Regierungspressekonferenz vom 10. Juli 2023

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Im Wortlaut Regierungspressekonferenz vom 10. Juli 2023

Themen: Ehegattensplitting, Kindergrundsicherung, mögliche Regressansprüche gegen den früheren Bundesminister Scheuer im Zusammenhang mit der Pkw-Maut, geplante US-Lieferung von Streumunition an die Ukraine, Neuzulassungen von Pkw, Vorschlag der Vorsitzenden der Wirtschaftsweisen in Bezug auf die Witwenrente, Ausschreitungen beim Eritrea-Festival in Gießen, Rückzug des niederländischen Ministerpräsidenten aus der Politik, Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Montag, 10. Juli 2023

Sprecher: SRS’in Hoffmann, Nimindé-Dundadengar (BMF), Schäfer (BMFSFJ), Pauly (BMDV), Bönnighausen (BMJ), Fischer (AA), Collatz (BMVg), Kall (BMI)

Vorsitzende Buschow eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS’in Hoffmann sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: Ich habe eine Frage an das Finanzministerium. Im Koalitionsvertrag ist zwischen den Ampel-Fraktionen vereinbart worden, an einer Familienbesteuerung zu arbeiten und in diesem Zuge auch das Ehegattensplitting entweder zu reformieren oder abzuschaffen beziehungsweise in neuen Besteuerungsformen aufgehen zu lassen. Gibt es dazu Modelle, Vorstellungen, Gespräche, die Sie kennen? Wenn ja: In welchem Status befinden sich diese Gespräche?

Nimindé-Dundadengar: Sie sprechen auf die aktuelle Berichterstattung an. Zur Besteuerung von Familien gibt es, wie Sie schon sagten, Ausführungen im Koalitionsvertrag. Diese Aspekte und Vorgaben werden umgesetzt beziehungsweise leiten das Handeln der Regierung und damit auch des Finanzministeriums. Aktuell wird unter anderem an einem anderen Auftrag des Koalitionsvertrags gearbeitet. Dies betrifft die Steuerklassen III und V. Zu weiteren Aspekten kann ich mich hier jetzt nicht äußern. Hierzu liegt mir kein neuer Stand vor.

Ansonsten kann ich aus gegebenem Anlass ergänzen, dass neben den Vorgaben im Koalitionsvertrag selbstverständlich auch die anderen Aspekte handlungsleitend sind. Das betrifft unter anderem die Tatsache, dass keine Steuererhöhungen vorgesehen sind.

Zusatzfrage: Wenn ich es etwas zuspitzen darf: Steht denn für die Wahlperiode noch auf der Agenda, die Familienbesteuerung im Zuge einer Auflösung des Ehegattensplittings einzuführen?

Nimindé-Dundadengar: Ich habe mich ja eben schon grundsätzlich zur Umsetzung der Vorgaben des Koalitionsvertrages geäußert. Was ich mitteilen kann, ist, dass eine Abschaffung des Ehegattensplitting-Verfahrens aus der Umsetzung des Beschlusses des Koalitionsvertrages nicht abgeleitet werden kann. - Ich sage das wegen der Formulierung, die Sie eben gewählt haben. - Hinsichtlich der übrigen Aspekte aus dem Koalitionsvertrag bleibe ich bei dem, was ich gesagt habe. Wir kommunizieren entsprechend, wenn ein neuer Stand vorliegt.

Frage: Ich habe eine artverwandte Frage. Sie betrifft die Kindergrundsicherung. Frau Paus war immer damit in die Öffentlichkeit gegangen, dass 12 Milliarden Euro nötig seien. In einem Interview hat sie jetzt quasi auf 2 bis 7 Milliarden abgerüstet. Ich frage das Finanzministerium: Wie wird dieser Schritt bewertet?

Nimindé-Dundadengar: Grundsätzlich bewerten wir von dieser Seite keine Äußerungen von Kabinettsmitgliedern. In diesem Kontext möchte ich - vielleicht abschließend - darauf verweisen, dass sich auch der Finanzminister, insbesondere bei der Vorstellung des Haushalts, dazu geäußert und in diesem Zusammenhang von einem Merkposten gesprochen hat. Mehr kann ich im Moment nicht dazu sagen.

Zusatzfrage: Wären denn im nächsten Jahr 7 Milliarden im Haushalt möglich?

Nimindé-Dundadengar: Der Bundeshaushalt war ja sehr lange - hier, in der Öffentlichkeit und auch innerhalb der Regierung - ein Thema. Der Kabinettsbeschluss, der Regierungsentwurf, liegt jetzt vor. Damit befindet sich der Haushalt im parlamentarischen Verfahren. Zu diesen Beratungen kann ich mich vonseiten der Regierung nicht äußern.

Frage: Vielleicht kann das Familienministerium erklären, wie man jetzt zu diesem Kompromiss mit sich selbst kommt, nachdem die Ministerin immer wieder und monatelang gesagt hat, dass 12 Milliarden das Mindeste vom Mindesten seien.

Schäfer: Die Ministerin hat diese neuen Zahlen in einem Interview genannt und dabei auch begründet, wie sie zu ihnen kommt. Die Worte stehen für sich. Ihnen habe ich an dieser Stelle nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage: Aber Sie sehen schon das Delta? Die Rede war von mindestens 12 Milliarden, und auf einmal geht jetzt viel weniger. Woran wird denn nach Ihrem eigenen Kompromiss noch gespart? Können Sie uns erklären, was immer noch und was nicht mehr enthalten wäre?

Schäfer: Die Ministerin hat deutlich gemacht, dass jetzt ein Gesetzentwurf erarbeitet wird. Je nachdem, wie dieser Gesetzentwurf ausgestaltet ist, wird auch klarer werden, welche Kosten dabei entstehen.

Frage: Meine Frage geht an das Verkehrsministerium. Ihr Haus hat Ende vergangener Woche mitgeteilt, dass man sich mit der Überlegung trage, den früheren Bundesminister Scheuer möglicherweise für einen Vermögensschaden, der als Auswirkung seiner Amtsführung zulasten der Bundesrepublik Deutschland entstanden sein könnte, in Regress zu nehmen, was die Entschädigung des Betreiberkonsortiums der Pkw-Maut angeht.

Vielleicht kann auch das BMJ dazu ausführen: Auf welcher Grundlage kann es eine solche Inhaftungnahme überhaupt geben? Ist das Ministergesetz oder ist das Bürgerliche Gesetzbuch dazu geeignet, das zu prüfen, und hat es dafür, dass Bundesminister für finanzielle Schäden in ihrer Amtszeit verantwortlich gemacht werden, schon einen Präzedenzfall gegeben?

Pauly: Die juristischen Fragen kann ich von dieser Stelle natürlich nicht bewerten. Es ist so, wie wir am Freitag gesagt haben: Aktuell laufen die Prüfungen. Wir schauen uns die Rechtslage sehr genau an und werden sorgfältig prüfen, in welcher Höhe Regressansprüche möglich sind. Das ist eine Sache, die dem Minister wichtig ist. Er hat sich am Wochenende dahingehend geäußert, dass die Steuerzahler allein nicht für diesen schweren politischen Fehler zahlen müssen.

Zusatzfrage: Sie prüfen also alle juristischen Wege? Können Sie sagen - das ist eine Lernfrage -, ob es in der bundesrepublikanischen Geschichte schon Fälle gab, in denen so etwas betrieben beziehungsweise erfolgreich betrieben worden ist?

Pauly: Ich kann nicht mehr sagen, als dass die Prüfungen dazu laufen. Alles andere müsste vielleicht auch von einer anderen Stelle bewertet werden.

Frage: Daran anknüpfend: Herr Scheuer hat ja nicht gewissermaßen auf eigene Rechnung gehandelt, sondern im Auftrag der CSU, für die die Pkw-Maut im Bundestagswahlkampf 2017 der „Knaller“ schlechthin gewesen ist. Werden denn auch mögliche Regressansprüche gegenüber der CSU geprüft?

Pauly: Ich kann mich an dieser Stelle nur wiederholen. Wir prüfen alle möglichen Schritte. Das sind sehr umfassende Prüfungen. Sie sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. Ich bitte Sie jetzt einfach um Geduld.

Frage: Erstens. Auf welcher gesetzlichen Grundlage wollen Sie denn hierbei Geld eintreiben?

Zweitens. Stünden uns, wenn das Schule machte, weitere Prüfungsverfahren ins Haus?

Pauly: Ich kann nachvollziehen, dass Sie ein großes Erkenntnisinteresse haben, möchte Sie aber trotzdem bitten, sich zu gedulden. Aktuell prüfen wir unter anderem natürlich auch die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage das geschehen könnte. Die Prüfungen laufen. Bis sie abgeschlossen sind, bitte ich Sie um Geduld.

Zusatzfrage: Es ist leicht gesagt, wir holen uns das Geld jetzt zurück, und es ist auch ein bisschen populistisch zu sagen, der Steuerzahler solle nicht allein dafür geradestehen. Aber sagen Sie doch einmal, auf welcher Grundlage diese Prüfung, die offensichtlich läuft, durchgezogen werden soll.

Pauly: Die Prüfungen laufen gerade, und solange sie nicht abgeschlossen sind, kann ich mich dazu nicht weiter äußern.

Frage: Vielleicht kann das BMJ aushelfen und sagen, auf welcher rechtlichen Basis dies Forderungen oder Regressprüfungen sind.

Bönnighausen: Ich glaube, über das, was ich im Studium gelernt habe, hinaus kann ich nicht viel dazu beitragen. Wenn es eine Prüfung des Einzelfalls ist, kann es durchaus sein, dass mehrere Rechtsgrundlagen in Betracht kommen. Das weiß ich nicht, ohne den konkreten Fall zu kennen, und das weiß das BMDV sicherlich besser als ich. Ich kenne nur den allgemeinen Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB in Verbindung mit dem Grundgesetz, weiß aber nicht, ob das hier so richtig passend ist.

Zusatzfrage: Herr Pauly, können Sie aushelfen? Dieser Prüfungsvorgang oder die Aussage darüber ist ja jetzt schon ein paar Tage alt. Ich hätte wirklich gedacht, dass uns das Justizministerium etwas dazu sagen kann.

Bönnighausen: Zum konkreten Fall kann ich mich im Moment nicht mehr sagen als das BMDV.

Zusatzfrag: Dazu habe ich auch nicht gefragt, sondern ich meinte: grundsätzlich.

Bönnighausen: Die allgemeine Rechtsgrundlage habe ich genannt. Mehr kann ich im Moment nicht sagen.

Frage: Mich interessiert, welche Fristen momentan zu beachten sind. Gibt es Verjährungsfristen, die Sie bereits identifiziert haben?

Pauly: Ich kann mich jetzt nur wiederholen. Wir sind in einem Prüfungsprozess. Details kann ich zum jetzigen Zeitpunkt von dieser Stelle nicht benennen.

Zusatzfrage: Es besteht die Gefahr, dass Sie, wenn Sie nicht versuchen, die Regressansprüche entsprechend durchzusetzen, Ihrerseits von einem Folgeministerium beziehungsweise einem nachfolgenden Minister für nicht in Regress genommene Tatbestände in Haftung genommen werden könnten. Wie beurteilt das BMDV das?

Pauly: Auch hierzu muss ich mich noch einmal wiederholen. Ich bitte Sie um Verständnis, dass wir zu den rechtlichen Konsequenzen dieses politischen Fehlers zum aktuellen Zeitpunkt noch nichts sagen können. Dazu laufen die Prüfungen. Sobald die Ergebnisse feststehen, werden wir Sie selbstverständlich informieren.

Frage: Ich habe eine Frage zu der geplanten US-Lieferung von Streumunition an die Ukraine. Herr Fischer, ich zitiere aus einer Antwort der Bundesregierung vom Mai dieses Jahres an die Bundestagsfraktion zum Oslo-Übereinkommen. Darin schreibt sie, nach Artikel 21 Abs. 2 des Oslo-Übereinkommens bemühe sich jeder Vertragsstaat nach besten Kräften, Staaten, die nicht Vertragsparteien dieses Übereinkommens seien, vom Einsatz von Streumunition abzubringen. Hat die Bundesregierung dies in Sachen USA und Ukraine bisher getan?

Fischer: Ich glaube, unser Engagement beim Oslo-Übereinkommen über Streumunition spricht für sich. Wir haben es mit initiiert. Mehr als 100 Staaten sind dabei gemeinsam engagiert. Allein die Tatsache, dass wir diese Staaten dafür gewinnen konnten, sich diesem Übereinkommen anzuschließen, zeigt, dass unser Einsatz bislang nicht vergeblich gewesen ist.

Zusatzfrage: Das beantwortet nicht meine Frage. Sie sind verpflichtet, Nicht-Vertragsstaaten und damit die USA, Russland und die Ukraine davon abzubringen und es auch zu verurteilen. Ich habe gefragt, ob Sie das bisher getan haben. Das haben Sie offenbar nicht.

Fischer: Sie können sicher sein, dass wir zu diesem Thema in den letzten Jahren immer wieder auch mit unseren Partnerinnen und Partnern gesprochen haben. Wir sind sicherlich auch immer wieder auf die von Ihnen Genannten zugegangen. Aber die Situation ist, wie sie jetzt ist.

Frage: Herr Fischer, es geht ja nicht um die letzten Jahre, sondern um die konkrete Entscheidung der letzten Tage. Hat die Bundesregierung in dieser Sache mit der amerikanischen Regierung gesprochen und versucht, sie davon abzubringen, Streubomben an die Ukraine zu liefern?

Fischer: Wir stehen - das wissen Sie - im ständigen Kontakt mit unseren amerikanischen Freundinnen und Freunden, auf allen Ebenen, durch das Auswärtige Amt, durch das Bundeskanzleramt, natürlich auch durch unsere Botschaft vor Ort. Für uns gilt, dass wir Vertragspartei des Oslo-Übereinkommens sind und dass es deshalb für uns völlig ausgeschlossen ist, Streumunition an andere Staaten zu liefern. Wir haben - das haben Sie am letzten Freitag gehört - auch alle Bestände an Streumunition vernichtet und haben keine weitere beschafft.

Zusatzfrage: Das war keine Antwort auf meine Frage.

Fischer: Nun ja, ich kann Ihnen - das wissen Sie - schlecht zu internen Gesprächen Auskunft geben. Das tun wir hier nie. Aber wir sind selbstverständlich zu allen Fragen, die die Ukraine betreffen, auch mit unseren Partnerinnen und Partnern im Kontakt.

Frage: Herr Fischer, Sie meinten, das Engagement der Bundesregierung in Sachen Oslo- Übereinkommen spreche für sich. Das Nichtstun jetzt aber auch?

Fischer: Ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen, dass wir nichts tun.

Zusatzfrage: Auf die Fragen von dem Kollegen und von mir konnten Sie uns bisher nicht sagen, dass die Bundesregierung die USA aktiv davon abbringt, Streumunition zu liefern, wozu Sie verpflichtet sind.

Fischer: Wir setzen uns weltweit für die Ächtung von Streumunition ein. Was wir zu diesem konkreten Fall zu sagen haben, haben die Außenministerin, der Regierungssprecher und, soweit ich weiß, auch der Bundesverteidigungsminister am Freitag zum Ausdruck gebracht. - Das ist es, was ich hinzufügen kann.

Zusatzfrage: Ist die Bundesregierung überrascht, dass der heutige Bundespräsident, der, als das Oslo-Übereinkommen ausverhandelt wurde, Außenminister der Bundesrepublik Deutschland war, jetzt sagt, dass man den Verbündeten und damit den USA in der aktuellen Situation bezüglich der Streumunition nicht in den Arm fallen solle? Herr Steinmeier hat das Abkommen damals gefeiert, er hat es mitverhandelt, er hat genau diese Punkte, über die wir gerade reden, hineinverhandelt, und jetzt, als Bundespräsident, scheint er sich davon zu distanzieren. Wie bewertet das die Bundesregierung?

SRS’in Hoffmann: Die Bundesregierung sieht die Äußerungen des Bundespräsidenten nicht im Widerspruch zu ihrer Haltung.

Um das Ganze noch etwas stärker einzuordnen: Die Ukraine setzt ja die Munition zur Verteidigung oder zur Rückeroberung ihres Territoriums und zum Schutz ihrer eigenen Zivilbevölkerung ein. Wir haben es hier mit einem Angriffskrieg Russlands zu tun, das schon seit sehr langer Zeit von sich aus Streumunition einsetzt. - Nur, dass man das bei der Einordnung immer mit bedenkt, bei allem, was wir an Verurteilung von Streumunition selbst tun.

Frage: Zur Nichtverbreitung dieser Waffen könnte man ja auch zählen, dass derartiges Material nicht über Deutschland weiterverschifft werden darf. Gibt es seitens der Bundesregierung etwas dazu zu sagen, ob es irgendwelche Absprachen mit den USA gibt, dass es zumindest nicht über deutsches Territorium befördert wird?

Fischer: Ich glaube, das ist eine hypothetische Frage. Mir wäre zum jetzigen Zeitpunkt kein Antrag bekannt. Aber natürlich gelten für uns auch in diesem Fall die Bestimmungen des Oslo-Übereinkommens, aber auch die internationale Gesetzgebung.

Frage: Herr Collatz, gegebenenfalls Herr Fischer, wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die Streumunition, wenn sie denn geliefert wird, nicht zusammen mit deutschen Waffen und deutscher Rüstung verwendet wird? Dazu sind Sie ja auch verpflichtet.

Collatz: Für den Verantwortungsbereich des Geschäftsbereichs sehe ich keinerlei Betroffenheit. Wir haben diese Waffen nicht, und deutsche Waffen werden diese auch nicht einsetzen.

Zusatzfrage: Aber ist es nicht möglich, dass die Munition, die jetzt geliefert wird, mit deutschen Waffen kombiniert wird?

Collatz: Es gibt keine deutschen Waffen in der Ukraine. Es gibt ukrainische Waffen deutschen Ursprungs. Das sehe ich als völlig andere Verhältnisse an.

Zusatzfrage: Deutsche Waffen sind Panzer. Die gibt es doch in der Ukraine.

Collatz: Das sind ukrainische Panzer. Wir haben sie der Ukraine gegeben, und die Ukraine ist in der Verantwortung.

Frage: Nur eine kleine Lernfrage, Herr Fischer oder Herr Collatz, zu dem Szenario, das der Kollege gerade erwähnt hat: Ist es denn nach der Vereinbarung verboten, Streumunition durch die Bundesrepublik zu leiten?

Fischer: Ich glaube, das müsste man im Einzelfall prüfen. Eine abschließende Antwort kann ich Ihnen dazu nicht geben. Aber für uns gilt jedenfalls das, was an nationaler Gesetzgebung vorliegt, und auch das Oslo-Übereinkommen. Aber es liegt ja auch kein Antrag vor.

Zusatzfrage: Aber wenn Sie von einem Antrag sprechen, deutet das ja darauf hin, dass es einen Antrag geben müsste, oder nicht?

Fischer: Das ist eine hypothetische Frage. Ich gehe davon aus, dass es einen Antrag geben müsste, aber wie sich dies in der Praxis gestalten müsste, kann ich Ihnen nicht abschließend beantworten.

Zusatzfrage: Können Sie das nachliefern?

Fischer: Wir können schauen, ob es dazu etwas gibt, was wir nachliefern. Aber ich glaube, Sie haben die Antwort auch so verstanden.

Frage: Meine Frage geht auch an die Herren Fischer und Collatz. Die russische Seite setzt offensichtlich Streubomben ein; die Amerikaner planen jetzt Ähnliches in der Ukraine. Wie groß sehen Sie die Gefahr, dass die Russen dies zum Anlass nehmen, noch weiter zu eskalieren, also noch ganz andere Waffen einzusetzen, wenn jetzt auf dieser Ebene in gewisser Weise ein Gleichstand geschaffen wird?

Fischer: Ich glaube, auch das ist eine spekulative Frage. Wir haben einen Angriffskrieg, den Russland vor rund 500 Tagen begonnen hat, der völkerrechtswidrig ist. Russland hat diesen Krieg begonnen, ohne provoziert worden zu sein. Wie Russland auf einzelne Veränderungen reagiert, müssen Sie letztlich die russische Regierung fragen. Für uns ist, wie gesagt, relevant, was das Oslo-Übereinkommen vorgibt, und das haben wir hier auch deutlich gemacht.

Zusatzfrage: Aber die russische Seite sitzt leider nicht hier. Ich habe Sie gefragt, wie Sie das politisch bewerten, ob es möglicherweise über den jetzigen Zustand hinaus zu einer Eskalation kommen wird.

Fischer: Wir haben diese Waffen nicht geliefert; wir werden sie auch nicht liefern. Sie haben mitbekommen, dass der Entscheidung in den USA ein langer Entscheidungsprozess vorausgegangen ist. Ich bin sicher, dass das Szenario, das Sie beschrieben haben, dabei mit eingeflossen ist. Ich will das von hier aus nicht bewerten.

Collatz: Ich kann das noch weniger kommentieren.

Frage: Eine kurze Lernfrage: Frau Hoffmann, Sie sprachen gerade vom russischen Einsatz der Streumunition. Seit wann ist der Bundesregierung dieser durch eigene Erkenntnisse bekannt?

Ich habe einmal nachgeschaut. Seit dem Ausbruch des Angriffskrieges der Russen hat die Bundesregierung nie selbst vom Einsatz russischer Streumunition gesprochen. Ich will dies gar nicht bestreiten, aber Sie haben uns nie gesagt, dass Sie das wissen. Sie hatten nur im Juni 2022 einmal auf Medienberichte reagiert und gesagt, dass Sie darüber hinaus nichts wüssten.

SRS’in Hoffmann: Das genaue Datum kann ich Ihnen jetzt nicht nennen. Wir müssten nachschauen.

Zusatzfrage: Können Sie es bitte nachreichen?

SRS’in Hoffmann: Ich müsste nachschauen.

Zusatz: Danke.

Frage: Ich habe eine Frage zu den Neuzulassungen von Pkw an das Verkehrsministerium. Es hat die Runde gemacht, dass im ersten Halbjahr 2023 mit 570 000 eine neue Rekordzahl an Geländewagen und SUVs auf die Straße gekommen ist. Das heißt, mehr als jeder dritte in Deutschland zugelassene Pkw ist ein SUV oder Geländewagen. Wie bewertet das Ministerium diese Zahl? Ist das angesichts der schwächelnden Neuzulassungen im Bereich der E-Autos eine gute Entwicklung?

Pauly: Um gleich den letzten Teil Ihrer Frage aufzugreifen: Die Entwicklung der Zulassungszahlen im Bereich der Elektromobilität ist eine sehr erfreuliche. Wir stehen aktuell bei mehr als einer Million rein elektrischer Fahrzeuge. Die Zahlen entwickeln sich sehr dynamisch und sehr positiv.

Zum ersten Teil der Frage: Es ist selbstverständlich die Entscheidung der Verbraucherinnen und Verbraucher, welche Fahrzeuge sie kaufen. Wir tun alles, um klimafreundliche Antriebe, klimafreundliche Lösungen auf die Straße zu bringen. Wir starten dafür - das haben wir bereits angekündigt - im Sommer beziehungsweise im Herbst zwei neue Förderprogramme, mit denen wir die Nutzung von Eigenstrom fördern, um zusätzliche Anreize zu setzen, auf Elektromobilität umzusteigen. Hierbei sind wir auf einem sehr guten Weg, und wir werden diesen Weg auch weiterhin konsequent beschreiten.

Zusatzfrage: Aber SUVs und Geländewagen sind eben keine umweltfreundlichen Autos und sind nicht zukunftsfähig. Macht Ihnen diese Entwicklung nicht Sorgen? Eigentlich müsste es doch, wenn ich die Bundesregierung richtig verstanden habe, Ihr Ziel sein, dass mittlerweile mehr E-Autos als Verbrenner neu zugelassen werden.

Pauly: Unser Ziel und unsere Aufgabe ist es, den Verkehr entsprechend der Klimaziele klimaneutral zu stellen. Das ist richtig, und daran arbeiten wir auch hart. Die Größe eines Fahrzeugs allein sagt aber notgedrungen noch nichts über die Klimawirkung aus. Es gibt auch klimafreundliche SUVs, eben Elektro-SUVs. Auch das sind Fahrzeuge, die es am Markt gibt. Letztlich ist es eine Entscheidung der Verbraucherinnen und Verbraucher.

Die Industrie macht aber in diesem Bereich gerade große Fortschritte. Es gibt neue Entwicklungen, wonach auch kleinere Fahrzeuge mit batterie-elektrischem Antrieb auf den Markt kommen, die zu günstigeren Preisen zu erstehen sind. Hierbei stehen wir in einer Entwicklung. Wir befinden uns mitten im Hochlauf der Elektromobilität. Unser Ziel ist es, sie weiter zu fördern, und unser Fernziel beziehungsweise die große Aufgabe ist es, wie gesagt, den Verkehrssektor als Ganzes klimaneutral zu stellen. Dazu stehen wir auch.

Frage: Herr Pauly, Sie sagten, die Bundesregierung tue alles, um klimafreundliche Mobilität auf die Straße zu bringen. Aber alles tun Sie nicht. Es gibt Länder, die ein Verbot von Verbrenner-Autos ab 2030 beschlossen haben. Die EU hat auf Betreiben Ihrer Regierung das Verbot noch einmal verwässert und plant ein Verbot ab 2035. Es gibt sicherlich noch Dinge, die Sie tun könnten, oder sehe ich das falsch?

Pauly: Wir stehen ganz grundsätzlich für eine Politik der Angebote und der Anreize. Es geht darum, Anreize für eine klimaneutrale und klimafreundliche Mobilität zu setzen. Es geht nicht um Verbote. Wir sind der Überzeugung, dass Verbote der falsche Weg sind.

Es geht darum, die Menschen auf dem Weg in Richtung Klimaneutralität mitzunehmen. Das ist ganz wichtig. Wir haben bei den Auseinandersetzungen, die es in den vergangenen Wochen und Monaten gab, gesehen, dass es ganz zentral ist, dass man die Menschen für gute Angebote, für klimafreundliche Angebote, für klimaneutrale Angebote begeistert.

Im Übrigen fördern wir nicht nur Elektromobilität auf der Straße. Wir setzen alles daran, die Klimaneutralität auch bei allen anderen Verkehrsträgern voranzubringen. Wir investieren kräftig in den Ausbau der Bahn. Wir investieren in die Digitalisierung der Bahn und versuchen, auch insoweit Angebotsverbesserungen zu erreichen. Wenn wir gute Angebote machen, dann - davon sind wir überzeugt - werden diese Angebote auch genutzt.

Zusatzfrage: Um diese guten Angebote zu machen, müssten Sie viel an Förderung lockermachen, beispielsweise für E-Auto Ladeboxen, Ladenetzwerke usw. usf. Bedeutet das im Sinne der liberalen Politik Ihres Hauses, verstärkt Subventionen zu nutzen statt der Option der Verbote von Verbrennern, die ja irgendwann kommen werden, aber hier erst fünf Jahre später als beispielsweise in Großbritannien?

Pauly: Selbstverständlich geht es darum, auch funktionierende Märkte aufzubauen. Klimafreundliche und neutrale Mobilität muss sich selbst tragen, muss aus sich heraus wachsen. Eine Förderung oder eine Subventionierung kann im Einzelfall in der Hochlaufphase, in der Anfangsphase möglich oder nötig sein. Mittelfristig geht es aber natürlich darum, dass sich diese Angebote auch selbst tragen.

Nehmen wir das Beispiel Elektromobilität in Bezug auf Pkw. Da wurde die Förderung zuletzt zurückgefahren. Das liegt auch nicht in der Verantwortung unseres Hauses. Wir haben aber natürlich einen Blick darauf. Es ist auch richtig, dass eine Förderung quasi nicht als Dauerinstitution erschaffen wird, weil das natürlich dann seitens der Hersteller eingepreist wird und letztendlich nichts erreicht wird, was im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher wäre.

Frage: Herr Pauly, eine Verständnisfrage: Wenn, was die bisherigen Neuzulassungen im Jahr 2023 angeht, 84 Prozent Verbrennerautos, davon 40 Prozent diese sogenannten Stadtpanzer, und 16 Prozent E-Autos sind, dann ist das aus Sicht Ihres Ministeriums eine erfolgreiche, erfreuliche Entwicklung?

Pauly: Eine erfreuliche Entwicklung ist es, dass sich die Zulassungszahlen für Elektroautos sehr positiv, sehr dynamisch entwickeln. Sie gehen seit dem dritten Quartal 2022 nach oben. Das hat verschiedene Gründe. Das hat unter anderem damit zu tun, dass sich auch die Angebotsseite verbessert hat. Elektroautos sind breiter verfügbar. Es gibt immer neue Modelle, die auf den Markt kommen. Für die Verbraucherinnen und Verbraucher wird das attraktiver. Wenn es diese Fahrzeuge nicht gibt, kann man sie auch nicht nutzen. Das ändert sich jetzt gerade. Insofern ist das eine positive Entwicklung.

Zusatzfrage: Ist es eine positive Entwicklung, dass die Zahl der Neuzulassungen dieser sogenannten Stadtpanzer - SUVs und Geländewagen - steigt?

Pauly: Ich möchte das von dieser Stelle jetzt nicht bewerten. Wir tun alles dafür, dass klimafreundliche und klimaneutrale Mobilität vorankommt. Ein wichtiger Baustein ist die Förderung der Elektromobilität. Es gibt auch größere Fahrzeuge, die man klimaneutral betreiben kann, wenn es den richtigen Energiemix gibt, der dahinter liegt, und sie mit einem E-Antrieb betrieben werden. Die Größe des Fahrzeugs allein sagt noch nichts über die Klimafreundlichkeit aus.

Frage: Frau Hoffmann, es gab am Wochenende einen Vorschlag der Vorsitzenden der Wirtschaftsweisen, Frau Schnitzer, die Witwenrente abzuschaffen. Gibt es dazu schon eine Positionierung im Kanzleramt? Mein Gefühl sagt, der Kanzler würde das nicht so gut finden.

SRS’in Hoffmann: Ihr Gefühl ist gar nicht so falsch, kann ich dazu sagen. Frau Schnitzer hat selbst gesagt, dass es sich dabei um einen Vorschlag auf Grundlage persönlicher Überlegungen und nicht um ein Votum des Sachverständigenrates handelt. Für die Bundesregierung kann ich sagen, dass es keine derartigen Pläne gibt und die Bundesregierung das ablehnt. Der Koalitionsvertrag sieht das nicht vor. Also: Die Hinterbliebenenrente ist sicher, wenn man so will.

Frage: Herr Fischer, es hat am Wochenende in Gießen ein eritreisches Kulturfestival gegeben, bei dem es, wie im vergangenen Jahr, zu erheblichen Ausschreitungen gekommen ist. Der hessische Innenminister Beuth hat gefordert, das Auswärtige Amt solle den Botschafter Eritreas dazu einbestellen. Ist daran gedacht beziehungsweise wird das gemacht?

Fischer: Lassen Sie mich zunächst einmal deutlich machen, dass wir, genau wie die Bundesinnenministerin das am Wochenende für die Bundesregierung getan hat, die Auseinandersetzungen, die es in Gießen gab, verurteilen. Es ist äußerst bedauerlich, dass es dort zu Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten gekommen ist. Wir danken den Einsatzkräften natürlich für ihre Umsicht beim Einsatz und wünschen den Verletzten rasche Genesung.

Seit dem letzten Jahr steht das Auswärtige Amt in einem regelmäßigen Austausch mit der Stadt und der Polizei Gießen. Das haben wir auch im Vorfeld dieses Festivals so gemacht. Auch mit dem eritreischen Geschäftsträger, der das Land Eritrea hier vertritt, haben meine Kolleginnen und Kollegen im Auswärtigen Amt aus diesem Anlass gesprochen, zuletzt am letzten Mittwoch. Dabei haben wir auch deutlich gemacht, dass innereritreische Konflikte nicht auf deutschem Boden ausgetragen werden dürfen.

Wie Sie wissen, verfügen Deutschland und Eritrea nicht über vollwertige diplomatische Beziehungen. Das Land hat seit neun Jahren keinen Botschafter mehr hier. Deshalb haben wir mit dem Geschäftsträger gesprochen. Wir sind aber natürlich mit der eritreischen Seite unter den sozusagen unter diesen Bedingungen geltenden Möglichkeiten im Kontakt und haben dieses Thema, genau wie andere Themen – zum Beispiel die Menschenrechtslage vor Ort oder die Situation von aus Eritrea nach Deutschland geflüchteten Menschen –, immer wieder angesprochen.

Zusatzfrage: Werden Sie, nachdem es am Wochenende wieder diese Ausschreitungen gegeben hat, nochmals das Gespräch mit dem eritreischen Geschäftsträger suchen?

Fischer: Ich haben Ihnen ja gesagt, dass wir erst vor sehr kurzer Zeit mit dem eritreischen Geschäftsträger gesprochen haben, auch über mögliche Gewalt von Gegnern des Regimes in Asmara aus Anlass des Festivals. Wir haben hier unsere Position sehr deutlich gemacht. Insofern gibt es auch auf eritreischer Seite an unserer Position nichts misszuverstehen.

Kall: Herr Steinkohl, es wurde ja schon darauf hingewiesen: Die Bundesinnenministerin hat die Ausschreitungen am Wochenende in Gießen sehr scharf verurteilt. Das hat Herr Fischer gerade eben auch noch einmal getan. Ich will das unterstreichen. Es sind 26 Polizeibeamte und -beamtinnen verletzt worden, denen wir natürlich von hier aus im Namen der Bundesinnenministerin noch einmal alles Gute und eine rasche Genesung wünschen. Die Polizei hat mit etwa 150 Kräften der Bundespolizei, die im Laufe des Wochenendes verstärkt worden sind, sehr konsequent eingegriffen. Es hat etwa 150 Ingewahrsamnahmen, also kurzzeitige Festnahmen, gegeben, 125 Strafverfahren sind eingeleitet worden. Das heißt, es war ein massiver Polizeieinsatz zum Schutz vor weiterer Gewalt und weiteren Ausschreitungen. Dafür möchten wir nochmals den Einsatzkräften sehr herzlich danken und, wie gesagt, den Verletzten alles Gute wünschen. Genauso, wie wir die Ausschreitungen verurteilt haben, verurteilen wir natürlich auch das, was jetzt an massivem Rassismus in der Debatte in der Folge dieser Ausschreitungen zu sehen ist.

Frage: Herr Fischer, Sie haben gerade so interessant beschrieben, dass man mit dem Geschäftsträger gesprochen und darauf hingewirkt habe, irgendetwas zu tun, zu lassen oder wie auch immer. Vielleicht können Sie das noch einmal erläutern. Was genau war das, was man vom Geschäftsträger Eritreas hier gewünscht hatte?

Fischer: Ich glaube, ich habe deutlich gemacht, dass wir mit ihm gesprochen haben, auch über das Festival und darüber, dass es dort bereits letztes Jahr im Umfeld zu Gewalt gekommen ist und was man tun kann, dass das Festival dieses Jahr friedlich abläuft. Wir haben sehr deutlich gemacht, dass innereritreische Konflikte nicht auf deutschem Boden ausgetragen werden dürfen. Wie ich vorhin schon sagte: Der eritreischen Seite ist unsere Position zu dem Festival voll und ganz bekannt.

Zusatzfrage: Das heißt, Sie haben nicht versucht, darauf hinzuwirken, dass das Festival nicht stattfindet, oder haben Sie versucht, darauf hinzuwirken, dass die Oppositionsvertreter bei diesem Festival ebenfalls eine positive Rolle spielen? Wie muss ich mir das vorstellen?

Fischer: Es ist so, dass man für das Festival offensichtlich eine Genehmigung braucht. Wir haben gesagt, wir waren mit der Polizei und der Stadt Gießen im Kontakt, auch zu Fragen, die die Stadt Gießen umgetrieben haben. Das hat dann auch zu einem Antrag geführt, dass das Festival nicht stattfinden soll. Dieser ist dann gerichtlich aufgehoben worden.

Frage: Sie sagten, dem Antrag wurde nicht stattgegeben. Wird es denn jetzt einen neuen Anlauf geben, ein Festival 2024 zu unterbinden? Würden Sie das begrüßen?

Fischer: Wir werden jedenfalls mit den Verantwortlichen auf eritreischer Seite, aber auch, wie wir das im letzten Jahr getan haben, der Stadt Gießen und auch den Polizeikräften dort mit Rat und Tat zur Seite stehen. Ich glaube, dann muss man sich die Gefährdungseinschätzung für das nächste Jahr anschauen. Diese Dinge entwickeln sich ja. Ich denke, von dem Hintergrund würden wir dann unseren Rat abhängig machen. Aber letztlich ist es natürlich eine Entscheidung der Veranstaltungsträger, ob sie versuchen werden, erneut eine Veranstaltung durchzuführen.

Zusatzfrage: Sie sagten ja eben, Sie hätten schon versucht, 2023 diese Veranstaltung zu unterbinden. Nach den Vorkommnissen der vergangenen Tage wäre es ja naheliegend, dass Sie jetzt alles daransetzen, es im kommenden Jahr nicht wieder zu einer Neuauflage kommen zu lassen.

Fischer: Wie gesagt: Ich habe Ihnen ja unsere Position deutlich gemacht. Ich habe Ihnen gesagt, dass wir mit allen in Kontakt stehen und wir uns darum bemüht haben, dieses Festival in Bahnen zu leiten, die friedlich sind. Wir gehen davon aus, dass alle Beteiligten aus den Erfahrungen dieses Jahres, aber auch des letzten Jahres, lernen. Wir werden daraus die Schlüsse ziehen. Aber die Verantwortung dafür liegt natürlich einerseits bei den Veranstaltungsträgern, die ja auch nicht gleich der eritreischen Botschaft sind, andererseits bei den Stadtbehörden und Polizeikräften vor Ort.

Frage: Welche Kenntnisse haben Sie über die Finanzierung dieses Festivals seitens der eritreischen Diktatur?

Fischer: Zur Finanzierung des Festivals liegen mir keine Erkenntnisse vor.

Zusatzfrage: Grundsätzlich: Hält die Bundesregierung dieses Festival für eine Propagandaveranstaltung der eritreischen Diktatur?

Fischer: Ich glaube, das ist eine Frage, die ich von hier aus nicht beantworten kann. Letztlich ist es ja nicht die eritreische Regierung, die dieses Festival ausgerichtet hat, sondern die Organisation eritreischer Migranten, die wiederum regierungsnah sind. Insofern kann ich dazu keine abschließende Beurteilung geben.

Frage: Die Frage geht an Herrn Kall. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, wird nach Eritrea nicht abgeschoben - in Ausnahmefällen allerdings schon. Vielleicht können Sie einfach einmal die aktuelle Lage darstellen, wie das aussieht, ob jetzt Menschen möglicherweise, nachdem sie Straftaten in Deutschland begangen haben könnten, dorthin abgeschoben werden würden. Und natürlich noch direkt die Frage dazu, ob Herr Stamp im Moment mit Eritrea verhandelt.

Kall: Um damit anzufangen: Davon gehe ich nicht aus. Da müssten Sie aber Herrn Stamp fragen. Selbstverständlich kann man nur mit Ländern über Migrationsabkommen verhandeln, in denen auch menschenrechtliche und rechtsstaatliche Standards gewahrt sind und gewahrt werden. Ansonsten fehlt ja die Grundlage für solche Abkommen, die auf der einen Seite legale Migrationswege eröffnen und auf der anderen Seite irreguläre Migration begrenzen sollen. Wie gesagt: Dafür braucht man bestimmte Grundlagen.

Zu Eritrea habe ich zumindest Zahlen dabei. Die Schutzquote derjenigen Menschen aus Eritrea, die in Deutschland internationalen Schutz erhalten, ist tatsächlich sehr hoch. Im Jahr 2022 lag die Schutzquote bei 84 Prozent, bei insgesamt 4020 Asylanträgen von Menschen aus Eritrea, und von Januar bis Ende Juni 2023 gab es 2499 Asylanträge von eritreischen Flüchtlingen und Migranten. Da lag die Schutzquote sogar noch ein bisschen höher, bei 85,8 Prozent.

Fluchtgründe werden, wie Sie wissen, ja nicht in den Statistiken erfasst. Aber wir wissen dazu, dass Umstände wie der verpflichtende Militärdienst, Repressalien, die damit verbunden sind, aber auch Themen wie Genitalverstümmelung und andere Menschenrechtsverletzungen, den Menschen in Eritrea drohen und damit zu dieser doch sehr hohen Schutzquote führen.

Rückführungszahlen kann ich Ihnen jetzt nicht nennen; das müssten wir Ihnen nachreichen. Aber das hat natürlich immer sehr individuelle Umstände. Man muss sich sehr genau anschauen, ob dieser Person, die möglicherweise als Straftäter oder Gefährder zurückgeführt werden soll, dort individuell Verfolgung droht. Deswegen ist das immer sehr schwer pauschal zu beantworten.

Frage: Herr Fischer, hat denn bei dem Gespräch mit dem Geschäftsträger Eritreas in der vergangenen Woche dieser Geschäftsträger eine gewisse Einsicht gezeigt? Hat er Zusagen gemacht, dass sich die Ereignisse vom letzten Jahr nicht wiederholen werden?

Fischer: Sie wissen, dass wir zu internen Gesprächen keine Auskunft geben können. Aber das, was wir gesagt haben, nämlich dass es hier nicht zu innereritreischen Konflikten kommen soll, ist dort wohl gehört worden.

Frage: Frau Hoffmann, der niederländische Premier Mark Rutte hat ja angekündigt, nach den vorgezogenen Neuwahlen nicht wieder zu kandidieren. Er war viermal im Amt. Er ist ein enger Partner der Bundesregierung und mehrerer Bundesregierungen gewesen. Mich würde interessieren, wie Sie den Verlust dieses Partners bewerten.

SRS’in Hoffmann: Ja, ein enger Partner der Bundesregierung sind die Niederlande in der Tat, sowohl innerhalb der EU als auch in der Nato und bilateral. Ich konnte zuletzt beim Rat in Brüssel sehen, wie der Bundeskanzler sehr eng und sehr vertrauensvoll mit Herrn Rutte zusammenarbeitet. Trotzdem würde ich jetzt seine Entscheidung von dieser Stelle aus nicht kommentieren wollen.

Zusatzfrage: Herr Rutte ist ja noch relativ jung. Es gibt Spekulationen, dass er vielleicht für andere Verwendungen in der Nato oder der EU-Kommission bereitstehen könnte. Würde die Bundesregierung denn eine Kandidatur von Herrn Rutte für wichtige internationale Posten begrüßen?

SRS’in Hoffmann: Wie Sie schon sagen, dass sind Spekulationen, die wir natürlich auch zur Kenntnis nehmen, aber jetzt nicht kommentieren.

Frage: Ich würde gern von Herrn Fischer und Frau Hoffmann wissen, wie die Bundesregierung denn momentan zu einem möglichen EU-Beitritt der Türkei steht.

Fischer: Sie wissen, dass die Türkei ein Beitrittskandidat ist, aber dass im Rahmen der Beitrittsgespräche schon lange kein Beitrittskapitel mehr eröffnet worden ist.

Zusatzfrage: Frau Hoffmann, haben Sie etwas zu ergänzen?

Fischer: Ich ahne, warum Sie das gerade an dieser Stelle fragen. Die Meldung, auf die Sie sich beziehen, ist ja noch sehr jung, also erst wenige Minuten alt. Insofern würde ich das jetzt konkret nicht kommentieren wollen.

Ansonsten kann ich dem, was Herr Fischer einordnend gesagt hat, nur beipflichten.

Vorsitzende Buschow: Weitere Fragen dazu sehe ich nicht. Ich habe auch keine weiteren Fragesteller mehr gesehen. Wir haben aber eine Nachreichung aus dem Innenministerium. Herr Kall!

Kall: Ich habe noch eine Zahl zu Abschiebungen nach Eritrea, weil Sie danach fragten. Für das laufende Jahr bis Ende Mai gab es elf Abschiebungen von eritreischen Staatsbürgern, allerdings nur eine nach Eritrea, die anderen zehn in andere Staaten, also sehr wenige.

Frage: Was heißt „in andere Staaten“? Heißt das innerhalb Europas oder in Drittstaaten?

Kall: Ich vermute, dass das Dublin-Überstellungen sind. Aber das müsste ich noch einmal nachfragen. Ich wollte damit nur zum Ausdruck bringen, dass es tatsächlich sehr wenige Rückführungen nach Eritrea gibt.

Vorsitzende Buschow: Dann haben wir noch eine Nachlieferung aus dem Finanzministerium.

Nimindé-Dundadengar: Ich wollte noch kurz konkretisieren beziehungsweise klarstellen auf die Frage von dem Kollegen bezüglich der Begrifflichkeiten zur Kindergrundsicherung und den entsprechenden Haushaltsmitteln: Aktuell geht es um den Bundeshaushalt 2024. Für die Finanzplanung ab dem Jahr 2025 - dazu hat sich ja der Minister auch schon vielfach geäußert - ist ein sogenannter Merkposten in Höhe von jährlich 2 Milliarden Euro vorgesehen. Das wollte ich nur noch einmal klarstellen. Darüber hinausgehende Bedarfe - darüber ist ja auch schon teilweise berichtet worden - müssten natürlich substantiell beziffert werden, auch eine Gegenfinanzierung müsste vorgesehen werden.

Ganz grundsätzlich - aber das ist ja hier schon mehrfach Thema gewesen; der Regierungssprecher hat sich dazu ja auch schon geäußert - ist die Kindergrundsicherung ein wichtiges Projekt von mehreren im Koalitionsvertrag. Auch andere im Koalitionsvertrag vereinbarte Projekte müssen natürlich umgesetzt werden.

Das nur noch einmal zur Klarstellung. Die stellvertretende Regierungssprecherin hat ja gerade in einem anderen Kontext auch schon über diverse Meldungen gesprochen. Ich wollte dem nur entgegenwirken, dass meine Ausführungen vielleicht nicht richtig verstanden worden sind.

Vorsitzende Buschow: Danke dafür. Das Auswärtige Amt hat auch noch eine Nachlieferung.

Fischer: Genau. Ich habe noch eine Nachlieferung auf die Frage von dem Kollegen nach den rechtlichen Rahmenbedingungen für die Einfuhr oder Durchfuhr von Streumunition: Das würde sich in der Tat nach dem Oslo-Übereinkommen und dem nationalen Kriegswaffenkontrollgesetz richten.

Aber, wie gesagt, das ist alles hypothetisch. Ein wie auch immer gearteter Antrag liegt nicht vor.