen ‑ die Position von Namibia haben Sie gerade gehört ‑, und Deutschland tut das auch. Dann muss dieser juristische Streit miteinander ausgetragen werden. Das geschieht in Den Haag vor dem Internationalen Gerichtshof, und dieser Gerichtshof wird am Ende ‑ am Ende dieses Streites, am Ende der Gewichtung aller Argumente ‑ zu einem Urteil kommen.

Zusatzfrage

Ich wiederhole meine Frage: Was passiert, wenn Den Haag gegen Israel entscheidet? Wie wird sich die Bundesregierung dazu dann positionieren?

Wagner (AA)

Ich glaube, wir spekulieren hier nicht. Der IGH wird nun schnellstmöglich den Antrag Südafrikas auf Erlass vorläufiger Maßnahmen entscheiden. Es ist jetzt schwer abzusehen und, glaube ich, auch nicht unsere Aufgabe, hier darüber zu spekulieren, wie der IGH entscheidet. Dann wird es ja auch ein Hauptsacheverfahren geben, und die Bundesregierung hat ja schon angekündigt ‑ das hat der Regierungssprecher eben noch einmal betont ‑, dass wir unsere Rechtsauffassung zur Auslegung der Völkermordkonvention auch in dem Hauptsacheverfahren noch einmal dort zu Protokoll geben werden, denn wir sind eben auch Partei bzw. Unterzeichner der Völkermordkonvention, und darin ist vorgesehen, dass man das kann.

Frage

Ich habe zwei Fragen an das BMI. Es geht um die russischen Deserteure bzw. Kriegsdienstverweigerer. Die Bundesregierung hat sich ja dazu bekannt, ihnen erleichterten Schutz zu gewähren. Bislang ist aber nur ein sehr geringer Anteil ‑ 2,6 Prozent, glaube ich ‑ der 3 500 Asylanträge positiv beschieden worden. Warum ist das so?

Zweite Frage: Warum wird eigentlich nur denen, die aus dem Krieg heraus desertieren, Schutz gewährt, und nicht Menschen, die bereits einen Einberufungsbefehl bekommen haben, ähnlich wie das bei den Syrern der Fall ist?

Kall (BMI)

Die Asylgewährung ist am Ende immer eine Einzelfallentscheidung, man muss sich also immer die Umstände im Einzelfall und die Verfolgungsgründe anschauen. Das macht es dann wiederum schwierig, das statistisch zu erfassen; deswegen werden Schutzgründe auch nicht statistisch erfasst. Insofern ist, glaube ich, die Zahl, die Sie genannt haben, so auch nicht belastbar, denn wir wissen gar nicht, wie viele der russischen Staatsangehörigen, die einen Asylantrag stellen, Deserteure oder Kriegsdienstverweigerer sind. Meines Wissens lässt sich das jedenfalls nicht genau aus den BAMF-Statistiken herauslesen.

Richtig ist, dass das BAMF, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, gesagt hat: Im Regelfall ist das ein Grund, internationalen Schutz zu gewähren. Das setzt voraus, dass diese russischen Staatsangehörigen auch in Deutschland sind oder nach Deutschland gekommen sind, sodass sie hier einen Asylantrag stellen können. Außerdem setzt das voraus, dass diese Personen sehr genau überprüft wurden ‑ auch darauf, ob sie schon im russischen Militär gedient haben und ob sie an irgendeiner Art von Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt waren. Das würde einen Schutz in Deutschland natürlich ausschließen.

Zusatzfrage

Die Zahl 2,6 Prozent stammt aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken.

Kall (BMI)

Okay, dann müsste ich das selber nochmal recherchieren, weil mir die Antwort hier jetzt nicht vorliegt. Aber wie gesagt, in den BAMF-Statistiken werden die Schutzgründe nicht erfasst.

Frage

Nun ist es so, dass die Beantragung von Schengen-Visa aus Russland heraus faktisch unmöglich ist; das funktioniert nur noch über wenige deutsche Botschaften bzw. Konsulate, und die anderen europäischen Länder sehen das genauso. Das heißt, faktisch gesehen haben russische Deserteure gar keine Chancen, nach Deutschland zu kommen. Ist es denn so, dass das politisch nicht gewollt ist?

Kall (BMI)

Aus dem, was Ihre Kollegin gerade in ihrer Frage gesagt hat, geht ja hervor, dass wir durchaus auch Asylanträge von Deserteuren in Deutschland haben. Wie wir damit umgehen, habe ich gerade gesagt. Es gibt also erkennbar schon Möglichkeiten. Was Botschaften und Auslandsvertretungen angeht, müsste der Kollege aus dem Auswärtigen Amt weiterhelfen. Ich habe ja die Einschränkung genannt, dass man Asyl dann nur in Deutschland beantragen kann.

Wagner (AA)

Ich habe dem nicht viel hinzuzufügen, aber weil Sie es angesprochen haben: Es ist tatsächlich so, dass wir bei der Präsenz in Russland anpassen mussten. Das hatte ja eine Ursache darin, dass die russische Seite uns da eine Obergrenze auferlegt hat. Insofern sind da Konsulate geschlossen worden. Aber wir sind natürlich weiterhin ansprechbar, und Visaanträge sind einreichbar.

Zusatzfrage

Würde man in den deutschen Auslandsvertretungen beispielsweise in Kasachstan, Armenien, Georgien oder anderen Staaten, über die die Ausreise für russische Staatsbürger ja leichter ist, Schengen-Visa an die eigentlich als russisch gemeldeten Staatsbürger austeilen?

Wagner (AA)

Das müsste ich nachreichen, weil ich das jetzt im Detail nicht drauf habe. Das machen wir aber gern.

Frage

Am Wochenende gab es Demonstrationen ohne Trecker vor allem gegen die AfD, an denen sich unter anderem der Kanzler und auch die Außenministerin in Potsdam beteiligt haben. In diesem Gesamtzusammenhang wurde am Wochenende auch diskutiert, statt eines kompletten Verbotsverfahrens AfD-Politikern wie beispielsweise Herrn Höcke gewisse Grundrechte zu verweigern. Artikel 18 des Grundgesetzes würde das möglich machen und dazu führen, dass er beispielsweise nicht gewählt werden könnte. Dazu gibt es unter anderem eine Petition, die mittlerweile 800 000 Menschen online unterschrieben haben. Die Bundesregierung wäre ein möglicher Antragsteller. Wie ist Ihre Positionierung in Gänze dazu? Herr Kall, hat das BMI eine Positionierung dazu?

Kall (BMI)

Da würde ich erst einmal dem für die Grundrechte zuständigen Haus den Vortrag den Vortritt lassen.

Hosemann (BMJ)

Dazu gibt es vonseiten des BMJ keine Positionierung.

Zusatzfrage

Gibt es eine Positionierung vom BMI oder von der Bundesregierung?

Kall (BMI)

Meines Wissens ist Artikel 18 noch nicht angewandt worden; das habe ich Interviews mit verschiedenen Staatsrechtlern aus den letzten Tagen entnommen.

Unsere Position insgesamt ‑ gerade auch was das angeht, was in der letzten Woche öffentlich bekannt wurde ‑ ist ja ganz eindeutig, und die Bundesinnenministerin hat sich auch ganz klar dazu geäußert, dass es hier um rechtsextremistische Netzwerke, um rechtsextremistische Ideologien geht und dass das auch keine Geschichtsvergessenheit ist, sondern eine bewusste Anlehnung an NS-Ideologien. Ich glaube, auch weil das sehr viele wach- und aufgerüttelt hat, waren gestern so viele Menschen auf der Straße.

Insgesamt ist unsere Position da also, glaube ich, sehr klar. In der wehrhaften Demokratie ist es erst einmal die Aufgabe des Verfassungsschutzes, das zu beobachten, das aufzuklären und, wenn das möglich ist, das auch entsprechend öffentlich einzustufen. Deshalb ist die AfD ein rechtsextremistischer Verdachtsfall, deswegen sind andere Organisationen aus der sogenannten „Neuen Rechten“ zum Teil auch als gesichert rechtsextremistisch eingestuft, wie zum Beispiel die Identitäre Bewegung in Deutschland oder das sogenannte Institut für Staatspolitik von Herrn Kubitschek. Das sind gesichert rechtsextremistische Bestrebungen. Das zeigt, dass der Verfassungsschutz diese beobachtet und sich genau mit denen beschäftigt. So muss es in einer wehrhaften Demokratie auch sein, also dass diese Instrumente genutzt werden, wenn es entsprechende Bestrebungen gibt.

Hosemann (BMJ)

Ich möchte in diesem Zusammenhang, auch wenn sich das nicht ausdrücklich auf Artikel 18 bezieht, noch an eine Äußerung des Bundesjustizministers gegenüber der „WELT am Sonntag“ am 6. Januar erinnern. Dort hat er ausgeführt:

„Unser demokratisches Gemeinwesen darf nie in die Hände von Rechtsextremen fallen. Um das sicherzustellen, müssen wir die AfD im demokratischen Wettbewerb schlagen.

Das war eine Äußerung, die ich in diesem Zusammenhang ausführen wollte.

Frage

An Herrn Hosemann und Herrn Hebestreit: Das heißt, dass der Justizminister und der Kanzler insgesamt gegen ein Parteienverbot der AfD wären, ist das richtig?

Hosemann (BMJ)

Ich werde die Äußerung nicht weiter interpretieren. Ich habe den Wortlaut dieser Äußerung jetzt wiedergegeben. Ganz ähnlich hat sich der Bundesjustizminister gestern auch gegenüber dem NDR geäußert. Das sind Äußerungen des Ministers, die in diesem Zusammenhang für sich stehen.

StS Hebestreit

Ich kann wiederholen, was ich in der vergangenen Woche, glaube ich, gesagt habe, nämlich dass mir solche Planungen oder Überlegungen innerhalb der Bundesregierung nicht bekannt sind.

Frage

Herr Kall, Herr Hosemann, in der Vergangenheit gab es insgesamt vier Verfahren nach Artikel 18, alle gegen einschlägig Rechtsextreme, alle vier negativ beschieden vom Bundesverfassungsgericht. Antragsberechtigt ist die Bundesregierung. Schließe ich aus ihren Äußerungen zu Recht, dass sie keinerlei entsprechende Vorbereitungen getroffen haben, um Artikel 18 in irgendeiner Form gegen irgendeinen der, ich sag einmal, in Rede Stehenden anzuwenden?

Hosemann (BMJ)

ich habe den Äußerungen nichts hinzuzufügen.

Kall (BMI)

Ich habe dem Gesagten auch nichts hinzuzufügen und korrigieren mich dann insoweit, dass Artikel 18 bisher nicht erfolgreich angewandt wurde.

Ich möchte außerdem noch einmal das unterstreichen, was ich gerade gesagt habe, also dass natürlich alle Instrumente des wehrhaften Rechtsstaats und der wehrhaften Demokratie eingesetzt werden, um Rechtsextremisten Einhalt zu gebieten.

Wagner (AA)

Ich habe noch eine Nachreichung zu der Frage nach den Visa. Es ist grundsätzlich natürlich so, dass Visa bei der Auslandsvertretung beantragt werden müssen, wo der Wohnort ist. Ich habe vorhin schon gesagt, dass es diesbezüglich in Russland im Moment Beschränkungen gibt. Insofern kann das im Einzelfall auch schwierig sein, aber dann findet man auch individuelle Lösungen.

Nur damit das klar ist ‑ Max Kall hat es auch schon gesagt ‑: Asylanträge können natürlich nur in Deutschland gestellt werden, nicht an Auslandsvertretungen.