Regierungspressekonferenz vom 1. November 2023

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Im Wortlaut Regierungspressekonferenz vom 1. November 2023

Themen

  • Kabinettssitzung
  • Gesetzentwurf zur Anpassung von Datenübermittlungsvorschriften im Ausländer- und Sozialrecht
  • Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung bezüglich des verbesserten Arbeitsmarktzugangs für Geflüchtete und zur Bekämpfung der Schleusungskriminalität
  • Formulierungshilfe zum Entwurf eines Gesetzes zur Bestimmung Georgiens und der Republik Moldau als sichere Herkunftsstaaten
  • Verlängerung der Energiepreisbremsen
  • Stabilisierung der Netzentgelte durch einen Zuschuss
  • Gesetzentwurf zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts
  • Migrationspolitik
  • Verbot von Himmelslaternen
  • Europakonferenz im Auswärtigen Amt
  • Reise der Bundesaußenministerin nach Armenien und Aserbaidschan
  • Neuwahlen in Serbien
  • Nahostkonflikt
  • mögliche Staatshilfen für Siemens Energy
  • Ausstieg aus der Kohleverstromung
  • Betätigungsverbote für die Hamas und den Verein Samidoun
  • Termin der nächsten Sitzung der Deutschen Islam Konferenz
  • drohende Abschiebungen von afghanischen Flüchtlingen aus Pakistan
  • möglicher Besuch des türkischen Präsidenten in Deutschland
  • Demonstration der Gruppe „Letzte Generation“ vor dem Bundeskanzleramt
  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Mittwoch, 1. November 2023

Sprecherinnen und Sprecher

  • Staatssekretär Hebestreit
  • Dr. Kock (BMI)
  • Keller (BMF)
  • Wagner (BMWK)
  • Mühlhausen (BMAS)
  • Fischer (AA)
  • Throm (BMUV)

 StS Hebestreit

Die Bundesregierung hat sich heute im Kabinett umfassend mit dem Thema Migration befasst und ein weiteres Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht.

Das Gebot für das Handeln der Bundesregierung lautet dabei Humanität und Ordnung. Klar ist: Das humanitäre Prinzip des Asylrechts ist und bleibt ein hohes Gut. Wichtig ist, dass die Zuwanderung in geordneten Strukturen verläuft und irreguläre Migration begrenzt wird. Wir müssen die Herausforderung annehmen, die damit verbunden ist, dass Deutschland wie viele andere europäische Länder Arbeitskräfte braucht, die wir benötigen, damit unsere Wirtschaft nicht schrumpft, sondern wächst.

Das heute beschlossene Paket ergänzt die bereits getroffenen Entscheidungen der Bundesregierung ‑ ich erinnere daran ‑, unter anderem das große Rückführungspaket aus der vergangenen Woche, die Maßnahmen zur Begrenzung von Schleuserkriminalität und irregulärer Migration, die Digitalisierung sowie weitere entlastende Regelungen für die Ausländerbehörden und die Verbesserung des Zugangs zum Arbeitsmarkt für diejenigen mit Bleibeperspektive durch das Chancenaufenthaltsgesetz.

Das Paket umfasst den Gesetzesentwurf zur Anpassung von Datenübermittlungsvorschriften im Ausländer- und Sozialrecht. Das soll den digitalen Datenaustausch zwischen Ausländer- und Leistungsbehörden verbessern und die Behörden durch die Digitalisierungsmaßnahmen deutlich entlasten. Die Bundesregierung setzt damit die Beschlüsse des Bundeskanzlers und der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 10. Mai und 15. Juni in wesentlichen Punkten um.

Der Bundesregierung ist wichtig, dass diejenigen mit Bleibeperspektive in Deutschland willkommen sind. Für Asylbewerber und Geduldete soll der Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert werden. Die Bundesregierung hat heute deshalb die vom Bundesinnenministerium vorgelegte Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung beschlossen. Die Formulierungshilfe beinhaltet sowohl Regelungen zum verbesserten Arbeitsmarktzugang für Gestattete und Geduldete als auch Regelungen zur Bekämpfung der Schleusungskriminalität.

Ich komme zu dem ersten Punkt, dem verbesserten Arbeitsmarktzugang. Das zeitlich befristete Arbeitsverbot für Asylbewerberinnen und Asylbewerber endet während ihres Aufenthalts in Erstaufnahmeeinrichtungen künftig nach sechs und nicht erst nach neun Monaten. Die bestehenden Ausschlussgründe, zum Beispiel für Staatsangehörige aus sicheren Herkunftsstaaten, bleiben erhalten. Ausländerbehörden sollen künftig möglichst bundesweit einheitlich vorgehen bei der Frage, wem der Arbeitsmarktzugang ermöglicht werden kann. Insgesamt werden die Vorgaben in diesem Bereich arbeitnehmerfreundlicher.

Der zweite Punkt ist die Bekämpfung der Schleuserkriminalität. Die Schleuserkriminalität entwickelt sich immer mehr zu einem profitablen Geschäftszweig der organisierten Kriminalität. Die Schleuser agieren dabei zunehmend rücksichtsloser und brutaler. Konkret sieht der Entwurf daher Verschärfungen der entsprechenden Regelungen im Aufenthaltsgesetz vor. Die Mindeststrafen werden erhöht.

Zudem sieht die Formulierungshilfe eine Änderung der Strafprozessordnung vor, um den Ermittlungsbehörden bei allen Schleusungsdelikten auch die Befugnis zur Telekommunikationsüberwachung zu ermöglichen, um die Strukturen der organisierten Schleusungskriminalität wirksam bekämpfen und zerschlagen zu können.

Die Bundesregierung hat heute zudem die Formulierungshilfe zum Entwurf eines Gesetzes zur Bestimmung Georgiens und der Republik Moldau als sichere Herkunftsstaaten beschlossen. Wie Sie wissen, ist dieses Gesetz bereits vom Kabinett beschlossen worden. Die Formulierungshilfe sorgt dafür, dass die Ausbildungsduldung nach § 60c Aufenthaltsgesetz fortbesteht und damit parallel neben der Aufenthaltserlaubnis nach § 16g Aufenthaltsgesetz-neu gilt. Das ist sehr formaljuristisch, hat aber sehr prinzipielle Auswirkungen.

Von der im Zuge des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes vorgesehenen Abschaffung der Ausbildungsduldung wird künftig abgesehen. Personen in Ausbildungen, die ihren Lebensunterhalt nicht komplett aus eignen Mitteln decken können, werden die neue Aufenthaltserlaubnis in der Regel nicht erhalten. Damit Personen, die beispielsweise eine schulische Ausbildung anstreben, diese Ausbildung dennoch durchführen können, bleibt die Ausbildungsduldung des § 60c Aufenthaltsgesetz erhalten, sodass die durch die Abschaffung der Ausbildungsduldung im Fachkräfteeinwanderungsgesetz geschaffene Lücke geschlossen wird.

So weit zum Thema Migration.

Das Kabinett hat heute außerdem die Verlängerung zweier wichtiger Maßnahmen beschlossen, die der Dämpfung der Energiepreise auch in der jetzt anbrechenden Heizperiode dienen.

Auch wenn die Energiepreise seit Anfang des Jahres im Trend rückläufig sind, bleiben die Energiemärkte doch weiterhin ‑ aufgrund der geopolitischen Lage ‑ recht volatil. Die Bundesregierung hat Vorkehrungen getroffen, um Verbraucherinnen und Verbraucher gegen übermäßige Preisanstiege abzusichern.

Das Kabinett hat heute eine Verordnung auf den Weg gebracht, um die Entlastung durch die Energiepreisbremsen, die bereits gelten, bis zum 30. April 2024 zu verlängern. Das geht nach den Gesetzen zur Strom- und Gaspreisbremse und war auch eine Empfehlung der ExpertInnen-Kommission Gas und Wärme im vergangenen Jahr. Die Preisbremsen sind damit allerdings noch nicht abschließend beschlossen. Das ist erst dann der Fall, wenn die EU-Kommission den entsprechenden Beihilferahmen verlängert und die Maßnahmen genehmigt. In diesem Prozess befinden wir uns im Augenblick. Mit der Verordnung schaffen wir aber die Voraussetzung, dass die Verlängerung der Preisbremsen dann so schnell wie möglich in Kraft treten kann.

Die andere Maßnahme ergibt sich aus der neu beschlossenen Formulierungshilfe zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes. Danach wird die Bundesregierung auch für das erste Halbjahr 2024 einen Zuschuss zu den Kosten für den Betrieb der Übertragungsnetze zahlen. Dieser Zuschuss kommt aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds und beträgt auf Grundlage der von den Übertragungsnetzbetreibern prognostizierten Kosten bis zu 5,5 Milliarden Euro. Das stabilisiert die Übertragungsnetzentgelte, dämpft die Strompreise und kommt damit allen Stromverbraucherinnen und -verbrauchern zugute.

Dann habe ich noch einen Hinweis zu dem Gesetzentwurf zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts. Die Bundesregierung hat heute den Gesetzentwurf zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts im Kabinett beschlossen. Er ist vor dem Hintergrund des Angriffs Russlands auf die Ukraine und des Terrorüberfalls der Hamas auf Israel ein wichtiges Signal und notwendig, um Taten effektiv verfolgen zu können. Mit ihm werden Strafbarkeitslücken geschlossen und Opferrechte gestärkt. Völkerstrafrechtliche Prozesse und Urteile können für die Öffentlichkeit besser aufgearbeitet werden.

Unter anderem ist jetzt festgestellt, dass man für bestimmte Waffen, die bisher nicht erfasst worden sind, strafrechtlich belangt werden kann. Dabei geht es um dauerhaft blind machende Laserwaffen. Das betrifft auch Verbrechen wie sexuelle Übergriffe, sexuelle Sklaverei und erzwungenen Schwangerschaftsabbruch.

Auch die Opferrechte werden gestärkt: Bestimmte Verbrechen, unter anderem Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen gegen Personen, werden in den Katalog der Straftaten aufgenommen, die zur Nebenklage berechtigen. Damit können sich die Opfer dieser Delikte als Nebenkläger in den Prozessen einbringen.

Die Aufnahme in Ton und Bild von Prozessen nach dem Völkerstrafgesetzbuch wird erleichtert. Dabei soll es bei Verfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung, insbesondere bei völkerstrafrechtlichen Verfahren, künftig möglich sein, Ton- und Filmaufnahmen zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken zu fertigen.

Der Straftatbestand des Verschwindenlassens von Personen ist ein neuer eigenständiger Tatbestand. Mit ihm soll möglichen Zweifeln an der Umsetzung des Internationalen Übereinkommens zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen vom 20. Dezember 2006 begegnet werden.

Letzter Punkt: Das Bundeskriminalamtgesetz wird auch geändert. Die Speicher- und Aussonderungsprüffristen für die Speicherung von personenbezogenen Daten werden im Hinblick auf Völkerstraftaten verlängert. Denn oft vergehen bei der Verfolgung von Völkerstraftaten Jahrzehnte, bis neue Erkenntnisse zu einem bereits festgestellten Sachverhalt eingehen oder Ermittlungen überhaupt geführt werden können.

So weit der durchaus umfangreiche Bericht aus dem Kabinett von heute Morgen.

Frage

(zur Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung bezüglich des verbesserten Arbeitsmarktzugangs für Geflüchtete und zur Bekämpfung der Schleusungskriminalität) Herr Hebestreit, da Sie die Zahl der Arbeitskräfte erwähnt hatten, die in Sachen Migration in Deutschland wichtig sind: Hat die Bundesregierung eine Zahl, wie viele Zuwanderer Deutschland pro Jahr braucht, um die Zahl der Arbeitskräfte in den nächsten Jahren zu halten?

StS Hebestreit

Es gibt da keine ganz festgelegte Zahl. Der Bundeskanzler sagt immer wieder auch in Interviews, dass er davon ausgeht, dass man bis zu den frühen 2030er-Jahren bis zu 7 Millionen weitere Arbeitskräfte in Deutschland braucht, um die Generation der Babyboomer, die jetzt langsam in Ruhestand gehen ‑ das sind etwa 13 Millionen ‑, ersetzen zu können, neben den Aktivitäten, die es auch noch gibt, um inländisches Arbeitskräftepotenzial weiter zu fördern und zu stärken.

Zusatzfrage

Die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Frau Schnitzer, hat einmal gesagt, dass es 1,5 Millionen Zuwanderer pro Jahr braucht, weil wir bezüglich der beträchtlichen Abwanderung jedes Jahr 400 000 neue Bürger brauchen. Kommt das hin?

StS Hebestreit

Ich habe Ihnen ja gerade gesagt, was der Bundeskanzler in seinen Interviews zu sagen pflegt. Frau Schnitzer hat dann einen etwas höheren Wert, wenn ich das jetzt im Kopf richtig zusammengerechnet habe. Aber ich glaube, die Dimension ist damit ganz gut umrissen.

Frage

Herr Hebestreit, hat bei der Diskussion um die Asylpolitik die Äußerung des Finanzministers vom vergangenen Wochenende eine Rolle gespielt, dass es darum gehe, eine beträchtliche Einwanderung in die Sozialsysteme zu verhindern? Ist das eine Grundlage für die Entscheidung, die Sie getroffen haben?

StS Hebestreit

Nein, das hat heute keine Rolle gespielt.

Zusatzfrage

Frau Kock, hat das BMI empirische Erkenntnisse darüber, dass es eine solche beträchtliche, signifikante Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme gibt?

Dr. Kock (BMI)

Mir liegen hier keine Erkenntnisse vor. Ich kann das gerne nachforschen und gegebenenfalls nachliefern.

Frage

(zur Formulierungshilfe zum Entwurf eines Gesetzes zur Bestimmung Georgiens und der Republik Moldau als sichere Herkunftsstaaten) Ich habe noch eine Verständnisfrage zu den sicheren Herkunftsländern Moldawien und Georgien. Der Zusatz, der heute durch das Kabinett gegangen ist, bedeutet im Endeffekt, dass eine Ausbildungsduldung für Menschen aus diesen Ländern ermöglicht wird, analog zu den anderen sicheren Herkunftsländern. Ist das richtig?

StS Hebestreit

Ja. So habe ich das verstanden. Ich muss ein bisschen zurückhaltend sein. So, wie ich meinen Sprechzettel verstanden habe, ist das so. Die sicheren Herkunftsländer sind im Kabinett längst beschlossen. Die sind gerade im Bundestags- und Bundesratsverfahren. Das ist jetzt eine Formulierungshilfe für die Bundestagsfraktionen für die Frage, wie man mit Auszubildenden, denjenigen, die eine Ausbildung machen bzw. anstreben, umgeht. Das ist dann sozusagen ein Duldungsgrund. Sie werden nicht abgeschoben.

Frage

(zur Migrationspolitik) Ich habe eine Verständnisfrage in Bezug auf die Aussagen von Herrn Lindner: Herr Hebestreit, ist eine notwendige Zuwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt nicht auch eine Zuwanderung in das deutsche Sozialsystem?

StS Hebestreit

Das wäre jetzt semantisch interessant. Aber da wollte ich mich jetzt nicht in die Definition begeben. Ich glaube, es ist klar, was gemeint ist. Eine Zuwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt wird allgemein als etwas anderes verstanden als die Zuwanderung in die Sozialsysteme, auch wenn Sie natürlich recht haben: Wenn man im deutschen Arbeitsmarkt engagiert ist und einen Job hat, zahlt man auch in die deutschen Sozialsysteme ein.

Zusatzfrage

Und man könnte davon profitieren, falls man den Job verliert. - Hat auch Herr Lindner verstanden, dass es eine Zuwanderung in das Sozialsystem braucht, Herr Keller?

Keller (BMF)

Herr Lindner hat immer sehr klar die Trennung gemacht, dass es darum geht, diejenigen, die in den Arbeitsmarkt einwandern, von der irregulären Migration zu trennen. Ich denke, damit ist die Frage beantwortet.

Frage

Ich habe eine Frage zur Migration generell. Herr Hebestreit, vielleicht können Sie uns sagen, nachdem es in den letzten Tagen Presseberichte über Vorbereitungen zum Bund-Länder-Spitzengespräch am nächsten Montag gab, wie weit der Stand der Vorbereitungen ist. Sind Bund und Länder da eigentlich weitgehend durch? Haben sich die Punkte geklärt, oder welche offenen Punkte müssen mit den Ländern noch geklärt werden?

StS Hebestreit

Sie wissen, dass das Treffen der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder mit dem Bundeskanzler am kommenden Montag stattfinden wird. Das ist lange verabredet. Auf Ebene der Chefs der Senats- und Staatskanzleien mit dem Chef des Bundeskanzleramts sind viele Runden gegangen worden. Wie heißt es so schön: Nichts ist entschieden, bevor alles entschieden ist. Insofern ‑ heute haben wir Mittwoch ‑ sind es noch drei Arbeitstage und ein Wochenende mit zwei Tagen, in denen diejenigen Dinge behandelt werden, die es noch zu behandeln gibt.

Ich werde hier nicht einzelne Maßnahmen anbringen, bin aber zuversichtlich, dass das am Montag eine gute Sitzung wird und dass den Anforderungen, die an Bund, Länder und in dem Fall auch an die Städte und Gemeinden herangetragen werden, nämlich in der Migrationsfrage eng zusammenzuarbeiten und eine gute Lösung zu finden, berechtigt Erfolg beschieden ist.

Zusatzfrage

Ist jetzt geklärt, dass man wieder auf eine Pro-Kopf-Finanzierung übergeht?

StS Hebestreit

Dazu kann ich Ihnen im Augenblick keinen neuen Stand liefern. Wir sind da in intensiven Debatten. Sie wissen, dass die Finanzfrage sicherlich die spannendste werden wird, auch mit Blick auf den Haushalt, der im November verabschiedet werden wird, und die Haushaltslage der Bundesregierung.

Frage

Ich habe eine Frage an das Bundesinnenministerium zur Migration und zur Schleuserbekämpfung: Können Sie nach zehn Tagen stationären Grenzkontrollen sagen, welche Schlüsse das Ministerium daraus zieht? Was ist noch zu verbessern? Wie sieht die Bekämpfung von Schleusern aus, die versuchen, Migranten über Polen, Tschechien und die Schweiz illegal nach Deutschland zu bringen?

Dr. Kock (BMI)

Ich meine, dazu habe ich an dieser Stelle schon letzte Woche ausgeführt. Die ersten zehn Tage sind vorbei. Die Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz wurden bereits um weitere 20 Tage verlängert. Wir sehen darin ein effektives Mittel, weil vor allen Dingen der Bundespolizei mit den Grenzkontrollen alle Möglichkeiten zur Verfügung stehen, verschiedenste Maßnahmen, die sie jetzt ausschöpfen kann.

Frage

Herr Hebestreit, ich habe noch eine kurze Frage zu den Medienberichten, die es zu einem möglichen Treffen mit dem Oppositionsführer und Herrn Dobrindt am Freitag geben soll. Sind Sie da weitergekommen? Findet dieses Gespräch statt und in welchem Rahmen?

StS Hebestreit

Ich habe zu möglichen Treffen des Bundeskanzlers mit wem auch immer von dieser Stelle nichts mitzuteilen.

Frage

Frau Kock, haben Sie Zahlen zu festgesetzten Schleusern von diesem Jahr im Vergleich zum letzten Jahr?

Dr. Kock (BMI)

Ja. Da haben Sie Glück; die habe ich dabei. Die Bundespolizei hat vom 1. Januar bis zum 30. September 2023 insgesamt 2167 Schleuser an allen deutschen Grenzen festgestellt. Die Quelle für diese Zahl ist die Polizeiliche Eingangsstatistik der Bundespolizei. Das sind Eingangszahlen, die noch nicht ausermittelt sind. Ich kann das auch noch um den Zeitraum vom 1. bis 15. Oktober ergänzen: Da haben wir noch keine qualitätsgesicherten Daten vorliegen.

Zusatzfrage

Vergleichswerte zum letzten Jahr haben Sie nicht? Sind das verschiedene Personen, oder können das auch Mehrfachtäter sein?

Dr. Kock (BMI)

Das müsste ich nachfragen. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass da Mehrfachtäter dabei sind.

Frage

(zur Verlängerung der Energiepreisbremsen) Herr Wagner, wann erwarten Sie denn eine Entscheidung der EU-Kommission über die beihilferechtliche Genehmigung, in den nächsten Tagen, in den nächsten Wochen?

Wagner (BMWK)

Es ist völlig richtig: Das Inkrafttreten der Energiepreisbremsen steht noch unter dem beihilferechtlichen Vorbehalt der Europäischen Kommission. Das BMWK ist in ganz intensiven Gesprächen mit der Europäischen Kommission. Ich kann Ihnen aber keinen Zeitplan nennen; denn das Verfahren liegt in der Hand der Europäischen Kommission.

Zusatzfrage

Die Verbände BDEW und VKU sagen, das Ganze ist zum 1. Januar eigentlich nicht mehr umsetzbar, weil diese Genehmigung noch nicht vorliegt und das Bundeskabinett diese Verordnung jetzt zu spät beschlossen hat. Was sagen Sie zu der Äußerung der Verbände, die das dann umsetzen müssen, dass das Ganze zum 1. Januar nicht in Kraft treten kann bzw. dass das technisch nicht möglich ist?

Wagner (BMWK)

Wir sind, wie gesagt, in intensiven Gesprächen mit der Europäischen Kommission, um das Verfahren so schnell wie möglich voranzubringen. Der Kabinettsbeschluss heute zeigt ja, dass wir, bevor wir die beihilferechtliche Genehmigung haben, die verordnungsrechtliche Grundlage sozusagen auf Vorrat dafür schaffen. Wir sind mit allen Beteiligten im Gespräch, natürlich auch mit den angesprochenen Verbänden.

Frage

Ich habe noch eine Frage an das BMAS: Inwieweit wurde heute im Kabinett ein Verbot von Himmelslaternen beschlossen? Da geht es wohl um eine Änderung der Produktsicherheitsverordnung.

Mühlhausen (BMAS)

Haben Sie vielen Dank. - Das ist völlig richtig. Mit der 15. Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz soll der Vertrieb von Himmelslaternen verboten werden. Das Problem war, dass Himmelslaternen bisher zwar legal gekauft, aber dann nicht verwendet werden dürfen. Diese Rechtslage war widersprüchlich. Nun wird auch das Inverkehrbringen von Himmelslaternen verboten, weil sie gefährlich sind.

Zusatzfrage

Ist das eine Reaktion auf den Brand im Krefelder Zoo vor ein paar Jahren?

Mühlhausen (BMAS)

Richtig, genau. Es gab in der Silvesternacht 2019/2020 aufgrund von Himmelslaternen einen Brand im Krefelder Zoo, dort genau genommen im Affenhaus. Damals sind über 50 Tiere verbrannt.

Fischer (AA)

Ich habe zwei Ankündigungen mitgebracht. Zunächst habe ich eine Ankündigung für eine Konferenz für Sie. Außenministerin Annalena Baerbock lädt für morgen, am 2. November, zu einer Europakonferenz ins Auswärtige Amt. Unter dem Titel „Larger, stronger EU, making the European Union fit for enlargement and future members fit for accession“ kommen hochrangige Gäste aus den EU-Mitgliedstaaten, aus den Staaten im Beitrittsprozess, aus den EU-Institutionen sowie aus Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft zusammen.

Die künftige Rolle der Europäischen Union als global handlungsfähiger Akteur und als starke Stimme in der Welt wird maßgeblich davon abhängen, wie erfolgreich sich die EU reformiert und auf künftige Erweiterungsrunden vorbereitet. Die Frage ist inzwischen nicht mehr, ob eine EU-Erweiterung stattfinden wird, sondern wie und wann dies geschieht.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden über interne Reformen, die die Handlungsfähigkeit der EU stärken, genauso wie über notwendige Reformanstrengungen in Staaten, die den EU-Beitrittsprozess anstreben, diskutieren und beraten.

Die Europakonferenz wird in enger Abstimmung mit der spanischen EU-Ratspräsidentschaft organisiert und stellt eine weitere Etappe im beginnenden Reformprozess der EU dar. Die Konferenz bietet eine zusätzliche Plattform für den Austausch sowohl unter Außenministerinnen und Außenministern als auch unter EU-Expertinnen und ‑Experten.

Eröffnet wird die Konferenz um 11 Uhr mit einer Europarede von Außenministerin Baerbock. Ich kann ihren Worten natürlich nicht vorgreifen. Aber ich glaube, wir alle können davon ausgehen, dass sich die Außenministerin sowohl zur geopolitischen Rolle der EU als auch zu konkreten Reformvorschlägen äußern wird. Daran schließen sich unter anderem ein Experteninput und zwei Podiumsdiskussionen mit Außenministerin Baerbock und weiteren Außenministerinnen und Außenministern sowie der Staatsministerin für Europa und Klima, Anna Lührmann, mit weiteren Gästen an. Diese Teile der Konferenz sind presseöffentlich und können auch über die Twitter- bzw. X-Kanäle des Auswärtigen Amtes im Livestream verfolgt werden, sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch.

Dann habe ich noch eine Reiseankündigung. Die Außenministerin wird am Freitagmorgen nach Armenien und Aserbaidschan aufbrechen. Sie reist am Freitagmorgen zunächst nach Eriwan. Dort wird die Ministerin ihren Amtskollegen Mirsojan zu einem Gespräch treffen. Weitere Termine in Armenien sind unter anderem ein Besuch der zivilen europäischen Beobachtungsmission EUMA sowie ein Besuch eines Aufnahmezentrums für Menschen, die aus Bergkarabach geflüchtet sind. Sie wissen, über 100 000 Menschen haben in Armenien Zuflucht gesucht und gefunden, darunter viele Kinder und auch vulnerable Personen.

Am späten Samstagvormittag reist die Ministerin dann weiter nach Baku. Dort wird sie ihren Amtskollegen Bayramov zu einem Gespräch treffen. Weitere Termine sind unter anderem ein Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der aserbaidschanischen Zivilgesellschaft sowie Gespräche mit der UNO-Koordinatorin vor Ort und der IKRK-Leiterin.

Deutschland setzt sich für einen nachhaltigen Frieden, politische sowie wirtschaftliche Diversifizierung der Region und enge und gute Beziehungen mit Europa ein. Vertrauensaufbau und Aussöhnung in der Region sind ganz entscheidend. Ziel ist eine verhandelte, umfassende Friedenslösung, damit Armenier und Aserbaidschaner in ihren staatlichen Grenzen in Frieden und Sicherheit leben können. Wir unterstützen dazu die baldige Wiederaufnahme der trilateralen Gespräche unter Vermittlung des Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel.

Für die Spezialisten unter Ihnen: Das ist die erste Reise der Außenministerin nach Armenien und Aserbaidschan und die zweite Reise in den Südkaukasus nach einer Reise nach Georgien im Frühjahr 2022.

Das wäre es von mir.

Frage

Herr Fischer, ich habe eine Frage zu der Europakonferenz: Hat sich die Außenministerin am Rande der Konferenz vielleicht auch Vermittlungsbemühungen zwischen Kosovo und Serbien vorgenommen? Der serbische Außenminister kommt ja nicht. Wie wird das gewertet?

Fischer (AA)

Sie wissen ja, dass wir in ständigen Gesprächen mit unseren serbischen und kosovarischen Partnerinnen und Partnern stehen. Wir nutzen natürlich jede Gelegenheit, um auf Fortschritte hinzuwirken.

Ich glaube, wir erwarten 17 Außenministerinnen und Außenminister. Elf Länder sind auf Ebene der Staatssekretärinnen und Staatssekretäre vertreten. In manchen Ländern gibt es Gründe, warum man morgen nicht dabei sein kann. In Serbien ‑ das haben Sie selbst gesehen ‑ sind gerade Neuwahlen ausgerufen worden.

Frage

Herr Fischer, ich habe eine Frage zu den 17 Außenministerinnen und Außenministern. Vielleicht können Sie einige davon nennen. Sind die großen EU-Staaten da auch vertreten?

Fischer (AA)

Es sind viele EU-Staaten auf Außenministerebene vertreten. Viele Beitrittsstaaten sind auf Ebene der Außenministerinnen und Außenminister vertreten. Sie haben es teilweise schon gesehen: Beispielsweise der türkische Außenminister wird erwartet. Aus Frankreich wird die Staatssekretärin für Europa, Boone, erwartet, die zusammen mit Staatsministerin Lührmann ganz entscheidend den Prozess der deutsch-französischen Expertengruppe begleitet hat, die auch Reformvorschläge gemacht hat. Dieser Input ist eine wichtige Grundlage für die Konferenz. Insofern ist sie dafür die richtige Expertin.

Zusatzfrage

Ich würde gerne noch eine Frage zu Serbien anschließen. Herr Fischer, Sie selbst haben es ja eben schon erwähnt: Herr Vučić hat jetzt Neuwahlen ausgerufen. Ist das ein Schritt, den Sie mit Sorge sehen, auch gerade mit Blick auf die Gespräche in Bezug auf Serbien und Kosovo, oder ist das ein notwendiger Schritt, um innenpolitisch eine Klärung über den Regierungskurs in Belgrad zu erreichen?

Fischer (AA)

Ich würde das in dieser Hinsicht gar nicht kommentieren, sondern nur darauf hinweisen, dass der Schritt ja nicht überraschend kommt, weil Herr Vučić schon Mitte Oktober oder vor zwei Wochen angekündigt hat, dass es zu vorgezogenen Parlaments- und Lokalwahlen im Dezember kommen soll. Der Termin, der damals ins Auge gefasst wurde, war der 17. Dezember. Es war immer klar, dass dafür das Parlament spätestens am 2. November aufgelöst werden muss. Das ist nun geschehen. Die Wahlen werden dann im Dezember stattfinden.

Wichtig ist aus unserer Sicht vor allem, dass die serbische Regierung die Empfehlungen des ODIHR, des Office for Democratic Institutions and Human Rights, zur letzten Wahl 2022 umsetzt. Zu den damaligen Kritikpunkten gehörte unter anderem ein ungleicher Zugang zu den Medien der politischen Kandidaten.

Frage

(zur Europakonferenz im Auswärtigen Amt) Eine Frage nach der Teilnahme des türkischen Außenministers ist schon halb beantwortet. Der zweite Teil: Wird auch die Ukraine vertreten sein und, wenn ja, in welcher Form?

Fischer (AA)

Wir gehen davon aus, dass die Ukraine vertreten sein wird, und rechnen mit dem ukrainischen Außenminister Kuleba.

Zusatzfrage

Ist beabsichtigt, auch über eine mögliche Vermittlungsrolle der EU im Nahostkonflikt zu sprechen?

Fischer (AA)

Es ist eine Europakonferenz, und es geht, wie ich gesagt habe, vor allen Dingen darum, wie wir die Handlungsfähigkeit der EU unter Erweiterungsbedingungen erhalten und stärken können.

Das schließt aber natürlich nicht aus, dass wie immer am Rande solcher internationaler Konferenzen, auf denen viele Außenministerinnen und Außenminister zusammenkommen, auch andere Themen eine Rolle spielen. Es ist keine Überraschung, dass auch der Nahostkonflikt dazugehören wird. Es wird zum Beispiel auch ein bilaterales Gespräch der Außenministerin mit ihrem türkischen Amtskollegen geben, wie es es bereits vor Kurzem in Kairo gegeben hat. Ich bin mir ganz sicher, dass dabei auch der Nahostkonflikt eine Rolle spielen wird, weil ja auch die Türkei über gute Kanäle in die Region verfügt.

Frage

Herr Fischer, ich habe eine Frage zur Teilnahme des türkischen Außenministers. Zunächst hieß es, er wolle auf der Konferenz auch eine Rede halten. Jetzt hieß es, diese Rede werde nicht stattfinden und sei abgesagt. Können Sie diesbezüglich für Aufklärung sorgen?

Fischer (AA)

Mir ist nicht bekannt, dass der türkische Außenminister während der Konferenz eine Rede hält. Aber ich denke, dass er, wenn ich es richtig verfolgt habe, heute Abend eine Rede beim Nah- und Mittelost-Verein halten wird. ‑ Sie schütteln den Kopf? Dann habe ich das ‑ ‑ ‑

Zuruf

Das ist offenbar abgesagt!

Fischer (AA)

Okay. ‑ Zu den Terminen des türkischen Außenministers müssen Sie am Ende natürlich meine türkischen Kolleginnen und Kollegen fragen. Aber eine eigenständige Rede auf der Konferenz wird es nicht geben.

StS Hebestreit

Ich habe noch eine Ergänzung zum Bericht aus dem Kabinett zu machen. Es ging noch um die Frage, wofür die Formulierungshilfe bei Ausbildung gilt. Das gilt generell für alle Länder, nicht nur für Moldau und Georgien. Man hat einfach das Gesetz genommen, um es da dranzuflanschen. Es ist also keine Sonderregelung für Moldau und Georgien, sondern gilt für alle.

Fischer (AA)

Noch einmal kurz zum türkischen Außenminister: Es war von Anfang an nicht geplant, dass er dort eine Rede hält. Insofern weiß ich nicht, woher Sie die Information haben.

Frage

Sie sagen, dass der türkische Minister keine eigenständige Rede halten werde. Wird er im Panel sprechen?

Fischer (AA)

Es gibt sozusagen Paneldiskussionen; es gibt auch noch Workshops, an denen die Ministerinnen und Minister teilnehmen; es gibt die bilateralen Gespräche. Der türkische Außenminister wird an einem der Workshops teilnehmen. Er wird ein bilaterales Gespräche mit unserer Ministerin haben. Ich bin sicher, dass er auch noch andere Programmpunkte hat. Aber dazu müssten Sie, wie gesagt, die türkische Seite fragen.

Frage

Sie hatten als einen Termin, den die Außenministerin wahrnehmen werde, einen Besuch bei Flüchtlingen in Armenien bekanntgegeben und betont, dass Sie auf ein friedliches Miteinander dringen würden. Ist die deutsche Erwartung, dass das eine Rückkehrmöglichkeit genau dieser Flüchtlinge nach Bergkarabach beinhaltet?

Fischer (AA)

Sie wissen, dass die aserbaidschanische Seite mit Blick auf die Rückkehr von Bewohnerinnen und Bewohnern aus Bergkarabach bereits wichtige Zusagen gemacht hat. Das begrüßen wir. Allerdings stellen wir fest, dass bislang noch nicht das notwendige Vertrauen aufgebaut ist, damit die Geflüchteten wieder zurückkehren. Wir vermuten, dass das Zeit brauchen wird. Aber wichtig ist vor allen Dingen, dass es für rückkehrwillige Armenierinnen und Armenier eine glaubwürdige Rückkehrperspektive gibt.

Zusatzfrage

Gibt es dafür konkrete Zusicherungen, die Sie der aserbaidschanischen Seite abringen wollen?

Fischer (AA)

Wie gesagt, hat die aserbaidschanische Seite schon wichtige Zusagen, was die Sicherheit der Karabacharmenier angeht, gemacht. Das haben wir, wie ich gesagt habe, begrüßt. Diese Zusagen müssen natürlich eingehalten werden, wenn es eine Rückkehrbewegung gibt. Aber wir stellen fest, dass wir noch nicht da sind, weil bislang noch Vertrauen fehlt. Man muss gemeinsam daran arbeiten, dieses Vertrauen aufzubauen.

Frage

Herr Fischer, Sie haben im Zusammenhang mit dem Besuch in Armenien die EU-Beobachtungsmission an der Grenze erwähnt. Es gibt immer noch die Besorgnis, dass die Aserbaidschaner möglicherweise mit Truppen auch auf armenisches Gebiet vorgehen, um umstrittene Gebiete zu erobern. Befürworten Sie eine Aufstockung dieser EU-Beobachtungsmission? Stellt die Bundesregierung dafür Personal zur Verfügung?

Fischer (AA)

Ich denke, wir sollten erst einmal den Besuch der Außenministerin abwarten. Sie wird sich ein eigenes Bild der EU-Beobachtermission verschaffen. Was die Fragen angeht, die Sie stellen, werden wird im Anschluss dann sicherlich ein klareres Bild haben.

Frage

(zum Nahostkonflikt) Herr Fischer, gestern hat Israel das Flüchtlingslager in Dschabaliya bombardiert, mit Hunderten von Toten und Verletzten. Verurteilt die Bundesregierung dieses Vorgehen? Sind diese Aktionen überhaupt noch verhältnismäßig?

Fischer (AA)

Wir haben diesen Angriff ebenfalls in den Medien verfolgt. Die Informationslage, was beispielsweise die Opferzahlen angeht, ist noch unklar. Sie wissen, dass wir keine eigenen Beobachterinnen oder Beobachter vor Ort haben. Nach israelischen Angaben war das Ziel des Angriffs ein ranghoher Hamas-Führer, der sich in dem Flüchtlingslager oder in dem darunter gelegenen Tunnelsystem aufgehalten habe.

Wir haben an dieser Stelle mehrfach betont, dass Israel im Rahmen des Völkerrechts das Recht hat, sich nach dem bewaffneten Angriff, den fiesen, brutalen Terroranschlägen der Hamas vom 7. Oktober zu verteidigen. Wir haben gleichzeitig auch gesagt, dass wir die Lage in Gaza genau beobachten und die äußerst schwierige Lage der Zivilbevölkerung dort mit großer Sorge sehen. Bei der legitimen Verteidigung Israels gegen die Terrororganisation Hamas und gegen deren fortgesetzte Angriffe, zu der Israel im Rahmen des Völkerrechts berechtigt ist, muss auch der Schutz der Zivilbevölkerung im Vordergrund stehen. Es ist essenziell, dass im Kampf gegen die Hamas mit der notwendigen Verhältnismäßigkeit vorgegangen wird.

Gleichzeitig ist es so, dass natürlich wieder einmal eingetreten ist, was wir immer gesagt haben, dass sich die Hamas mit ihren Militärstrukturen, mit ihren Führungsstrukturen hinter der Zivilbevölkerung versteckt, diese als menschliche Schutzschilde nutzt und im Zweifelsfall opfert. Klar ist auch, dass jedes Todesopfer in diesem Konflikt ein Todesopfer zu viel ist.

Zusatzfrage

Herr Fischer, der Bundeskanzler hat gesagt, dass die Bundesregierung des Glaubens sei, dass die humanitären Prinzipien eingehalten würden. Wenn es angesichts von mehr als 8000 Toten ‑ ‑ ‑ Wir stehen jetzt jeden Morgen auf und sehen, dass es durchschnittlich weitere 300 bis 400 Tote sind. Hält sich Israel aus Ihrer Sicht an das internationale Völkerrecht?

Fischer (AA)

Sie kennen die Aussagen des Bundeskanzlers.

Zuruf

Ja, klar. Aber jetzt! Das war vor ein paar Tagen.

Fischer (AA)

Für den Bundeskanzler würde Herr Hebestreit sprechen.

StS Hebestreit

Das ist im Augenblick eine sehr herausfordernde Situation. Das gebe ich sofort zu. Aber klar ist auch: Die Hamas setzt ihre Angriffe fort. Sie ist weiterhin nicht bereit, Geiseln freizulassen. Das muss man sich einfach klarmachen. Sie sind seit dem 7. Oktober verschleppt, brutal misshandelt, zur Schau gestellt worden. Viele sind dabei auch auf menschenverachtende, bestialische Weise umgebracht worden. Der Terrorangriff der Hamas wird fortgesetzt. Herr Fischer hat noch einmal deutlich gemacht, wie sich die Hamas-Attentäter verschanzen und die eigene Zivilbevölkerung in Gaza als menschliche Schutzschilde miss- und gebrauchen.

Natürlich ist eine Verhältnismäßigkeit immer notwendig. Wir haben auch die Berichte, die wir nicht eigenständig überprüfen können. Wir haben in unseren Gesprächen mit Israel immer unserer Überzeugung Ausdruck verliehen, dass sich Israel als einzige Demokratie in dieser Region selbstverständlich an all die Bedingungen, die das humanitäre Völkerrecht auch vorbringt, hält.

Frage

Am Grenzübergang Rafah soll es ausländischen Staatsangehörige wohl erstmalig möglich sein, den Gazastreifen zu verlassen. Was ist Ihr diesbezüglicher Kenntnisstand? Inwieweit haben Sie Kenntnisse darüber, dass sich auch deutsche Staatsangehörige in dieser Gruppe befinden?

Fischer (AA)

Wir kennen die Berichte über eine mögliche Öffnung des Grenzübergangs zunächst für verletzte Palästinenserinnen und Palästinenser natürlich und hoffen, dass die Grenze auch für weitere Ausreisen geöffnet wird. Daran arbeiten wir gemeinsam mit unseren Partnern. Wir hoffen auch, dass heute ein Anfang gemacht werden kann. Deshalb haben wir den auf der Krisenvorsorgeliste ELEFAND registrierten Deutschen heute mittels eines Landsleutebriefs, aber auch per SMS unseren aktuellen Kenntnisstand mitgeteilt und sie über die mögliche Öffnung des Grenzübergangs auch für ausländische Personen, die sich im Gazastreifen aufhalten, informiert. Ein Team unserer Botschaft ist nach Rafah entsandt und bereitet sich dort auf die Betreuung von möglicherweise ausreisenden Deutschen vor. Diese ausreisenden Deutschen werden dann von uns konsularisch und psychologisch betreut, wenn sie in Rafah eintreffen. Wir arbeiten in den Ressorts eng zusammen, um eine bestmögliche Betreuung zu gewährleisten. Aber selbst wenn der Grenzübergang heute für eine begrenzte Anzahl von Personen geöffnet wird, arbeiten wir weiterhin intensiv daran, dass der Grenzübergang auch in den nächsten Tagen offen bleibt, sodass dann alle deutschen Staatsangehörigen und ihre Familienangehörigen die Möglichkeit erhalten, aus Gaza auszureisen.

Eine konkrete Ankündigung, dass erste Deutsche ausgereist seien, habe ich noch nicht zu machen. Aber sobald das geschehen sein wird, werden wir Sie informieren.

Frage

Sie haben eben von psychologischer Betreuung gesprochen. Organisiert die Bundesregierung dann auch eine mögliche Rückreise von diesem Grenzübergang aus nach Deutschland, oder wie ist das logistisch vorgesehen? Möglicherweise mit Hilfe der Bundeswehr?

Fischer (AA)

Der erste Schritt ist, dass die deutschen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger von unserem Konsularteam an der Grenze in Empfang genommen werden. Dann werden wir sie nach Kairo bringen ‑ so der aktuelle Plan ‑, um ihnen dort medizinische Hilfe zukommen zu lassen, so dies notwendig sein wird, sie zu registrieren und die nächsten Schritte gemeinsam mit den Ausgereisten vorzubereiten.

Frage

Herr Fischer, Sie sind in Ihren Ausführungen zur Ausreise über den Grenzübergang Rafah sehr allgemein geblieben. Nun kursieren konkrete Meldungen. Es soll zum Beispiel ein Abkommen geben, das zwischen Ägypten, Katar und der Hamas geschlossen worden sein soll. Es ist auch von 500 Personen die Rede, die dieses Abkommen betreffe. Können Sie das so bestätigen, auch in dieser konkreten Form?

Fischer (AA)

Das würde ich in dieser konkreten Form so nicht bestätigen. Sie wissen, dass wir in engem Kontakt mit allen Seiten stehen und gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Partnern an der Öffnung dieses Grenzübergangs gearbeitet haben. Wir wissen gleichzeitig, dass allein Deutschland eine niedrige dreistellige Zahl deutscher Staatsbürger und Staatsbürgerinnen im Gazastreifen hat, die sich dort aufhalten. Das betrifft andere Nationen natürlich genauso. Das heißt, dass derzeit vermutlich mehrere tausend ausländische Staatsangehörige in Gaza aufhältig sind. Wir arbeiten daran, dass alle diese Menschen, so sie es denn wollen, ausreisen können. Das wird nicht an einem Tag geschehen sein. Hinzu kommen natürlich noch das UN-Personal und andere Vertreterinnen und Vertreter von zum Beispiel Hilfsorganisationen.

Zusatzfrage

Herr Fischer, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie jetzt zeitnah mit einer möglichen Ausreise rechnen und dass Sie auch damit rechnen, dass in der ersten Welle von Ausreisenden, ausländischen Staatsbürgern aus dem Gazastreifen‑ so nenne ich es einmal ‑ auch deutsche Staatsbürger dabei sein werden?

Fischer (AA)

Wie gesagt, haben wir ein Konsularteam an die Grenze entsandt, um gegebenenfalls ausreisende Deutsche betreuen zu können. Ich würde mich aber erst dann dazu einlassen, ob Deutsche ausgereist sind oder nicht, wenn sie tatsächlich ausgereist sind. Denn wir alle wissen, dass das ein sehr komplizierter, sehr aufwändiger Vorgang ist, der in einer Situation stattfindet, in der im Gazastreifen gekämpft wird und in der die Grenze jederzeit wieder geschlossen werden kann.

Insofern will ich hier auch keine falschen Hoffnungen schüren. Ich will darauf hinweisen, dass wir umfassend vorbereitet sind und daran arbeiten, den im Gazastreifen befindlichen Deutschen bei der Ausreise zu helfen.

Frage

Ich habe eine Frage im Anschluss an die Frage von Herrn Towfigh Nia. Das israelische Militär bombardiert zivile Infrastrukturen, Krankenhäuser. Gestern wurde, wie gesagt, das Flüchtlingslager Dschabaliya bombardiert, wobei viele Zivilisten getötet wurden. Kann man es angesichts dieser Bombardierungen noch als legitime Selbstverteidigung und als verhältnismäßig beschreiben?

StS Hebestreit

Ich denke, die Frage wurde von Herrn Towfigh Nia eben schon gestellt, und sie wurde beantwortet.

Zusatz

Sie sehen das also als Selbstverteidigung an.

StS Hebestreit

Die Frage wurde schon beantwortet.

Zusatzfrage

Durch die Bombardierungen sind bisher über 8000 Zivilisten gestorben. Viele sprechen von kollektiver Bestrafung von Palästinensern. Wird die Bundesregierung angesichts der hohen Zahl getöteter Zivilisten Israel auffordern, mit den Bombardierungen aufzuhören?

StS Hebestreit

Auch jetzt habe ich wieder das Gefühl, in einer Subraumspalte gefangen gewesen zu sein. Auch diese Frage wurde bereits gestellt und auch beantwortet. Darauf würde ich verweisen.

Frage

Herr Fischer, zunächst eine Lernfrage: Ist ein Flüchtlingslager Teil ziviler Infrastruktur?

Fischer (AA)

Was ist Ihre Lernfrage?

Zusatzfrage

Ob ein Flüchtlingslager, zum Beispiel in Gaza, zur zivilen Infrastruktur gehört, die man ja nicht bombardieren darf.

Fischer (AA)

Das alles ist weniger einfach, als Sie es darstellen, weil die israelische Seite zum Beispiel sagt, sie habe in diesem Flüchtlingslager eine militärische Kommandozentrale und Hamas-Führer angegriffen. Das heißt, dass sich dabei wieder zeigt, was wir öfter sehen, dass sich die Hamas nämlich hinter Zivilistinnen und Zivilisten versteckt und diese als menschliche Schutzschilde nutzt, wie wir hier schon mehrmals gesagt haben. Insofern befanden sich nach israelischer Auffassung dort militärische Objekte.

Zusatz

Aber die IDF haben schon zugegeben, dass sie trotz dem Wissen, dass dort Hunderte, wenn nicht gar Tausende von Zivilisten vor Ort sind, zur Bombardierung angesetzt und es bombardiert haben. Das kann also nach Ansicht der Bundesregierung trotzdem ein legitimes Ziel sein.

Fischer (AA)

Ich denke, ich würde mich nicht darauf einlassen, einzelne Ziele zu bewerten, weil mir dafür letztlich die Kenntnis des Einzelziels und die Kenntnis der militärischen Notwendigkeit im Vergleich zu anderen Aspekten, die bei solch einem Angriff einbezogen werden müssen, fehlen. Aber was wichtig ist, ist, dass im Kampf gegen die Hamas mit der notwendigen Verhältnismäßigkeit vorgegangen wird.

Wir alle wissen, dass der Kampf der Hamas gilt und nicht der palästinensischen Zivilbevölkerung. Wir haben das hier auch schon mehrmals ausgeführt. Die Hamas hat mit ihren furchtbaren Terroranschlägen vom 7. Oktober den neuen Gewaltzyklus ausgelöst und beschießt Israel weiterhin.

Frage

Herr Fischer, wem der Kampf gilt, ist eine Frage. Wen die Maßnahmen treffen, ist eine andere. Premierminister Netanjahu hat gestern Abend wörtlich erklärt: Wir lassen ein Höllenfeuer auf die Hamas regnen. Wir haben bereits Tausende von Terroristen getötet, und das ist erst der Anfang.

Können Sie einschätzen, auf welchem Kenntnisstand die Angabe „Tausende von Terroristen“, die Netanjahu gemacht hat, basiert? Wie konnte er das feststellen? Haben Sie einen Eindruck davon, was es bedeutet, wenn er sagt: „und das ist erst der Anfang“? Wie viele Tausende werden es noch sein, und wie kann man sicher sein, dass es sich dabei jeweils um Terroristen handelt?

Fischer (AA)

Ich werde die Äußerungen von Herrn Netanjahu von hier aus nicht kommentieren können.

Zu seinem Kenntnisstand müssen Sie wahrscheinlich die israelische Regierung befragen, die ihn offensichtlich informiert haben wird.

Frage

Herr Fischer, am Montag haben Sie in Bezug auf das Westjordanland gesagt, dass es Israel als Besatzungsmacht obliege, die Sicherheit und Unversehrtheit der palästinensischen Bevölkerung im Westjordanland sicherzustellen. Nach Auffassung der Bundesregierung, der UN, der EU, der USA ist Israel auch in Gaza Besatzungsmacht. Gelten diese Worte auch für die Sicherheit und Unversehrtheit der palästinensischen Bevölkerung in Gaza?

Fischer (AA)

Wir haben bereits darüber gesprochen, dass auch Gaza für uns zu den besetzten Gebieten gehört. Allerdings gelten dort Besonderheiten, weil Israel im Gazastreifen bislang nicht selbst präsent war oder dort Kontrolle ausgeübt, sondern nur die Grenzen kontrolliert hat. Es war also keine Besatzung im herkömmlichen Sinne.

Gleichzeitig ist es so, dass die Regelungen des Besatzungsrechts seit dem Angriff der Hamas durch die Regelungen für den bewaffneten Konflikt überlagert werden. Derzeit handelt sich eben nicht um eine stabilisierte Besatzungssituation, in der es um die Frage der Beziehungen zwischen der Besatzungsmacht und der Bevölkerung im besetzten Gebiet gehen kann. Aktuell handelt es sich um einen bewaffneten Konflikt, der von massiven Kampfhandlungen geprägt ist. Das überlagert die Regelungen des Besatzungsrechts.

Zusatz

Das heißt, die Sicherheit und Unversehrtheit der palästinensischen Bevölkerung in Gaza ist nicht die Aufgabe der israelischen Armee.

Fischer (AA)

Ich habe Ihnen dazu gesagt, was ich zu sagen habe. Was dort momentan gilt, sind die Regeln des bewaffneten Konfliktes, über die wir in den vergangenen Regierungspressekonferenzen ausführlich gesprochen haben.

Frage

Herr Fischer, zwei Fragen:

Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ hat den Internationalen Strafgerichtshof aufgefordert, gegen israelische Kriegsverbrechen zu ermitteln, nachdem mehrere arabische Journalisten in den Bombardierungen getötet worden sind, unter anderem auch Al-Jazeera-Korrespondenten.

Die zweite Frage: Die Organisation „amnesty international“ hat Beweismittel dafür, dass Israel im Südlibanon mit weißem Phosphor bombardiert hat.

Fischer (AA)

Ich denke, zur zweiten Frage habe ich keine eigenen Erkenntnisse beizusteuern.

Zur ersten Frage: Ermittlungen sind Ermittlungen. Wenn ich es richtig verstanden habe, war Herr Khan vor Kurzem an der Grenze zu Gaza und hat gesagt, er schaue sich die Lage an und würde dann gegebenenfalls Ermittlungen in alle möglichen Richtungen eröffnen. Ich denke, man muss erst einmal abwarten, was das Ergebnis seiner Reise war.

Frage

Herr Wagner, wir haben hier schon ein paarmal über Siemens Energy gesprochen. Weil die Verhandlungen zwischen Bundesregierung und dem Unternehmen ja konstruktiv weitergeführt wurden, wüsste ich gern, ob Sie weitergekommen sind und es einen neuen Stand gibt. Wird die Bundesregierung die von dem Unternehmen gewünschte Absicherung liefern können?

Wagner (BMWK)

Wir haben uns dazu hier schon am Montag geäußert. Der Minister hat sich gestern noch einmal dazu geäußert. Die Gespräche dauern an. Zwischenstände können wir hier nicht weiter kommentieren. Ich bitte um Verständnis dafür.

Frage

Herr Keller, der Bundesfinanzminister stellt den Kohleausstieg infrage und spricht quasi von „Träumen“ seiner Koalitionspartner. Wird der Ausstieg innerhalb der Ampelkoalition noch einmal infrage gestellt und zum Thema gemacht? Was hat Herr Lindner damit gemeint?

Herr Hebestreit, der Kohleausstieg ist eigentlich beschlossene Sache. Weiß Herr Scholz denn darüber Bescheid, was Herr Lindner darüber gesagt hat? Wurde das schon thematisiert oder muss Herr Scholz das ähnlich wie beim Thema Atomkraft in die eigene Hand nehmen?

Keller (BMF)

Ich bitte um Ihr Verständnis, dass ich nur auf die gestrigen Interviewäußerungen verweisen kann.

StS Hebestreit

Geltende Rechtslage ist, dass die Bundesrepublik Deutschland bis spätestens 2038 aus der Kohleverstromung aussteigen wird. Wenn man das ändern will, müsste man ein Gesetz ändern.

Frage

Herr Keller, der Kohleausstieg im Westen 2030 ist ja bereits beschlossen worden. Das ist geltende Rechtslage. Es geht jetzt um den Kohleausstieg im Osten. Was meint denn der Finanzminister?

Herr Wagner, wie bewertet das BMWK die Aussagen des Finanzministers?

Keller (BMF)

Ich habe, wie gesagt, den Äußerungen des Bundesfinanzministers nichts hinzuzufügen.

Wagner (AA)

Ich kann von dieser Stelle die Aussagen des Bundesfinanzministers auch nicht bewerten. Das steht mir auch nicht zu.

Ich kann nur ganz allgemein zur Einordnung ergänzend zu dem, was der Regierungssprecher gesagt hat, sagen, dass der aktuelle Koalitionsvertrag vorsieht, dass der Kohleausstieg idealerweise bis auf das Jahr 2030 vorgezogen werden soll. Daran arbeitet die Bundesregierung, insbesondere natürlich das federführende Bundeswirtschafts- und Klimaschutzministerium. Der ganze Prozess eines vorgezogenen Kohleausstiegs – das galt schon nach dem Kohlverstromungsbeendigungsgesetz und gilt auch für den Kohleausstieg 2038 – ist natürlich in regelmäßig vorgesehene Überprüfungen eingebettet, die die Versorgungssicherheit und Realisierbarkeit in den Blick nehmen. Dieses dauernde Monitoring findet statt und stellt auch sicher, dass unsere Ziele am Schluss erreicht werden können.

Frage

Eine Frage an Herrn Wagner, gegebenenfalls an das Bundesumweltministerium: Waren denn dem Ministerium die Gedanken, die im Kopf des Bundesfinanzministers Raum gewonnen haben, im Vorfeld bekannt, oder hat Sie das jetzt überrascht?

Wagner (AA)

Ich weiß nicht, ob die Kollegin dazu noch etwas sagen möchte. Ich habe schon zu Anfang gesagt, dass ich an dieser Stelle die Äußerungen des Bundesfinanzministers nicht kommentieren will. Ich habe auch auf den Koalitionsvertrag Bezug genommen. Mehr kann ich an dieser Stelle dazu nicht sagen.

Throm (BMUV)

Dem schließe ich mich an.

Frage

Herr Hebestreit, Sie haben darauf hingewiesen, dass der Ausstieg 2038 Gesetz sei. Die Wortwahl des Ministers, war, glaube ich, dass man sich von solchen Träumen verabschieden müsse. Das ist eine ungewöhnliche Bezeichnung für geltendes Recht. Das ist ja im Grunde eine Diskreditierung der Bedeutung geltenden Rechts. Akzeptiert der Bundeskanzler das?

StS Hebestreit

Ich würde mir Ihre Wertung nicht zu eigen machen. Ich halte es genau wie die Kollegen, die eben schon zu diesem Thema gefragt wurden, dass wir uns nicht zu den ‑ ‑ ‑ Sie müssen mit dem Bundesfinanzminister oder dem FDP-Parteivorsitzenden direkt sprechen und ihn dazu befragen. Wir haben dazu von dieser Stelle nichts beizutragen.

Zusatzfrage

Dann darf ich das Wirtschaftsministerium fragen: Zur Begründung seiner Position hatte der Bundesfinanzminister gesagt, selbst eine Einsparung von Kohle-Co2 in Deutschland würde nichts bringen, weil das ja dann durch vermehrten Ausstoß zum Beispiel in Polen sozusagen negativ kompensiert würde. Stimmen Sie dieser Einschätzung fachlich-sachlich zu?

Wagner (AA)

Mir liegen die Aussagen des Bundesfinanzministers im Wortlaut nicht vor. Deswegen muss ich noch einmal darauf verweisen, dass ich sie gar nicht kommentieren kann. Was ich aber machen kann, ist ein Hinweis darauf, wie im europäischen Emissionshandel insbesondere mit Emissionen umgegangen wird, die teilweise stillgelegt werden. Das ist natürlich ein Teil des Kohleausstiegs. Dort gibt es einen Mechanismus – das ist die sogenannte Marktstabilitätsreserve ‑, der dafür sorgt, dass sozusagen überschüssige Zertifikate automatisch vom Markt genommen werden. Diese haben einen dämpfenden Effekt und sollen genau das verhindern, dass also in einem Land freigewordene Zertifikate in anderen Ländern klimawirksam sind. Den Mechanismus gibt es bisher schon. Er soll jetzt noch wirksamer werden, und damit soll genau diesem Effekt entgegengewirkt werden.

Frage

Ich wollte einfach nur fragen ‑ es gab heute eine Kabinettssitzung ‑, ob sich der Bundeskanzler und der Bundesfinanzminister überhaupt zu dieser Thematik ausgetauscht haben. Es gab ja eine entsprechende Vorrunde.

Wie passt dieses neue Konfliktthema zum angekündigten Schalldämpfer der Koalition?

StS Hebestreit

Das hat heute im Kabinett keinerlei Rolle gespielt. Ich habe auch zu den Äußerungen das gesagt, was ich zu sagen hatte. Das sind Äußerungen im politischen Raum. Wenn es dazu Initiativen gibt, muss man darüber diskutieren. Bisher gibt es eine Interviewäußerung. Wenn man sich die Wortwahl genau anguckt, hat er, glaube ich, gesagt, 2030, das seien Träume. Vielleicht hilft das ein bisschen auf die Spur. Aber wie gesagt: Das sind bisher Interviewäußerungen. Man muss auch sehen, wie das geht.

Sie wissen, dass wir intensiv dabei sind, die Energieversorgung in Deutschland umzustellen und so schnell wie möglich klimaneutral zu werden. Das ist nicht ganz einfach. Wir haben auf die Kohle aufgrund des russischen Überfalls auf die Ukraine und der Unterbrechung der russischen Gaslieferungen nach Deutschland zurückgreifen müssen. Wir haben versucht, das mit LNG-Terminals und dem Einkauf von Liquefied Natural Gas zu kompensieren. Streckenweise sind auch wieder Kohlekraftwerke ans Netz gegangen, die eigentlich schon abgeschaltet waren und sich in der strategischen Reserve befunden haben. Insofern sehen Sie, dass wir da einerseits ganz pragmatisch herangehen. Andererseits – das hat der Kollege Wagner deutlich gemacht – ist das alles im Rahmen der europäischen Emissionsrichtlinie bzw. des ETS. Auch da gilt: Wenn man mehr verschmutzt – in Anführungszeichen –, muss man mehr Verschmutzungsrechte erwerben. Das ist deutlich teurer. Insofern haben wir alle ein großes Interesse daran, möglichst schnell unseren Umstieg auf erneuerbare Energien zu schaffen. Beim Strom ist das Ziel, bis 2030 bei einer höheren Grundstrommenge 80 Prozent aus erneuerbaren Energien zu schaffen. Daran arbeiten wir alle, auch der Bundesfinanzminister, mit Hochdruck.

Frage

Zwei Fragen an das BMI:

Eine Frage, die schon einmal am Montag gestellt wurde, zum Stichwort Betätigungsverbote für die Hamas und den Verein Samidoun. Können Sie bestätigen, dass das möglicherweise in der kommenden Woche kommen soll, oder ist das weiterhin offen? Was sind die Probleme, die dahinterstecken?

Die zweite Frage ist eine Terminfrage zum Stichwort Deutsche Islam Konferenz: Wann ist die nächste Sitzung geplant? Wird die Bundesinnenministerin daran teilnehmen?

Dr. Kock (BMI)

Zu Ihrer ersten Frage: Es gibt keine Probleme. Die Ministerin hat sich gestern dazu geäußert und hat gesagt: in den nächsten Tagen. Ich kann Ihnen von hier aus sagen: Es wird sehr, sehr bald sein. Und Sie werden es erfahren.

Was die Deutsche Islam Konferenz angeht, meine ich, dass diese für den 20./21. November geplant ist. Soweit ich informiert bin, plant die Ministerin, zumindest teilweise teilzunehmen. Aber bitte nageln Sie mich da nicht fest. Der Kalender der Ministerin ist manchmal etwas volatil.

Frage

Herr Fischer, es geht um die Lage in Pakistan. Es ist quasi eine Massenabschiebung von afghanischen Flüchtlingen angedroht. Tausende von afghanischen Flüchtlingen sind in ihr Heimatland zurückgekehrt. Wie bewerten Sie diese Lage?

Haben Sie Kenntnis davon, wie viele frühere deutsche Ortskräfte noch in Pakistan sind, die betroffen sind bzw. eine Aufnahmezusage für Deutschland haben?

Fischer (AA)

Wir betrachten die angekündigten Abschiebungen mit Sorge, insbesondere im Hinblick auf die bereits jetzt schon katastrophale humanitäre Lage in Afghanistan, die sich durch den sich einsetzenden Winter noch einmal verstärken wird. Vor diesem Hintergrund haben wir als Auswärtiges Amt dem UNHCR 2023 für humanitäre Hilfe in Afghanistan und den Nachbarländern bisher 20 Millionen Euro an Unterstützung in Aussicht gestellt. Damit werden afghanische Binnenvertriebene, Flüchtlinge, aber auch Rückkehrende unterstützt.

Sie wissen, dass die Menschenrechtslage in Afghanistan uns in den letzten Jahren immer große Sorge gemacht hat, insbesondere nach der Machtübernahme der Taliban, und dass viele Afghaninnen und Afghanen seit 2021, also seit dem Fall von Kabul, Schutz in Pakistan gesucht haben. Wir befinden uns über das Thema in einem ständigen Austausch mit der pakistanischen Seite. Wir befinden uns auch in einem engen Austausch mit den pakistanischen Behörden mit Blick auf möglicherweise betroffene Afghaninnen und Afghanen aus dem Bundesaufnahmeprogramm, die wir bei ihrer Ausreise aus Pakistan unterstützen. Die pakistanischen Behörden haben uns gegenüber bestätigt, dass Personen, die für das Aufnahmeprogramm eines Drittstaats vorgesehen sind ‑ also die Fallgruppe, die Sie angesprochen haben ‑, von Ausweisungen ausgenommen sein werden.

Frage

Eine Frage zum Erdoğan-Besuch an Herrn Hebestreit. Im Gespräch war der 18. November. Das war aber noch nicht ganz klar. Gibt es mittlerweile ein konkretes Datum?

Es gibt nun einige Stimmen, die sagen, man dürfe sich angesichts seiner Aussagen zur Hamas mit ihm jetzt eigentlich nicht treffen. Gibt es Fragen, die noch im Raum stehen? Steht der ganze Besuch jetzt noch im Raum oder wurde infrage gestellt?

StS Hebestreit

Grundsätzlich: Über die Termine des Bundeskanzlers, auch Treffen mit Staats- oder Regierungschefs, die er möglicherweise hat, informieren wir immer rechtzeitig am Freitag der Vorwoche.

Zusatzfrage

Es wurden jetzt Stimmen laut, dass er die Hamas als Friedens- oder Freiheitskämpfer bezeichnet hat. Daher die Fragestellung, ob man ihn überhaupt einladen sollte.

StS Hebestreit

Ich glaube, unsere Position und auch, dass wir eine andere Position haben, ist deutlich hinterlegt und spielt bei dieser Frage gar keine Rolle. Aber noch einmal: Über einen möglichen Besuch von Präsident Erdoğan in Deutschland kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt von dieser Stelle nichts mitteilen.

Frage

Herr Hebestreit, es ist ja interessant, dass am selben Tag in Berlin das Freundschaftsspiel zwischen Deutschland und der Türkei stattfindet.

StS Hebestreit

Welchen Tag meinen Sie?

Zusatzfrage

Den 18. November.

StS Hebestreit

Ich habe vom 18. November an dieser Stelle nichts gesagt.

Zusatzfrage

Es gibt Berichte, dass Herr Erdoğan nicht nur in Berlin sein wird, sondern auch im Stadion. Wissen Sie etwas davon? Wird der Kanzler im Stadion sein?

StS Hebestreit

Davon weiß ich nichts. Ich bleibe am Anfang dieses wunderbaren Austausches: Über mögliche Termine des Bundeskanzlers informieren wir immer am Freitag der Vorwoche. Und so halten wir es auch in einem solchen Fall. Es ist noch nicht Freitag.

Zusatzfrage

Müsste der türkische Präsident auf deutscher Seite anmelden, dass er zum Beispiel bei diesem Fußballspiel dabei sein wird? Es sind ja Sicherheitsfragen betroffen.

StS Hebestreit

Sie müssten dann die örtlichen Behörden fragen, die für die Sicherheit in Stadien und Ähnlichem zuständig sind.

Frage

Herr Hebestreit, ganz anderes Thema. Es geht um die gestrige Aktion der „Letzten Generation“, die das Kanzleramt mit Farbe besprüht hat und den Slogan „Olaf lügt“ aufgepinselt hat. Wie bewerten Sie diese Aktion? Wie hoch ist der Schaden? Ist er schon behoben worden?

StS Hebestreit

Eine Bewertung entzieht sich mir da. Ich habe wahrgenommen, dass es das gegeben hat. Das wurde von Kräften der Berliner Polizei unterbunden. Ich gehe davon aus – ein Blick aus dem Fenster würde uns vielleicht allen helfen ‑, dass das relativ schnell übermalt worden ist. Ansonsten hat wenigstens niemand im Stau gestanden.

Frage

Die Kritik der Aktivisten war ja, dass der Kanzler behauptet hat, dass die Maßnahmen der Regierung gegen die Klimakatastrophe ausreichend seien. Das ist laut den Wissenschaftlern nachweislich nicht so. Haben die Aktivisten mit der Aktion recht?

StS Hebestreit

Bei aller Freude über unseren Austausch wollte ich die Propaganda oder was die „Letzte Generation“ mit ihren Maßnahmen tut, die ja nicht wahnsinnig viel Rückhalt in der Öffentlichkeit findet, jetzt nicht noch dadurch adeln, dass ich mich hier damit auseinandersetze. Ich glaube, das entbehrt jeder Grundlage. Solche Verfahren oder Vorgehensweisen gibt es in der Demokratie. Es ist auch okay, dass es sie gibt. Sie sind strafbar und werden bestraft werden – und gut ist.

Zusatzfrage

Ich hatte inhaltlich gefragt. Bleibt der Kanzler bei dieser Behauptung, dass die Maßnahmen der Regierung gegen die Klimakatastrophe ausreichend seien?

StS Hebestreit

Jetzt muss ich aus der langen Reihe der BPK-Bullshitbingos sagen: Ich habe gesagt, was ich gesagt habe, und bleibe dabei.

Vorsitzende Buschow

Bevor Sie alle aufspringen, hat das BMI noch eine Korrektur.

Dr. Kock (BMI)

Die Kolleginnen und Kollegen haben sehr, sehr aufmerksam zugehört: Die Deutsche Islam Konferenz wird am 21. und 22. November stattfinden. Die Teilnahme der Ministerin ist vorgesehen.